Kitabı oku: «Seeabenteuer und Schiffsbrüche», sayfa 8
Die Mörderbai
1
Auf der andern Seite des Erdballs, gerade unter Frankreich, liegt in dem großen australischen Ozean ein Land, das ungefähr die Größe Frankreichs und die Gestalt Italiens hat und durch eine Meerenge in zwei ungleiche Inseln getheilt,wird.
Dies ist Neu-Seeland, im Jahre 1642 durch Abel Jansen Tasman entdeckt und von ihm Staatenland genannt, welchen Namen es später abgelegt hat, um den von Neu-Seeland anzunehmen.
Tasman betrat dieses Land nicht. Er fuhr durch die Meerenge, welche die beiden Inseln trennt, ging in einer Bai vor Anker, wurde aber zwei Stunden darauf von den Eingeborenen angegriffen, und gab ihr deshalb den Namen der »Mörderbai« den sie bis auf den heutigen Tag behalten hat.
Länger als ein Jahrhundert blieb dieses Land unerforscht und man nannte es daher: Terra auetralis incognita. Es war für die Seefahrer etwas Aehnliches wie die Atlantides, von der Plato spricht, ein Land, wie das der Fee Morgana, welches verschwindet, wenn man sich ihm nähert.
Am 7. October 1769 fand Cook es wieder und erkannte es sowohl an seinen Bewohnern als auch an einer Karte, welche Tasman davon hinterlassen hatte.
Sein Verkehr mit den Eingeborenen war nicht freundschaftlicher als der, welchen der holländische Seefahrer hundert sechsundzwanzig Jahre früher mit ihnen gepflogen hatte. Die Neuseeländer versuchten es, die Matrosen des »Endeavour« zu entführen und diese erschossen ungefähr ein Dutzend von ihnen. Da Cook, nachdem er bei Dika—Na—Mavy, der nördlicher liegenden von beiden Inseln, angelegt, weder im Guten noch mit Gewalt die Gegenstände, deren er bedurfte, hatte erlangen können, nannte er die Bai, in der er vor Anker gegangen war, die »Armuthsbai.«
Diese beiden Namen waren für andere Seefahrer eben nicht ermuthigend.
Einen Monat nach dem Kapitain Cook kam ein französischer Kapitain, Namens Surville, nach Neu-Seeland.
Dieser wurde im Angesicht der Küste von einem heftigen Sturme überfallen und verlor dabei ein Boot, welches am Hintertheile des Schiffes angebunden war. Als der Sturm sich gelegt hatte, entdeckte er mit dem Fernrohre sein Boot in einer kleinen Bucht, wo es auf den Strand gezogen war.
Sogleich setzte er ein anderes Boot aus, um das andere zu holen; die Insulaner aber erriethen den Zweck dieser Sendung und verbargen das Fahrzeug so gut, daß Surville's Leute es nicht finden konnten.
Wüthend über diesen Verlust, winkte Surville einigen Wilden, die in der Nähe waren, an Bord zu kommen.
Einer von ihnen folgte der Aufforderung und kam auf das Schiff; es war unglücklicherweise ein großer Häuptling, Namens Nanqui—Noui, und obgleich er einige Tage vorher dem Kapitain wichtige Dienste geleistet, indem er seine Kranken aufgenommen und sie mit eben so großer Humanität als Uneigennützigkeit behandelt hatte, erklärte ihm Surville, daß er sein Gefangener sei.
Außerdem schoß er nicht nur alle Piroguen, die er erreichen konnte, in den Grund, sondern verbrannte auch alle Dörfer an der Küste.
Dann verließ er Neuseeland und nahm, seiner Drohung gemäß, Nanqui-Noui mit sich, der vier Monate nach der Abreise, am 12. März 1770, unterwegs vor Gram starb.
Die so von Cook und Surville gemißhandelten Neuseeländer hatten sich nun vorgenommen, an den ersten europäischen Schiffen, die sich wieder in einem ihrer Häfen blicken ließen, grausame Rache auszuüben.
Diese Schiffe waren der »Mascarin« und der »Castries«, welche unter den Befehlen des Kapitains Marion, eines Offiziers der französisch-ostindischen Compagnie, standen und von Van-Diemensland kamen.
Marion wußte nicht, was bei Surville's Anwesenheit vorgefallen war, und überdies war die ganze Küste, welche nur Cook drei Jahre zuvor erforscht hatte, noch unbekannt.
Am 16. April 1772 war er auf einer schlechten Rhede der Insel Dika-Na-Mavy, dem nördlichen Theile von Neuseeland, vor Anker gegangen.
Da aber die Schiffe in der folgenden Nacht durch einen plötzlich sich erhebenden Sturm fast an die Küste geworfen wurden, gingen sie so eilig wieder unter Segel, daß sie ihre Anker zurücklassen mußten, und sie nahmen sich vor, dieselben später zu holen.
Am 26. April kehrten sie in der That zurück, und am darauf folgenden 3. Mai ankerten sie in der Inselbai bei dem von Cook angegebenen Cap Brett.
Kaum lagen sie vor Anker, so erblickten sie drei Piroguen, welche heran ruderten. Es ging ein sanfter Wind und das Meer war wunderschön. Alle Matrosen hatten sich auf dem Verdeck versammelt und betrachteten neugierig diese Bewohner eines neuen Welttheils, der erste seit drei Jahren entdeckt war.
Auf der einen Pirogue befanden sich neun Mann. Diese näherten sich dem Schiffe. Der Kapitain schickte den neun Wilden einige Kleinigkeiten und ließ sie zugleich einladen, an Bord zu kommen.
Sie waren einen Augenblick unschlüssig; dann schienen sie sich überreden zu lassen.
Nach einigen Minuten kamen sie in der That auf das Schiff.
Der Kapitain empfing sie freundlich, führte sie in seine Kajüte und ließ ihnen Brot und Getränke vorsetzen.
Das Brot aßen sie mit ziemlichem Wohlbehagen aber erst nachdem der Kapitain Marion etwas davon genossen hatte.
Die Getränke dagegen kosteten sie, gegen die Gewohnheit anderer Wilden der Südsee, nur mit Widerwillen und Einige spuckten sie sogar wieder aus.
Dann zeigte man ihnen Aexte, Messer und kleine Beile.
Von diesen Gegenständen schienen die Beile ihnen am besten zu gefallen. Sie nahmen einige davon und deuteten durch Geberden, die sie damit machten an, daß sie den Gebrauch derselben kannten.
Man machte sie ihnen zum Geschenk. Dann wurden noch andere Dinge herbeigebracht, von denen zu vermuthen war, daß sie ihnen angenehm sein würden, unter andern Hosen und Hemden, die sie aber nur sehr gleichgültig annahmen, um den Kapitain nicht zu beleidigen.
Endlich stiegen sie, mit den Hemden und Hosen bekleidet, wieder in die Pirogue, kehrten zu den beiden andern Booten zurück, schienen den darauf Befindlichen zu erzählen, welcher freundliche Empfang ihnen zu Theil geworden war, zeigten 'ihnen die erhaltenen Geschenke und forderten sie auf, das Schiff ebenfalls zu besuchen.
Nach einer kurzen Berathung entschlossen sich die anderen Wilden dazu, und während die ersten an's Land zurückfuhren, näherten sie sich den Schiffen und kamen an Bord des »Mascarin.«
Während sie auf's Verdeck stiegen, warf der Kapitain Marion noch einen Blick auf die an's Land zurückrudernden Piroguen; die darin befindlichen neun Wilden hielten an, um ihre Hemden und Hosen auszuziehen und nachdem sie diese in einem Winkel des Fahrzeugs verborgen hatten, setzten sie ihren Weg fort.
Der Kapitain kümmerte sich nun weiter nicht um sie und schenkte seine ganze Aufmerksamkeit den Neu angekommenen.
Sie waren ihrer zehn bis zwölf, darunter ein Häuptling. Dieser maß ungefähr fünf Fuß fünf Zoll und war dreißig bis zweiunddreißig Jahre alt und von ziemlich wohlgebildeter Gestalt. Sein Gesicht war mit Zeichnungen tätowiert, deren mit einander verschlungenen Linien den Zügen und Schnörkeln glichen, die unsere Schreibkünstler zuweilen mit der Feder machen; sie trugen knöcherne Ringe in den Ohren, halten schwarze Haare, welche nach chinesischer Art auf dem Scheitel zusammengebunden und deren Büschel mit zwei Federn verziert waren.
Die Bekleidung bestand aus einem kurzen Weiberrocke, der nicht weit über die Hüften und nicht ganz bis an die Kniee reichte.
Dieser Rock, wie auch der Mantel, den sie über den Schultern trugen, war von einem in Frankreich unbekannten, weichen und zugleich festen Stoffe, mit einem Saume von anderer Farbe eingefaßt und mit Zeichnungen verziert, wie man sie auf etruskischen Gewändern findet.
Seine Waffen bestanden aus einer prächtigen Keule von Jadestein, die er am Gürtel trug, und einer langen Lanze, die er in der Hand hatte.
Sein Geschmeide bildeten die schon erwähnten Ohrringe und eine Halsschmuck von Fischzähnen.
Ein dünner Bart von borstigen Haaren verlängerte sein Kinn dergestalt, daß es in eine seine Spitze auslief, wie ein Malerpinsel.
Noch ehe Jemand eine Frage an ihn gerichtet hatte, nannte er seinen Namen, als ob dieser bis in die entferntesten Welttheile gedrungen und auch dem Kapitain Marion bekannt sein müßte.
Er hieß Takuri, das heißt: der Hund.
Der Kapitain hätte sehr gern einige Worte mit den Insulanern gesprochen; aber Niemand konnte die Sprache dieses Landes verstehen, das zwar schon vor länger als hundert Jahren entdeckt, aber erst seit kaum drei Jahren genauer bekannt war.
Zum Glück kam der Lieutnant Crozet auf die Idee, ein Vokabelbuch der taitischen Sprache von Herrn von Bouquainville aus der Bibliothek des Kapitains heraufzuholen. Bei den ersten Worten, die er aussprach, horchten die Wilden auf; die beiden Sprachen waren einander fast gleich.
Von nun an konnte man sich verständlich machen, und der Kapitain Marion hoffte mit den Eingeborenen in freundschaftlichen Verkehr zu treten.
Wie um ihn in dieser Hoffnung zu bestärken, blieben fünf oder sechs Wilde, ohne aufgefordert worden zu sein, freiwillig auf dem Schiffe, während die Piroguen mit mehreren kleinen Geschenken an's Land zurückkehrten, da der Wind sich stärker erhoben hatte.
Unter den Zurückbleibenden befand sich auch der Häuptling Takuri.
Wenn man bedenkt, welche Pläne dieser Mann schon jetzt im Sinne hatte, so muß man gestehen, daß er, besonders nach dem, was vor zwei Jahren mit Surville vorgefallen war, eine seltene Charakterstärke besitzen mußte, um sich Leuten anzuvertrauen, die er als seine Feinde betrachtete und denen er nur deshalb ein solches Vertrauen bewies, um das nämliche Vertrauen in ihnen zu erwecken und sich dann in einem günstigen Augenblicke an ihnen rächen zu können.
Die Wilden aßen am Abend mit am Tische des Kapitains, kosten mit sichtbarem Appetit von allen Speisen, tranken aber weder Wein noch Likör und schliefen dann anscheinend ganz ruhig in den Betten, die man für sie in der großen Kajüte aufgeschlagen hatte.
Am folgenden Morgen lavirte das Schiff an der Küste umher.
Dieses Manöver schien die Eingeborenen sehr zu beunruhigen, da sie sich die Bedeutung desselben nicht erklären konnten. So oft das Schiff sich von der Küste entfernte, trat ungeachtet Takuri's Selbstbeherrschung eine Wolke des Unmuths auf seine Stirn; als er aber sah, daß es jedes Mal wieder wendete und zurückkehrte, schien er sich nach und nach zu beruhigen.
Am 4. Mai ging man zwischen den Inseln wieder vor Anker. Takuri benutzte eine vorübergehende Pirogue, um an's Land zurückzukehren und versprach, seinen Besuch bald zu wiederholen.
Nachdem er noch einige Geschenke erhalten hatte, fuhr er fort.
Der Kapitain Marion verweilte bis zum 11. auf der Rhede; mochte der Ankergrund nicht gut sein, oder konnten ihm die felsigen Inseln nicht diejenigen Gegenstände liefern, deren er bedurfte, kurz, er ging wieder unter Segel und lief in den von Cook angegebenen Inselhafen ein, wo er sich vor Anker legte.
Am folgenden Tage ließ er bei herrlichem Wetter eine Insel untersuchen, die im Hafen selbst lag, und da man auf derselben Waffen Holz und eine leicht zugängliche kleine Bucht fand, ließ er Zelte daselbst aufschlagen, die Kranken darin unterbringen und einen starken Wachtposten errichten. In der Nähe des Orts, wo der Wachtposten sich befand, lag ein Dorf.
Diese Insel ist die nämliche, welche Crozet in seiner Erzählung der nun folgenden Ereignisse Motu-Aro nannte und welche Dumont-d'Urville später mit dem Namen Motu-Rua bezeichnet, was ohne Zweifel nur eine Verbesserung der Aussprache war.
Die Nachricht von der gastfreundlichen Aufnahme, welche die Wilden am Bord der französischen Schiffe gefunden, hatte sich an der ganzen Küste verbreitet.
Kaum waren sie daher vor Anker gegangen, so sah man von allen Punkten des Ufers mit Fischen beladene Piroguen abstoßen.
Die Neuseeländer gaben zu verstehen, daß sie, um den weißen Männern angenehm zu sein, Fische gefangen hätten.
In Folge dieser guten Absicht wurden sie noch freundlicher aufgenommen als das erste Mal.
Als es dunkel wurde, entfernten sie sich wieder und ließen abermals mehrere von den Ihrigen an Bord zurück.
Die Nacht verging im besten Einvernehmen zwischen den Wilden und den Matrosen.
Am folgenden Tage wurde der Zulauf noch stärker.
Die beiden Schiffe waren bald von zehn bis zwölf Piroguen umgeben, welche abermals Fische mitbrachten; diesmal aber waren die Wilden unbewaffnet und von ihren Frauen und Kindern begleitet. Es hatte sich ein förmlicher Tauschhandel eingerichtet. Die Neuseeländer gaben Fische und erhielten dafür von den Matrosen kleine Glaswaaren und Nägel.
In den ersten Tagen begnügten sich die Leute mit alten Nägeln von zwei bis drei Zoll Länge; bald aber wurden sie anspruchsvoller und verlangten neue Nägel von vier bis fünf Zoll Länge. Zur Zeit der Anwesenheit des Kapitains Cook hatten sie den Gebrauch des Eisens kennen gelernt, und sobald sie daher einen großen Nagel hatten, brachten sie ihn dem Schlosser oder dem Waffenschmied, um ihn mit dem Hammer breit schlagen und dann auf dem Schleifsteine schärfen zu lassen, so daß er eine Art Meißel wurde. Um diese Arbeit bezahlen zu können, behielten sie immer einige kleine Fische zurück, die sie dann dem Schlosser, dem Schwertfeger oder auch dem Matrosen, der ihnen den genannten Dienst leistete, zum Geschenk machten.
Die Besuche wurden nach und nach so zahlreich, daß jedes der beiden Schiffe oft hundert und mehr Wilde am Bord hatte. Sie berührten und betrachteten Alles; da aber der Kapitain die strengste Aufsicht anbefohlen hatte, konnten sie nicht stehlen.
Am meisten interessierten sie die Flinten und Kanonen, obgleich sie sich nach Möglichkeit bemühten, es sich nicht merken zu lassen. Der Kapitain hatte jedoch Befehl gegeben, daß von keiner Feuerwaffe in ihrer Anwesenheit Gebrauch gemacht werden sollte, damit der Eindruck derselben vorkommenden Falls um so größer sei. Da aber vor drei Jahren von Cook und dann von Surville mehrere Insulaner erschossen worden waren, da sie bereits die Wirkung der Flinten und Kanonen kennen gelernt hatten, ohne sich die Ursache erklären zu können, so erregten die jetzt stummen Donnerwerkzeuge ihre Neugierde im höchsten Grade.
Uebrigens aber beobachteten sie der Mannschaft der beiden Schiffe gegenüber das Verstellungssystem ihres Häuptlings Takuri, der mehrere Mal an Bord gekommen war, und sie zeigten sich in Folge dessen sorglos, freundlich und einschmeichelnd.
Die verheiratheten Frauen trugen eine Art Binsengeflecht auf dem Kopfe; bei den Mädchen dagegen fiel das Haar in voller Freiheit über die Schultern herab.
Die Frauen und Töchter des Häuptlings waren außerdem an Federn kenntlich, die sie, wie ihre Gatten und Väter, in dem auf dem Scheitel zusammengebundenen Harrbüschel trugen.
2.
Takuri
Der Verkehr zwischen den Neuseeländern und den Mannschaften der beiden Schiffe wurde mit jedem Tage lebhafter und freundschaftlicher, und der Kapitain Marion schenkte ihnen nach und nach volles Vertrauen, obgleich sich sein Lieutnant Crozet sowie der Kapitain des »Castries,« Duclesmeur, zuweilen eine warnende Bemerkung erlaubten.
Wie hätte man in der That auch Mißtrauen hegen können?
Takuri, der Häuptling aller Dörfer, welche auf dem Theile der Insel lagen, wo man Anker getroffen, hatte dem Kapitain Marion seinen Sohn, einen schönen Jüngling von fünfzehn bis sechzehn Jahren, vorgestellt und ihm sogar erlaubt, eine Nacht an Bord des. »Mascarin« zuzubringen.
Drei von Marions Sklaven waren in einer Pirogue desertiert, welche unterwegs umschlug.
Einer ertrank, die beiden Anderen erreichten schwimmend das Land. Takuri ließ die beiden Sklaven einfangen und brachte sie dem Kapitain selbst zurück.
Eines Tages hatte sich ein Wilder durch eine Stückpforte in die Constabelkammer geschlichen und einen Säbel gestohlen; der Diebstahl wurde bemerkt, der Dieb festgehalten, dem Häuptlinge Takuri denunziert, und dieser befahl, daß er in Eisen gelegt werden sollte, wie die Matrosen, wenn sie ein schweres Verbrechen begangen hätten. Mit dieser Genugthuung war Marion so zufrieden, daß er den Wilden ohne andere Strafe als die Angst, die er bei seiner Verurtheilung ausgestanden hatte, wieder in Freiheit setzen ließ.
Da Takuri ihn fortwährend bat, an's Land zu kommen, hielt es der Kapitain, der ohnehin Reservemaste brauchte, für grundlosen Kleinmuth, die Gutwilligkeit der Eingeborenen nicht zu benutzen.
Eines Morgens begab er sich daher in Folge einer abermaligen Einladung von Seiten des Häuptlings an's Land. Es waren indessen keine Vorsichtsmaßregeln versäumt worden; die stark bemannte Schaluppe nahm ein Detachement Soldaten mit und der Kapitain ließ sich von seinem Lieutnant Crozet begleiten.
Auf diesem ersten Ausfluge besuchte man die ganze Küste der Bai und fand auf einem verhältnismäßig kleinen Raume etwa zwanzig Dörfer, von denen jedes zwei bis vierhundert Einwohner hatte.
Sobald übrigens die Franzosen am Lande erschienen, verließen die Eingeborenen Männer Weiber, Kinder und Greife, ihre Hütten und kamen herbei, um sie zu bewillkommnen. Es wurden nun zuerst, wie auf den Schiffen, kleine Geschenke unter sie vertheilt. Dann gab man ihnen zu verstehen, daß man Holz brauche, worauf Takuri und die anderen Häuptlinge den Kapitain baten, mit ihnen zu kommen, und dann die kleine Truppe etwa zwei Lieues in's Innere des Landes bis an den Saum eines prächtigen Cedernwaldes führten, in welchem die Offiziere sogleich diejenigen Bäume auswählten, die sie brauchen konnten.
An dem nämlichen Tage noch gingen zwei Drittel der Mannschaft an's Werk. um nicht nur die Bäume zu fällen, sondern auch einen Weg über drei Hügel und einen Sumpf zu bahnen, welche passirt werden mußten, um die Stämme an's Ufer zu transportiren.
Außerdem wurden am Ufer Bretterbuden gebaut in der Nähe des Orts, der zum Zimmerplatze gewählt worden war. Diese Buden bildeten eine Art Zwischenstation, welche die Schaluppen der beiden Schiffe täglich mit Lebensmitteln für die Arbeiter versahen.
Es waren also im Ganzen drei Posten am Rinde errichtet. Der eine befand sich auf der im Hafen gelegenen Insel und enthielt außer dem Lazareth die Schmiedewerkstätte, in welcher die eisernen Reifen für die Mailen und für die Fässer, welche neu bereift werden sollten, verfertigt wurden.
Dieser Pollen wurde von zehn wohl bewaffneten Matrosen unter dem Commando eines Offiziere vertheidigt, welche nöthigenfalls noch durch die Schiffsärzte verstärkt werden konnten.
Der zweite Posten war, wie gesagt, auf dem Festlande in der Gegend errichtet, wo die zwanzig Dörfer lagen, von denen wir gesprochen haben. Er war anderthalb Lieues von den Schiffen entfernt und bildete das Verbindungsglied zwischen diesen und den Arbeitern, welche Bäume fällten.
Der dritte endlich war der Zimmerplatz, zwei Lieues weiterhin am Saume des Cederwaldes.
Jedem dieser Posten waren wie dem ersten ungefähr zehn Mann mit einem Offizier zur eventuellen Vertheidigung beigegeben.
Die Wilden mischten sich beständig unter die Franzosen und besuchten die Posten eben so vertrauensvoll wie die Schiffe.
Ihre Anwesenheit war übrigens keineswegs eine Belustigung, sondern im Gegentheil eine Hilfe und eine Zerstreuung, denn man hatte nicht nöthig zu fischen und zu jagen, da sie Fische, Wachteln und Tauben in Menge lieferten. Bedurfte Jemand einer Handreichung, so waren sie stets dazu bereit, und da sie kräftig und gewandt waren, warteten die Matrosen nicht immer, bis sie ihre Dienste anboten, sondern nahmen zuweilen ihre Kraft und Geschicklichkeit in Anspruch.
In Folge des guten Einvernehmens machten die jüngeren Leute der Mannschaft täglich Ausflüge in das Innere des Landes. Der Zweck dieser Ausflüge war die Jagd, und häufig auch bloße Neugierde. Die Jäger erlegten Tauben, Wachteln und Enten, zum großen Erstaunen der Eingeborenen, die einen heftigen Knall hörten, über den sie erschraken, und das Thier fallen sahen, ohne sich erklären zu können, von welchem unsichtbaren Geschoß es getroffen war. Wenn die Franzosen auf dem Hin- oder auf dem Rückwege an einen Fluß oder Sumpf kamen, so nahmen die Insulaner sie auf den Rücken und trugen sie wie Kinder hinüber. Am Abend kamen sie wie gewöhnlich sehr spät, von mehreren Wilden begleitet,durch den Wald zurück.
Trotz aller dieser Freundschaftsbezeigungen bewahrten einige von den Offizieren, und namentlich Crozet, ihr anfängliches Mißtrauen. Da ihnen die Besuche von Cook und Surville noch nicht bekannt waren; mußten sie sich an Tasmans Schilderungen halten. Dieser bezeichnete die Neuseeländer als grausam, falsch und rachsüchtig. Er sagte sogar, daß er sie für Menschenfresser halte; diese Behauptung aber betrachtete man für eines von den Märchen, mit denen die Ammen ihre Kinder einwiegen.
Als indessen Marion plötzlich den Befehl gab, daß die Boote, welche zwischen den Schiffen und dem Lande hin und herfuhren, desarmirt werden sollten, bot Crozet Alles auf, um die Widerrufung die des Befehles, den er für eine große Unvorsichtigkeit hielt, zu erlangen; der Kapitain aber wollte von nichts hören, er war von dem Zauber der anscheinenden Freundschaft gefesselt.
Der Kapitain gab sich in der That einer völligen Sorglosigkeit hin es machte ihm außerordentliches Vergnügen, mit den Insulanern zu verkehren; wenn sie auf sein Schiff kamen: waren sie beständig in seinem Zimmer und er unterhielt sich und scherzte mit ihnen, denn mit Hilfe des Vokabelbuches von Bougainville war man nach und nach dahin gelangt, daß man sich ihnen verständlich machen konnte. Die Wilden wußten übrigens sehr gut, daß Marion der Häuptling der Weißen war. Jeden Tag brachten sie ihm einen prächtigen Steinbutt, weil er ihnen gesagt hatte, daß er diesen Fisch besonders gern esse, und so oft er an's Land kam, wurde er mit endlosem Jubel und Freundschaftsbezeigungen empfangen, an denen die ganze Bevölkerung, selbst die Frauen und Kinder, Theil nahmen.
Am zweiten Juni begab sich der Kapitain abermals, wie gewöhnlich an's Land. Er war von einer Anzahl Wilder begleitet, von denen er einige in seinem eigenen Boote mitgenommen hatte, während die 'anderen in ihren Piroguen nebenher fuhren.
An diesem Tage war das Freudengeschrei und der Jubel noch viel größer als sonst. Die Häuptlinge, unter ihnen auch Takuri, versammelten sich und erkannten Marion einstimmig als den obersten Häuptling des ganzen Landes an. Dann putzten sie ihn, die Tätowierung ausgenommen, als solchen auf banden ihm die Haare auf dem Scheitel zusammen und befestigten vier Federn darein zum Zeichen seines hohen Ranges und seiner Suprematie.
Am Abend kehrte er heiterer und vertrauensvoller als je auf sein Schiff zurück.
Der Lieutnant Crozet hatte unter den Eingeborenen, welche auf die Schiffe kamen, oder die er am Lande gewöhnlich sah, einen jungen 'Mann von siebzehn bis achtzehn Jahren lieb gewonnen, der sich durch seine sanften Gesichtszüge und hervorragenden Geistesfähigkeiten auszeichnete. Er besuchte den Lieutnant täglich, und so kam er auch am 11. Juni, war aber diesmal traurig und niedergeschlagen.
Crozet hatte gegen ihn den Wunsch geäußert, Waffen und Werkzeuge von Jadestein zu besitzen, dessen sich die Neuseeländer zur Verfertigung dieser Gegenstände bedienen. Er brachte ihm das Gewünschte und reichte es ihm mit Thränen in den Augen. Crozet wollte ihm wie gewöhnlich, eiserne Werkzeuge und rothe Taschentücher dafür geben, die, wie er wußte, der Gegenstand seiner sehnlichsten Wünsche waren; der junge Mann aber wies sie mit einem wehmüthigen Kopfschütteln zurück. Der Lieutnant wollte ihm nun die Gegenstände, die er mitgebracht hatte, zurückgeben, aber er nahm sie nicht an; der Lieutnant wollte ihm etwas zu, essen geben, aber er verweigerte dies ebenfalls, immer mit dem langsamen und traurigen Kopfschütteln, das Crozet von Anfang an mit Besorgniß an ihm bemerkt hatte. Endlich sah er den Lieutnant noch einmal mit einem unbeschreiblich wehmüthigen Blicke an, als ob er damit für immer von ihm Abschied nehmen wollte, eilte dann aus dem Zimmer auf's Verdeck, stieg in seine Pirogue und verschwand.
Crozet, welcher durch die Traurigkeit seines jungen Freundes, die er noch nie an ihm bemerkt harte, selbst verstimmt worden war, zerbrach sich den Kopf über die Ursache, welche sie veranlaßt haben konnte; aber die wirkliche entging ihm, obgleich er mehrere entdeckt zu haben glaubte.
Am darauf folgenden 12. Juni, um ein Uhr Nachmittags, ließ der Kapitain Marion sein Schiff bemannen, bestieg es mit zwei jungen Offizieren, Namens Lottoux und von Vaudricourt; einem Freiwilligen, und dem Rüstmeister des Schiffes, nebst einigen bewaffneten Matrosen. Die kleine Truppe bestand im Ganzen aus siebzehn Köpfen.
Takuri war mit einem andern Häuptlinge und mehreren Wilden an Bord gekommen und hatte den Kapitain noch freundlicher als je eingeladen, bei ihm Austern zu essen und an dem Punkte der Küste fischen, wo das Dorf lag, welches er bewohnte.
Die Kapitainschaluppe mit den Franzosen und den Wilden fuhr ab.
Am Abend kam Marion nicht zurück.
Dieser Umstand, der Jedermann hätte besorgt machen sollen, weil er seither noch nicht vorgekommen war, erregte nur geringe Verwunderung bei der Mannschaft. Der Verkehr mit den Eingeborenen war so intim und ihre Gastfreundschaft so bekannt, daß Niemand sich wegen des Ausbleibens der Schaluppe Sorge machte. Man glaubte, und dies war sehr leicht möglich, daß Marion am folgenden_ Tage die schon weit vorgerückten Arbeiten in den Werkstätten inspizieren wollte und daß er daher; am Lande übernachtet habe, um am andern Morgen bei guter Zeit nach dem Cedernwalde zu gehen, an dessen Saume sich, wie wir wissen, der dritte Posten befand.
Am nächsten Morgen, den 13. schickte der Kapitain Duclesmeur vom »Castries,« aber keineswegs aus irgend einer Regung von Besorgniß, seine Schaluppe an's Land, um das für den laufenden Bedarf nöthige Wasser und Holz holen zu lassen. Die Kapitains der beiden Schiffe waren übereingekommen, daß jeder von ihnen abwechselnd dieses Geschäft besorgen sollte.
An diesem Tage war der »Castries« an der Reihe.
Um fünf Uhr Morgens ging die Schaluppe ab.
Um neun Uhr, als schon Einige sich zu wundern begannen, daß nicht allein der Kapitain noch nichts von sich hören ließ, sondern daß auch die andre Schaluppe nicht wieder kam, obgleich sie seit anderthalb Stunden hätte' zurück sein können, glaubte ein Matrose einen dunklen Punkt im Meere zu bemerken, der sich lebhaft bewegte. Er zeigte ihn seinen Kameraden, man rief den Lieutnant und dieser erkannte durch sein Fernrohr, daß jener dunkle Punkt ein weißer Mann und folglich ein französischer Matrose oder Offizier war.
Er ließ auf der Stelle ein Boot aussetzen, mit dem Befehl, dem Schimmer so rasch als möglich entgegenzurudern, und dieser wurde noch glücklich in dem Augenblicke aufgenommen, als die Kräfte ihn verließen und er im Begriff war unterzusinken.
Es war ein Matrose von der Schaluppe des »Castries«; erhatte zwei Lanzenstiche in der Seite und aus diesen Wunden so viel Blut verloren, daß er erst nach Verlauf einer Viertelstunde. sprechen konnte, vor der Hand aber durch Zeichen zu verstehen gab, daß augenblicklich Leute an's Land geschickt werden sollten, da seine Kameraden in der größten Gefahr schwebten.
Er wurde dann auf sein Schiff gebracht, denn er gehörte, wie gesagt, zur Mannschaft des »Castries«, und dort erzählte er, daß er mit seinen Kameraden gegen halb sieben Uhr an's Land gestiegen sei, daß die Insulaner sie, wie gewöhnlich, am Ufer unbewaffnet empfangen und mit den gewohnten Freundschaftsbezeigungen überhäuft hätten und daß ihr Jubel sogar geräuschvoller als sonst gewesen sei. Sie hatten es nicht erwarten können, daß die Matrosen an's Land stiegen, waren ihnen im Wasser ein Stück entgegen gekommen und hatten sie auf den Rücken an's Ufer getragen. In dem Augenblicke aber, als die Matrosen hier und da zerstreut mit dem Fällen, Spalten und Zusammenbinden des Holzes beschäftigt gewesen, waren die Wilden mit Lanzen und Keulen bewaffnet zurückgekehrt und hatten sie plötzlich angegriffen.
Alle Maßregeln waren getroffen, daß jeder Matrose in einem Nu von sieben bis acht Wilden umgeben war, gegen die er sich allein vertheidigen mußte. Der Gerettete hatte daher binnen wenigen Minuten zehn Mann fallen sehen. Er selbst war zum Glück nur von drei Insulanern angegriffen worden, es war ihm gelungen, sie einen Augenblick zurückzuschlagen, und diesen Augenblick hatte er benutzt, um zu entfliehen, was er um so eiliger gethan, als er seinen Angreifern vier andere Wilde hatte zu Hilfe kommen sehen, welche, nachdem sie seine Kameraden erschlagen, auch ihn vollends tödten wollten. Er hatte jedoch ungeachtet der zwei Lanzenstiche, die er in die Seite bekommen, Zeit gehabt, eine mit Gebüsch bewachsene Stelle des Ufers zu erreichen, sich indem Gebüsch verborgen und hier, ohne sich zu regen und fast atemlos beobachtet, was ferner geschah.
Er hatte nun mit Entsetzen gesehen, daß die Wilden die Leichen seiner unglücklichen Kameraden auf einen freien Plan schleppten, sie entkleideten, ihnen den Leib aufschlitzten, die Eingeweide herausnahmen und sie in Stücke zerhackten.
Die Frauen und Kinder, welche dieser scheußlichen Operation beiwohnten, fingen in großen Blättern das Blut auf und tranken es oder reichten es den Männern, die es ebenfalls mit Wohlgefallen schlürften, während sie auf den Schiffen den Wein abgelehnt oder wieder ausgespuckt hatten.
Dieser Anblick hatte ihn mit Schauder und Grauen erfüllt, er hatte die Scene nicht länger mit ansehen können und war daher, während die Wilden ganz in diese entsetzliche Arbeit vertieft waren, bis an den Strand gekrochen und in's Meer gesprungen, um wo möglich eines von den Schiffen durch Schwimmen zu erreichen.
Als er erst den vierten Theil der Strecke zurückgelegt hatte, war er bemerkt worden und der »Mascarin« hatte ihm ein Boot entgegen gesandt, um ihn aufzunehmen.
Diese Erzählung machte einen um so schrecklicheren Eindruck, als sie natürlich Grund zu der Vermuthung gab, daß der Kapitain Marion mit seinen sechzehn Begleitern ebenfalls ermordet worden war, wie die Matrosen der Schaluppe.