Kitabı oku: «Eigensinn und Bindung», sayfa 4
Das Programm der Zeitschrift „Hochland“
Der theoretischen Klärung ließ Muth bald Taten folgen. Nach längerer Vorbereitung schritt er im Jahr 1903 zusammen mit dem Erben des Verlages Josef Kösel, Dr. Paul Huber, zur Gründung der anspruchsvollen Kultur- und Literaturzeitschrift „Hochland“. Der Name sollte Programm sein, gab knapp den auf der Titelseite präsentierten Leitgedanken der erstrebten neuen Kulturgemeinde wieder: „Hochland, hohen Geistes Land – Sinn dem Höchsten zugewandt“. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die Monatsschrift zum zweiten führenden Periodikum der katholischen Bildungswelt. Es trat neben die 1838 gegründeten „Historisch-politischen Blätter“, die ebenfalls in München erschienen, indes mit ihrem führenden Redakteur, dem Landshuter Archivar, Parlamentarier und Historiker Joseph Edmund Jörg, tiefer im Bayerischen verankert waren. „Hochland“ wirkte mit seinen essayistischen Artikeln, seinen kurzen und bündigen Literaturbesprechungen, mit den Teildrucken ebenso niveauvoller wie kurzweiliger Novellen, Romanen oder Erzählungen, den eingestreuten Bildern und Illustrationen schwungvoller, lebendiger, offener, gegenwartsbezogener, auch laizistischer und mehr interdisziplinär als das andere, sehr historisch ausgerichtete, politisch ambitionierte, noch stark von geistlichen Federn zehrende Münchener Organ.11 Doch die „Historisch-politischen Blätter“ offerierten grundsolide gearbeitete, hochinformative und gedankenreiche Artikel. Auch sie blickten regelmäßig über die deutschen Grenzen, destillierten allerdings stets unerschrocken, kämpferisch und trennscharf die Gegenpositionen zum Säkularismus oder Antiklerikalismus heraus. Sie fielen mit ihrer anerkannten Existenz und ihrem hohen Standard gewiss nicht unter die Beschreibungen und Verdikte, mit denen Muth sonst seine These von der Inferiorität katholischen Literaturlebens untermauerte.
In den dreißig Jahren freien Wirkens, die ihm beschieden waren, deckte das „Hochland“ ein integrales Spektrum verschiedener Kunst- und Wissensgebiete ab. Der Herausgeber beschaffte sich Informationen und gewann Bekanntschaften gerne aus erster Hand, reiste darum häufig. Seine organisatorische Begabung und vorausschauende Planung ermöglichten es ihm, seine Zeitschrift stets auf der Höhe der Zeit und der aktuellen Diskussion zu halten, allerdings ohne sie zum Diener des Zeitgeistes zu machen. Das Privatunternehmen mit all seinen Chancen und Risiken durch meist unruhige Zeiten zu erhalten und zu lenken war eine große Leistung, die im 21. Jahrhundert ihresgleichen suchen würde. Muth gewann bald Mitarbeiter und Abonnenten in ganz Deutschland und im Ausland. Im Vergleich zu den „Historisch-politischen Blättern“ waren die Artikel kürzer, mehr in Essayform gehalten und häufiger dem literarischen Leben gewidmet.
„Hochland“ öffnete seine Spalten Schriftstellern verschiedener Couleur und Prädisposition wie den Expressionisten Reinhard Johannes Sorge und Hermann Bahr, dem im Schwäbischen verwurzelten Priester-Dichter Peter Dörfler, dem Kulturpädagogen und Romancier Leo Weismantel, der Konfessionskonflikte behandelnden österreichischen Erzählerin Enrica Handel-Mazzetti, dem Dichter Werner Bergengruen, dessen Werke um den symbolischen Widerhall der ewigen Ordnung kreisten, und vielen anderen. Philosophische und sogar aktuell-politische, geistes- und kulturgeschichtliche Themen behandelten der Münchener Philosoph Georg von Hertling und seine Schüler Clemens Baeumker und Max Ettlinger, sodann Theodor Haecker, Waldemar Gurian, Alois Dempf und Romano Guardini, nicht zu vergessen der Theologe und Zentrumsprälat Joseph Mausbach, mit dem Muth eine private Korrespondenz führte. Mausbach war maßgeblich an der Erarbeitung der Schul- und Kirchenartikel der Weimarer Verfassung beteiligt.
„Hochland“ zeigte sich besonders aufgeschlossen für die christliche Kultur und Literatur der Alten und der Neuen Welt. Die Erzählungen und Gedichte, die literarische Kritik und künstlerische Umschau tasteten weite Horizonte ab. Bekannte russische Autoren fanden ebenso Berücksichtigung wie die Vertreter einer historischen und zeitgenössischen Frankreichkunde, die Bonner Universitätslehrer Ernst Robert Curtius und Hermann Platz. Die (vernachlässigte) Geschichte der katholischen Kirche in Nordamerika und die Mentalität an der „Frontier“ der Prärie schilderte farbig das biografisch unterfütterte, missionsgeschichtliche Gegenwartsepos der bedeutenden amerikanischen Erzählerin Willa Cather: „Der Tod kommt zum Erzbischof“. „Hochland“ legte dem deutschen Publikum Auszüge in Übersetzungen vor. Die englische Ausgabe des ebenso spannenden wie tiefschürfenden Werkes, das einen Glaubensweg von Mexiko nach Kalifornien nachzeichnete, erschien 1927, eine deutsche Gesamtübersetzung erst 1940.
Um die Mitte der 1920er-Jahre präsentierte das „Hochland“ seinen weit gefächerten Stoff unter neun, allerdings nicht immer zusammenhängend anmutenden Rubriken. Es behandelte: Romane, Novellen und Gedichte; Religion, Geschichte, Philosophie, Bildungs- und Erziehungswesen; Literatur, Theater, Kunst und Musik; Biographisches; Naturwissenschaft, Medizin, Länder- und Völkerkunde; Volkswirtschaft, Rechtspflege; Kunstbeilagen; Besprechungen von Büchern und Theateraufführungen. Der geniale Anreger demonstrierte, dass das Beziehen eines katholischen – man könnte auch sagen weltanschaulichen – Standpunkts den Zugang zu relevanten Wissensgebieten und Literaturgattungen eher öffnete als sperrte.
Kontinuität und Wandlung: In der Zeit der Weimarer Republik
Den Einschnitt der Niederlage und der Revolution von 1918 verkraftete das „Hochland“ besser als etwa die „Historisch-politischen Blätter“, die – als Reaktion auf die Demokratisierung – einen national-konservativen Einschlag bekamen und 1923 eingestellt werden mussten. Das „Hochland“ wahrte seine Identität, begleitete die sich überstürzenden Ereignisse mit tief ansetzenden Reflexionen. Es erklärte, dass ein dauerhafter europäischer Friede nur auf der Grundlage umfassender Völkerverständigung wiederzugewinnen sei. Im Ganzen hat die freiheitliche Entwicklung der Weimarer Republik dieses Sprachrohr der katholischen Publizistik eher begünstigt als gehemmt. Inmitten der Säkularisierungstrends war die Zeitschrift bemüht, die Zeichen religiöser Neubesinnung wahrzunehmen, wo sie sich auch zeigten. Sie praktizierte außerdem wie gewohnt Verständigungsbereitschaft über die Grenzen der Nationen, Weltanschauungen und Konfessionen hinweg. Sie registrierte erwartungsvoll, dass, während bisher irreligiöse Kreise sich plötzlich zu religionsphilosophischen und metaphysischen Betrachtungen hingezogen fühlten, Vertreter der christlichen Philosophie verstärkt über eine natürliche Theologie und deren psychologische Grundlagen nachdachten.
Grenzüberschreitendes Lob aus ehemals verfeindeten Lagern wurde der Zeitschrift anlässlich des 60. Geburtstages ihres inzwischen in der geistigen und literarischen Welt etablierten Gründers und Herausgebers zuteil, wenngleich natürlich die katholischen Pressestimmen überwogen. Neben vielen anderen gratulierten der „Osservatore Romano“ (Rom), die „Germania“ (Berlin), die „Kölnische Volkszeitung“, die „Augsburger Postzeitung“, die „Rhein-Mainische Volkszeitung“ (Frankfurt am Main), die „Bayerische Staatszeitung“ (München), die „Deutsche Rundschau“ (Berlin), die Salzburger „Katholische Kirchenzeitung“, der „Gral“, aber auch liberale und nationale Blätter wie die „Frankfurter Zeitung“ und die „Münchner Neuesten Nachrichten“. Muth hatte mit seiner freiheitlichen Konzeption viel Anklang, Zustimmung, Beifall und Bewunderung in der öffentlichen Meinung gefunden. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ (Berlin), immerhin die Nachfolgerin von Bismarcks Hauspostille, der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“, schrieb: „Karl Muth hat eigentlich die neue katholische Literatur geschaffen.“ Das Blatt gab sogar die Anregung (mit der es nicht allein stand), „der Protestantismus sollte diesen 60. Geburtstag benutzen, um sämtliche Bände des Hochlands genau zu studieren und etwas Gleichwertiges zu schaffen“.12 Muths Konzeption, die innere Sammlung voranzutreiben und zugleich durch die objektive Würdigung hochstehender Werke Anerkennung nach außen zu gewinnen, war von Erfolg gekrönt. Das Klima hatte sich gewandelt. Die Inferioritätsdebatte konnte als beendet gelten.
Dabei hatte Muth sich keineswegs der angeblichen Überlegenheit einer zum Säkularismus tendierenden nationalen Kultur gebeugt. Den säkularen Trends des mächtig ins Kulturleben hineinwirkenden Liberalismus und Säkularismus widersprach es durchaus, wenn er das Paradigma der inneren und eigentlichen Verwandtschaft von Dichtung und Religion aufstellte und sich dabei auf anerkannte Poeten wie Johann Wolfgang Goethe und Joseph von Eichendorff berief. Namentlich Eichendorff hatte die irdische Natur und Sinnlichkeit, wie sie allein von der Poesie erfasst werden konnten, als Abbilder und Chiffren einer höheren, transzendenten Welt der Religion angesehen.13 Die innere Beziehung von Poesie und Religion erschloss sich Muth zudem aus Überlegungen, die um zwei Schlüsselbegriffe kreisten: um die Freiheit und das Ideal. Er rezipierte die Idee des Philosophen und Münchener Universitätspredigers Martin Deutinger († 1864), dass die Ungezwungenheit und Freiheit künstlerischen Schaffens ihr Urbild im freien Walten der alles bewegenden Liebe Gottes fänden.14 Gemäß dieser Freiheitsvorstellung gelangte Muth auch zur Würdigung des weiblichen Elements in der Dichtkunst, träten in diesem doch spezifische Qualitäten hervor, eine dem einseitig ausgerichteten männlichen Intellekt überlegene Einfühlsamkeit, Ausgeglichenheit und Vielseitigkeit.15
Sodann lagen der Religion wie der Poesie „ideale Prinzipien“ zu Grunde; beide Welten teilten die Ausrichtung auf ein objektiv Vorgegebenes, in der Religion fassbar als die „objektive Welt des Glaubens“, in der Poesie als die objekthaft antreffbare Schönheit und Mannigfaltigkeit der Natur, der Welt und des Lebens. Die Orientierung am „Objektiven“, das letztlich auf die Gottnatur zurückverwies, war damals Allgemeinbesitz des katholischen Denkens. Entsprechend zog Muth die in seinen Augen mehr an objektiven Kategorien ausgerichtete Klassik dem Subjektivismus der Romantik vor. Diese idealistische Sichtweise wurde nur von der Erwägung unterstrichen, dass auch die „subjektivistische Lebensstimmung“ der Romantik der Idee der Einheit nicht habe entraten können, denn einige ihrer Vertreter hätten sie in der Epoche des Mittelalters kristallisiert gesehen.16
Muths eindringlich-behutsame, von großer Belesenheit zeugende und stilistisch hervorragende Interpretationsversuche, Goethe als einen vom Christentum beeinflussten Dichter und Denker zu verstehen, sind von der Fachgermanistik nie gebührend gewürdigt worden. Der Pfad dieser Interpretation war erst zu beschreiten, wenn das vordergründig-prüde Sittenrichtertum aufhörte, das bisher allzu oft die katholische Annäherung an den Weimarer Dichterfürsten bestimmt oder besser: verhindert hatte. Die hohe Auffassung von der Natur, die Goethe hegte, wird von Muth gemäß seiner die Religion und Poesie verbindenden, die Poesie auf die gottgewollte Natur gründenden Auffassung interpretiert, also nicht auf Neuheidentum oder Pantheismus zurückgeführt. Mehr noch: Goethes hohes Lebensgefühl steht für Muth keineswegs im Gegensatz zu dem diese Welt angeblich nur in ihrer Vorläufigkeit und Sündhaftigkeit zulassenden christlichen Glauben. Goethe habe vielmehr das übertriebene, ihn wegen seiner Begegnung mit dem Pietismus in jungen Jahren belastende „Memento mori“ hinter sich gelassen und sich dem entgegengesetzten Pol christlichen Lebens genähert, dem aus der kraftvollen Überwindung des Leidens, der Entsagung und der Todesfurcht resultierenden Aufschwung zum „Memento vivere“, zum schließlichen Sieg des Lebens über den Tod. Goethe „wollte in der Religion als dem höchsten Leben schon hienieden keinen Glauben des Verzichts, sondern der Aneignung, der Bereicherung, der höchsten Bejahung sehen“. Damit erfasste er die „christliche Religion“ ihrer „großen Idee“ nach: Ist sie doch – „richtig verstanden – die Religion höchster Kraft, intensivsten Lebens, freudigster Zuversicht, rastlosen Wirkens, beglückender Lichtfülle“.17
Politische Diskussionen
In die Zeit der Weimarer Republik fiel das wohl bedeutsamste politische Engagement von Karl Muth. Es kam beispielhaft in einem programmatischen „Hochland“-Aufsatz zum Ausdruck, der den aufrüttelnden Titel „Res publica“ trug.18 Muth entwickelte hier nichts weniger als den Ehrgeiz, die deutschen Katholiken endgültig auf die Bahn der Aussöhnung mit der Republik und die Deutsche Zentrumspartei in die zukunftweisende Richtung der christlichen Demokratie zu lenken. Er bewegte sich damit im Rahmen konzeptioneller Erörterungen über miteinander konkurrierende Staatsdoktrinen, zu denen das „Hochland“ mehrmals Gelegenheit bot. So ließ es die Unterschiede zwischen einer liberal(istisch)en, sozialistischen und einer organisch oder thomistisch genannten Staatsidee in seinen Spalten diskutieren. Diese an das Verfahren von trial and error erinnernde Methode ist wohl aussagekräftiger für die politischen Vorstellungen der katholischen Zeitschrift als ein den Katholiken der Vor- und Zwischenkriegszeit unermüdlich von den Historikern unterstellter konservativer Korporativismus,19 der angeblich mitgeholfen habe, die Entwicklung zur Demokratie in Deutschland zu verbauen.
Erneut ging Muth nicht von einem separierenden, sondern von einem integrierenden Denkansatz aus. Er fasste – ohne Bewährtes zu verwerfen – ein allgemeines (Reform-)Ziel ins Auge. Ihm schwebte, zugleich mit der Erneuerung der Gesellschaft gemäß den Erfordernissen der gewandelten Nachkriegszeit, die Überwindung der seit 1918/19 latent drohenden Verfassungskrise der Republik vor. Dabei richtete er sein Wort zunächst an die weiter an der Kaiserzeit hängenden Konservativen, „die nichts gelernt und nur zu viel vergessen haben“, besonders aber an die unentschiedenen „Opportunisten“, die ebenfalls Distanz zum Weimarer Staat hielten. Die nach Versailles stark erregten nationalen Gefühle berücksichtigend, verwarf er das Vorbild der Dritten Republik Frankreichs, hatte sich hier doch ein unüberwindlicher Gegensatz zwischen der Partei der atheistischen Republikaner und den vereinigten Monarchisten und Klerikalen aufgetan; nicht zuletzt auf Grund dieser Polarisierung war der Staat dann zur Beute der Radikalrepublikaner geworden. Muth proklamierte vielmehr eine andere, eine auf der eigenen Vergangenheit beruhende Konsolidierung der deutschen Republik. Im Unterschied zum Frankreich der 1870er-Jahre, das zunächst noch die Wahl zwischen einer konservativen oder demokratischen Vorherrschaft gehabt hatte, war den Deutschen 1918 nur übrig geblieben, die neue Staatsform als unabwendbare Tatsache hinzunehmen; das nannte Muth aus einer vertieft christlichen Sicht sogar eine aus „Christenpflicht“ zu bejahende göttliche Fügung; an der Staatsform war danach eigentlich nicht mehr zu rütteln.
Was die Katholiken betraf, so hatte die Republik ihnen entscheidende Vorteile gebracht, ihnen die bisher im Prinzip vorenthaltenen „verfassungsmäßigen Freiheiten“ gewährt. Aber bedeuteten die neuen „Freiheiten“ nicht für alle Staatsbürger einen wesentlichen Fortschritt? Den kirchenpolitischen oder konfessionellen Ansatz überschreitend, forderte Muth die Besinnung auf die Freiheitstraditionen der deutschen Geschichte, auf die in deren „mittleren Zeiten“ herrschenden „jures, libertates et consuetudines“. An diese – gegen die unbeschränkte Souveränitätsdoktrin gerichteten – Freiheitsrechte sollte die deutsche Republik anknüpfen, sollte sie „ein den germanischen Freiheiten“, wie Muth in historisierender Diktion ausführte, „adäquates Gebilde“ werden.
Die „Freiheiten“ der modernen Welt sahen natürlich anders aus: Für Muth naheliegend waren es zunächst Religion, Wissenschaft und Kunst, die der republikanische Staat, anders als der Obrigkeitsstaat, als von ihm unabhängige Kräfte anerkennen sollte, dann die Werte der Persönlichkeit, der Ehe, der Familie, der familiengerechten „Kindererziehung“ und des „Berufsgedankens“. Diese gesellschaftlichen Grundkonstellationen sollte eine christliche Demokratie vor den Nivellierungen und „Verstaatlichungstendenzen“ einer „rein sozialistisch entwickelten Demokratie“ schützen. Die neue, zukunftweisende politische Kraft einer christlich inspirierten Demokratie sollte noch zwei andere politische Lager im Zaum halten: eine liberal-sozialistische Kulturkampfkoalition, deren Wiederaufleben nach den Vorgängen in Preußen 1919 anscheinend möglich schien, sowie die „unbelehrbaren reaktionären Elemente“. Dabei setzte Muth seine Hoffnung auf die „republikanische Bewegung“ unter dem Zentrumsführer und Reichskanzler Joseph Wirth und auf die Weiterentwicklung der erprobten volksparteilichen Konzeption der Deutschen Zentrumspartei.20 Die neue Gruppierung sollte sozial auf der Einigkeit des „Besitzbürgertums“, einschließlich der Bauern, mit dem bereits von der christlichen Gewerkschaftsbewegung erfassten „arbeitenden Volk des vierten Standes“ beruhen.
Konsequent maß Muth auch die Politik an den für die Literatur eingeführten Koordinaten: an der Verbindung von „Religion“ und „Freiheit“. Die tieferen Wurzeln der „staatsbürgerlichen Tugenden“, auf denen die Demokratie beruhte, allen voran Verantwortungsgefühl und Gewissen, fand er in den „Grundkräften des Christentums“ verankert. Muth deklamierte das nicht nur, sondern berief sich auf die Werke und historischen Forschungen ihm verwandter Geister, des Engländers Hilaire Belloc und des Spaniers Donoso Cortés. Ihnen hatte sich bei ihren Studien die Erkenntnis aufgedrängt, dass das allmähliche Verschwinden des aus der Antike überkommenen „Sklavenstaats“ auf eigentümliche Weise mit der Entwicklung der „christlichen Kultur“ zusammenhänge. Und auch jüngste kirchliche Entwicklungen schienen symbolisch zu bekräftigen, was nun auf dem weltlichen Gebiet gefordert war.
Die Ausrufung des Christkönigsfestes an Silvester 1925 in Rom wurde Muth zum Zeichen, dass nach dem soeben erlebten Sturz vieler weltlicher Königsthrone nur das Königtum des Gottessohnes noch wahre Gültigkeit beanspruchen könne, dieses nun verstanden als Symbol für jene sittliche Kraft, die sich gegen alle weltliche Despotie richte. Das aus „religiösen Grundsätzen“ abzuleitende Gebot, die irdischen, stets „bedingten Erscheinungen“ nicht „zu verabsolutieren“, bezog Muth auf die Monarchie. Das Verbot der Absolutsetzung historischer „Erscheinungen“ wurde diesem Katholiken und Anhänger der Zentrumspartei gerade nicht, wie öfters zumindest über seine Gesinnungsgenossen zu lesen, zum Argument der Relativierung der republikanischen Staatsform. Vielmehr hat er die Republik ausdrücklich als zeitgemäß begrüßt. Dabei half ihm die von Georg von Hertling schon 1911 in Bezug auf die USA formulierte staatstheoretische, aber moderne Mentalitätsphänomene einbeziehende Erkenntnis, dass in den Augen seiner Bürger auch die „Institution“ eines „Freistaats“ einen „geheiligten Charakter“ gewinnen könne – wie vordem der Royalist dem Königtum ein „religiöses Empfinden“ entgegengebracht habe. Die „demokratische Form“ allein reichte Muth nicht aus; die Aufgabe war, „das Demokratische mit den Grundkräften des Christentums“ zu „verbinden“, also die Vertiefung der Republik zur „Gesinnungsdemokratie“.
Muth schlug sich mit solchen Reflexionen auf die Seite erprobter Politiker der Zentrumspartei wie Hertling (der Anfang 1919 verstorben war) und Joseph Joos, 1920 bis 1933 Reichstagsmitglied der Zentrumspartei, seit 1927 Vorsitzender des Westdeutschen Verbands der Katholischen Arbeiterbewegung.21 Er bewahrte sich so den Blick für die politische Realität. Ohnehin glaubte er, dass nach 1918 eine „überparteiliche Politik“ ein Widerspruch in sich geworden sei. Demgegenüber ließen die Historiker Friedrich Fuchs und Philipp Funk, beide geschätzte Mitarbeiter am „Hochland“, eine gewisse Distanzierung vom politischen Katholizismus erkennen, wenn sie diesem nur eine Hilfsfunktion oder Vorreiterrolle in dem von ihnen als vorrangig erachteten Ringen um Fortschritt und Gleichberechtigung auf dem Gebiet des deutschen Kulturlebens zugestanden.22