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Adolf ten Hompel (1874 – 1943)
Adolf ten Hompel
Vom „Modernisten“ zum Nationalsozialisten
Jan Dirk Busemann

Adolf ten Hompel wurde im Jahr 1874 in wohlhabende Verhältnisse hinein geboren: Sein Vater August (1849 – 1919) war der alleinige Vorstand der Wicking’schen Portland-Cement- und Wasserkalkwerke, seine Mutter Henriette (1849 – 1922) die Tochter des Unternehmensgründers Adolf Wicking.1 Nach seiner Schulzeit in Recklinghausen führte ihn das Studium nach Freiburg i. Br., Würzburg, Berlin und Göttingen, er schloss es 1897 mit einer juristischen Promotion ab. Aus der Ehe mit seiner Frau Maria, geborene Strunck, gingen fünf Kinder hervor. Dass sein Name weit über die Grenzen seiner westfälischen Heimat bekannt wurde, verdankte ten Hompel einer Initiative, die er mit Anfang 30 ins Leben gerufen hatte.

Das Münsteraner Bittschriftunternehmen

Im Jahr 1906 hatte sich in Münster um ten Hompel, mittlerweile Assessor am Landgericht, ein Kreis von Laien zusammengefunden, mit dem Ziel, eine Bittschrift an den Papst zu verfassen und diesen zur Modifikation der kirchlichen Büchergesetzgebung zu bewegen. Zum einen sollte eine von ten Hompel entworfene Petition an Pius X. (1903 – 1914) gerichtet werden, zum anderen strebte er an, die organisierten Unterzeichner mit der Görres-Gesellschaft zu fusionieren, beziehungsweise eine „Christliche Kulturgesellschaft für die Organisation des Laienapostolats im Dienste der christlichen Weltanschauung“ zu gründen, falls die gewünschte Fusion scheitern sollte.2 Hintergrund für das Bittschriftunternehmen war die Indizierung der Hauptwerke Herman Schells (1850 – 1906)3 im Dezember 1898. Der Dogmatiker wurde durch seine beiden Reformschriften „Der Katholicismus als Princip des Fortschritts“ (1897) und „Die neue Zeit und der alte Glaube“ (1898) zur Symbolfigur eines Katholizismus, der darauf drängte, kulturtragende Kraft zu sein, statt sich in ein konfessionelles Ghetto zurückzuziehen. Ähnliche Bestrebungen wurden in verschiedenen Feldern des gesellschaftlichen Lebens artikuliert: Julius Bachem (1845 – 1914) strebte eine Öffnung der Zentrumspartei an, Karl Muth (1867 – 1944) forderte und förderte eine stärkere Beteiligung der Katholiken am nationalen Kulturschaffen, Georg von Hertling (1843 – 1919) wollte das Defizit der Katholiken in den Wissenschaften überwinden. Besonders gebildete katholische Laien sehnten sich nach „Parität“ und wollten die protestantisch dominierte Gesellschaft mitgestalten. Mit diesen Integrationsbestrebungen ging eine Emanzipation vom unmittelbaren Einfluss der kirchlichen Hierarchie einher, allerdings ohne dass dem Katholizismus an sich sein gestalterisches Potenzial für die Gegenwart abgesprochen wurde.

Mit der Forderung, die katholische Buchzensur zu reformieren, und mit der Gründung einer Kulturgesellschaft traf ten Hompel den Nerv der Zeit. Bei vielen katholischen Intellektuellen galt der „Index der Verbotenen Bücher“ als Hindernis für Wissenschaften und Literatur und stand damit ihrem Bedürfnis entgegen, in diesen Bereichen die schmerzhaft empfundene „Inferiorität“ des katholischen Bevölkerungsteils zu überwinden.

Für die Unterzeichnung der Petition bemühte man sich, namhafte Repräsentanten des katholischen Deutschlands zu gewinnen, war darüber hinaus aber an einer internationalen Vernetzung interessiert. So wurde etwa über Karl Muth der Kontakt zum italienischen Autor Antonio Fogazzaro (1842 – 1911) hergestellt, dessen Roman „Il Santo“ (Der Heilige), ein internationaler Bestseller, der reformkatholische Ideen transportierte, im April 1906 auf den Index gesetzt wurde.4

Ziele und Argumentation der Münsteraner Liga

In der Bittschrift5 wurde keineswegs die völlige Abschaffung der kirchlichen Bücherzensur gefordert, sondern lediglich Milderungen und Modifikationen des geltenden Rechts erbeten.

Eine zentrale Bitte war die Beseitigung der namentlichen Verbote. Ein Buch konnte auf zweierlei Weise verboten sein: Entweder, indem es namentlich per Dekret verboten und dann in den Index aufgenommen wurde, oder es war verboten, weil es von einer der allgemeinen Indexregeln betroffen war. So waren zum Beispiel alle Werke der „Häresiarchen“ Luther, Calvin und Zwingli für Katholiken per se nicht erlaubt. Gleiches galt für diejenigen Bücher, die vermeintlich gegen den Glauben und die guten Sitten verstoßen.6

Die Index-Bittschrift schlug vor, statt einzelne Werke namentlich zu indizieren, sollten „im Vertrauen auch auf die aus eigener Kraft sich durchdringende, selbständig werbende Kraft der Wahrheit“7 nur noch die allgemeinen Indexregeln gelten und diese zeitgemäß umgestaltetet werden.

Wenn der Papst die Abschaffung der namentlichen Verbote nicht für möglich hielte, sollte doch wenigstens alles beseitigt werden, was „dem germanischen Volksgewissen aufs allertiefste widerspricht“: nämlich die Verurteilung ohne vorherige Anhörung des Angeklagten, die Geheimhaltung der Indizierungsgründe und die Verpflichtung des Verurteilten zum Schweigen, ohne dass eine Schweigepflicht für die Gegner des Verurteilten bestünde. Dem Autor sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, sich schriftlich und mündlich zu verteidigen und vor der Indizierung sein Werk zurückzuziehen und beanstandete Stellen zu ändern.8 Mit Blick auf die Leser wurde eine Abschaffung der Exkommunikation als Indexstrafe angeregt.9 Ferner sollte der Beichtvater die Möglichkeit bekommen, den Dispens zur Lektüre verbotener Bücher auszustellen.10 Nach den bisherigen Regelungen lag diese Vollmacht bei den Bischöfen und den römischen Zensurbehörden.

An der bestehenden Zensurpraxis bemängelten die Autoren der Bittschrift, dass sie dem wissenschaftlichen Fortschritt im Weg stehe und die Kluft zwischen Wissenschaft und Glauben vergrößere.11 Die Werke „tiefgründiger Forscher und wahrhaft christlicher Vorkämpfer“ seien oft besonders gefährdet wegen der „Denunziationsbegier (...) kurzsichtiger Gemüter“.12 Dagegen würde „dem Mutternamen der Heiligen Kirche (...) eine liebevolle Beratung entsprechen, die geleitet wird von dem ruhigen Vertrauen, daß alle Wissenschaft notwendig schließlich doch im Brennpunkte der Wahrheit zusammenfließen muß“.13

Durch namentliche Indizierungen könne vor zensurwürdigen Publikationen wegen ihrer großen Zahl nicht wirksam geschützt werden. Hier werde vielmehr „selbstverantwortliches Handeln jedes einzelnen zur heiligen Pflicht“.14 Die notwendige Schulung der gebildeten Katholiken, um alles in Christus zu erneuern, sei nicht möglich, „wenn selbst unentbehrliche Werke, wie Kants Kritik der reinen Vernunft namentlich verboten werden, wenn also selbst inmitten der Geisterschlacht das geistige Fastengebot des Index gilt“.15

Dadurch, dass die Erlaubnis, verbotene Bücher lesen zu dürfen, bei der bischöflichen Behörde und nicht beim Beichtvater eingeholt werden müsse, habe der Index seine Funktion als Seelenführer eingebüßt. Er laufe Gefahr, zum Kampfmittel der Parteien und Strömungen zu werden und so der Wissenschaft zu schaden.16

Die Zensurprozesse wurden als unzeitgemäß empfunden, da sie nicht den modernen rechtsstaatlichen Standards entsprachen. Die Verteidigungsmöglichkeiten des Autors waren gering, und durch die nicht gewährte Akteneinsicht blieb der Autor über die Begründungen des Verbots seines Buches im Einzelnen meist im Unklaren.

Während Indexapologeten argumentierten, durch den Index schütze die Kirche ihre Kinder vor Irrtümern, stand in der Bittschrift: „Der Vater wird wohl dem unmündigen Kinde, nicht aber dem erwachsenen die Namen der Bücher vorschreiben, die gefahrbringend und bei Strafe zu meiden sind.“17 Formulierungen wie diese zeugen von einem neuen Selbstbewusstsein der Laien:18 Mit Hilfe der allgemeinen Indexregeln sollte der mündige Katholik selbst die Gewissensentscheidung fällen, welche Bücher er zu meiden habe.

Rückschläge und „Modernismus“-Vorwürfe

Bevor die zweite und letzte Korrekturphase der Petition im Juli 1907 abgeschlossen werden konnte,19 erlitt das Vorhaben drei schwere Rückschläge.

Zunächst begann die Front der Unterstützer zu bröckeln. Bei einem Gespräch im Frühling 1907 hatte der Gründungspräsident der Görres-Gesellschaft, Georg von Hertling,20 in Berlin seine Unterschrift für die Bittschrift zugesagt und offenbar auch eine Kooperation zwischen Görres-Gesellschaft und Bittschriftunternehmen nicht kategorisch abgelehnt.21 Als von Hertling dann im Juni seine Unterschrift aus Furcht um das Image der Görres-Gesellschaft zurückzog, war die Enttäuschung bei den Münsteranern groß. Neben von Hertling distanzierten sich mit Hermann Cardauns (1847 – 1925) und Julius Bachem weitere führende Mitglieder der Görres-Gesellschaft. Auch der Theologe Joseph Mausbach (1861 – 1939) zog sich von der Bewegung zurück.22 Der Professor für Apologetik und Moraltheologie erfreute sich im deutschen Katholizismus großer Beliebtheit, zumal er in den heftigen Kontroversen der Zeit oft um Vermittlung bemüht war. Er wäre daher ein prominentes Aushängeschild der Bewegung gewesen.23

Ein zweiter Dämpfer für die Münsteraner war das Belobigungsschreiben des Papstes an den Neuthomisten Ernst Commer (1847 – 1928).24 In der Auseinandersetzung um den 1906 verstorbenen Schell trat dessen vormaliger Freund Commer als sein schärfster Gegner hervor.25 Für sein Werk „Herman Schell und der fortschrittliche Katholizismus“26 erhielt er auf Anregung des Indexsekretärs Thomas Esser OP per Breve vom 14. Juni 1907 eine päpstliche Belobigung,27 die die ohnehin stark emotionalisierte Kontroverse weiter anheizte. Da die Indizierung Schells der Auslöser für das Bittschriftunternehmen war, traf die Belobigung des Schell-Gegners Commer zumindest indirekt auch den Kreis um ten Hompel.28

Ein weiterer Rückschlag aus Rom sollte folgen. Ein Exemplar des vertraulichen Bittschriftentwurfs und der Organisationsgrundlagen für die Kulturgesellschaft gelangte in die falschen Hände: Am 7. Juli 1907 druckte die „Corrispondenza Romana“ unter der Überschrift „Una lega segreta internazionale contro l’Indice e per la Cultura“ die bis dahin geheim gehaltenen Unterlagen in italienischer Übersetzung ab. Hinter der integralen „Corrispondenza Romana“ stand mit Umberto Benigni (1862 – 1934), Untersekretär im vatikanischen Staatssekretariat, „der prominenteste und vielleicht einflussreichste Antimodernist unter Pius X.“29 Im einleitenden Absatz der ungewöhnlich umfangreichen „Corrispondenza“-Ausgabe wurde zur „Indexbewegung und Kulturgesellschaft“ bemerkt, seit Bismarck bezeichne der Terminus „Kultur“ den Kampf gegen den traditionellen, integralen, römischen Katholizismus und werde vor allem von den Modernisten verwendet. Aus den geheimen Dokumenten spreche der Geist des indizierten Romans „Il Santo“ von Fogazzaro, der auf Deutsch im „Hochland“ erschienen und dessen Herausgeber Muth Teil der Index-Liga sei.

Die Veröffentlichung der im Entwurfsstadium befindlichen Dokumente löste ein breites Echo aus. Nachdem zunächst Zweifel an der Authentizität des Materials laut wurden,30 versuchte vor allem die Zentrumspresse die von der „Corrispondenza Romana“ aufgebauschte Angelegenheit herunterzuspielen.

Der Enthüllungsjournalismus der „Corrsipondenza Romana“ bekam Schützenhilfe durch den „Osservatore Romano“: Ab dem 9. Juli wurde dort in anonymen Artikeln gegen die vermeintliche internationale Geheimgesellschaft polemisiert.31 Abschaffung und moralische Vernichtung der Indexkongregation, einer lebensnotwendigen Funktion des kirchlichen Lehramtes und der kirchlichen Disziplin, würden angestrebt. Dabei sei der Index gerade in diesen glaubensfeindlichen Zeiten unentbehrlich.32 Angesichts der Masse an wissenschaftlichen und literarischen Publikationen und der rasanten Verbreitung von Ideen sei es notwendig, Glauben und Moral zu schützen. Sämtliche Reformanregungen der Bittschrift wurden zurückgewiesen. In einem weiteren Beitrag bemühte man sich, den Autoren der Bittschrift Unkenntnis der Verfahrensordnung für Buchzensurprozesse33 nachzuweisen. Der in der Petition artikulierten Bitte, dem Autor die Möglichkeit zur Verteidigung einzuräumen, wurde entgegengehalten, dass die Verfahrensordnung angesehenen Autoren das Recht gewähre, angehört zu werden, freilich eine Bestimmung, die in der Praxis nur selten umgesetzt wurde; tatsächlich trat die Kongregation oft erst dann mit den Autoren in Kontakt, wenn das Urteil über ihre Schriften bereits gefällt war.34 In zwei weiteren Artikeln schließlich wurde die Münsteraner Initiative mit dem Modernismus in Verbindung gebracht:35 Der Geist des Individualismus, der Kult des „Ich“ werde der hierarchisch verfassten Autorität und dem Lehramt der Kirche entgegengestellt.

Von Hertling, der trotz seines Rückzuges von der Bewegung in den publizierten Entwürfen als zentrale Figur erschien, hatte Mühe, sich durch entsprechende Presseerklärungen glaubhaft von ten Hompels Initiative zu distanzieren. Die Münsteraner waren mittlerweile in die Offensive gegangen: Neben einer Presseaussendung, in der erklärt wurde, dass von Hertlings Name „irrtümlich“ verwendet worden sei,36 veröffentlichten sie die Entwürfe von Bittschrift und „Organisationsgrundlagen“ der Kulturgesellschaft im „Münsterischen Anzeiger“ vom 11. und 12. Juli 1907.37 Der Kritik, dass die Index-Liga bislang im Geheimen operiert hatte, begegnete man dadurch, dass Mitte August dem Bischof von Münster, Hermann Dingelstad (1889 – 1911), und dann den Kardinälen Anton Fischer (1840 – 1912) von Köln und Georg Kopp (1837 – 1914) von Breslau die Bittschrift zugestellt wurde, damit diese auf der Fuldaer Bischofskonferenz im August 1907 besprochen werden konnte.38 Während Dingelstad und sein Generalvikar von Hartmann den Unternehmungen ten Hompels äußerst kritisch gegenüberstanden, hatte Kopp in einem Schreiben vom 25. Juli an den Bittschriftunterzeichner Graf Praschma (1867 – 1935) bekundet, dass er die „treukirchliche Gesinnung der katholischen Männer“ anerkenne. In dem in der „Germania“ veröffentlichten Schreiben kritisierte Kopp allerdings, dass die Münsteraner den Episkopat nicht frühzeitig informiert hatten.39

Hinsichtlich der Anliegen der Münsteraner war die Bischofskonferenz eher ein Rückschritt: Eine bereits im November 1906 von Rom erteilte Erlaubnis, Beichtvätern die Vollmacht zum Dispens vom Verbot, indizierte Bücher zu lesen, erteilen zu dürfen,40 von der die deutschen Bischöfe bislang keinen Gebrauch gemacht hatten, wurde auch weiterhin nicht umgesetzt.41 Es ist anzunehmen, dass die öffentliche Aufregung um die „Index-Liga“ die Bischöfe zu dieser Vorsichtsmaßnahme bewogen hatte.

Auch nach der Bischofskonferenz im August 1907 blieb die Affäre um ten Hompels Bittschriftunternehmen im öffentlichen Bewusstsein. Im Dom zu Münster wurde im Dezember unter deutlicher Anspielung auf die Index-Liga gepredigt. Weihbischof Everhard Illigens (1851 – 1914)42 brachte die Bestrebungen, die Indexregelungen zu modifizieren, mit dem Modernismus in Zusammenhang, indem er die Beschreibung der Modernisten als Reformer aus der im September erlassenen Enzyklika Pascendi43 anwendete.44 Bischof Dingelstad verteidigte in seinem Fastenhirtenbrief im Februar 1908 die kirchliche Buchgesetzgebung, „die die Kirche in ihrer mütterlichen Liebe und Sorge (...) zur Abwehr der Pest schlechter Bücher“ erlassen habe. Offensichtlich auf die Index-Liga anspielend mahnte er: „Diese Schutzwehr in vermessenem Vertrauen auf die eigene Kraft und Tugend zu schwächen oder entfernen zu wollen, das würde heißen, Tausende ohne Not in die größte Gefahr ihrer Seelen zu bringen.“45

Aber nicht nur in Münster blieb die Index-Liga Thema. 1908 erschien die zweite Auflage von Commers Schmähschrift gegen Schell. Wie zuvor die „Corrispondenza Romana“ versuchte Commer, Schell eine zentrale Funktion im Bittschriftunternehmen zuzuschreiben46 und, wie auch der „Osservatore Romano“, die Index-Liga „einer Art Freimaurerei“ und des mittlerweile durch die Enzyklika Pascendi umfassend definierten und verurteilten Modernismus zu zeihen.

Die Verteidiger der Indexkongregation sahen sich mittlerweile durch die Kurienreformen Pius’ X. bestätigt.47 In einer „Romkorrespondenz aus hochgestellten kirchlichen Kreisen“, die in der „Schweizerischen Kirchenzeitung“ publiziert wurde, deutete der Autor die gestärkte Stellung der Kongregation durch die Neuorganisation der Kurie als Antwort auf die Reformvorschläge der Index-Bittschrift: Die Indexkongregation war weder aufgehoben noch umgestaltet worden, wie andere Kongregationen, ihre Vollmachten wurden erweitert, da sie jetzt auch, ohne dass zuvor eine Anzeige erfolgen musste, Bücher untersuchen sollte.48 Tatsächlich hatte Pius X. zunächst vorgesehen, die Indexkongregation als eigenständige Behörde aufzulösen und die römische Buchzensur ganz dem Heiligen Offizium zuzuweisen, nahm davon nach den römischen Publikationen zur Index-Liga aber wieder Abstand.49 Im Zuge seiner antimodernistischen Kampagne versuchte der Papst in der Folgezeit die Buchzensur als Instrument zu stärken: Die Enzyklika Pascendi schärfte die Pflicht der Bischöfe zur präventiven und repressiven Zensur ein und rief die geltenden Bestimmungen in Erinnerung.50 Das Motu proprio Sacrorum antistitum wiederholte nicht nur die Maßnahmen, sondern verhängte gar ein generelles Verbot für Seminaristen, Zeitungen und Zeitschriften zu lesen.51 Als eine Lehre der „Modernisten“ führte Pascendi die Forderung an: „Die römischen Kongregationen (...) besonders die des heiligen Offiziums und des Index, müssen gleichfalls geändert werden“52 und schuf damit die Basis, um die Münsteraner Index-Liga als modernistisch zu verurteilen.

Die Stellungnahmen in der Presse nahmen nicht ab; oft wurde die Auseinandersetzung um die Index-Liga verknüpft mit der Debatte um das Andenken Schells. Der Münsteraner Pastoraltheologe Peter Hüls (1850 – 1918) etwa verteidigte die zweite Auflage von Commers Schell-Buch im Januar 1908 im „Westfälischen Merkur“ und nutzte seinen Artikel, um die Index-Liga als modernistisch zu verdächtigen.53

Ostern 1908 veröffentlichte ten Hompel zusammen mit Justizrat Hermann Hellraeth und Astronom Josef Plassmann (1859 – 1940)54 die Schrift „Indexbewegung und Kulturgesellschaft“ mit dem Ziel, die vielfach verzerrenden Darstellungen der Vorgänge aus dem Jahr 1907 durch eine kleinschrittige Dokumentation mit einer ermüdenden Fülle an Belegen und Zitaten zu korrigieren und im zweiten Teil das nach wie vor geplante Vorhaben einer Kulturgesellschaft zu umreißen. Kurz nach Erscheinen der Schrift versuchte der neue Nuntius in München, Andreas Frühwirth OP (1845 – 1933),55 im Staatssekretariat zu beruhigen: Eine solche Gesellschaft verlange immense finanzielle Mittel und eine besondere Eintracht der Seelen, beides Dinge, die schwer zu erlangen seien. Grundsätzlich sei das Anliegen richtig, Wissenschaftler und Gläubige einander anzunähern; allerdings bringe eine Gesellschaft, die völlig unabhängig von der kirchlichen Autorität sei, Gefahren mit sich.56

Während Frühwirth offenbar hoffte, die Angelegenheit würde sich verlaufen, trug das Verhalten eines Deutschen an der römischen Kurie dazu bei, dass ten Hompel weiter für Schlagzeilen sorgte: Bis ins Jahr 1911 erstreckte sich die Auseinandersetzung um das Verhältnis des Rota-Auditors Franz Heiner (1849 – 1919)57 zur Index-Liga. Über das Bittschriftunternehmen hatte Heiner auf einer Konferenz mit ihren führenden Köpfen im September 1907 in Münster gesprochen.58 Heiner stimmte grundsätzlich zu, dass „die Handhabung des Bücherverbots (...) tatsächlich einer Reform“ bedürfe, war aber mit der von ihm gründlich mit Anmerkungen versehenen Petition59 nicht einverstanden: Er wollte die namentlichen Verbote beibehalten wissen und sprach sich dagegen aus, den Fall Schell zur Basis der Eingabe zu machen.

Vermutlich aus seinen kritischen Äußerungen bei dieser Besprechung leitete Heiner später ab, er habe „die Antiindexbewegung mit ihrer Index-Bittschrift totgemacht“.60 Heiner hatte sich entgegen früherer Aussagen mittlerweile dem Urteil angeschlossen, die Index-Adressliga sei ein „Symptom des Modernismus“,61 und außerdem die kirchliche Buchzensurpraxis verschiedentlich verteidigt.62 Der ehrgeizige Heiner versuchte offenbar, sich als einflussreicher Wahrer kurialer Interessen in Deutschland zu profilieren; der Presse- und Broschürenkampf, den er sich mit ten Hompel lieferte, ist aber eher als peinlich zu bezeichnen.63 Die Angelegenheit endete damit, dass ten Hompel 1911 als Beweis der Beteiligung Heiners den von diesem korrigierten Bittschriftentwurf als Faksimile abdruckte.64

Die Auseinandersetzungen zwischen Heiner und ten Hompel beschränkten sich nicht auf die Frage der Index-Liga, sondern weiteten sich auf den 1910 eingeführten so genannten „Antimodernisteneid“65 aus und führten dazu, dass ten Hompel nicht nur als Leser, sondern auch als Autor Erfahrungen mit dem Index machen sollte: Sein Kommentar zu den Erläuterungen des Eides in einer Veröffentlichung Heiners wurde von Dingelstad und Hartmann am 11. Dezember 1910 bei der Indexkongregation angezeigt66 und von der Zensurbehörde in Rekordzeit verboten. Zur Begutachtung übergab Indexsekretär Esser, ein Freund Heiners,67 sie dem Benediktiner Laurentius Janssens (1855 – 1925),68 der gleich zu Beginn seines schriftlichen Votums feststellte, dass es sich beim Autor der Schrift um denselben handle, der vor zwei Jahren das bekannte Buch gegen den Index „Indexbewegung und Kulturgesellschaft“ publiziert habe.69 Janssens gab an, sich nicht zur Kontroverse zwischen ten Hompel und Heiner äußern zu wollen, bemerkte aber, ten Hompel liege in einigen Punkten seiner Kritik an Heiner durchaus richtig.70 Ten Hompels leitender Gedanke sei, dass der Eid auch Priester, die in keiner Weise modernistisch seien, unnötig in Gewissenskonflikte bringe.71 Als nicht tolerierbaren Fehler der Broschüre nennt Janssens, dass ten Hompel in maßloser Weise Schell lobe, dessen doktrinäre Werke durch die Indexkongregation streng zensuriert worden seien.72 Alles in allem schloss Janssens sich dem Urteil des Bischofs Dingelstad an, das Buch sei zu verbieten. Die Kardinäle bestätigten dies in ihrer Sitzung am 2. Januar 1911, das päpstlich approbierte Verbotsdekret wurde unter anderem dem „Osservatore Romano“ und dem Münsteraner Bischof zugestellt.73

In den Ruf des „Modernisten“ kam ten Hompel nicht nur durch seine Publikationen, sondern auch durch von ihm organisierte Veranstaltungen: Im Dezember 1909 konnte er den bei der katholischen Literaturkritik umstrittenen und als „modernistisch“ verdächtigten Franziskaner Expeditus Schmidt (1868 – 1939)74 für einen Vortrag über Goethes „Faust“ in Münster gewinnen, der den Bischof veranlasste, über den Münchener Nuntius bei Schmidts Ordensoberen zu protestieren.75 Im November 1910 veranstaltete ten Hompel einen Kurs mit dem protestantischen Pädagogen Friedrich Wilhelm Foerster (1869 – 1966),76 bei dem dieser zum Entsetzen des Bischofs Dingelstad und zur Verwunderung des konservativen Zentrumsblattes „Germania“ vor katholischen Schülern über „Grund- und Kernfragen der Charakterbildung“ referierte.77

Für eine Zusammenarbeit mit evangelischen Christen trat ten Hompel auch in den Debatten um die Zentrumspartei und die interkonfessionellen, christlichen Gewerkschaften ein. Unter Pseudonym publizierte er das Protokoll der sogenannten „Osterdienstagskonferenz“, die er als „Antikulturbund“ und „Antiliga“ deutete, da ihre Ziele den seinen diametral entgegengesetzt waren: Am Osterdienstag 1909 trafen sich um die Zentrumsabgeordneten Hermann Roeren und Franz Bitter integral gesinnte Katholiken, die den katholischen Charakter der Zentrumspartei betont wissen wollten, sich gegen die interkofessionellen Gewerkschaften aussprachen und eine engere Anbindung des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ an die Bischofskonferenz forderten.78

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