Kitabı oku: «Psycho im Märchenwald», sayfa 2

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Einführung

von Sebastian Bartoschek

Guten Tag, meine Damen, meine Herren, liebe schlafende Königstöchter und in Tiere verwandelte Hofknechte. Auch von meiner Seite heiße ich Sie recht herzlich willkommen in diesem Buch. Es freut mich immer einen Leser begrüßen zu können, der sich die Mühe macht, auch die Einleitungen zu lesen. Ich selbst gehöre selten dazu, sondern starte meist da, wo das Buch „richtig“ los geht. Deswegen sollte ich Ihnen jetzt hier etwas bieten, dass Ihnen einen Wissensvorsprung vor den Lesern gibt, die so handeln, wie ich es normalerweise tun würde.

Ich verrate Ihnen ein Geheimnis. (Sie sollten sich den folgenden Satz geflüstert in einer nur von Mondlicht erhellten Hinterhofstrasse vorstellen, in einer Stadt, über der unheilvoll die Turmuhr des Schlosses trohnt.) Ich habe keine Ahnung von Märchen – und habe auch nichts für dieses Buch recherchiert.

Was Sie im folgenden erleben werden, sind daher Ausführungen, die es im Ausmaß der Gelehrsamkeit nicht mit meiner Mitautorin aufnehmen können – die ja immerhin Magistra der Europäischen Ethnologie, sprich Völkerkunde, ist, und deswegen nicht nur den Hintergrund jedes Märchens recherchiert hat, sondern genau dies Ihnen auch nahe bringen will und wird.

Ich hingegen bin Psychologe.

(Donnergrollen in der Ferne; erste Kunstpause)

Ich kenne den Menschen, zumindest in großen Teilen, und verdiene meine Wohnngsmiete damit, Menschen zu erklären, was sie wie ändern sollten, und woran sie das erkennen können.

Andere Psychologen, vor allem solche, die einer eher überholten Tradition, der so genannten Psychoanalyse, anhingen, haben diesen Antrieb unseres Berufsstandes genutzt, um aus Märchen alles Mögliche zu extrahieren, extrapolieren und extraschwafulieren. (Ja, letzteres eine Wortneuschöpfung; auch diese haben Sie nun den Nicht-Lesern dieser Einführung voraus.) Dabei kamen sie meist auf Irgendwas-mit-Sex oder Irgendwas-mit-Tod, meist in wilden Kombinationen und Ausschweifungen, wie sie selbst in Zeiten des Internets eher erstaunlich wären.

Dazu entwarfen sie die Idee der Archetypen. Das sollten so was wie weltweit verbreitete Charakterzüge, Grundideen, fast schon Entitäten sein, die sich auch in Märchen wiederfinden: der Schatten, der weise Mann, die hässliche Alte und ähnliches. Die Idee der Archetypen reizt mich bis heute, v.a. die Frage, wie diese eigentlich weltweite Verbreitung gefunden haben sollen, lange bevor es Kontakte zwischen den Menschen verschiedener Kontinente gab. C.G. Jung, einer der Vordenker dieser psychologischen Schule, prägte dafür den Begriff des „kollektiven Unbewußten“, und da er gerade nicht hier ist, sage ich Ihnen, dass er keine schlüssige Idee hatte, wie das genau funktionieren soll. Wir würden wahrscheinlich heute von einer evolutionsgenetischen Komponente ausgehen. Naja, aber halten wir uns damit nicht zu lange auf. Denn ich werde nicht das tun, was Sie in genug anderen Büchern nachlesen können.

Nein? Was dann?

(zweite – und letzte – Kunstpause)

Ich habe mein Diplom in Psychologie 2004 in Bochum gemacht, mit einem klaren Fokus auf kognitive Prozesse der Persönlichkeit. Mit Modellen der Psyche, oder eben Persönlichkeit, die stark von verhaltenspsychologischen Aspekten geprägt sind, und bei denen wir Psychologen angefangen haben uns als Naturwissenschaftler zu verstehen. Statt des Schwafelns vergangener Kollegengenerationen ist unser Ansatz, Sachverhalte möglichst einfach und kurz beschreiben zu können.

Aus dieser Sicht eines modernen Psychologen werde ich einen Blick auf die Märchen der Gebrüder Grimm werfen, werde den historischen Kontext ignorieren und wahrscheinlich das ein oder andere Mal einem Sprachwissenschaftler seine verbliebenen grauen Haare ausfallen lassen, wenn ich versuche zu erklären, wieso uns das jeweilige Geschehen auch heute noch fesselt, und was wir daraus für unser Leben mitnehmen können.

Unter uns (ja, ich flüster‘ wieder vertraulich): ich weiß noch nicht einmal, ob ich bei jedem Märchen so etwas finden werde; aber irgendetwas werde ich überall schreiben müssen – also ärgern Sie sich nicht zu sehr, wenn Ihnen meine Deutung vielleicht etwas weit hergeholt oder am Märchen vorbei erscheint. (Und verraten Sie es vor allem nicht den Anderen – sprich denen, die dieses Vorwort nicht gelesen haben, das sich nun seinem Ende nähert.)

Nun aber Vorhang auf, die Frösche gesattelt, die Pferde in den Brunnen geworfen, und Gold zu Stroh gesponnen – von nun an wird es märchenhaft.

Willkommen im
Märchenwald


1. Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich


n den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die jüngste war so schön, daß die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen: wenn nun der Tag recht heiß war, so ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens: und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fieng sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.

Nun trug es sich einmal zu, daß die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihr Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, so tief daß man keinen Grund sah. Da fieng sie an zu weinen und weinte immer lauter und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu „was hast du vor, Königstochter, du schreist ja daß sich ein Stein erbarmen möchte.“ Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte. „Ach, du bists, alter Wasserpatscher,“ sagte sie, „ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.“ „Sei still und weine nicht,“ antwortete der Frosch, „ich kann wohl Rath schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?“ „Was du haben willst, lieber Frosch,“ sagte sie, „meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, auch noch die goldene Krone, die ich trage.“ Der Frosch antwortete „deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine, und deine goldene Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinunter steigen und dir die goldene Kugel wieder herauf holen.“ „Ach ja,“ sagte sie, „ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.“ Sie dachte aber „was der einfältige Frosch schwätzt, der sitzt im Wasser bei seines Gleichen und quackt, und kann keines Menschen Geselle sein.“

Der Frosch, als er die Zusage erhalten hatte, tauchte seinen Kopf unter, sank hinab und über ein Weilchen kam er wieder herauf gerudert, hatte die Kugel im Maul und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte, hob es auf und sprang damit fort. „Warte, warte,“ rief der Frosch, „nimm mich mit, ich kann nicht so laufen wie du.“ Aber was half ihm daß er ihr sein quack quack so laut nachschrie als er konnte! sie hörte nicht darauf, eilte nach Haus und hatte bald den armen Frosch vergessen, der wieder in seinen Brunnen hinab steigen mußte.

Am andern Tage, als sie mit dem König und allen Hofleuten sich zur Tafel gesetzt hatte und von ihrem goldenen Tellerlein aß, da kam, plitsch platsch, plitsch platsch, etwas die Marmortreppe herauf gekrochen, und als es oben angelangt war, klopfte es an der Thür und rief „Königstochter, jüngste, mach mir auf.“ Sie lief und wollte sehen wer draußen wäre, als sie aber aufmachte, so saß der Frosch davor. Da warf sie die Thür hastig zu, setzte sich wieder an den Tisch, und war ihr ganz angst. Der König sah wohl daß ihr das Herz gewaltig klopfte und sprach „mein Kind, was fürchtest du dich, steht etwa ein Riese vor der Thür und will dich holen?“ „Ach nein,“ antwortete sie, „es ist kein Riese, sondern ein garstiger Frosch.“ „Was will der Frosch von dir?“ „Ach lieber Vater, als ich gestern im Wald bei dem Brunnen saß und spielte, da fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat sie der Frosch wieder heraufgeholt, und weil er es durchaus verlangte, so versprach ich ihm er sollte mein Geselle werden, ich dachte aber nimmermehr daß er aus seinem Wasser heraus könnte. Nun ist er draußen und will zu mir herein.“ Indem klopfte es zum zweitenmal und rief

„Königstochter, jüngste,

mach mir auf,

weißt du nicht was gestern

du zu mir gesagt

bei dem kühlen Brunnenwasser?

Königstochter, jüngste,

mach mir auf.“

Da sagte der König „was du versprochen hast, das mußt du auch halten; geh nur und mach ihm auf.“ Sie gieng und öffnete die Thüre, da hüpfte der Frosch herein, ihr immer auf dem Fuße nach, bis zu ihrem Stuhl. Da saß er und rief „heb mich herauf zu dir.“ Sie zauderte bis es endlich der König befahl. Als der Frosch erst auf dem Stuhl war, wollte er auf den Tisch, und als er da saß, sprach er „nun schieb mir dein goldenes Tellerlein näher, damit wir zusammen essen.“ Das that sie zwar, aber man sah wohl daß sies nicht gerne that. Der Frosch ließ sichs gut schmecken, aber ihr blieb fast jedes Bißlein im Halse. Endlich sprach er „ich habe mich satt gegessen, und bin müde, nun trag mich in dein Kämmerlein und mach dein seiden Bettlein zurecht, da wollen wir uns schlafen legen.“ Die Königstochter fieng an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Frosch, den sie nicht anzurühren getraute, und der nun in ihrem schönen reinen Bettlein schlafen sollte. Der König aber ward zornig und sprach „wer dir geholfen hat, als du in der Noth warst, den sollst du hernach nicht verachten.“ Da packte sie ihn mit zwei Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bett lag, kam er gekrochen und sprach „ich bin müde, ich will schlafen so gut wie du: heb mich herauf, oder ich sags deinem Vater.“ Da ward sie erst bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn aus allen Kräften wider die Wand, „nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch.“

Als er aber herab fiel, war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit schönen und freundlichen Augen. Der war nun nach ihres Vaters Willen ihr lieber Geselle und Gemahl. Da erzählte er ihr, er wäre von einer bösen Hexe verwünscht worden, und Niemand hätte ihn aus dem Brunnen erlösen können als sie allein, und morgen wollten sie zusammen in sein Reich gehen. Dann schliefen sie ein, und am andern Morgen, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen heran gefahren mit acht weißen Pferden bespannt, die hatten weiße Straußfedern auf dem Kopf, und giengen in goldenen Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. Der treue Heinrich hatte sich so betrübt, als sein Herr war in einen Frosch verwandelt worden, daß er drei eiserne Bande hatte um sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge. Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen; der treue Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf und war voller Freude über die Erlösung. Und als sie ein Stück Wegs gefahren waren, hörte der Königssohn daß es hinter ihm krachte, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief

„Heinrich, der Wagen bricht.“

„Nein, Herr, der Wagen nicht,

es ist ein Band von meinem Herzen,

das da lag in großen Schmerzen,

als ihr in dem Brunnen saßt,

als ihr eine Fretsche (Frosch) wast (wart).“

Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg, und der Königssohn meinte immer der Wagen bräche, und es waren doch nur die Bande, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr erlöst und glücklich war.

Heldinen küssen keine Frösche

Das Märchen DER FROSCHKÖNIG ODER DER EISERNE HEINRICH ist die Nummer eins der Kinder- und Hausmärchen und es gehört auch zu den beliebtesten. Dabei mag manche von Ihnen schon allein der Zusatz im Titel verwundern. Das überrascht eigentlich auch nicht, denn der „eiserne Heinrich“ der Diener des Königssohns, der so mit seinem Herren leidet, ist nämlich von einigen Herausgebern einfach wegrationalisiert worden.

In ihren Anmerkungen geben die Brüder Grimm an, das Märchen stamme aus Hessen. Dort haben sie, wie wir ja bereits erfahren haben, mehrere Quellen. Wahrscheinlich ist es jedoch die Familie Wild, die den Froschkönig beigesteuert hat. Die Formel am Anfang des Märchens ist bemerkenswert. „In alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat [...]“ klingt so, als wäre es eine typische Einleitung für die Märchen der Brüder Grimm, dabei taucht es nur selten auf, während immerhin fast die Hälfte der Märchen mit „Es war einmal“ beginnt.

DER FROSCHKÖNIG ist eines der Märchen, die als Ölenberger Fassung vorhanden sind, das heißt, es gehörte zu den Geschichten, die zu Beginn der ganzen Sammelunternehmung an Brentano gingen.

Wenn man die beiden Versionen vergleicht, sieht man ziemlich schnell, wie sehr vor allem Wilhelm Grimm die Märchen im Laufe der Zeit ausgeschmückt hat.

Das geht schon beim Titel los. Der lautet in der Ur- oder Ölenberger Fassung nämlich Die Königstochter und der verzauberte Prinz. Froschkönig. Kein Wort vom eisernen Heinrich, obwohl er auch in dieser frühen Version vorkommt.

Die Urfassung ist wesentlich kürzer als von 1857 und kommt einem im Gegensatz dazu beinahe karg vor. Romantisch ist schon der Anfang nicht, in dem der Hörer (oder Leser) einfach mitten in die Handlung geworfen wird. „Die jüngste Tochter des Königs ging hinaus in der Wald, und setzte sich an einen kühlen Brunnen.“ Zack. Kein Wort von der Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat, davon, wie schön alle Töchter des Königs waren, die jüngste aber die schönste von allen. Das, was wir in der Einführung über Lüthis Analysen des Volksmärchens gehört haben, bietet die Urfassung bis zum Exzess. Volksmärchen ist, wenn man nichts mehr weglassen kann, sozusagen.

Auch die Gefühlszustände der Prinzessin sind nur in reduzierter Form vorhanden. Sie ist traurig, als ihr die goldene Kugel abhanden kommt und sie fürchtet sich „sehr vor dem kalten Frosch“. Davon abgesehen kommt nur das zum Tragen, was auch die Handlung voranbringt und das vollkommen schnörkellos.

Die wesentlichen Elemente sind aber auch in der Urfassung erhalten. Prinzessin, Frosch, goldene Kugel, Prinz und Diener Heinrich verhalten sich wie in späteren Versionen. Auch der kleine Vers, mit dem der Frosch auf das Versprechen der Königstochter hinweist, ist dort zu finden. Nur das Zerspringen der eisernen Bande gibt es in einfacher und nicht in dreifacher Ausführung.

Märchenliebhabern sei es unbedingt empfohlen, die Urfassungen zu lesen, denn erst dadurch wird klar, wie sehr wir uns an die besondere Märchensprache der Brüder Grimm und Wilhelm Grimms im Besonderen, gewöhnt haben.

Besonders sympathisch wirkt die „Heldin“ des Abenteuers, die Prinzessin, in keiner der Versionen. In der Urfassung läuft sie dem Frosch einfach davon, in der Version von 1857 denkt sie sogar abfällig darüber nach, dass ein solcher Frosch sicher keine gute Gesellschaft ist. Eigentlich haben wir es hier sogar mit einer fiesen, charakterschwachen Person zu tun und vielleicht liegt es daran, dass diese Königstochter nicht so sehr als Identifikationsfigur taugt, wie beispielsweise Schneewittchen. Das gilt allerdings mit einer kleinen Einschränkung: In diesem Märchen wird ein Reifungsprozess dargestellt. Die anfangs kindliche Prinzessin, die mit einer goldenen Kugel spielt und sich nicht an die Konventionen „Erwachsener“ hält, indem sie ihrem Ekel vor dem Frosch nachgibt und ihn ausnutzt, muss im Laufe der Handlung durch die Erziehung des strengen Königs und Vaters lernen, dass sie nicht immer ihren Willen bekommt, sondern auch Pflichten hat. Vor allem wenn man ein Versprechen gegeben hat. So ganz ohne Gegenwehr klappt das zwar nicht, aber am Ende hat die Tochter ihre Lektion gelernt und wird die Frau des Prinzen.

Man muss eigentlich nicht extra betonen, dass schon der Frosch unter Märchenforschern als Metapher für einen Mann angesehen wird und es hier zwischen den Zeilen um nichts anderes als Sex geht.

Übrigens haben wir hier noch die Fassung, in der die Prinzessin den Frosch ziemlich brutal an die Wand wirft, woraufhin er zum Prinzen wird. Den berühmten Kuss, der in die Popkultur eingegangen ist, gibt es erst in Versionen ab Ende des 19. Jahrhunderts.

Die Brüder Grimm erwähnen in den Anmerkungen, das es sich beim Froschkönig um eines der ältesten Märchen in Deutschland handelt und beschreiben gleich zwei weitere Fassungen, eine aus dem „Hessischen“ und eine aus dem „Paderbörnischen“. In der hessischen Variante geht es statt um eine goldene Kugel um klares Wasser, das aus einem Brunnen geholt werden soll. Nacheinander werden die Königstöchter ausgeschickt, um es zu besorgen, es kommt aber nur trübe Brühe zum Vorschein. Der Frosch könnte es richten, knüpft aber, wie auch in der KHM-Fassung seine Hilfe an die Bedingung, der Gefährte der Prinzessin zu werden. Die dritte Prinzessin willigt auch zum Schein ein, haut aber mit dem klaren Wasser ab und der Frosch muss am Hofe erscheinen, um seine Belohnung einzufordern. Interessant ist, dass der Froschkönig drei Nächte bei der Königstochter verbringt, zwei am Fußende des Bettes und die dritte schließlich auf ihrem Kopfkissen. Die Verwandlung geschieht nicht durch einen Kuss oder einen Wurf an die Wand, sondern heimlich still und leise über Nacht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

In der Version aus dem Paderborner Land schließt sich noch ein ganz anderer Handlungsbogen an, in dem der Prinz sich um ein Haar eine falsche Braut nimmt und die Prinzessin sich als Mann verkleidet in sein Gefolge mischt, um das zu verhindern. In dieser Geschichte springt das eiserne Band nicht dem treuen Diener, sondern der Prinzessin und „echten“ Braut vom Herzen, woraufhin der Königssohn sie erkennt.

Das eiserne Band ist ein Motiv, das auf mittelalterliche Lyrik zurückgeht. Schon alte Minnedichter bemühen diese Metapher, wenn es um Liebesqualen – oder zumindest Gefühle geht.

Unstrittig ist sicherlich die Einschätzung, dass es sich beim Froschkönig um ein Zaubermärchen handelt. Das Übernatürliche kommt hier in Gestalt eines sprechenden Frosches, der sich als verzauberter Prinz entpuppt. Und – typisch Volksmärchen – wundert sich kein Mensch über diesen Umstand, sondern lediglich der Ekel vor einem solchen Tier als Gefährten wird thematisiert.

Damit haben wir auch schon mit der Einordnung des Froschkönigmotivs in den ATU, den Aarne-Thompson-Uther begonnen. Genauer, das Zaubermärchen mit der ATU-Nummer 440 gehört zur Untergruppe „Übernatürliche oder verzauberte Verwandte“ und hier „Ehemann“, zur gleichen Untergruppe (425-449) übrigens, wie Die Schöne und das Biest und SCHNEEWEISCHEN UND ROSENROTH.

Die ganze Froschküsserei, die sich in unsere Alltagskultur geschlichen hat, begann also mit einer relativ unspektakulären Verwandlung in der Nacht, bzw. einer Prinzessin, die eine Amphibie an die Wand klatschte. Da sieht man mal, wie sich Märchenmotive im Laufe der Zeit weiterentwickeln können.