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III. Verbindung mit Jugendstrafe

1. Reihenfolge der Vollstreckung

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Wird bei der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht gem. § 5 Abs. 3 von Jugendstrafe abgesehen (§ 5 Rn. 19), so gilt für die Reihenfolge der Vollstreckung § 67 StGB, wobei erzieherische Belange besonderer Berücksichtigung bedürfen. Die Umkehr der vorgeschriebenen Reihenfolge der Vollstreckung ist nach § 67 Abs. 2 S. 1 StGB nur zulässig, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. § 67 Abs. 2 S. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 16.7.2007 (BGBl. I, S. 1327) gilt gemäß § 7 Abs. 1 JGG i.V.m. § 61 Nr. 2 StGB auch bei der Verhängung von Jugendstrafe (BGH NJW 2009, 2694 m. Anm. Rose ZJJ 2010, 196 ff).

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Ob dieser Zweck in Abweichung von der gesetzlichen Reihenfolge den Vorwegvollzug oder Vorwegvollzug eines Teils der Jugendstrafe erfordert, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Persönlichkeit des Täters, der Länge der Freiheitsstrafe und der Art der notwendigen Behandlung (ständige Rspr. des BGH, s. etwa BGHSt 33, 285 m.w.N.; ferner die Rechtsprechungsnachweise bei Detter NStZ 2001, 136 f.; 2000, 190; 1999, 499). Im Einzelfall ist damit also nicht ausgeschlossen, dass dem Vollzug der Strafe der Vorrang vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu geben ist; das kann insbesondere der Fall sein, wenn es sich um eine Jugendstrafe handelt (BGH Urt. v. 14.7.1987 – 1 StR 250/87 = BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 7). Dabei genügt es nicht, dass gegenwärtig keine erfolgversprechende Therapie möglich ist; erforderlich ist vielmehr, dass im konkreten Fall der Vorwegvollzug der Strafe geeignet erscheint, die Therapiebereitschaft des Verurteilten in dem Sinne zu fördern, dass der Vorwegvollzug der Strafe den Angeklagten dem Maßregelziel näherbringt (BGHSt 33, 287). Das ist dann der Fall, wenn mit einer gewissen Weiterentwicklung des Angeklagten durch den Strafvollzug zu rechnen ist, der Vollzug der Jugendstrafe also die Aussicht bietet, dem Angeklagten im Rahmen der weiteren Entwicklung seiner noch unfertigen Persönlichkeit bewusst zu machen, dass die Gesellschaft ihm ebenso wie anderen Straftätern gegenüber auf Verletzungen von Rechtsgütern mit dem Mittel der Strafe reagieren muss, und ihn damit für spätere therapeutische Maßnahmen besser vorzubereiten, als es eine sofortige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vermöchte (BGHSt 33, 289). Die Strafe kann gem. § 67 Abs. 2 StGB dann vor der Maßregel vollzogen werden, wenn sie als Vorstufe der Behandlung für deren Zweck erforderlich ist, etwa bei Protest- und Verweigerungsverhalten oder mangelndem Durchhaltewillen für Langzeittherapie.

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Aus anderen Gründen, etwa wegen eines fehlenden Therapieplatzes in einer vorhandenen Anstalt gem. § 93a, darf der Vorwegvollzug nicht angeordnet werden (BGH MDR 1978, 803 [Holtz]; NStZ 1981, 492; NStZ 1982, 132; s. auch § 93a Rn. 3, 4). Zum Vorwegvollzug bei angeordneter Unterbringung neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren s. nunmehr § 67 Abs. 2 S. 2–4 StGB. Zur Vollstreckungsreihenfolge im Übrigen kann auf die allgemeine Kommentarliteratur zu § 67 StGB verwiesen werden (vgl. etwa Fischer § 67 Rn. 3 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung).

2. Revisionsrechtliche Prüfung

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Die Abweichung von der regelmäßigen Reihenfolge der Vollstreckung ist grundsätzlich gesonderter revisionsrechtlicher Prüfung zugänglich (BGH StV 1991, 65; a.A. noch OLG Hamm NStZ 1985, S. 447 [Böhm]). Eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Nichtanordnung der Unterbringung nach §§ 63 oder 64 StGB ist unwirksam. Ist nämlich über die Frage der Unterbringung zu entscheiden, so kann eine Verurteilung zu Jungendstrafe nicht vorweg selbstständig in Rechtskraft erwachsen, weil dem Tatrichter sonst die ihm gemäß § 5 Abs. 3 obliegende Beurteilung und Entscheidung unmöglich gemacht würde (BayObLG JZ 1989, 652; s. § 5 Rn. 19; in diesem Sinne auch BGH Beschl. v. 18.1.1993 – 5 StR 682/92 = BGHR JGG § 5 Abs. 2 Absehen 1). Zum Verhältnis der Strafzumessungserwägungen zu den für die Unterbringung beachtlichen Gesichtspunkten s. § 5 Rn. 19.

IV. Verfahren

1. Sachliche Zuständigkeit

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Zuständig für die Vollstreckung der Maßregeln der Besserung und Sicherung, insbesondere für die Entscheidungen über Beginn, Fortdauer und Aussetzung, ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter, §§ 82 Abs. 1, 84 JGG; §§ 462a, 463 Abs. 1 StPO (BGHSt 26, 163; 27, 190; OLG Koblenz GA 1975, 285; OLG Karlsruhe JR 1980, 468). Dies gilt auch dann, wenn der Verurteilte zur Tatzeit Heranwachsender war, aber Jugendstrafrecht zur Anwendung gekommen ist. Dass der Verurteilte zwischenzeitlich erwachsen geworden ist, ist unerheblich (OLG Karlsruhe JR 1980, 468 m.w.N.; OLG Düsseldorf OLGSt Nr. 1 zu § 82). Ist gegen einen Heranwachsenden nur eine Maßregel nach § 7 Abs. 1 angeordnet und enthält das Urteil keine ausdrücklichen Erörterungen zu § 105, so ist die Strafvollstreckungskammer für die Vollstreckung zuständig, denn § 105 erfordert ausdrückliche Feststellungen, wenn auf einen Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewendet werden soll (OLG Düsseldorf OLGSt Nr. 1 zu § 82 JGG).

2. Örtliche Zuständigkeit

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Nach der Neuregelung in § 85 Abs. 4 geht die Vollstreckung nach der Aufnahme des Verurteilten in den Maßregelvollzug auf den Jugendrichter über, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, oder der gem. § 85 Abs. 2 S. 2 durch Rechtsverordnung bestimmt ist. Unterhält die Anstalt Außenstellen, so ist der Sitz der Hauptanstalt maßgeblich (BGH Beschl. v. 17.12.1993 – 2 ARs 426/93 = NStZ 1994, 204 f.). Ist vor dem Ende des Strafvollzugs über eine zusätzlich angeordnete Maßregel zu entscheiden (§ 67a Abs. 1 StGB), so erstreckt sich die örtliche Zuständigkeit des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter für die Vollstreckung der Jugendstrafe auch auf die Entscheidungen über die Maßregel (BGHSt 27, 190, 191; OLG Karlsruhe JR 1980, 468). Dies gilt auch nach der Neuregelung in § 85 Abs. 4, um ein Auseinanderfallen dieser voneinander abhängigen Entscheidungen zu verhindern. Die Abgabe aus wichtigen Gründen richtet sich auch im Maßregelvollzug nach § 85 Abs. 5 (BGHR JGG § 85 Abs. 3 [a.F.], Vollstreckungsabgabe 1). Der Gesichtspunkt der Vollzugsnähe allein ist indessen noch kein wichtiger Grund (BGH a.a.O.; OLG Düsseldorf NStE Nr. 2 zu § 85 JGG; § 85 Rn. 13). Zur Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für Folgeentscheidungen bei nach DDR-Recht angeordneten Einweisungen s. KG NStZ 1994, 148.

3. Vollzug und Rechtsbehelfe

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Für den Vollzug der Maßregeln gelten §§ 136 bis 138 StVollzG sowie die §§ 53, 54, 56 StVollstrO im Rahmen von § 1 Abs. 3 StVollstrO. Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen im Vollzug, die nicht den Beginn, die Fortdauer und die Aussetzung der Unterbringung, für die der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig ist (Rn. 21), gilt § 92.

B. Nachträgliche Sicherungsverwahrung (Absätze 2 bis 5)
I. Allgemeines

1. Anwendbarkeit

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Abs. 2–4 gelten für Jugendliche und für Heranwachsende, die nach Jugendstrafrecht verurteilt werden (§ 105). In diesen Fällen gelten sie auch in Verfahren vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 104 Abs. 1 Nr. 1, § 112). Sie ermöglichen in Fällen schwerster Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung sowie in Fällen von Raub- oder Erpressungstaten mit Todesfolge auch bei einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht die Sicherungsverwahrung nach dem Jugendstrafvollzug oder nach einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nachträglich anzuordnen. Eine Übergangsregelung für die Fälle, in denen die Anlasstaten vor dem Inkrafttreten der jetzigen Vorschriften über die Sicherungsverwahrung am 1.6.2013 (BGBl. I 2012, S. 2425 ff.) begangen wurden („Altfälle“), enthält Art. 316f EGStGB (s. unten Rn. 49).

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Die Vorschrift erfasst grundsätzlich auch Ersttäter ohne einschlägige Vorverurteilung (s. amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 10). Dies ergibt sich nach der Neuregelung (Rn. 26) insbesondere auch daraus, dass der Gesetzgeber in Abs. 2 Satz 2 von einer Gesamtwürdigung seiner „Tat“ oder seiner Taten spricht (vgl. auch amtl. Begr. zu dem insoweit wortgleichen § 66a Abs. 3 Satz 2 StGB, BT-Drucks. 17/3403, S. 30). Der eindeutige Gesetzeswortlaut und der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers verbieten damit Auslegungsversuche dahin, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen insbesondere mit Blick auf die Prognosesicherheit eine Vorverurteilung erfolgt sein muss. Eine solche Auslegung wäre im Hinblick auf den Beginn der Strafmündigkeit (14 Jahre) auch sachlich abwegig.

2. Motive

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Mit dem durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.12.2014 (BGBl. I, S. 2425) eingeführten Abs. 2 wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung im früheren Abs. 2, die nach vorheriger Jugendstrafe ohne Vorbehalt im Urteil angeordnet werden konnte (G. v. 8.7.2008 (BGBl. I, S. 1212), abgeschafft und stattdessen die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung eingeführt. Anlass war die Entscheidung des BVerfG vom 4.11.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a. (BGBl I, S. 1003), mit der die vorangegangene Regelung für verfassungswidrig erklärt wurde (s. hierzu die Erläuterungen im Ergänzungsblatt zur 6. Auflage dieses Kommentars). Zum Urteil des BVerfG vom 4.11.2011 zur Sicherungsverwahrung (s. vorstehend) s. auch Bartsch ZJJ 2013, 182 ff.; Eisenberg StV 2011, 480 ff.; Peglau NJW 2011, 1924 ff.; Schöch GA 2012, 14 ff. Zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung s. etwa Renzikowski NJW 2013, 1638 ff. Dem Abstandsgebot ist nunmehr durch § 66c StGB Rechnung getragen, auf den in Abs. 3 Satz 5 verwiesen wird.

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Am Institut der Sicherungsverwahrung an sich im Jugendstrafrecht hat der Gesetzgeber jedoch festgehalten. Anlass dazu waren die schon bei der Einführung der Sicherungsverwahrung im JGG bekannt gewordenen gravierenden Fälle, in denen nach Einschätzung von Gutachtern und Justiz auch nach Verbüßung einer mehrjährigen Jugendstrafe von einer entsprechenden hohen künftigen Gefährlichkeit für andere auszugehen war, das frühere Recht jedoch für schuldfähige Verurteilte keine Rechtsgrundlage dafür bot, sie zum Schutz der Allgemeinheit weiterhin in staatlichem Gewahrsam zu belassen (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 5). Mit der Neuregelung sollten den genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben, aber auch den im Urteil des EGMR vom 17.12.2009 (Beschwerde Nr. 19259/04, M. ./. Deutschland = NJW 2010, 2495) angesprochenen konventionsrechtlichen Bedenken (s. hierzu eingehend Rn. 29 ff. der Vorauflage m. zahlr. N.) Rechnung getragen werden (s. hierzu auch Drenkhahn ZJJ 2017, 176). Zur Vereinbarkeit der Neuregelung mit der EMRK s. auch EGMR (V. Sektion), Urt. v. 7.1.2016 – 23279/14 (Bergmann/Deutschland) = NJW 2017, 1007.

3. Ultima Ratio

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Auf außergewöhnliche Ausnahmefälle, in denen der Schutzauftrag des Staates gegenüber potenziellen Opfern eine Freilassung des Täters verbietet (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 6 f.; BT-Drucks. 17/9874 S. 11), soll die neue Maßregel nach den Vorstellungen des Gesetzgebers beschränkt sein. Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollte dadurch Rechnung getragen werden, dass die Maßnahme an deutlich strengere Voraussetzungen geknüpft ist als die Sicherungsverwahrung im allgemeinen Strafrecht. So ist der Katalog der Anlasstaten noch enger auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt. Nicht nur die Anlasstat sondern auch die zu erwartenden künftigen Straftaten müssen einschlägige schwere Verbrechen sein, die mit einer schweren seelischen oder körperlichen Schädigung oder Gefährdung des Opfers verbunden sein. Schließlich wird die Verbüßung einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verlangt und die regelmäßige Frist zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung auf sechs Monate verkürzt (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 22).

II. Vorbehalt der Sicherungsverwahrung (Absatz 2 Satz 1)

1. Anlasstaten

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Ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung darf von vorne herein nur bei den in Abs. 2 gesetzlich bestimmten Straftaten ergehen. Bei den Straftaten in Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 handelt es sich um eine abschließende Aufzählung schwerster Straftaten. Neben diesem formalen Katalog schwerster Straftaten, die für die Gefährlichkeitsprognose relevant werden, müssen sich nicht nur die künftig zu erwartenden Straftaten sondern schon die Anlasstaten, die der Verurteilung zugrunde liegen, zusätzlich durch bestimmte schwere Auswirkungen auf das Opfer materiell qualifizieren. Das Opfer muss durch die zur Verurteilung gelangten Taten seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden sein. Damit scheiden Taten, die etwa nur zu einer schweren wirtschaftlichen Schädigung oder Gefährdung des Opfers geführt haben, aus.

2. Höhe der Verurteilung

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Die Verurteilung, die nach der Fassung des Gesetzes auch eine erstmalige sein kann (s. Rn. 25), muss auf Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren lauten. Dieses für Jugendstrafrecht hohe Maß wurde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für erforderlich (s. Rn. 28) aber auch für ausreichend gehalten. Bei einer höheren oder gar der absoluten Grenze der Jugendstrafe wäre zu befürchten gewesen, dass die Fälle mit schwerwiegender Schädigung oder Gefährdung des Opfers in nicht ausreichendem Maß erfasst werden könnten (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 12).

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Bei den sieben Jahren kann es sich auch um eine Einheitsjugendstrafe handeln. Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut „wegen oder auch wegen“ eines der genannten Verbrechen. Von ausschlaggebender Bedeutung war für den Gesetzgeber dabei, dass sich im Falle verschiedener gleichzeitig abgeurteilter Straftaten anders als bei einer Gesamtstrafe nicht zuverlässig bestimmen lässt, welche Strafe für die hinsichtlich der Sicherungsverwahrung maßgebliche Anlasstat konkret verwirkt gewesen wäre, wenngleich in diesen Fällen die Anlasstat angesichts ihrer hier vorausgesetzten Art und Qualität in der Regel auch von wesentlicher Bedeutung für die Bildung einer Einheitsjugendstrafe sein dürfte. Zudem kann selbst unter Berücksichtigung des Erfordernisses erzieherischer Erwägungen bei der Strafzumessung (§ 5 Rn. 8 ff.; § 9 Rn. 3 ff.) jedenfalls bei einer Jugendstrafe von über fünf Jahren regelmäßig davon ausgegangen werden, dass dabei auch Schuldgesichtspunkte von wesentlicher Bedeutung für die Festsetzung der Strafe waren (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07 S. 11). Hinzu kommt, dass das zusätzliche materielle Erfordernis der schweren Schädigung des Opfers (s. Rn. 29) es als unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass eine derart qualifizierte Katalogtat nicht auch von ausschlaggebender Bedeutung für die Bemessung der Einheitsjugendstrafe ist (amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 22 f., 23).

3. Gefährlichkeitsprognose

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Aus den bei der Verurteilung erkennbaren Tatsachen muss sich ergeben, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straften der in Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird. Eine solche kann im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Rechtsfolge (s. Rn. 27) und die damit verbundenen strengen Anforderungen an die Prognose nicht bereits dann angenommen werden, wenn (nur) überwiegende Umstände auf eine künftige Delinquenz des Verurteilten hindeuten. Es bedarf vielmehr unter Ausschöpfung der Prognosemöglichkeiten einer positiven Entscheidung über die Gefährlichkeit des Verurteilten (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 31; vgl. BVerfG NJW 2009, 980, 982; BGHR StGB § 66b Abs. 1 Satz 2 Voraussetzungen 2). Keinesfalls genügt es, wenn lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene weiterhin Straftaten der in Abs. 2 bezeichneten Art begeht (vgl. BVerfGE 109, 190, 242). Andererseits beruhen Prognosen über die Gefährlichkeit eines Verurteilten auf Wahrscheinlichkeitsfeststellungen, so dass nicht verlangt werden kann, dass zukünfige Ereignisse oder Zustände zur vollen richterlichen Überzeugung feststehen müssen, weil die Gefährlichkeit sonst immer mit dem Argument verneint werden müsste, es sei nicht ausschließbar, dass gefahrbegründende Faktoren nicht eintreten. Ein solcher Maßstab wäre rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2013, 225 m. krit. Anm. Eisenberg).

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Ein Hang zu den genannten Anlasstaten ist nicht erforderlich (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 24 f.; a.A. Bartsch StV 2010, 521 f.; Kreuzer NStZ 2010, 473 ff., 475). Der Gesetzgeber hat dieses Merkmal ganz offensichtlich in Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BGH für das entsprechende allgemeine Strafrecht (vgl. BGHSt 50, 373, 381; 51, 191, 199; BGH StV 2008, 636 f.) nicht in den Tatbestand eingefügt (vgl. BGH NJW 2010, 1539 Rn. 24 ff.). Die Regelung in Abs. 2 stellt gezielt auf den jungen Straftäter ab, bei dem sich in dem hier in Betracht kommenden Alter ein Hang im Rechtssinne beispielsweise als „psychologische Tatsache“, als „eingeschliffener innerer Zustand“ oder als eine „fest eingewurzelte Neigung“ (Fischer § 66 Rn. 24 m.w.N. aus der Rspr.) kaum feststellen lassen wird (Seifert Gutachten zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 28.5.2008 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 16/6562; ebenso Ostendorf/Bochmann ZRP 2007, 146 ff. 148; vgl. auch amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23). Soweit die Vollstreckungsregelungen des § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO i.V.m. § 67d Abs. 3 und 2 StGB, die gemäß § 82 Abs. 3 JGG auf die nach Jugendstrafrecht verhängte Sicherungsverwahrung anzuwenden sind, ausdrücklich die Feststellung eines Hanges voraussetzen, sind sie gegebenenfalls dahingehend auszulegen, dass die dann mit der Sache befasste Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige nicht das weitere Vorliegen eines Hanges zu prüfen haben, sondern die weiterhin gegebene spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten zu Anlasstaten i.S.v. Abs. 2 (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 29).

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Vielmehr kommt es auf die spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten im Hinblick auf die Begehung von Anlasstaten i.S.v. Abs. 2 an. Jene muss in seiner Persönlichkeit angelegt sein. Nur dadurch ist die dem gesetzgeberischen Willen entsprechende Begrenzung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung bei jungen Straftätern nach Abs. 2 auf einzelne höchstgefährliche Straftäter (vgl. BT-Drucks. 16/6562 S. 1, 7, 9) gewährleistet. Zwar kann ein Hang zu erheblichen Straftaten (sofern er feststellbar wäre) eine Indiztatsache für das Vorliegen der in Ab. 2 geforderten spezifischen Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.d. Abs. 2 darstellen (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 28; vgl. BVerfG NJW 2006, 3483, 3484; Beschl. vom 5.8.2009 – 2 BvR 2098/08 und 2 BvR 2633/08). Die spezifische Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.v. § 7 Abs. 2 JGG ist aber weiter gehend als der im früheren § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB beschriebene Hang zu erheblichen Straftaten. Denn der Katalog der Taten wurde in § 7 Abs. 2 JGG auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt, während der Hang nach dem früheren § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch schweren wirtschaftlichen Schaden umfasste (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 27 ff.).

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Aus einer Gesamtwürdigung muss sich die im Vorstehenden beschriebene hohe Wahrscheinlichkeit ergeben. Dabei kommt es in diesem Stadium (Abs. 2 Satz 1) auf den Zeitpunkt der Verurteilung an (amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23). Da im Hinblick auf die im Vergleich zu Erwachsenen kürzere Lebensgeschichte nicht an Vorstrafen oder Haftaufenthalte angeknüpft werden kann, kann sich die Gesamtwürdigung nur auf alle bis zum Schluss der Beweisaufnahme bekannt gewordenen Umstände der Tat und in der Persönlichkeit des Täters beziehen. Nicht zuletzt deshalb sind an die Gesamtwürdigung desto höhere Anforderungen zu stellen, je näher der Angeklagte zur Zeit der Tat an der 14-Jahres-Grenze lag.

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