Kitabı oku: «Jugendgerichtsgesetz», sayfa 47

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c) Ketteneinbeziehungen

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Möglich sind auch sog. Ketteneinbeziehungen. Diese liegen vor, wenn ein Urteil einbezogen werden soll, welches seinerseits eine noch frühere Entscheidung einbezogen hatte. Folge dieser erstmaligen Einbeziehung ist, dass die älteste Entscheidung gegenstandslos wird. Sie kann daher nicht mehr isoliert, sondern nur noch gemeinsam mit dem erstmalig einbeziehenden Urteil einbezogen werden (BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7 [Gründe]). Sämtliche Entscheidungen – also auch die mittelbar einbezogenen – sind dann erneut einzubeziehen und in der Urteilsformel aufzuführen (BGHSt 43, 237, 240; BGH NStZ 2017, 539; BGH NStZ-RR 2014, 356 [Ls]; BGH NStZ-RR 2000, 321, 322 [Böhm]; BGH Beschl. v. 21.4.1998 – 1 StR 165/98; BGH StV 1989, 307, 308; vgl. § 54 Rn. 22; zu den Urteilsgründen siehe unten Rn. 51).

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Eine isolierte Einbeziehung einer bereits vormals einbezogenen Entscheidung ist auch dann ausgeschlossen, wenn das erstmalig einbeziehende Urteil noch nicht rechtskräftig ist (BGH NStZ 2004, 294; Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 499; Ostendorf § 31 Rn. 9a; vgl. oben Rn. 17). Anderenfalls bestünde die Gefahr einer doppelten Verwertung der Vorverurteilung. Die Festsetzung der einheitlichen Maßnahme muss in diesem Falle dem nachträglichen Ergänzungsverfahren gem. § 66 vorbehalten bleiben.

d) Ordnungswidrigkeiten

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Geldbußen nach dem OWiG unterfallen nicht der Regelung des § 31 (Krumm NZV 2010, 68, 70; Brunner/Dölling § 31 Rn. 39; M/R/T/W-Buhr § 31 Rn. 10). Bußgeldbescheide oder auf Bußgeld lautende Urteile können daher nicht einbezogen werden. Nach § 20 OWiG bleiben die Rechtsfolgen der einzelnen Ordnungswidrigkeiten unabhängig nebeneinander stehen mit der Folge, dass Geldbußen und Nebenfolgen jeweils getrennt festzusetzen und anschließend schematisch zu addieren sind (Kumulationsprinzip; vgl. KK-OWiG-Bohnert § 20 Rn. 2, 6). Die Vorschrift erteilt damit der Bildung einer Gesamtrechtsfolge – sei es nach §§ 53–55 StGB, sei es nach § 31 – eine Absage. Führt die Geldbußenhäufung im Jugendstrafrecht zu erzieherisch untragbaren Ergebnissen, kann dem nur durch eine entsprechende Bemessung (§ 17 Abs. 3 S. 2 OWiG) oder durch Teileinstellungen nach § 47 OWiG Rechnung getragen werden (KK-OWiG-Bohnert § 20 Rn. 6; Eisenberg § 31 Rn. 8).

2. Keine Erledigung

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Die frühere Sanktion darf noch nicht erledigt sein. Andernfalls würde der Angeklagte unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3 GG mehrfach bestraft (Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 499; vgl. zur Konstellation, in der nach revisionsgerichtlicher Zurückverweisung die Sanktion aus dem ersten Urteil verbüßt ist: Rn. 27). § 31 Abs. 2 S. 1 verwendet den Begriff der „Erledigung“ als Oberbegriff zu den Begriffen „Ausführung“ und „Verbüßung“. Hieraus wird deutlich, dass die Erledigung jeweils an der Eigenart der konkret festgesetzten Maßnahme bzw. Sanktion zu messen ist (Nix/Nicolai § 31 Rn. 15). Generell gilt, dass eine Einbeziehung ausscheidet, wenn die Sanktion aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vollstreckt werden kann. Eine nur teilweise Verbüßung von Jugendarrest oder Jugendstrafe steht einer (stets vollständigen) Einbeziehung indes nicht entgegen (Brunner/Dölling § 31 Rn. 14; vgl. unten Rn. 43 f.). Gleiches gilt, wenn die Vollstreckung gem. §§ 21, 88 ausgesetzt wurde (Eisenberg § 31 Rn. 22). Haben sich nur einzelne von mehreren Rechtsfolgen erledigt, wird zwar ebenfalls das gesamte Urteil einbezogen (vgl. Rn. 39), auf bereits vollständig erledigte Rechtsfolgen kann sich die Einbeziehung jedoch nicht mehr auswirken, weil mit der Rechtskraft der Einbeziehungsentscheidung der frühere Rechtsfolgenausspruch (lediglich) mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) beseitigt wird (vgl. BGHSt 42, 299, 300 [im Ausgangsfall fehlerhafte Anordnung einer erneuten Sperrfrist nach Entziehung der Fahrerlaubnis, obwohl die Sperrfrist im einbezogenen Urteil abgelaufen war und die neu abgeurteilten Taten für eine weitere Sperrfrist keinen Anlass gaben]; Eisenberg § 31 Rn. 17; Schady in: FS Ostendorf, 779, 793 f. = ZIS 2015, 593, 598; siehe auch Rn. 46). Eine bereits vollständig erledigte Rechtsfolge darf daher durch das zweite Urteil nicht wiederholt oder verschärft werden; diese Rechtsfolge bleibt vielmehr durch das neue Urteil unberührt (Dölling NStZ 1998, 355). Es empfiehlt sich daher, im Tenor des einbeziehenden Urteils klarzustellen, dass das frühere Urteil bezüglich der vollstreckten Rechtsfolge bereits erledigt ist (BGHSt 42, 299, 301; Brunner/Dölling § 31 Rn. 7; § 54 Rn. 24; M/R/T/W-Buhr § 31 Rn. 8, 20: „gilt insb. für abgelaufene Sperrfristen einer Fahrerlaubnisentziehung“; vgl. auch BGH Beschl. v. 25.3.2014 – 4 StR 573/13). Die Urteilsgründe müssen sich zudem zum Vollstreckungsstand der früheren Sanktionen äußern (Rn. 49, 68).

a) Erledigung bei einzelnen Rechtsfolgen

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Jugendstrafe ist erledigt bei vollständiger Verbüßung, nach Erlass gem. § 26a (BGH StV 1992, 432, 433; BGH Beschl. v. 26.9.2003 – 2 StR 192/03), Gnadenerweis oder Amnestie oder nach Eintritt der Vollstreckungsverjährung (§§ 79 ff. StGB). Das Gericht trifft eine Erkundigungspflicht in Bezug auf den Vollstreckungsstand. Dies gilt insbesondere, wenn in der einzubeziehenden Sache die Bewährungszeit schon abgelaufen ist (BGH StV 1992, 432, 433).
Bei der Verhängung eines Schuldspruchs gem. § 27 gilt: Erledigung tritt erst mit Rechtskraft der Tilgung des Schuldspruchs (§ 30 Abs. 2) ein (Eisenberg § 31 Rn. 26; Ostendorf § 31 Rn. 11 f.). Der Schuldspruch erledigt sich als solcher aber auch, wenn gem. § 30 Abs. 1 rechtskräftig auf eine Jugendstrafe erkannt wurde; jedoch kann dann diese Entscheidung ihrerseits gem. § 31 Abs. 2 S. 1 einbezogen werden.
Jugendarrest erledigt sich durch vollständige Vollstreckung, ferner auch, wenn von seiner Vollstreckung gem. § 87 Abs. 3 abgesehen wurde oder gem. § 87 Abs. 4 seit Rechtskraft der Entscheidung ein Jahr verstrichen ist (Eisenberg § 31 Rn. 24).
Weisungen und Auflagen sind erledigt, wenn sie ausgeführt wurden oder aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ausgeführt werden können. Bei nicht zeitlich begrenzten Weisungen ist entscheidend, ob der Verurteilte den erzieherischen (An-)Geboten gefolgt ist oder aber der erzieherische Zweck erloschen ist (vgl. Eisenberg § 31 Rn. 19; Potrykus NJW 1959, 1064, 1065).
Eine Verwarnung erledigt sich, wenn sie nach Rechtskraft der Entscheidung mündlich oder schriftlich vollzogen wurde.
Hilfe zur Erziehung gem. § 12 i.V.m. §§ 30, 34 SGB VIII ist erst erledigt, wenn die gesetzlich umrissenen Ziele entsprechend dem „Hilfeplan“ (§ 36 Abs. 2 S. 2 SGB VIII) erreicht sind. Sie erledigt sich auch, wenn der Betroffene die Volljährigkeit erreicht (Nix/Nicolai § 31 Rn. 16).

b) Maßgeblicher Zeitpunkt

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Im Grundsatz ist der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Verhandlung ausschlaggebend, und zwar sowohl im Hinblick auf die erforderliche Rechtskraft der einzubeziehenden Entscheidung als auch hinsichtlich der Erledigung der früher verhängten Sanktionen (Dallinger/Lackner § 31 Rn. 12; Eisenberg § 31 Rn. 27). Umstritten ist indes, welcher Zeitpunkt maßgeblich ist, wenn die Voraussetzungen der Einbeziehung – namentlich die ursprüngliche Nichterledigung – im Revisionsverfahren oder nach Zurückverweisung wegfallen. Nach einer Auffassung soll auch dann der Zeitpunkt der neuen tatrichterlichen Verhandlung entscheidend sein (Ostendorf § 31 Rn. 13): Der frühere Gesetzesverstoß rechtfertige nicht, dass das zweite Tatgericht unter nochmaligem Gesetzesverstoß eine Entscheidung einbeziehe, deren Sanktion schon erledigt ist. Allerdings erscheint dieses Argument zirkulär, gilt es doch zu beweisen, dass die Einbeziehung durch das zweite Tatgericht eine Gesetzesverletzung darstellt. Zutreffend dürfte hier der revisionsrechtliche Blickwinkel sein: Wären Veränderungen während des schwebenden Revisionsverfahrens maßgeblich, müsste das Revisionsgericht konsequenterweise das tatrichterliche Urteil auch dann aufheben, wenn dieses im Zeitpunkt seines Erlasses fehlerfrei war; dies wäre indes mit der formellen, auf Fehlerkorrektur bedachten Sichtweise des Revisionsrechts nicht vereinbar. Richtigerweise steht daher einer Nachholung der fehlerhaft unterbliebenen Einbeziehung nicht entgegen, dass inzwischen die Erledigung der Rechtsfolgen aus der früheren Entscheidung eingetreten ist (wie hier: BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 6 [Gründe]; BGH StraFo 2011, 288 f.; Dallinger/Lackner § 31 Rn. 12; Eisenberg § 31 Rn. 27; M/R/T/W-Buhr § 31 Rn. 29; Streng Jugendstrafrecht, Rn. 274). Das Gleiche sollte aber auch gelten, wenn das Urteil wegen einer aus anderen Gründen fehlerhaften Rechtsfolgenentscheidung aufgehoben wurde (ebenso: BGH StV 2001, 179; Brunner/Dölling § 31 Rn. 7; Eisenberg § 31 Rn. 27; einschränkend: Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 499: nur, wenn Anrechnung problemlos möglich, etwa bei Jugendstrafen; anders noch BGH NStZ 1986, 423). Wird dieser Auffassung nicht gefolgt, so darf die zu verhängende Jugendstrafe nicht höher bemessen werden als die aufgehobene Einheitsjugendstrafe abzüglich der verbüßten Jugendstrafe (BGH NStZ 1986, 423).

3. Wirkungen der Einbeziehung

a) Bindungswirkung

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Sowohl der Schuldspruch als auch die ihn tragenden Feststellungen sind für das einbeziehende Gericht bindend (Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 500; Dölling NStZ 1998, 355). Im Rechtsfolgenausspruch verliert die einbezogene Entscheidung demgegenüber mit Rechtskraft des neuen Urteils ihre Wirksamkeit (BGH StV 2016, 706); die Rechtsfolgen der früheren Entscheidungen fallen weg, als wären sie nicht ergangen (BGHSt 37, 34, 39 f.; BGH StV 2019, 469, 470; BGH StV 1996, 273; BGH StV 1992, 432; Brunner/Dölling § 31 Rn. 17; Schady in: FS Ostendorf, 779, 791 = ZIS 2015, 593, 597). § 31 Abs. 2 durchbricht insoweit die Rechtskraft (BGHSt 42, 299, 300). Dies gilt auch für angeordnete Maßregeln der Besserung und Sicherung (BGH StV 2019, 469, 470; BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 1; BGH StraFo 2011, 240). Erforderlich ist ggf. deren Neufestsetzung, eine „Aufrechterhaltung“, wie sie § 55 Abs. 2 S. 1 StGB vorsieht, ist nicht möglich (BGH StV 2019, 469, 470; BGH NStZ 1997, 100). Das neue Gericht ist nicht nur im Rechtsfolgenausspruch frei. Auch hinsichtlich der Feststellungen, die zum Rechtsfolgenausspruch getroffen wurden, besteht keine Bindung an die einbezogene Entscheidung (Eisenberg § 31 Rn. 38). Diese Feststellungen unterliegen nunmehr der freien Beweiswürdigung. Allerdings findet eine erneute Beweisaufnahme insoweit nur zur Aufklärung von Widersprüchen und Zweifeln statt oder soweit dies für die erforderliche Gesamtbeurteilung des Angeklagten ergänzend erforderlich ist (Eisenberg § 31 Rn. 58; Ostendorf § 31 Rn. 21; M/R/T/W-Buhr § 31 Rn. 41; Dallinger/Lackner § 31 Rn. 22; RiJGG zu § 31 Nr. 3 S. 2; a.A. Brunner/Dölling § 31 Rn. 12). Nicht gebunden ist das Gericht auch an die Annahme oder Nichtannahme der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1, so dass die Entscheidung über die Anwendung von Jugendstrafrecht auf den Heranwachsenden anders als in dem einzubeziehenden Urteils ausfallen kann (BGH NStZ 2005, 644 f.). Hinfällig wird auch die Kostenentscheidung, die somit in dem einbeziehenden Urteil neu zu treffen ist (unten Rn. 52).

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Eine Bindung auch für den Rechtsfolgenausspruch kann allerdings bei doppelrelevanten Tatsachen bestehen (vgl. § 55 Rn. 17; siehe auch unten Rn. 30; HK-StPO-Temming § 353 Rn. 11; KK-Gericke § 353 Rn. 31). Lagen diese dem Schuldspruch des einzubeziehenden Urteils tragend zugrunde, darf sich das einbeziehende Gericht hierzu nicht in Widerspruch setzen (vgl. BGHSt 7, 283, 286 f.; 24, 274, 275; 28, 119, 121; 44, 119, 120 f.; abw. Roxin/Schünemann § 53 Rn. 19, v. Beckerath S. 114 f., und Ostendorf § 30 Rn. 3, § 55 Rn. 7: Keine Bindung an den Schuldspruch, wenn sich nunmehr die mangelnde Verantwortlichkeit [§ 3 S. 1, § 20 StGB] herausstellt; vgl. § 55 Rn. 17).

b) Unvollständige Rechtsfolgenerwägungen

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Sofern die Rechtsfolgenerwägungen des einbezogenen Urteils ersichtlich unvollständig sind, hat das Gericht die erforderlichen Umstände neu zu ermitteln und ggf. zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen (OLG Koblenz Beschl. v. 21.2.2007 – 1 Ss 291/06, bezüglich Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln [teilweise abgedruckt in NStZ-RR 2008, 323 f.]). Die ergänzenden Feststellungen dürfen allerdings nicht in Widerspruch zu den Feststellungen treten, die ausschließlich oder als doppelrelevante Tatsachen auch den rechtskräftigen Schuldspruch betreffen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt Einl. Rn. 187, Rn. 29).

c) Folgewirkungen

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Die neugebildete Einheitsjugendstrafe kann wiederum Grundlage für weitere Entscheidungen sein und insofern Folgewirkungen auslösen:


Im Recht der Sicherungsverwahrung wird wiederholt an eine oder mehrere Vorverurteilungen zu Freiheitsstrafen bestimmter Höhe angeknüpft (vgl. §§ 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 66 Abs. 3 S. 1 StGB, ggf. i.V.m. § 66a Abs. 1 StGB, § 106 Abs. 4). § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB setzt etwa für die Anordnung von Sicherungsverwahrung voraus, dass der Täter wegen früherer vorsätzlicher Straftaten bereits zweimal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde. Als taugliche Vorverurteilung kommt auch eine Gesamtstrafe, ebenso eine nachträgliche Gesamtstrafe (§ 55 StGB, § 460 StPO), in Betracht, sofern in der Verurteilung eine Einzelstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat enthalten ist (Fischer § 66 Rn. 26, 29 m.w.N.). Gesamtstrafe gilt nach § 66 Abs. 4 S. 1 StGB allerdings nur als eine einzige Verurteilung; werden also mehrere Strafen nachträglich gem. § 55 StGB oder § 460 StPO zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen und verlieren sie hierdurch ihren Charakter als selbstständige Strafen, liegt wie bei einer ursprünglichen Gesamtstrafe nur eine Verurteilung vor (Schönke/Schröder-Kinzig § 66 Rn. 18). Da bei der Jugendstrafe mangels Einzelstrafen keine Gesamtstrafe gebildet wird, ist hinsichtlich der Aussage des § 66 Abs. 4 S. 1 StGB zu differenzieren: Hätten die zeitlichen Voraussetzungen für eine Gesamtstrafe vorgelegen, ist auch im Fall des § 31 Abs. 2 von einer Verurteilung im Sinne des § 66 Abs. 4 S. 1 StGB auszugehen; hätte eine Gesamtstrafe auch im Erwachsenenrecht nicht gebildet werden können, liegen im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zwei Verurteilungen zu Strafe vor (Böhm/Feuerhelm S. 162; Brunner/Dölling § 31 Rn. 18; vgl. hierzu auch BayObLG MDR 1979, 600 [zu § 48 StGB a.F.]). Obwohl die genannten Vorschriften jeweils als Anordnungsvoraussetzung die Verurteilung zu „Freiheitsstrafe“ anführen, fallen nach h.M. auch Jugendstrafen hierunter (vgl. BT-Drucks. V/4094, S. 19; BGHSt 26, 152, 153; Fischer § 66 Rn. 26; Ostendorf § 31 Rn. 25 ff.; Böhm/Feuerhelm S. 161 f.; zw. Schönke/Schröder-Kinzig § 66 Rn. 19; a.A. Eisenberg § 17 Rn. 37; Eisenberg/Schlüter NJW 2001, 188, 189 f.). Dabei entspricht es ganz überwiegender Auffassung, dass auch Einheitsstrafen gem. § 31 Abs. 1, 2 zu berücksichtigen sind (BGH Urt. v. 25.4.2019 – 4 StR 478/18; BGH NStZ-RR 2012, 156, 157; Fischer § 66 Rn. 26, 29). In Anlehnung an die Berücksichtigungsfähigkeit von Gesamtstrafen wird aber bei Anwendung von § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB verlangt, dass die Vorverurteilung erkennen lässt, dass der Täter wenigstens bei einer der ihr zu Grunde liegenden vorsätzlichen Taten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, wäre sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden (BGHSt 26, 152, 154 f.; BGH NStZ 2017, 650; BGH NStZ-RR 2014, 43; BGH NStZ-RR 2007, 171; BGH StraFo 2003, 207; BGH NStZ 2002, 29; NJW 1999, 3723; StV 1998, 343; BGH StV 1988, 296; Schönke/Schröder-Kinzig § 66 Rn. 20; Brunner/Dölling § 17 Rn. 12, § 31 Rn. 18; Ostendorf § 31 Rn. 26); ist eine Einbeziehung nach § 31 Abs. 2 erfolgt und waren die Taten nach dem Maßstab des § 55 StGB nicht gesamtstrafenfähig (s.o.), ist es zur Annahme der zweiten Verurteilung nach § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB ausreichend, wenn sich nach Abzug der weggefallenen Strafe von mindestens einem Jahr noch ein Strafrest von mindestens einem weiteren Jahr ergibt (Böhm/Feuerhelm S. 162; Brunner/Dölling § 31 Rn. 18). Mit einer Abweichung gilt entsprechendes für die erforderliche Vorverurteilung nach § 66 Abs. 3 S. 1 StGB: Grundsätzlich muss auch hier zu erkennen sein, dass bei einzelner Aburteilung wenigstens für eine der zugrundeliegenden Katalogtaten eine Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verhängt worden wäre, möglich sein soll jedoch auch, dass die erforderliche Strafhöhe sich erst aus einer Summe von Katalogtaten ergibt (vgl. BGHSt 48, 100; 50, 284, 293 f.; Fischer § 66 Rn. 35). Von der erforderlichen Strafhöhenannahme darf allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn das über die Sicherungsverwahrung entscheidende Gericht sichere und vom Revisionsgericht überprüfbare Feststellungen darüber treffen kann, wie das Gericht des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat (BGH NStZ 2017, 650; BGH NStZ 2015, 510, 511; BGH NStZ-RR 2012, 156, 157; BGH NStZ-RR 2007, 171 f.; Böhm/Feuerhelm S. 161 f.). Das nunmehr entscheidende Gericht darf sich also nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vornehmen (BGH NStZ 2017, 650; BGH NJW 1999, 3723; BGH MDR 1987, 799 [Holtz]). Als Grundlage für die Feststellungen zu der Bewertung der Katalogtat im früheren Verfahren kommen in erster Linie die jugendgerichtlichen Strafzumessungserwägungen, daneben aber auch die Höhe der Einheitsjugendstrafen in der Vorverurteilung und möglicherweise einbezogenen Urteilen sowie Zahl und Art der abgeurteilten Taten in Betracht (BGH NStZ-RR 2012, 156, 157). Hingenommen werden muss dabei, dass die erforderlichen Nachprüfungsmöglichkeiten in zahlreichen Fällen nicht gegeben sind, weil sich den vorausgegangenen Judikaten nicht in ausreichendem Maße entnehmen lässt, wie die Straftaten bei der Bemessung der Jugendstrafe im Einzelnen bewertet und gewichtet worden wären (vgl. BGHSt 26, 152, 155; BGH NJW 1999, 3723 f.; Brunner/Dölling § 31 Rn. 18; Eisenberg § 31 Rn. 55). Ohnehin wird die isolierte Taxierung der einzelnen Straftaten dem Kerngedanken der Einheitssanktion nicht gerecht. Das Gericht des Folgeverfahrens muss im Lichte des § 66 StGB die Taxierungsfrage bzgl. einzelner Taten beantworten, obwohl dem erkennenden Jugendgericht selbst verwehrt war, diese Frage zu stellen, geschweige denn, sie verbindlich zu beantworten. Das Unterfangen wird noch weiter dadurch erschwert, dass das Gericht keine eigene Strafzumessung vornehmen darf, sondern eine isolierte Strafzumessung nachvollziehen muss, welche in dieser Form nicht stattgefunden hat. Vor diesem Hintergrund sind (relativ) eindeutige Entscheidungen nur dann denkbar, wenn in die Einheitsjugendstrafe bereits gem. § 31 Abs. 2 ein Urteil einbezogen worden ist, welches auf Jugendstrafe von mindestens einem Jahr erkannt hatte. Doch auch hier bleibt zu fragen, ob das einbeziehende Gericht, das die Einheitsjugendstrafe gebildet hat, die Wertung des einbeziehenden Urteils geteilt hat.

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Soweit § 68f Abs. 1 S. 1 StGB den Eintritt von Führungsaufsicht als automatische Folge an die Vollverbüßung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder von einem Jahr wegen einer der in § 181b StGB genannten Straftaten knüpft, gilt dies wegen § 7 Abs. 1 auch für Jugendstrafen entsprechender Höhe (BVerfG NStZ-RR 2008, 217 f.; OLG München NStZ-RR 2002, 183; OLG Stuttgart Justiz 2003, 267; LG Berlin NStZ 2009, 46, 47; außerdem: § 7 Rn. 11; Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 251; Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 437 ff.; Neubacher ZJJ 2010, 378, 381; vgl. auch Sommerfeld NStZ 2009, 247, 250, der § 2 Abs. 2 heranzieht; a.A. AG Hameln ZJJ 2008, 83; Gundelach/Nix ZJJ 2015, 148, 151, wenn der Verurteilte bei Entlassung bereits erwachsen ist). Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Einheitsjugendstrafe nach § 31 Abs. 1 oder 2 handelt. Nach der Neufassung des § 68f Abs. 1 S. 1 StGB durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.4.2007 (BGBl. I 2007, S. 513) ist nicht mehr entscheidend, ob bei einer der zugrunde liegenden Vorsatztaten eine das Mindestmaß erreichende Jugendstrafe verwirkt worden wäre (BVerfG NStZ-RR 2008, 217, 218; OLG Bamberg NStZ-RR 2007, 94; LG Berlin NStZ 2009, 46, 47; LG Berlin NStZ 2010, 286; Streng Jugendstrafrecht, Rn. 253; Ostendorf § 7 Rn. 14; Fischer § 68f Rn. 4; Sommerfeld NStZ 2009, 247, 250; so bereits zur früheren Rechtslage OLG München NStZ-RR 2002, 183, 184; a.A. Eisenberg § 7 Rn. 66, § 31 Rn. 56; zur früheren Auffassung: OLG Stuttgart Justiz 2003, 267; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2005, 246 [Ls]; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 61; LG Hamburg StV 1990, 508).

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§ 35 Abs. 3 BtMG ist auf Einheitsjugendstrafen entsprechend anzuwenden (§ 38 Abs. 1 S. 1 BtMG). Begeht der Jugendliche oder Heranwachsende allerdings aufgrund einer Drogenabhängigkeit eine neue Straftat und wird gem. § 31 Abs. 2 eine Einheitsjugendstrafe gebildet, deren Vollstreckung nach § 35 Abs. 1, 3 BtMG zurückgestellt wird, muss eine frühere Zurückstellung nicht gem. § 35 Abs. 6 Nr. 1 BtMG widerrufen werden, und zwar unabhängig davon, ob die Einheitsjugendstrafe die Voraussetzungen „einer Gesamtstrafe“ erfüllt (Brunner/Dölling § 17 Rn. 57; Eisenberg § 82 Rn. 26; Ostendorf-Rose § 82 Rn. 11; a.A. v. Beckerath 95 f.). Die neue Einheitsrechtsfolge kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1, 3 BtMG – da es sich nicht um eine „weitere“ Jugendstrafe handelt – auch keinen Widerruf einer früheren Vollstreckungszurückstellung nach § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG begründen (insoweit wie hier: v. Beckerath a.a.O.).

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Nach §§ 36 S. 2 Nr. 1, 47 Abs. 1 BZRG beginnen die registerrechtlichen Fristen für eine Nichtaufnahme von Eintragungen in ein Führungszeugnis sowie für die Tilgung der Eintragungen mit dem Tag des ersten Urteils, auch wenn dieses in eine spätere Entscheidung einbezogen wurde. Dies kann bei Ketteneinbeziehungen (vgl. oben Rn. 22) dazu führen, dass die zumeist einschlägige fünfjährige Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 BZRG) bereits mit der vollständigen Verbüßung oder dem Straferlass nach der Reststrafenaussetzung bzw. dem Ende der Bewährungszeit abläuft und damit nicht selten nur zwei bis drei Jahre nach der letzten Straftat.

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Gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er rechtskräftig zu einer vollstreckbaren Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt ist. Diese Voraussetzung kann auch im Rahmen einer Einheitsjugendstrafenbildung nach § 31 erfüllt sein, und zwar auch bei einer nachträglichen Einbeziehungsentscheidung nach Abs. 2. „Eine Jugendstrafe“ i.S.d. § 54 Nr. 1 AufenthG ist daher die letzte einheitliche Verurteilung (Hessischer VerGH DÖV 2013, 911).

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Sofern eine Amnestie eine bestimmte Strafhöhe voraussetzt, ist bei der Einheitsjugendstrafe für jede einzelne Tat eine hypothetische Einzelstrafe zu bemessen, da § 31 einer möglichen Amnestie nicht im Wege stehen soll (Brunner/Dölling § 31 Rn. 18; vgl. auch D/S/S 5. Aufl., Rn. 43). Es wäre allerdings wünschenswert, wenn etwaige Amnestiegesetze Sonderregelungen für jugendliche bzw. heranwachsende Straftäter enthielten und diese nicht ausschließlich an die Dauer des Freiheitsentzuges anknüpfen würden.

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Die Vollstreckbarkeit einer einbezogenen Entscheidung entfällt erst mit der Rechtskraft des neuen Urteils und der hiermit einsetzenden Vollstreckbarkeit der neuen einheitlichen Sanktion (BVerfG NStZ 2001, 447 f.; Brunner/Dölling § 56 Rn. 2; Eisenberg § 56 Rn. 8; Nothacker MDR 1982, 278; Dallinger/Lackner § 56 Rn. 7; Bohlander NStZ 1998, 236, 237; vgl. aber auch Ostendorf-Schady § 56 Rn. 7: Vollstreckung solle unterbleiben, um die einheitliche Sanktionierung nicht zu unterlaufen). Hinsichtlich des noch nicht rechtskräftigen neuen Urteils kann gem. § 56 durch das Rechtsmittelgericht eine Teilvollstreckung hinsichtlich eines rechtskräftig gewordenen Teils des Schuldspruchs ausgesprochen werden (vgl. § 56 Rn. 2).

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Die Vollstreckungsverjährung beginnt gem. § 79 Abs. 6 StGB mit der Rechtskraft der Entscheidung. Im allgemeinen Strafrecht fällt hierunter auch das Erkenntnis, das eine Gesamtstrafe ausspricht (BGHSt 30, 232, 234; Fischer § 79 Rn. 3; Schönke/Schröder-Bosch § 79 Rn. 3). Gleiches gilt für das einbeziehende Urteil gem. § 31 Abs. 2 (a.A. Ostendorf § 31 Rn. 24: „Tag des ersten Urteils“). Aus dem Umstand, dass das JGG in § 87 Abs. 4 allein (für den Jugendarrest) ein sog. Vollstreckungsverbot regelt (vgl. § 87 Rn. 9) und im Übrigen von eigenen Regelungen über die Vollstreckungsverjährung absieht, lässt sich der Schluss ziehen, dass die Vorschriften des allgemeinen Strafrechts gelten, soweit nicht § 87 Abs. 4 eingreift (§ 2 Abs. 2). Eine Anknüpfung an den Tag des ersten Urteils hätte einer ausdrücklichen Regelung bedurft, wie sie das Registerrecht in § 36 S. 2 Nr. 1 BZRG vorsieht (vgl. oben Rn. 34).