Kitabı oku: «Jugendgerichtsgesetz», sayfa 46
3. Systematik
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Abs. 1 betrifft die Aburteilung realkonkurrierender Straftaten in einem Verfahren und tritt damit an die Stelle der §§ 53, 54 StGB. Hier ist eine einheitliche Maßnahme zwingend vorgeschrieben („nur einheitlich“). Abs. 2 erstreckt – als jugendstrafrechtliche Parallele zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gem. § 55 StGB – das Einheitsprinzip auf den Fall, dass die verschiedenen Jugendstraftaten nicht gleichzeitig, sondern nacheinander (von demselben oder auch unterschiedlichen Gerichten) in verschiedenen Strafverfahren abgeurteilt werden. Vorgesehen ist insoweit die Möglichkeit der Einbeziehung bereits rechtskräftiger Urteile. Anders als die Aburteilung in einem einheitlichen Verfahren nach Abs. 1 hat die Einbeziehung nach Abs. 2 nur in der Regel zu erfolgen. Die Einbeziehung zwecks Bildung einer einheitlichen Rechtsfolge steht nämlich gem. Abs. 3 unter dem Vorbehalt erzieherischer Zweckmäßigkeit. Sofern schließlich eine einheitliche Festsetzung gem. § 31 unterblieben ist, hat eine solche unter den Voraussetzungen des § 66 noch nachträglich zu erfolgen (OLG Celle NStZ-RR 2010, 27 [Ls]) – ähnlich der allgemeinen Regelung in § 460 StPO (siehe § 66 Rn. 4, dort aber auch Rn. 9).
4. Auslieferungsrecht
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Die Berücksichtigung von Straftaten bei der Einheitsstrafenbildung nach § 31 setzt voraus, dass diesen kein Verfolgungshindernis entgegensteht. Insoweit ist auch der auslieferungsrechtliche Grundsatz der Spezialität (vgl. Art. 14 EuAlÜbK [BGBl. II 1964, S. 1371], Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates v. 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten [AblEG 2002 Nr. L 190/1] und §§ 11 Abs. 1, 83h Abs. 1 IRG) zu beachten (BGH NStZ 1981, 483). Er besagt, dass die ausgelieferte Person nur wegen der Tat belangt werden darf, die der Auslieferung zugrunde lag (BGHSt 22, 307; BGH NJW 2012, 1301, 1302). Zum herkömmlichen, an § 264 StPO orientierten Tatbegriff vgl. BGH Beschl. v. 23.1.2018 – 2 StR 196/17; BGH NStZ 2016, 296, 298; BGH NJW 2012, 1301, 1302; BGH NStZ 1999, 363; NStZ 1986, 557 f.; Schomburg/Lagodny-Schierholt § 11 IRG Rn. 12 ff.; Schomburg/Lagodny-Hackner § 72 IRG Rn. 23 f. Im Auslieferungsverkehr mit Mitgliedstaaten der EU ist allerdings zu beachten, dass der EuGH (Urt. v. 1.12.2008 – C-388/08 „Leymann und Pustovarov“, NStZ 2010, 35, 38 m. Anm. Heine) im Zusammenhang mit der Reichweite des Spezialitätsgrundsatzes gem. Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses v. 13.6.2002 vorrangig auf die materiell-rechtliche Einordnung der Tat abstellt, nicht auf den im Haftbefehl beschriebenen Lebenssachverhalt (Schomburg/Lagodny-Hackner § 72 IRG Rn. 23, § 83h IRG Rn. 3; BeckOK-StPO-Inhofer § 83h IRG Rn. 6 f.). Beide Begriffsverständnisse sind wiederum nicht deckungsgleich mit dem Tatbegriff des Doppelbestrafungsverbots nach Art. 54 SDÜ (BeckOK-StPO-Inhofer § 83h IRG Rn. 7); vgl. insoweit EuGH Urt. v. 16.11.2010 – C-261/09 „Mantello“ (NStZ 2011, 466, 467) bei Prüfung des Strafklageverbrauches für den Begriff „dieselbe Handlung“ gem. Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses v. 13.6.2002: Tatbegriff sei dahin auszulegen, „dass er nur auf die tatsächliche Handlung abstellt, unabhängig von ihrer rechtlichen Qualifizierung oder dem geschützten rechtlichen Interesse, und einen Komplex konkreter, unlösbar verbundener Umstände umfasst“ (das Verständnis des EuGH reicht damit einerseits über den deutschen Tatbegriff hinaus, weil auch mehrere selbstständige Taten i.S.v. § 264 StPO eine einheitliche Tat nach dem eigenständigen unionsrechtlichen Verständnis bilden können; vgl. Hackner NStZ 2011, 425, 427; Zehetgruber JR 2015, 184 ff.; Radtke NStZ 2012, 479, 482 f.; umgekehrt ist es denkbar, dass der unionsrechtliche Begriff enger ist als der Tatbegriff der StPO; vgl. BeckOK-StPO-Inhofer Art. 54 SDÜ Rn. 36).
Nach Auffassung des BGH können auch noch so gewichtige innerstaatliche Rechtsvorschriften es nicht rechtfertigen, Grundsätze des Auslieferungsrechts außer Acht zu lassen, die im Interesse des internationalen Rechtsverkehrs bestehen (BGH NStZ 1981, 483; Brunner/Dölling § 31 Rn. 4). Ohne Zustimmung des ersuchten Staates dürfen also grundsätzlich nur die von der Auslieferungsbewilligung umfassten Straftaten verfolgt und nach § 31 Abs. 1 oder 2 berücksichtigt werden (BGH NStZ 2000, 263; BGH StV 1998, 324; NStZ 1981, 483; Schomburg/Lagodny-Hackner § 72 IRG Rn. 26, 34; Eisenberg § 31 Rn. 10, 13; Ostendorf § 31 Rn. 5). Das gilt grundsätzlich auch für das Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls (BGH Beschl. v. 20.11.2019 – 1 StR 480/19; BGH NStZ-RR 2013, 178; BGH NStZ 2012, 100). Allerdings misst der EuGH dem Spezialitätsgrundsatz hier nicht mehr den Charakter eines generellen Verfahrenshindernisses zu: Die fehlende Zustimmung des ausliefernden Staates hindere weder die Fortführung des Strafverfahrens gegen den Ausgelieferten wegen einer weiteren Tat, noch seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen dieser Tat; sofern nicht andere Anklagepunkte im Europäischen Haftbefehl es rechtfertigen, scheide aufgrund eines Vollstreckungshindernisses lediglich der Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen aus (EuGH NStZ 2010, 35, 39, m. Anm. Heine: Beschränkung auf den „Status eines Hafthindernisses“; zust. BGH NStZ-RR 2017, 116 m.w.N.; vgl. entsprechend § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG; keine Anwendung auf Auslieferung aus der Schweiz: BGH NJW 2012, 1301, 1302).
Bei einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 55 StGB und erst recht bei einer Einheitsjugendstrafe nach § 31 hindert der Spezialitätsgrundsatz allerdings weiterhin bereits die Bildung und nicht erst die Vollstreckung der (nachträglichen) Gesamt- bzw. Einheitsstrafe, soweit und solange die Auslieferung nicht auch für die einzubeziehenden Taten bzw. Strafen bewilligt wurde (vgl. BGH Beschl. v. 20.11.2019 – 1 StR 480/19: „Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis. Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden“; BGH NStZ-RR 2017, 28; BGH StraFo 2015, 470; BGH NStZ 2014, 590; BGH NStZ-RR 2013, 178; BeckOK-StPO-Inhofer § 83h IRG Rn. 4). Andernfalls würde eine Einbeziehung dazu führen, dass die Gesamt- bzw. Einheitsstrafe insgesamt nicht vollstreckt werden dürfte, obwohl für einen Teil der zu Grunde liegenden Taten kein Spezialitätsvorbehalt besteht (vgl. BGH NStZ 2012, 100 f.). In einem solchen Fall sind daher zunächst nur die Strafen bzw. Taten einzubeziehen, die der Überstellung zu Grunde lagen. Bei einem späteren Wegfall der Spezialitätsbindung hat eine Nachtragsentscheidung nach § 460 StPO bzw. § 66 zu erfolgen.
Für Auslieferungsverfahren auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls sieht § 83h Abs. 2 IRG allerdings Ausnahmen vom Grundsatz der Spezialität vor (vgl. hierzu auch BGH NStZ 2012, 100); insbesondere steht der ausgelieferten Person eine Verzichtsmöglichkeit auf den Spezialitätsschutz zu (§ 83h Abs. 2 Nr. 5 IRG); entsprechendes gilt für das vereinfachte Auslieferungsverfahren (vgl. §§ 41 Abs. 2, 11 IRG).
Sofern daher auch die Einbeziehung einer Vorverurteilung eines deutschen Gerichts gem. § 31 Abs. 2 in Betracht kommt, sollte hierauf sinnvollerweise bereits im Auslieferungsersuchen hingewiesen werden. Wird die Vorverurteilung sodann einbezogen, ist die neue Rechtsfolge vollstreckbar, auch wenn die Auslieferung allein zur Strafverfolgung (§ 3 Abs. 2 IRG) erfolgt ist. Kommt es indes nicht zur Einbeziehung, ist eine isolierte Vollstreckung des nicht einbezogenen Urteils nur möglich, sofern (jedenfalls auch) eine Auslieferung zur Strafvollstreckung (§ 3 Abs. 3 IRG) bewilligt wurde. Ggf. ist im Rahmen eines Nachtragsersuchens eine Erweiterung der Auslieferungsbewilligung zu erwirken (§ 35 IRG).
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Steht der Spezialitätsgrundsatz einer an sich zu verhängenden Einheitsjugendstrafe entgegen, kann es zur Vermeidung einer Schlechterstellung des Angeklagten erforderlich sein, ausgehend von einer fiktiven Einheitsjugendstrafe einen Härteausgleich vorzunehmen (vgl. BGH StraFo 2011, 155; BGH NStZ 2000, 263; zu § 55 StGB: BGHSt 43, 79, BGH NStZ 1998, 134, und BGH NStZ-RR 2000, 105; Schomburg/Lagodny-Hackner § 72 IRG Rn. 33; vgl. unten Rn. 47). Werden unter Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz Taten in das Urteil einbezogen, ist dieses anfechtbar, allerdings nicht nichtig (BGH NJW 2012, 1301, 1302; OLG Hamm NJW 1956, 1936; Grethlein NJW 1963, 945; Schomburg/Lagodny-Hackner § 72 IRG Rn. 34; Brunner/Dölling § 31 Rn. 4). Eine nicht verfolgbare Tat darf lediglich als Indiz (bei Begehung ähnlicher Taten) berücksichtigt werden, nicht jedoch zur Strafschärfung (BGHSt 22, 307, 310 f.; BGH StV 1988, 186, 187; Schomburg/Lagodny-Hackner § 72 IRG Rn. 19 f.).
Eine Einheitsstrafe unter Einbeziehung einer von einem ausländischen Gericht verhängten Strafe ist von vornherein ausgeschlossen (BGH StraFo 2011, 155; BGH NJW 2010, 2677, BGH NStZ-RR 2000, 105 und BGH NStZ 1998, 134 [zu § 55 StGB]; BeckOK-JGG-Schlehofer § 31 Rn. 20.8; unklar M/R/T/W-Buhr vgl. § 31 Rn. 11 einerseits, Rn. 6 andererseits).
5. Reform
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Im allgemeinen Strafrecht wird die Diskussion um das Modell der Einheitsstrafe seit Jahrzehnten geführt (vgl. Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Bosch Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 6 ff. m.w.N.). In den letzten Jahren ist die Reformdiskussion wieder aufgeflammt (vgl. Empfehlungen der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, Abschlussbericht, 2000, S. 138 ff., sowie befürwortende Beschlüsse der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 6.11.2003, TOP C.I.3., 25.11.2004, TOP 3.1., und 29./30.6.2005, TOP I.1. [„Große Justizreform“]). Dabei wird zum Vergleich auch das Jugendstrafrecht herangezogen (vgl Schoreit in: FS Rebmann, S. 443, 461 f.). Beide Regelungsmaterien sind jedoch nur bedingt zu vergleichen. Die Einheitsentscheidung gem. § 31 ist Ausfluss des das Jugendstrafrecht prägenden Täterstrafrechts, während im Erwachsenenstrafrecht ungeachtet spezialpräventiver Elemente nach wie vor an der stärkeren Gewichtung des Tatschuldunrechts (Tatstrafrecht) bei Berücksichtigung von § 46 StGB festgehalten wird. Realistische Umsetzungschancen haben die Reformforderungen auf absehbare Zeit nicht.
II. Mehrere Straftaten in einem Verfahren (Absatz 1)
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Wenn in einem Verfahren gleichzeitig mehrere Straftaten abzuurteilen sind, bestimmt Abs. 1 eine einheitliche Rechtsfolgenfestsetzung, und zwar so, als ob nur eine Handlung vorläge. Die Wendung „mehrere Straftaten“ meint Tatmehrheit (Realkonkurrenz) i.S.v. § 53 Abs. 1 StGB. Die Abgrenzung zur Tateinheit (Idealkonkurrenz), für die § 31 keine Bedeutung hat (oben Rn. 5), richtet sich nach den allgemeinen Regeln (Brunner/Dölling § 31 Rn. 1; Eisenberg § 31 Rn. 4).
Das Einheitsprinzip betrifft nur die Sanktionsfrage, begründet jedoch keinen einheitlichen Prozessgegenstand (Böhm/Feuerhelm S. 161; Brunner/Dölling § 31 Rn. 18; Eisenberg § 31 Rn. 65). Es führt daher nicht dazu, dass sämtliche Taten des Angeklagten ohne Weiteres – d.h. unabhängig von Anklage und Eröffnungsbeschluss – Verfahrensgegenstand werden (Dallinger/Lackner vor § 55 Rn. 14). Auch bleibt der Umstand, dass der Täter zwei oder mehr Straftaten begangen hat, ungeachtet der Anordnung einer einheitlichen Rechtsfolge in mehrerlei Hinsicht von Bedeutung (vgl. unten Rn. 31 ff.).
1. Entscheidung durch Urteil
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Obwohl der Wortlaut des § 31 Abs. 1 es nicht ausdrücklich deutlich macht, setzt die Anwendung des Einheitsprinzips eine Entscheidung durch Urteil voraus (Eisenberg § 31 Rn. 5; Ostendorf § 31 Rn. 2; Nix/Nicolai § 31 Rn. 2). Nur die nachträgliche Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen gem. § 66 Abs. 2 S. 2 kann im Beschlusswege ergehen. Hieraus darf jedoch im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass § 31 für realkonkurrierend begangene Delikte auch die Anwendung der §§ 45, 47 sperre. Ohne dass § 31 hier Anwendung findet, sollten auch im Rahmen der Diversion – ggf. nach Verfahrensverbindung – die Folgen von Verfehlungen möglichst einheitlich bestimmt werden (unklar Brunner/Dölling § 31 Rn. 38). Mit den gebotenen Abwandlungen findet das Einheitsprinzip auch Anwendung, wenn mehrere Zuwiderhandlungen gegen Weisungen und/oder Auflagen (§§ 11 Abs. 3 S. 1, 15 Abs. 3 S. 2, 23 Abs. 1 S. 4) zusammentreffen (wie hier Eisenberg § 31 Rn. 7b).
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Unabhängig davon, ob die Entscheidung durch Urteil oder gem. § 66 Abs. 2 S. 2 durch Beschluss erfolgt, müssen sämtliche Delikte sowie die jeweiligen Konkurrenzverhältnisse in den Tenor bzw. Entscheidungssatz aufgenommen werden (oben Rn. 6; § 54 Rn. 11).
2. Rechtsfolgen
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Die gesetzlichen Höchstgrenzen für Jugendarrest und Jugendstrafe gelten gem. § 31 Abs. 1 S. 3 auch bei der Festsetzung einer einheitlichen Rechtsfolge. Der verhängte Jugendarrest darf daher vier Wochen nicht überschreiten (§ 16 Abs. 4 S. 1) und es darf höchstens auf fünf bzw. zehn Jahre Jugendstrafe erkannt werden (§ 18 Abs. 1 S. 1, 2). Für das Höchstmaß von zehn Jahren Jugendstrafe (§ 18 Abs. 1 S. 2) reicht es aus, wenn eine der begangenen Taten ein Verbrechen ist, für das nach allgemeinem Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist (Ostendorf § 31 Rn. 6). Die Verübung einer zusätzlichen – milderen – Tat kann nicht dazu führen, dass der Höchststrafrahmen für eine schwerere Tat auf fünf Jahre herabgesetzt wird (Eisenberg § 31 Rn. 11). Gleichermaßen kann auf das nach § 105 Abs. 3 zulässige Höchstmaß von zehn bzw. fünfzehn Jahren erkannt werden, wenn zumindest eine der Taten als Heranwachsender verübt wurde und auf diese Jugendstrafrecht Anwendung findet.
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§ 31 Abs. 1 nennt als Rechtsfolgen – neben Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln – nur die „Jugendstrafe“. Unstreitig zählen hierzu aber auch der Schuldspruch i.S.v. § 27 und die Strafaussetzung zur Bewährung nach §§ 21 ff. (Eisenberg § 31 Rn. 12; Ostendorf § 31 Rn. 6); gleiches gilt für die sog. Vorbewährung nach § 61. Das Gericht kann gem. § 31 Abs. 1 S. 2 die festzusetzenden Rechtsfolgen in den Grenzen von § 8 auch miteinander kombinieren.
III. Einbeziehung früherer Entscheidungen (Absatz 2)
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Die Regelung des § 31 Abs. 2 tritt im Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts an die Stelle der nachträglichen Gesamtstrafe gem. § 55 StGB. Sie betrifft die Aburteilung mehrerer Straftaten des Angeklagten in verschiedenen Verfahren (beim gleichen Gericht oder bei unterschiedlichen Gerichten). Gemeinsam haben § 31 Abs. 2 und § 55 StGB, dass sie eine nachträgliche Neufestsetzung von Rechtsfolgen gestatten. Im Unterschied zu § 55 StGB ist jedoch die zeitliche Reihenfolge der realkonkurrierenden Delikte bei § 31 irrelevant. Es ist daher nicht entscheidend, ob die anhängige Tat zeitlich vor der einzubeziehenden Entscheidung begangen wurde (vgl. RiJGG zu § 31 Nr. 1). Nur so kann dem ganzheitlichen, auf die Person des Angeklagten ausgerichteten Erziehungsgedanken mit der gebotenen Flexibilität Rechnung getragen werden. § 31 ermöglicht insofern eine erzieherische Maßnahme „aus einem Guss“ und wirkt der Gefahr entgegen, dass verschiedene Entscheidungen mit konträren Erziehungsmaßnahmen sich gegenseitig in ihrer Wirksamkeit aufheben.
1. Anforderungen an die einzubeziehende Entscheidung
a) Rechtskräftiges Urteil
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Der Wortlaut von § 31 Abs. 2 S. 1 spricht von Einbeziehung des Urteils. Hieraus folgt, dass Maßnahmen, die im Verfügungs- oder Beschlusswege auf der Grundlage von §§ 45, 47 angeordnet wurden, nicht einbezogen werden können (Brunner/Dölling § 31 Rn. 7; Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 502; Streng Jugendstrafrecht, Rn. 270; zur Kritik: Eisenberg § 31 Rn. 6; Albrecht S. 152; für Zulässigkeit de lege ferenda: Ostendorf Grdl. z. §§ 31 und 32 Rn. 5; v. Beckerath S. 110). Allerdings können Beschlussentscheidungen nach § 66 Abs. 2 S. 2 einbezogen werden (Dallinger/Lackner § 31 Rn. 48; Ostendorf § 31 Rn. 2). Wenn ein solcher Beschluss die in einem Urteil festgesetzten Rechtsfolgen neufassen kann, müssen die Rechtsfolgen dieses Beschlusses auch umgekehrt durch Urteil abgewandelt werden können. Zudem sind die nach § 66 im Beschlusswege ergangenen Entscheidungen genauso vollstreckbar wie die auf diese Vorschrift gestützten Urteile.
Ferner muss das Urteil rechtskräftig sein. Sofern dies noch nicht der Fall ist, muss die Einbeziehung nach Eintritt der Rechtskraft im Nachverfahren gem. § 66 erfolgen. Ist das Urteil zwar rechtskräftig, aber bereits in ein – seinerseits noch nicht rechtskräftiges – anderes Urteil einbezogen, scheidet § 31 Abs. 2 aus (unten Rn. 23).
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§ 31 Abs. 2 S. 1 setzt dem Wortlaut nach weiterhin voraus, dass sowohl durch die einzubeziehende als auch durch die einbeziehende Entscheidung (lediglich) „die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt“ wird. Die damit angesprochene Feststellung der Schuld ist nach heute h.M. über den Wortlaut der Vorschrift hinaus indes nicht auf den Schuldspruch gem. § 27 beschränkt (BGHSt 39, 92, 94; vgl. auch Neubacher/Bachmann NStZ 2013, 386, 388 f., zum Vorrang der Einbeziehung gegenüber der Einheit von Schuld- und Strafspruchrichter; vgl. § 62 Rn. 8). Daher sind auch solche Entscheidungen einzubeziehen, in denen gem. § 5 Abs. 3 von Zuchtmitteln und Jugendstrafe abgesehen wurde, weil die zugleich angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt eine weitere Ahndung entbehrlich macht (BGHSt 39, 92, 93; Brunner JR 1993, 515; Brunner/Dölling § 31 Rn. 8; Ostendorf § 31 Rn. 7; M/R/T/W-Buhr § 31 Rn. 18).
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Ausgehend von Sinn und Zweck des Einheitsprinzips sollte darüber hinaus losgelöst von § 5 Abs. 3 jede rechtskräftige urteilsmäßige Rechtsfolge einbeziehungsfähig sein, so dass auch Urteile in Betracht kommen, in denen lediglich auf Nebenstrafen oder -folgen bzw. Maßregeln der Besserung und Sicherung erkannt wurde (wie hier: Brunner/Dölling § 31 Rn. 8; Eisenberg § 31 Rn. 16; Ostendorf § 31 Rn. 7; Nix/Nicolai § 31 Rn. 12 ff.; Brunner JR 1993, 515; Eisenberg/Sieveking JZ 1993, 530, 532; Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 501; offengelassen von BGHSt 39, 92; a.A. Dallinger/Lackner § 31 Rn. 10, unter Berufung auf den Wortlaut und das Argument, dass die infrage stehenden Maßnahmen keine spezifisch erzieherischen Zwecke verfolgten). Hierfür spricht der Gesetzeszweck von § 31, da hinsichtlich aller rechtskräftigen urteilsmäßigen Rechtsfolgen ein nicht abgestimmtes Nebeneinander zu vermeiden ist. Zudem ist § 105 Abs. 2 zu beachten: Sofern gegen einen Heranwachsenden in einem früheren Urteil allgemeines Strafrecht angewandt wurde, ist dieses ungeachtet der dort festgesetzten Rechtsfolgen einbeziehungsfähig (vgl. unten Rn. 41 und § 32 Rn. 2, 10 ff.). Insoweit wäre aber nicht einzusehen, weshalb Heranwachsende nach § 105 Abs. 2 hinsichtlich der Rechtsfolgen des einzubeziehenden Urteils unstreitig keinen Beschränkungen unterliegen, Jugendliche aber doch.
b) Jugendarrest wegen Nichtbefolgung (Beschlussarrest)
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Fraglich ist, ob ein bereits angeordneter Jugendarrest wegen Nichtbefolgung von Weisungen oder Auflagen (§§ 11 Abs. 3, 15 Abs. 3 S. 2, 23 Abs. 1 S. 4) – sei es isoliert oder zugleich mit dem Ausgangsurteil – in eine neue Entscheidung gem. § 31 Abs. 2 einbezogen werden kann (vgl. BGH Beschl. v. 26.5.2009 – 3 StR 177/09; zust. Eisenberg § 11 Rn. 22a, § 31 Rn. 7a, der auch eine Einbeziehung im Rahmen von § 31 Abs. 1 für möglich hält; v. Beckerath S. 100 f.; Dallinger/Lackner § 31 Rn. 49; Ostendorf § 31 Rn. 7; M/R/T/W-Meier § 66 Rn. 3; a.A. Brunner/Dölling § 31 Rn. 39; M/R/T/W-Buhr § 31 Rn. 9; BeckOK-JGG-Schlehofer § 31 Rn. 20.5). Hier ist dogmatisch vieles ungeklärt. Der Wortlaut von § 31 Abs. 2 (vgl. „Urteil“, nicht „Beschluss“) spricht prima facie gegen solche Einbeziehungsmöglichkeiten. Maßgeblich dürfte aber sein, wie die – umstrittene – Frage nach der Rechtsnatur des Beschlussarrestes beantwortet wird (vgl. § 11 Rn. 11 f., sowie Wohlfahrt ZJJ 2012, 392 ff., Feltes NStZ 1993, 105, 107 ff., und Kratochvil-Hörr S. 31 ff. jeweils m.w.N.). Den Auffassungen, die der Arrestanordnung gegenüber dem Ausgangsurteil rechtliche Selbstständigkeit zusprechen, bereitet es kaum Schwierigkeiten für eine entsprechend eigenständige Einbeziehbarkeit zu plädieren. Richtigerweise sollte der Jugendarrest nach § 11 Abs. 3 jedoch als lediglich unselbstständige Beugemaßnahme angesehen werden, die allein darauf abzielt, auf die Erfüllung der Weisung oder Auflage hinzuwirken (§ 11 Rn. 11; ähnlich auch LG Landau StV 2003, 461; Wohlfahrt ZJJ 2012, 392, 397; Böttcher/Weber NStZ 1991, 7, 8; Kratochvil-Hörr S. 38; a.A. LG Saarbrücken ZJJ 2010, 430). Aufgrund der Akzessorietät dieses Beuge- bzw. Ungehorsamsarrestes zu der Nichtbefolgung der Weisung, die insbesondere in § 11 Abs. 3 S. 3 zum Ausdruck kommt, tritt ipso iure ein Vollstreckungshindernis für den Arrest ein, sobald mit Rechtskraft der Einbeziehungsentscheidung das Ausgangsurteil nach § 31 Abs. 2 wegfällt (so LG Berlin Beschl. v. 28.9.1988 [507 Qs 44/88]; ähnlich Dörig DRiZ 1987, 277, 278). Eine (isolierte) Einbeziehung des Arrestbeschlusses ohne gleichzeitige Einbeziehung des Ausgangsurteils scheidet wegen der hier angenommenen Akzessorietät der Arrestanordnung ohnehin aus. Empfehlenswert ist es allerdings, aus Klarstellungsgründen den (deklaratorischen) Beschluss zu fassen, dass von der Vollstreckung des Jugendarrestes abgesehen wird. Auch eine förmliche Anrechnung bereits vollstreckten Arrestes auf eine Jugendstrafe bei Einbeziehung des zugrundeliegenden Urteils (§ 31 Abs. 2) kommt nicht in Betracht (vgl. Rn. 42).
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Hiervon zu unterscheiden ist die (umgekehrte) Frage, ob verfahrensabschließende Entscheidungen ihrerseits in eine zu treffende Anordnung eines Beuge- bzw. Ungehorsamsarrestes einbezogen werden können. Sie ist zu verneinen (so auch Potrykus NJW 1967, 185, 187; v. Beckerath S. 102; Dallinger/Lackner § 31 Rn. 49; Ostendorf § 31 Rn. 2; mit Bedenken Eisenberg § 31 Rn. 6; a.A. D/S/S [5. Aufl.], Rn. 4). Denn es müsste dann auch diejenige Entscheidung einbezogen werden können, welche die nicht befolgte Weisung oder Auflage angeordnet hat. Mit der Einbeziehung würde diese Entscheidung allerdings in ihren Rechtsfolgen wegfallen (unten Rn. 28). Es entfiele dann auch die Grundlage für die Anordnung des Arrestes gem. § 11 Abs. 3.