Kitabı oku: «Kartell Compliance», sayfa 38
III. Entwicklung und Bestand des Kartellstrafrechts im engeren Sinne
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Bis zum In-Kraft-Treten des Korruptionsbekämfungsgesetzes am 20.8.1997 und der damit verbundenen Einführung des Straftatbestandes wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in § 298 StGB war die Umsetzung entsprechender Submissionsabsprachen aus dem Kartell grundsätzlich nur als Ordnungswidrigkeit nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB a.F. bzw. nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB a.F. verfolgbar und mit Geldbußen zu ahnden,[35] sofern durch die Manipulation der Ausschreibung auch der Betrugstatbestand verwirklicht wurde. Danach war aber naturgemäß nur dann, wenn ein Vermögensschaden des Auftraggebers nachgewiesen werden konnte, der mit Angebotsabgabe nach durchgeführter Absprache regelmäßig über die Entstehung des Angebotspreises im freien Wettbewerb getäuscht wird, der Weg zu strafrechtlicher Ahndung unter dem Aspekt des sog. Submissionsbetrugs nach § 263 StGB eröffnet.[36] Insbesondere vor der Änderung der Rechtsprechung des BGH mit der sog. „Wasserbau“-Entscheidung war der Weg dorthin aufgrund der hohen Anforderungen an das Vorliegen eines Vermögensschadens und seines Nachweises häufig versperrt.[37]
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Auch nach der Rechtsprechungsänderung ergaben sich immer wieder Schwierigkeiten für den Nachweis eines Vermögensschadens, weshalb sich der Gesetzgeber letztlich dazu entschlossen hat, die Submissionsabsprache im Zuge des Korruptionsbekämpfungsgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Straftatbestand hochzustufen, weil wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen angesichts ihrer – wegen konkludent täuschenden Verhaltens – angenommenen Nähe zum Betrug deutlich aus dem Kreis der übrigen Kartellrechtsverstöße hervorstechen und die Bewertung entsprechender Verhaltensweise als bloße Ordnungswidrigkeit dem kriminellen Unrechtsgehalt nicht entsprechen würde.[38] Submissionsabsprachen unterscheiden sich aus der Sicht des Gesetzgebers von den sonstigen Wettbewerbsverstößen insgesamt dadurch, dass die Ausschreibenden über die Marktlage getäuscht werden und der Empfänger des Zuschlags unter Umständen einen unberechtigt hohen Preis zulasten des Auftraggebers erlangt.[39] Seither bilden die §§ 263, 298 StGB den Kern des Kartellstrafrechts.
B. Der Submissionsbetrug (§ 263 StGB)
I. Allgemeines
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Sofern mit einer abgesprochenen Angebotsabgabe aus einem Kartell dem Veranstalter (der ausschreibenden Stelle) in der Submission jedenfalls konkludent vorgetäuscht wird, dass der Preis das Ergebnis eines echten und unverfälschten Wettbewerbs zwischen allen Mitbietern sei, so steht regelmäßig der Verdacht einer Strafbarkeit wegen Betruges nach § 263 StGB im Raum.[40] Diesbezüglich stellt dann regelmäßig die Frage des Bestehens (und Nachweisbarkeit) eines Vermögensschadens die hauptsächlich problematische Frage dar. Hier ist dann zu unterscheiden, ob auf der Basis der Zuordnung des nachweisbaren Schadens – wie zumeist – ein Betrug zum Nachteil der ausschreibenden Stelle in Betracht kommt, oder – ausnahmsweise – der Betrug zum Nachteil von Kartellaußenseitern, oder unter Umständen zulasten beider.
II. Objektiver Tatbestand
1. Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung
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Nach herrschender Auffassung ist bei einer einem Gebot zugrunde liegenden (Preis-) Absprache unter den Bietern regelmäßig ohne Probleme vom objektiven über Tatsachen Vorliegen einer Täuschung über Tatsachen i.S.d. § 263 StGB auszugehen. Die Täuschung liegt danach regelmäßig in der ausdrücklichen oder auch stillschweigenden Behauptung des Bieters begründet, der Angebotspreis sei in Beachtung der geltenden Vergaberegeln ohne vorherige Preisabsprache (negative Tatsache) zwischen den Bietern zustande gekommen und damit Ergebnis einer bei (durch Absprachen) unbeschränktem Wettbewerb notwendigerweise knappen Kalkulation.[41] Regelmäßig dürfte eine aktive Täuschung bei einer ausdrücklichen Zusicherung des Nichtvorliegens von Absprachen im Rahmen der unterzeichneten Angebotsunterlagen vorliegen.[42] Eine Täuschung soll nach Rechtsprechung des BGH[43] auch für den Fall einer freihändigen Vergabe mit bloßen Angebotsanfragen durch öffentliche oder private Auftraggeber an zumindest zwei Unternehmer – d.h. auch außerhalb eines formalen Ausschreibungsverfahrens – anzunehmen sein. Zum einen sei dies daraus abzuleiten, dass der Sache nach auch hier dem Grunde nach ein durch Absprachen unbeeinflusster Wettbewerb stattfinden soll, zum anderen verbiete § 1 GWB auch derartige Absprachen, weshalb von einer zumindest konkludenten Täuschung auszugehen sei.[44] Eine Täuschung wird nach den obenstehenden Maßstäben im Übrigen nicht allein durch dasjenige Kartellmitglied begangen, welches im Ergebnis den (abgesprochenen) niedrigsten Preis anbietet, sondern durch sämtliche an der Submissionsabsprache beteiligte Bieter, denn auch diese behaupten (wahrheitswidrig) konkludent eine nicht abgesprochene Preisgestaltung zumindest ihres jeweiligen Angebots, weshalb für diese grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen eines fremdnützigen Betrugs in Betracht kommt.[45]
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Die Täuschung muss in dem Getäuschten – typischerweise der für die ausschreibende Stelle die Angebote entgegennehmenden und maßgeblich handelnden Person, die gegebenenfalls auch ein Berater oder externer Dienstleister sein kann – kausal einen Irrtum hervorrufen oder unterhalten. Der Irrtum gem. § 263 StGB setzt eine Fehlvorstellung, d.h. die positive Vorstellung einer der Wirklichkeit widersprechenden Tatsache voraus.[46] Bei einer verschwiegenen, tatsächlich vorliegenden Submissionsabsprache, deren Existenz mit der Abgabe des Angebots ausdrücklich oder konkludent geleugnet wird, irrt der Auftraggeber regelmäßig über das Nichtbestehen der Absprache und darüber, dass die Angebote im freien Wettbewerb zustande gekommen sind.[47]
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Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass fachkundige ausschreibende Stellen jedenfalls bei Großprojekten aufgrund des bekanntermaßen großen Dunkelfeldes bezüglich Submissionsabsprachen faktisch regelmäßig das Risiko sein dürfte, dass trotz anderslautender ausdrücklicher oder konkludenter Behauptungen eine Submissionsabsprache vorliegen könnte. Nach der herrschenden Rechtsprechung zum Betrug ist es nämlich nicht erforderlich, dass die ausschreibende Stelle sicher ist bzw. darauf vertraut, dass keine Absprache im Kreis der Anbieter stattgefunden hat. Es ist ausreichend, dass der getäuschte Mitarbeiter der ausschreibenden Stelle wegen der Täuschung über das Nichtvorliegen der Absprache für möglich hält, dass keine Submissionsabsprache vorliegt.[48] Wenn der Auftraggeber auf der Grundlage dieser Fehlvorstellung über die Möglichkeit des Fehlens einer Submissionsabsprache mit seiner Angebotsannahme bzw. Auftragserteilung, dem sog. Zuschlag, und damit verbundener Leistungsverpflichtung über sein Vermögen verfügt, reicht nach herrschender Meinung dieser niedrige Grad der Fehlvorstellung (Möglichkeitsbewusstsein) für einen tatbestandsmäßigen Irrtum aus; zudem ist regelmäßig auch davon auszugehen, dass gerade aufgrund dieses Irrtums (kausal) in Gestalt der Zuschlagserteilung/Angebotsannahme die Vermögensverfügung erfolgte.[49] Nach überwiegender Auffassung schließt weder Leichtgläubigkeit noch die Erkennbarkeit einer Täuschung bei sorgfältiger Prüfung die Schutzbedürftigkeit des Opfers und die Verwirklichung des Betrugstatbestands aus.[50]
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Ob die ausschreibende Stelle zumindest für möglich hält, dass keine Submissionsabsprache vorliegt (Irrtum), und deshalb auf dieser Basis den Zuschlag erteilt (Kausalität), ist allerdings Beweis- und Tatfrage.[51] Die bloße abstrakte Häufigkeit von Submissionsabsprachen und diesbezügliche Kenntnisse bei der ausschreibenden Stelle dürften regelmäßig nicht geeignet sein, den Irrtumsnachweis wesentlich zu erschweren.[52] Anders könnte dies sein, wenn ein konkreter Verdacht im Einzelfall bezüglich der Teilnehmer des Ausschreibungsverfahrens vorlag. Eine Kausalität des Irrtums dürfte aber ausnahmsweise dann ausgeschlossen werden können, wenn die Frage des Vorliegens einer Submissionsabsprache der ausschreibenden Stelle bei Zuschlagserteilung völlig gleichgültig war, etwa weil der angebotene Preis „auf jeden Fall“ angenommen worden wäre. Struktur und Zwecksetzung des Ausschreibungsverfahrens, das auf eine maximale Reduzierung des Gebots durch (blinden) Wettbewerb abzielt, sprechen jedoch wohl regelmäßig dagegen, dass eine derartige Motivlage bei der ausschreibenden Stelle vorliegt. Ein Irrtum scheidet jedenfalls aus, wenn die zuschlagserteilende Stelle positive Kenntnis darüber hat, dass das Gebot, das den Zuschlag erhält, auf einer Submissionsabsprache beruht.
2. Vermögensschaden
a) Vermögensschaden beim Submissionsbetrug bis zur „Rheinausbauentscheidung“
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Während das Reichsgericht bereits in der bloßen Ausschaltung des Wettbewerbs durch die Anbieter einen Vermögensschaden sah,[53] hat der BGH entsprechend der allgemeinen Dogmatik zum wirtschaftlichen Vermögensschadensbegriff im Jahre 1961 die gegenteilige Position vertreten und dargelegt, dass die Verhinderung der Abgabe günstigerer Angebote für sich genommen noch keinen Vermögensschaden begründe. Vielmehr sei Voraussetzung eines Vermögensschadens im Rahmen der Gesamtsaldierung, dass die aufgrund des manipulierten Angebots erbrachte Leistung weniger wert sei als die Gegenleistung des Auftraggebers.[54] Dieser Nachweis konnte aber in der Praxis kaum geführt werden, denn die schwer widerlegliche Einlassung, man habe den Preis so knapp wie möglich kalkuliert, reichte regelmäßig aus, um einen Vermögensschaden bei dem Auftraggeber zu verneinen.[55] Vor seiner Rechtsprechungsänderung 1992 prüfte der BGH daher unredliches Bieterverhalten bei Ausschreibungen einschließlich Submisssionsabsprachen regelmäßig unter dem Gesichtspunkt der Schädigung von Mitbewerbern als möglichen Betrug.[56]
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Die Anwendbarkeit des Betrugstatbestands auf Submissionsabsprachen wurde dann 1992 durch die beiden „Rheinausbau“-Entscheidungen des BGH[57] erleichtert, in denen der Betrugstatbestand (zu Lasten des Auftraggebers) auf Submissionsabsprachen grundsätzlich für anwendbar erklärt wurde, eine Änderung der Rechtslage.[58] Die Fälle zeichneten sich dadurch aus, dass nach der Feststellung eines Sachverständigen zwischen der Bauleistung des vom Kartell herausgestellten Anbieters und der vom öffentlichen Auftraggeber geleisteten Bezahlung kein Missverhältnis bestand, so dass nach bisheriger Rechtsprechung ein Vermögensschaden und mithin ein Betrug nicht in Betracht kam.[59] Der BGH bejahte dennoch einen Schaden i.S.d. Betrugstatbestands, weil der mit dem Anbieter vereinbarte Preis „höher als der erzielbare Wettbewerbspreis“ gewesen sei, den der BGH an die Stelle des real erzielten Preises setzte und veränderte somit das klassische Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung.[60]
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Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass auch nach der geänderten Rechtsprechung weiterhin der sichere Nachweis (§ 261 StPO) unter Berücksichtigung des strafprozessualen Zweifelsgrundsatzes dafür erforderlich war, dass jedenfalls ein höherer als der mit dem Anbieter vereinbarte Wettbewerbspreis erzielbar war, bestanden und bestehen jedoch auch nach der neueren Rechtsprechung erhebliche Verteidigungschancen hinsichtlich des Nachweises eines Vermögensschadens. Diese Rechtsprechung bleibt nach herrschender Auffassung weiterhin für solche Fälle von Absprachen von Bedeutung, in denen § 298 StGB laut Rechtsprechung nicht eingreift, weil die Submissionsabsprache zwischen nur einem Bieter und einem Angestellten des Ausschreibenden abgesprochen ist,[61] weil in dieser Kostellation nach Auffassung des BGH der Straftatbestand der Wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen nicht verwirklicht ist.[62]
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Der Vermögensschaden kann nach dem BGH vor allem unter dem rechtlichen Aspekt eines Eingehungsbetruges relevant werden (s.u. Rn. 27 und Rn. 40 ff.). Bei einem Eingehungsbetrug ist auf den Zeitpunkt der Vergabe und des Vertragsschlusses abzustellen. Der Vermögensschaden läge in der Differenz zwischen der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluss. Bezüglich eines Vermögensschadens unter dem Aspekt eines Erfüllungsbetruges ist hingegen auf den Zeitpunkt der Abrechnung bzw. Leistungserbringung abzustellen. Der Vermögenschaden wäre hier durch den Vergleich des Wertes des vertraglichen Anspruchs, den der Geschädigte vor der Täuschung hatte, mit dem Wert dessen, was er tatsächlich durch die Erfüllung erlangt hat, zu ermitteln.[63] Auch diese Betrugsform sieht der BGH bei Submissionsabsprachen grundsätzlich als möglich an (s.u. Rn. 38 ff.).
b) Vermögensschaden in der Form des Eingehungsbetrugs zulasten des Auftraggebers
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Nach überwiegender Ansicht kann – auch unabhängig von der Konstellation der Submissionsabsprachen – bereits der Abschluss eines wirtschaftlich unausgeglichenen Vertrags einen vollendeten Betrug darstellen, wenn daraus ein (Gefährdungs-)Schaden resultiert.[64] Ein Vermögensschaden in Gestalt des sogenannten Eingehungsbetrugs[65] liegt vor, wenn beim Abschluss eines Vertrages der Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Eingehen der schuldrechtlichen Verbindlichkeit ergibt, dass der Betroffene wirtschaftlich schlechter gestellt ist als zuvor.[66] Hierfür muss der Getäuschte (Auftraggeber) einen Anspruch erhalten, der verglichen mit der eigenen Leistungspflicht einen geringeren wirtschaftlichen Wert aufweist.[67] Davon ausgehend muss das Angebot, das den Zuschlag erhalten hat und auf einer Submissionsabsprache beruhte, also zu einem Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung des Anbieters und der Zahlungsverpflichtung des Veranstalters zu dessen Lasten geführt haben.[68] Ein solcher Vergleich der Leistungsverpflichtungen ist jedoch außerordentlich schwierig, wenn kein objektiver Markt für eine Leistung existiert, wie es bei ausgeschriebenen Leistungen typischerweise der Fall ist.[69] Verspricht der Auftraggeber infolge der Täuschung ein Entgelt, das dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung ausnahmsweise nachweislich nicht mehr angemessen ist, so liegt unstreitig ein wirtschaftlicher Schaden des Auftraggebers vor.
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Darüber hinaus bejahte der BGH bei Submissionsabsprachen in der ersten „Rheinausbau“-Entscheidung einen Schaden, wenn infolge der Ausschaltung des Wettbewerbs ein höherer Preis vereinbart wird, als nach den Verhältnissen des Marktes erforderlich ist, auch wenn der Preis nicht unangemessen ist. Der BGH stellt nämlich darauf ab, ob der tatsächliche Angebotspreis über dem hypothetischen Marktpreis (!) – dem „Wettbewerbspreis“ – liegt.[70] Dieser bei Submissionsabsprachen vom BGH zu Grunde gelegte (hypothetische) Wettbewerbspreis entspricht dem Preis, der sich bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ausschreibungsverfahrens gebildet hätte, sich also aus dem – nicht durch Absprachen verfälschten – günstigsten Angebot ergeben hätte. Dabei kann der über Angebot und Nachfrage gebildete Marktpreis (Wettbewerbspreis) – so der BGH – nach den Umständen des Einzelfalles hinsichtlich derselben Ware und der Dienstleistung unterschiedlich sein.[71] Der Vermögensschaden gem. § 263 StGB soll dann in der Differenz zwischen der Höhe des (abgesprochenen) Angebots, dem tatsächlich der Zuschlag erteilt wurde und dem hypothetischen – durch keine Submissionsabsprache verfälschten – Wettbewerbspreis liegen.[72]
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Nachdem eine konkrete Ermittlung eines lediglich hypothetischen Wettbewerbspreises nach objektiven Bewertungsmethoden naturgemäß ausscheidet, stellt die Schadensfeststellung nach den Grundsätzen des BGH auf der Basis des Vergleichs des hypothetischen Wettbewerbspreises und des tatsächlichen Angebotspreises ein nicht unerhebliches Beweisproblem dar. Dieses soll der Tatrichter durch den Einsatz von seitens des BGH vorgegebenen Indizien vorwiegend zur Feststellung des Schadenseintritts dem Grunde nach sowie jedenfalls hinsichtlich der Höhe des Schadens durch Schätzungsbefugnisse lösen.[73] Der BGH nennt mehrere Indizien dafür, dass der Auftraggeber bei funktionierendem Wettbewerb – d.h. ohne eine Submissionsabsprache – mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich ein geringeres Entgelt hätte versprechen und zahlen müssen. Es handelt sich insbesondere um folgende drei Indizien:
– | die Tatsache, dass es zu einer Kartellabsprache gekommen ist, die den Beteiligten grundsätzlich höhere Preise als im Wettbewerb garantieren würden; |
– | die nahe liegende Beeinflussung des Preises durch den Wegfall des Geheimwettbewerbs, wenn die Mitglieder des Submissionskartells wie regelmäßig wechselseitig die Angebotspreise kennen und abstimmen; |
– | die Zahlung von Präferenzen an Kartellmitglieder bzw. die Vornahme von Ausgleichszahlungen an Kartellaußenseiter, weil diese nur sinnvoll seien, wo durch Absprachen ein den Wettbewerbspreis übersteigender Preis erzielt werden kann („sehr gewichtiges Indiz“).[74] |
Weiter spricht für einen Vermögensschaden (niedrigerer Wettbewerbspreis als der Angebotspreis), wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einem hypothetisch unter dem Druck des Wettbewerbs abgegebenes niedrigeres Angebot – etwa gem. VOB/A § 25 Nr. 2 II in Verbindung mit den entsprechenden Richtlinien für öffentliche Auftraggeber – der Zuschlag deswegen nicht hätte erteilt werden dürfen, weil der Preis dann zulasten des Anbieters in einem offenbaren Mißverhältnis zur Leistung gestanden hätte.[75]
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Zu der im Einzelfall vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung und zu dem erforderlichen Grad der richterlichen Überzeugung hinsichtlich des Schadens führt der BGH aus, dass Voraussetzung einer Verurteilung nach § 263 StGB die auf der Grundlage von Indizien erlangte Überzeugung des Tatrichters ist, dass der Auftraggeber mit hoher Wahrscheinlichkeit ein nur geringeres Entgelt hätte versprechen müssen, sofern die Absprache nicht vorgelegen hätte.[76] Wenn der Tatrichter in diesem Sinne vom Vorliegen eines Schadens überzeugt sei, solle er dessen Höhe unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen dürfen, da eine genaue Ermittlung hypothetischer Wettbewerbspreise nicht möglich sei.[77]
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In der Entscheidung „Rheinausbau II“[78] hat der BGH diese Grundsätze bestätigt und weiter vertieft.[79] Insbesondere hebt er hervor, dass Ausgleichszahlungen nicht nur „ein sehr gewichtiges Indiz“ für das Vorliegen eines überhöhten Preises dem Grunde nach sind, sondern sich dieser „nahezu zwingend“ aus dem Vorliegen von Ausgleichszahlungen ergebe.[80]
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In den Folgeentscheidungen wurden dann Ausgleichs- bzw. Schmiergeldzahlungen[81] als Grundlage für die Bewertung des Mindestbetrugsschadens herangezogen, mithin der Sache nach zwingend aus deren Vorliegen auf das Vorliegen eines bestimmten Vermögensschadens geschlossen.[82] Auch bei einer freihändigen Vergabe mit Angebotsanfragen soll der Vermögensschaden in Gestalt absprachebedingter Preisaufschläge aus Sicht der Rechtsprechung[83] mindestens in Höhe der Schmiergeldbeträge und Ausgleichszahlungen entstanden sein, weil bei einer wettbewerbskonformen Preisbestimmung solche sachfremden Rechnungsposten nicht in die Angebotssumme eingeflossen wären.[84]
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Vor dem Hintergrund, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung diese Kriterien als ausreichend ansieht, um einen Eingehungsbetrug dem Grunde nach und mit einem Mindestschaden zu begründen, und diese Indizien in der revisionsgerichtlichen Überprüfung offensichtlich großzügig gehandhabt werden, ist dem Tatrichter ein besonders weiter Spielraum für die Schadensfeststellung und dessen Schätzung eröffnet.[85] Umgekehrt dürfte aus den Maßstäben des BGH zu folgern sein, dass eine Verteidigung gegen die Annahme eines Vermögensschadens mit Hilfe des Rechtsmittels der Revision regelmäßig (besonders) geringe Erfolgsaussichten haben dürfte, sofern in der Hauptverhandlung nicht – etwa mit geeigneten Beweisanträgen – eine prozessuale Grundlage für die Thesen der Verteidigung zum Sachverhalt gelegt wurde.
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Angesichts der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH dürfte – trotz berechtigter Kritik der Literatur an den „Rheinausbau“- Entscheidungen[86] – ein frontaler Angriff auf die Ausgangsposition der Strafverfolgungsbehörden oder Tatrichter, der (Mindest-) Vermögensschaden bestimme sich durch den Vergleich des hypothetischen Wettbewerbspreises, der auf der Basis von seitens des Tatrichters als aussagekräftig angesehenen, vom BGH vorgeprägten Indizien ermittelt werden kann, nicht erfolgversprechend sein. Dennoch dürften Gewicht und Aussagekraft der grundsätzlich als maßgeblich angesehenen Indizien im Einzelfall unterschiedlich sein und müssen in Abhängigkeit vom Sachverhalt kritisch gewürdigt werden.
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Insbesondere muss aus Verteidigersicht überprüft werden, ob plausibilisiert werden kann, dass der Zweck der Submissionsabsprache im konkreten Fall ausnahmsweise auch in der Existenzsicherung eines Unternehmens gelegen haben könnte, denn nicht alle Kartellabsprachen zielen auf einen Vermögensschaden des Ausschreibenden durch Verhinderung eines leistungsgerechten Wettbewerbs ab; im Einzelfall ist durchaus vorstellbar, dass durch den obsiegenden Kartellteilnehmer keine Gewinne erzielt, sondern durch Erreichung von Auslastung lediglich wirtschaftliche Verluste minimiert werden sollten. Auch wenn nach herrschender Meinung wohl nicht angenommen werden kann, dass dies zwingend die Annahme eines Vermögensschadens ausschließt, dürfte eine entsprechende Motivation erheblich strafmildernd (§ 46 StGB) wirken. Es kann daher nicht generell unterstellt werden, dass Preisabsprachen stets auf höhere als die unter Wettbewerbsbedingungen möglichen Marktpreise abzielen.[87]
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Auch das laut BGH wichtigste und nahezu als zwingend anzusehende Indiz, die Leistung von Präferenzen an mitbietende oder nichtbietende Kartellmitglieder und von Ausgleichszahlungen an Kartellaußenseiter wird zwar wohl zumeist gegeben sein, wenn der Angebotspreis über dem „hypothetischen Wettbewerbspreis“ liegt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Ausgleichszahlung dazu dient, bei der Vergabe nicht berücksichtigte Unternehmen ohne Leistung am Gewinn zu beteiligen. Anders kann es jedoch ausnahmsweise bei Notkartellen sein, durch die sichergestellt werden soll, dass jedes Unternehmen einmal mit öffentlichen Aufträgen bedacht wird, um eine (nicht gewinnbringende, sondern verlustmindernde) Mindestauslastung zu ermöglichen.[88] Soweit durch eine kontinuierliche Auslastung der Kapazitäten die Vorhaltekosten gesenkt werden, könnten Absprachen letztlich auch zu Preisreduzierungen für den öffentlichen Auftraggeber führen, da der darin liegende Vorteil in aller Regel zumindest teilweise auch an diesen weitergegeben werde.[89]
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Auf der anderen Seite kann gegen die Ausführungen des BGH wohl nur selten der Einwand erhoben werden, Ausgleichszahlungen seien ohne Relevanz für den hypothetischen Wettbewerbspreis, weil diese Ausgleichszahlungen möglicherweise lediglich den Gewinn des Zahlenden schmälern, nicht aber auf den Angebotspreis aufgeschlagen würden.[90] Häufig findet unter den Kartellteilnehmern zur Vereinbarung des zu schützenden, erfolgreichen Gebots die Ermittlung des sog. Nullpreises statt; zu dem Zweck machen die Kartellmitglieder intern Gebote. Jedenfalls sofern der Nullpreis als Basis des geschützten Gebots so festgelegt wird, dass er im oberen Bereich der intern gemachten Gebote oder sogar darüber liegt und hierauf (zur Ermittlung des durch die Submissionsabsprache geschützten Gebots) ein erheblicher Betrag (oder Prozentsatz) für Ausgleichs- und Präferenzzahlungen aufgeschlagen wird, dürfte eine solche Argumentation als widerlegt zu betrachten sein.[91] Es erscheint dann angesichts eines solchen Preisbildungsvorgangs schlicht nicht plausibel, dass die Teilnehmer der Submissionsabsprache durch Ausgleichszahlungen ihren marktgerechten Gewinn geschmälert haben. Umgekehrt ergibt sich ein gewisses Argumentationspotenzial, wenn plausibilisiert werden kann, dass Ausgleichszahlungen nicht auf den Nullpreis aufgeschlagen wurden und dieser aus dem unteren Bereich der internen Gebote genommen wurde.