Kitabı oku: «Fiskalstrafrecht», sayfa 12

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Anmerkungen

[1]

EGMR NJW 2010, 3145 – Gäfgen.

[2]

EuGH EuZW 2003, 666 (670, Rn. 69) – Steffensen.

[3]

EuGH NJW 2013, 1215 ff. – Melloni.

[4]

EuGH NJW 2013, 1145, 1147, Rn. 40 – Radu.

[5]

Bülte NZWiSt 2014, 321 ff.; Dannecker EvZ 2009, 110 ff.

[6]

Vgl. hierzu Dannecker EuZ 2009, 110 ff.

[7]

EuGH NJW 2007, 3412 ff. – Kretzinger; vgl. aber auch EuGH NJW 2007, 3416 ff. – „Kraaijenbrink“; EuR 2003, 929 ff. – „Gözütok“.

[8]

EuGH NJW 2007, 3412, 3413.

[9]

Vgl. Dannecker EuZ 2009, 110 ff.; vgl. auch Schaumburg/Peters Kap. 4.1 ff.

[10]

EuGH NJW 2011, 983 ff. – Mantello.

[11]

EuGH NJW 2011, 893, 985, Rn. 47 – Mantello.

[12]

EuGH NJW 2011, 893, 985 Rn. 47 – Mantello.

[13]

EuGH 5.6.2014 – C-398/12 (Rs. M.); vgl. hierzu Bülte NZWiSt 2014, 321, 324.

[14]

EuGH NJW 2007, 3412, 3414, Rn. 42 – Kretzinger; vgl. ferner Hackner NStZ 2011, 425, 428.

[15]

Vgl. nur Schaumburg/Peters Kap. 4.10 ff.

[16]

EuGH NJW 2013, 1415 ff.; ferner EuGH MwStR 2018, 551, 553, Rn. 20 – Menci.

[17]

Vgl. auch EuGH EuZW 2012, 543; eingehend hierzu auch EuGH MwStR 2018, 551, 554, Rn. 40 – Menci.

[18]

EuGH NJW 2013, 1415, 1417, Rn. 35 m.w.N.; EuGH MwStR 2018, 551, 553 f., Rn. 26 – Menci.

[19]

Vgl. Bülte HRRS 2011, 465 ff.

[20]

Tiedemann NJW 1993, 49.

[21]

Bülte NZWiSt 2014, 321, 326; Schaumburg/Peters Kap. 11.87 ff.

[22]

EuGH 20.3.2018 – C-524/15, HRRS 2018, 372.

[23]

EuGH 27.5.2014 – C-129/14 PPU Rn. 55 f.

[24]

EuGH 20.3.2018 – C-524/15 Rn. 41.

[25]

EuGH 20.3.2018 – C-524/15 Rn. 44.

[26]

EuGH 20.3.2018 – C-524/15 Rn. 46; vgl. auch EuGH v. 25.2.2010 – C-562/08 Rn. 43 m.w.N.

[27]

EuGH 20.3.2018 – C-524/15 Rn. 48 f.

[28]

EuGH 20.3.2018 – C-524/15 Rn. 54 ff.

[29]

EGMR 15.11.2016, A u. B vs. Norway, § 132.

2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts › VII. Europäische Staatsanwaltschaft

VII. Europäische Staatsanwaltschaft

101

Im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 20 EUV, Art. 326, 327, 329 AEUV und auf der Grundlage von Art. 86 Abs. 4 AEUV hat der Europäische Rat am 12.10.2017 die Umsetzung des Projekts einer Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA – European Public Prosecutor‚s Office – EPPO) beschlossen. Diese neue Behörde, die in Luxemburg angesiedelt wird, soll sich der Bekämpfung der schweren, grenzüberschreitenden Kriminalität, insb. der Bekämpfung von Mehrwertsteuer-Betrug widmen. Grundlage des Aufbaus der Europäischen Staatsanwaltschaft sind die Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12.10.2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) sowie die sog. PIF-Richtlinie (Richtlinie 2017/1371/EU). An der verstärkten Zusammenarbeit werden voraussichtlich 20 Mitgliedstaaten teilnehmen, wobei die Einzelheiten noch unklar sind und die niederländische Regierung im Oktober 2017 erklärt hatte, dass sich die Niederlande mittelfristig auch an der EuStA beteiligen werden (vgl. auch Erwägungsgrund 8 der Verordnung).

2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts › VII. Europäische Staatsanwaltschaft › 1. Zielrichtung und Grundlagen

1. Zielrichtung und Grundlagen

102

Da die EuStA in ihren Aufgaben eng mit dem Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union verbunden ist, bestehen auch nur insofern Zuständigkeiten. Es geht also im Wesentlichen um die Bekämpfung grenzüberschreitender Wirtschaftskriminalität. In Art. 4 der Verordnung heißt es dementsprechend, die EUStA sei zuständig für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung sowie die Anklageerhebung in Bezug auf Personen, die als Täter oder Teilnehmer Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union i.S.d. Richtlinie (EU) 2017/1371 begangen haben. Die EUStA führt die Ermittlungen, ergreift Strafverfolgungsmaßnahmen und nimmt vor den zuständigen Gerichten der Mitgliedstaaten die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahr, bis das Verfahren endgültig abgeschlossen ist.

103

Art. 5 der Verordnung stellt klar, dass auch die EUStA in all ihren Tätigkeiten an die Grundrechtecharta der Europäischen Union und die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit gebunden ist. Die Ermittlungen der Behörde erfolgen im Wesentlichen nach der Verordnung, subsidiär aber nach nationalem Recht. Dabei ist die EuStA verpflichtet, unparteiisch zu ermitteln und sowohl belastende als auch entlastende Beweise zu erheben. Die Staatsanwaltschaft ist ferner nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung unabhängig und nur dem europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission für ihre allgemeinen Tätigkeiten rechenschaftspflichtig.

2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts › VII. Europäische Staatsanwaltschaft › 2. Aufbau der Behörde und Durchführung des Verfahrens

2. Aufbau der Behörde und Durchführung des Verfahrens

104

Kapitel III der Verordnung beschreibt Status, Aufbau und Organisation der EUStA. Insofern ist wichtig, dass sie nach Art. 8 Abs. 2 EUStA-VO in eine zentrale und eine dezentrale Ebene gegliedert ist. Die zentrale Ebene ist am Dienstsitz in Luxemburg angesiedelt und setzt sich aus dem Kollegium, den Ständigen Kammern, dem Europäischen Generalstaatsanwalt, den Stellvertretern des Europäischen Generalstaatsanwalt, den Europäischen Staatsanwälten und dem Verwaltungsdirektor zusammen. Im Wesentlichen ist die zentrale Ebene eine Verwaltung- und Aufsichtsebene. Die zentrale Ebene besteht nach Art. 8 Abs. 4 EUStA-VO aus den Delegierten Europäischen Staatsanwälten, die in den Mitgliedstaaten angesiedelt sind.

105

Die Ermittlungsarbeit wird maßgeblich von den nationalen Staatsanwaltschaften und den Delegierten Europäischen Staatsanwälten (Art. 13 EUStA-VO) durchgeführt. Sie handeln im Namen der EUStA in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat und haben dort grundsätzlich die gleichen Befugnisse wie nationale Staatsanwälte. Sie sind für die Anklageerhebung und die Durchführung des Verfahrens auch in der Hauptverhandlung zuständig.

2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts › VII. Europäische Staatsanwaltschaft › 3. Zuständigkeit der EUStA

3. Zuständigkeit der EUStA

106

Die Zuständigkeit der EUStA ist in Kapitel IV der EUStA-VO (Art. 22 ff.) geregelt. Dort ist in Art. 22 die sachliche Zuständigkeit bestimmt. Sie umfasst die Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union, die in der Richtlinie (EU) 2017/1371 in ihrer Umsetzung in nationales Recht festgelegt sind. Wie die jeweiligen Straftaten im nationalen Recht benannt und geregelt sind, ist hier nicht relevant. Das bedeutet die Zuständigkeit der EUStA bestimmt sich letztlich materiell. Im Kern werden sich daher die Ermittlungen dieser Behörde auf Subventionsbetrug und Steuerhinterziehung konzentrieren. Da hier jedoch nur die Hinterziehung von Mehrwertsteuern und sonstigen Unionsabgaben relevant sind, hat Art. 22 Abs. 1 S. 2 EUStA-VO besondere Bedeutung. Danach besteht eine Zuständigkeit der EUStA für die Verfolgung von Straftaten, die in Art. 3 Abs. 2d Richtlinie (EU) 2017/1371 festgelegt sind (Mehrwertsteuerhinterziehung) nur, wenn die Taten grenzüberschreitend begangen wurden und ein Schaden von mehr als 10 Mio. € im Raum steht.

107

Darüber hinaus ist die EUStA nach Art. 22 Abs. 3 EUStA-VO für die Verfolgung grenzüberschreitender Taten krimineller Vereinigungen zuständig, wenn diese auf die Begehung von Straftaten gegen die finanziellen Interessen gerichtet sind. Schließlich darf die EUStA auch untrennbar mit den Straftaten gegen die finanziellen Interessen verbundene andere Straftaten verfolgen, soweit eine solche Verfolgung zur Wahrung der Unionsinteressen erforderlich erscheint (vgl. Art. 25 Abs. 3 EUStA-VO).

108

Art. 23 regelt die territoriale und personelle Zuständigkeit der EUStA. Hiernach ist die Behörde dann für die Verfolgung auch territorial und personell zuständig, wenn eine Straftat, für die die sachliche Zuständigkeit besteht, entweder auf dem Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten begangen wurde, ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats die Tat begangen hat und das Strafrecht eines Mitgliedstaats anwendbar ist oder einem Mitgliedstaat ansonsten die Gerichtsbarkeit zukommt.

109

Art. 24 EUStA-VO bestimmt Vorgaben für die Kommunikation zwischen der EUStA und der nationalen Strafverfolgungsbehörden. Wie die sachliche Zuständigkeit der EUStA im Einzelnen auszuüben ist, regelt Art. 25 EUStA-VO.

2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts › VII. Europäische Staatsanwaltschaft › 4. Verfahrensvorschriften für die EUStA

4. Verfahrensvorschriften für die EUStA

110

Die Vorschriften für das Ermittlungsverfahren der EUStA finden sich in Art. 26 ff. EUStA-VO. Nach Art. 26 Abs. 1 EUStA-VO leitet ein Delegierter Europäischer Staatsanwalt dann ein Strafverfahren ein, wenn nach nationalem Recht der berechtigte Grund zur Annahme besteht, dass eine Straftat begangen wurde, für die die Europäische Staatsanwaltschaft zuständig ist. Die Einleitung des Verfahrens ist Aufgabe eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts eines Mitgliedstaats, dem über die Tat die Gerichtsbarkeit zukommt.

111

Nach Art. 26 Abs. 2 EUStA-VO ist die Einleitung eines Verfahrens bei der EUStA aber auch dann möglich, wenn diese über das Melde- und Informationssystem nach Art. 24 EUStA-VO eine Information über eine Tat erhalten hat, für die sie zuständig ist, ohne dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt in einem Mitgliedstaat ein Strafverfahren eingeleitet hat. In diesem Fall weist die Ständige Kammer einen Delegierten Europäischen Staatsanwalts an, das Ermittlungsverfahren einzuleiten. Soweit mehrere Mitgliedstaaten die Gerichtsbarkeit ausüben können, richtet sich die Zuständigkeit nach Art. 26 Abs. 4 und 5 EUStA-VO.

112

Ferner steht der EuStA nach Art. 27 EUStA-VO ein Evokationsrecht zu. Sie kann also Strafverfahren, die in ihre Zuständigkeit fallen, an sich ziehen.

113

Art. 28 EUStA-VO regelt die Führung der Ermittlungen. Hier gilt grundsätzlich nationales Strafprozessrecht, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt zu beachten hat. Er kann die nationalen Behörden entweder zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen anweisen oder die Ermittlungsmaßnahmen oder andere Maßnahmen selbst anordnen. Die nationalen Behörden sind ferner verpflichtet, auch ohne Weisung durch den Delegierten Europäischen Staatsanwalt, solche Ermittlungsmaßnahmen vorzunehmen, die dringend erforderlich sind, um die Wirksamkeit der Ermittlungen sicherzustellen (Art. 28 Abs. 2 EUStA-VO). Art. 28 Abs. 3 und 4 EUStA-VO regeln die Zuweisung von Verfahren an die Delegierten Europäischen Staatsanwälte und die Möglichkeit zur Übernahme des Verfahrens durch den die Aufsicht führenden Europäischen Staatsanwalt. Nach Art. 29 EUStA-VO können auch in Verfahren der EUStA Immunitäten oder sonstige Vorrechte oder Befreiungen bestimmter Personen aufgehoben werden.

114

Die Ermittlungsmaßnahmen, die die EUStA-VO als notwendigen Mindestkatalog vorsieht, ergeben sich aus Art. 30 EUStA-VO. Dort ist zunächst geregelt, dass die Mitgliedstaaten für Straftaten, die mit einem Mindesthöchstmaß von vier Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind die in Art. 30 Abs. 1 lit. a) EUStA-VO enumerativ aufgezählten Ermittlungsmaßnahmen im nationalen Strafprozessrecht zur Verfügung stellen. Das bedeutet, dass das nationale Strafverfahrensrecht insb. Durchsuchungen von Räumlichkeiten und Datenträgern, Beschlagnahme und Durchsicht von Schriftstücken, die Sicherstellung von Tatwerkzeugen und Erträgen, einschließlich der Einziehung, die Überwachung elektronischer Kommunikation über alle elektronischen Kommunikationsmittel und die Verfolgung und Ortung von Gegenständen mit technischen Mitteln erlauben muss, um Straftaten zu verfolgen, für deren Verfolgung die EUStA zuständig ist. Das nationale Recht kann hier allerdings nach Art. 30 Abs. 2 und Abs. 3 EUStA-VO Restriktionen vorsehen, wie etwa Besonderheiten für Ermittlungsmaßnahmen gegen bestimmte Berufsträger oder erhöhte Eingriffsschwellen für bestimmte Eingriffsmaßnahmen. Art. 31 EUStA-VO bestimmt ferner die Vorgaben für grenzüberschreitende Ermittlungen. In Art. 32 und 33 EUStA-VO finden sich die Vorgaben für die Vollstreckung von Maßnahmen und die Regeln für die Festnahme im Ermittlungsverfahren und die Übergabe von Personen bei Grenzüberschreitungen.

115

Das eigentliche Verfahren ist in den Art. 34 ff. EUStA-VO geregelt. Dort finden sich Bestimmungen über die Verweisung und Übertragung von Verfahren an bzw. auf die nationalen Behörden (Art. 34 EUStA-VO), für den Abschluss der Ermittlungen (Art. 35 EUStA-VO), für die Durchführung des Strafverfahrens vor nationalen Gerichten (Art. 36 EUStA-VO), über Beweismittel (Art. 37 EUStA-VO) und über die Verwertung eingezogene Vermögenswerte Art. 38 EUStA-VO). Der Abschluss des Verfahrens kann nach Art. 39 EUStA-VO durch eine Einstellung oder durch die Anklage erfolgen. Nach Art. 40 EUStA-VO ist auch ein vereinfachtes Strafverfolgungsverfahren möglich, soweit das nationale Recht dies vorsieht.

2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts › VII. Europäische Staatsanwaltschaft › 5. Verfahrensgarantien

5. Verfahrensgarantien

116

Auch wenn für die Verfahren, die die EUStA führt, naturgemäß die europäischen Grundrechte gelten, sind in Art. 41 ff. EUStA-VO ausdrückliche Verfahrensgarantien geregelt. Art. 41 EUStA-VO sieht neben der Geltung der Grundrechte aus der Grundrechtecharta vor, dass jedem Verdächtigten oder Beschuldigten in einem Strafverfahren der EUStA mindestens die im Unionsrecht, einschließlich der in nationales Recht umgesetzten Richtlinien über die Rechte von Verdächtigten und Beschuldigten im Strafverfahren vorgesehenen Verfahrensrechte zustehen. Als Beispiele werden hier das Recht auf einen Dolmetscher oder Übersetzer, auf Belehrungen oder Unterrichtungen, auf Einsicht in die Verfahrensakte, Zugang zu einem Rechtsbeistand, das Recht auf Aussageverweigerung und die Unschuldsvermutung sowie das Recht auf Prozesskostenhilfe genannt. Zudem stellt Art. 41 Abs. 3 EUStA-VO klar, dass Verdächtigte und Beschuldigte, sowie andere an Verfahren der EUStA Beteiligte, alle Verfahrensrechte haben, die ihnen das geltende nationale Recht zuerkennt, einschließlich der Möglichkeit, Beweismittel beizubringen, zu beantragen, dass Sachverständige bestellt bzw. vernommen und Zeugen gehört werden, und die EUStA aufzufordern derartige Maßnahmen im Namen der Verteidigung zu erwirken. Art. 42 EUStA-VO regelt insofern die gerichtliche Kontrolle, der alle Maßnahmen der EUStA unterliegen, einschließlich der Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV.

3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten

Inhaltsverzeichnis

I. Wirtschaftsstrafverfahren

II. Betroffene von Wirtschaftsstrafverfahren

III. Beteiligte öffentliche Institutionen

IV. Besonderheiten in Wirtschaftsstrafverfahren

Literatur:

Dahs Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015; Götz Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zivilverfahren, 2014; Huff Notwendige Öffentlichkeitsarbeit der Justiz, NJW 2004, 403; Feigen Untreue durch Kreditvergabe, FS Rudolphi, 2004, S. 445; Matt/Renzikowski StGB, 2013; Müller/Schlothauer (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014; Rettenmaier/Palm Das Ordnungswidrigkeitenrecht und die Aufsichtspflicht von Unternehmensverantwortlichen, NJOZ 2010, 1414; Schmidt-Salzer Strafrechtliche Produktverantwortung – Das Lederspray-Urteil des BGH, NJW 1990, 2966.

3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › I. Wirtschaftsstrafverfahren

I. Wirtschaftsstrafverfahren

1

Verfahren in Wirtschaftsstrafsachen richten sich grds. nach den allgemeinen Regeln der Strafprozessordnung („StPO“). Sonderregelungen, die ein davon abweichendes Verfahren vorsehen, existieren nicht. Die Unterschiede zu Strafverfahren, die keinen (direkten) wirtschaftlichen Bezug aufweisen, ergeben sich folglich nicht aus den verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen, sondern aus dem Gegenstand, dem Umfang, den professionell Beteiligten[1] und der mit Wirtschaftsstrafverfahren häufig verbundenen Öffentlichkeit.[2]

2

Materiell-rechtlich sind Wirtschaftsstrafverfahren insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die im Streit stehenden Straftatbestände häufig nicht auf das „Kernstrafrecht“ begrenzt sind, sondern sich aus Nebengesetzen[3] ergeben, wobei es sich regelmäßig um Blankettnormen handelt, die durch die Regelungen anderer Rechtsgebiete ausgefüllt werden.[4] Auf der Ebene der einzelnen Tatbestandsmerkmale sind insbesondere unbestimmte und/oder auslegungsbedürftige – und daher dem Wandel unterliegende – Rechtsbegriffe[5] Spiegel der sich stetig ändernden wirtschaftlichen Gegebenheiten.

3

Die wachsende Bedeutung des Wirtschaftsstrafrechts und die dort häufig, wenn nicht sogar im Regelfall stattfindende Verzahnung mehrerer Rechtsgebiete spiegelt sich in der kaum noch überschaubaren höchstrichterlichen Rechtsprechung zu wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen wider. Von der strafrechtlichen Produkthaftung,[6] der Beihilfe von Bankmitarbeitern zur Steuerhinterziehung von Kunden[7] über die Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen[8] bis hin zur Untreue im Konzern,[9] der Verantwortlichkeit bei Kreditentscheidungen[10] oder der Zahlung von Prämien an Vorstände[11] variieren die Fragen, mit denen sich die Rechtsprechung u.a. auch in jüngster Zeit zu beschäftigen hatte.

4

Bereits hieraus wird deutlich, dass Wirtschaftsstrafverfahren tatsächlich und rechtlich komplex sind. Dies hat einerseits zur Folge, dass Ermittlungs-, Zwischen-, und Hauptsacheverfahren zumeist überdurchschnittlich lange andauern und – aufgrund der materiell-rechtlichen Verzahnung mehrerer Rechtsgebiete – über die Staatsanwaltschaft als originäre Ermittlungsbehörde in Strafsachen hinaus häufig weitere Behörden in das Verfahren eingebunden sind.

5

Sei es, dass diese Behörden „parallel“ eigene berufs-, oder aufsichtsrechtliche Verfahren gegen den oder die Beschuldigten oder etwaige Nebenbeteiligte (bspw. Unternehmen) führen,[12] sei es, weil die fachliche Expertise der Fachbehörde notwendig ist, um Sachverhalte zutreffend rechtlich zu bewerten. All diese Umstände (Gegenstand, Inhalt und Umfang) sind häufig Grund genug, dass die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an solchen Strafverfahren hat. Die damit einhergehende (steigende) Medienpräsenz der Justiz[13] und die teilweise einsetzende Eigendynamik der Berichterstattung[14] tragen dazu bei, dass Wirtschaftsstrafverfahren nahezu immer Gegenstand erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit sind.

Anmerkungen

[1]

Vgl. § 74c GVG (Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer).

[2]

Nr. 23 RiStBV (Zusammenarbeit mit Presse und Rundfunk); eingehend MAH Strafverteidigung/Lehr 2. Aufl. 2014, § 21.

[3]

Bspw. AO, InsO, WpHG, UWG, GWG etc.

[4]

Zu nennen sind hier u.a. § 370 Abs. 1 AO („Steuerhinterziehung“), § 399 AktG („Falsche Angaben“).

[5]

Bspw. § 331 Abs. 1 StGB („Vorteil“), § 324 Abs. 1 („unbefugt“), § 5 Abs. 1 BImSchG („erhebliche Belästigung“).

[6]

BGHSt 41, 206 ff. – Holzschutzmittel-Entscheidung.

[7]

BGHSt 46, 107 ff.

[8]

BGHSt 37, 106 ff. – Lederspray-Entscheidung.

[9]

BGH StV 2004, 425 – Bremer Vulkan, BGH NJW 2006, 453 ff. – Kinowelt.

[10]

BGHSt 47, 148 ff.

[11]

BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann.

[12]

Bspw. § 130 OWiG; § 35 GewO.

[13]

Huff NJW 2004, 403.

[14]

Müller/Schlothauer/Lehr § 21 Rn. 5.