Kitabı oku: «Colt-Helden: Super Western Sammelband 7 Romane», sayfa 7

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Gesetz ohne Gnade
Western von Larry Lash

Der Umfang dieses Buchs entspricht 175 Taschenbuchseiten.

Das wilde Schießen und Schreien kommt näher. Plötzlich taucht in der Dunkelheit ein Mann auf und feuert. Zum zweiten Mal hebt der Fremde den rauchenden Colt.

Da zischt etwas durch die Luft. Der Schütze fährt jäh zusammen. Lautlos fällt er vornüber in den Staub der Fahrbahn. Seine Hände zucken — dann liegt er still.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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(Originaltitel: Ohne Gnade)

© Cover: Nach einem Motiv von Meinard Dixon, 2019

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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1.

Als das Wolfsgeheul abbrach, erwachte Jim Sutherland aus seinem totenähnlichen Schlaf. Noch benommen schlug er die Augen auf und richtete den Blick gegen die rauchschwarze Decke.

„Muss eine turbulente Nacht gewesen sein“, murmelte er. „Dieser verdammte Whisky! Ich glaube, ich werde alt und kann nicht mehr viel vertragen. Was waren das doch für Zeiten, als Brod noch lebte, als die alten Freunde zusammenkamen. Das waren noch herrliche Nächte! Wo sind diese Zeiten geblieben?“ Jim Sutherland fuhr sich mit der Rechten über das Gesicht. Die Hand war feucht.

Jim richtete sich auf, erhob sich und trat vor den Spiegel. Spärlich drang das Mondlicht ins Zimmer. Er sah sich selbst, hager, mit tiefliegenden Augen und vorspringenden Wangenknochen. Das Gesicht war faltig, das Haar an den Schläfen ergraut.

Jims Kopf schmerzte, die Beine zitterten. Vergeblich mühte er sich, das Gelage dieser Nacht in sein Gedächtnis zurückzurufen. Ihm wurde schwindlig; er schwankte zum Fenster und riss es weit auf. Kalte Nachtluft schlug ihm entgegen. Schwer atmend blickte er in die Dunkelheit, in die Stadt, die ihn zum Sheriff gemacht hatte.

Es war nur eine kleine Rinderstadt. Schwarz und drohend wirkten jetzt die kleinen Holzhäuser von Danstone, die sich dicht zusammendrängten, so dass enge Straßen und Gassen entstanden waren. Noch vor einem Jahr hatte Jim Sutherland diese Stadt nicht gekannt. Es wäre ihm nicht im Traum eingefallen, dass er hier einmal den Sheriffstern tragen würde.

Danstone lag im Puma Valley, mitten in Arizona, in dem „Land der kleinen Flüsse“, wie die Indianer es genannt hatten. Das einzig Schöne an Danstone war die herrliche Umgebung. Die Stadt selbst war düster, grau und trostlos, und zwar so sehr, dass keiner von Jims Vorgängern es lange ausgehalten hatte. Entweder waren sie schnell davongeritten, oder man hatte sie zur letzten Ruhe auf den Stiefelhügel gebettet. Wer lebensmüde war, brauchte sich nur um den Sheriffstern dieser kleinen Town zu bemühen. Er konnte mit Sicherheit damit rechnen, dass ihn bald eine Kugel aus der Welt und aus einem verpfuschten Leben brachte.

„Mein Leben ist auch verpfuscht“, knurrte Jim und legte sich wieder auf sein hartes Lager, das in meinem Büro aufgeschlagen war.

Jim Sutherland wohnte in einem ärmlich eingerichteten Büro. Es war gleichzeitig Wohnraum, Küche und Schlafraum. Nicht einmal eine Zelle gab es im Sheriff-Office. Wahrscheinlich brauchte man keine, denn hier ließ sich niemand gefangen nehmen. Die Menschen in Danstone waren besonders hitzköpfig, der Colt saß locker, und niemand hatte den Sheriff bisher ernst genommen. Hier galt noch das Gesetz der brutalen Gewalt. Wer es ändern wollte, musste sterben oder fliehen. Trotzdem bemühten sich die Bürger immer wieder um einen neuen Mann, der ihnen durch das Tragen des Sternes das Gefühl der Ordnung und des Rechtes vermitteln sollte.

Worüber gewisse Kerle in helles Gelächter ausbrechen, dachte Jim. Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Wieder dachte er an das Saufgelage, in das man ihn hineingezogen hatte und in dem er untergegangen war.

„Ich tauge nicht viel“, sagte Jim leise, tief beschämt über seine Niederlage. „Gestern erklärte mir jemand, dass ich schon viel zu lange im Amt sei. Er sagte es mir voller Hohn. Ich sei der erste Sheriff, der es fast ein Jahr durchgehalten habe, und das sei eine Sensation. Ich sollte ihm verraten, wie ich das mache und wer mir Informationen zukommen ließe, um mich rechtzeitig aus dem Staub zu machen, wenn man mich brauche. — By gosh, ich glaube, ich habe ihm die Faust mitten ins Gesicht geschlagen.“

Jim Sutherland glaubte es, aber er war sich seiner Sache nicht sicher. Er versuchte sich zu erinnern und strengte sein Hirn an, aber nur verschwommene Bilder tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Er fragte sich, wie er aus dem Saloon heraus und in das Sheriff-Büro gekommen war. Hatte er noch aufrecht gehen können, oder war er auf allen Vieren hierhergekrochen?

Die Unruhe trieb Jim abermals vom Lager hoch. Mit unsicherer Hand machte er Licht. Er drehte den Docht der Petroleumlampe höher und schaute zur Tür. Sie war von innen verschlossen, also hatte ihn keiner in das Büro gebracht.

In einem Schrank stand eine Kanne mit kaltem Tee. Jims Durst war so groß, dass er sich nicht erst die Zeit nahm, den Tee in eine Tasse zu gießen. Er trank aus der Kanne und fühlte sich dann ein wenig frischer. Das ernüchterte ihn sogar so sehr, dass er sich daran erinnerte, warum das Saufgelage stattgefunden hatte. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

„Hölle!“, kam es über seine Lippen. „Sie haben meine Beerdigung gefeiert!“

Das war es! Es klang wie ein makabrer Witz. Er hatte es nicht ernst genommen und sich an dieser eigenartigen Feier beteiligt, in der er selbst der Mittelpunkt war.

„Wenn das so ist, dann bin ich neu geboren“, grinste Jim Sutherland verkniffen und stellte die Teekanne ab.

Ihm war so elend, dass er sein Herz klopfen hörte. Er setzte sich und dachte nach. Dabei kam ihm die Erkenntnis, dass man ihn verhöhnt hatte, dass man ihm aber auch ein Zeichen gegeben hatte, den Stern abzulegen und davonzureiten. Man hatte die Feier nicht ohne Grund inszeniert. Irgendjemand räumte ihm eine Gnadenfrist ein, die er nutzen sollte. Das alles begriff er jetzt, obwohl der genossene Alkohol ihm schwer zu schaffen machte.

Die ganze Stadt wusste Bescheid. Sie hielt jetzt den Atem an und schaute auf ihn, auf Jim Sutherland, den Mann ohne Freunde, auf den ehemaligen Cowboy, der ziellos durch die Welt geritten war. Er hatte nach dem Tod seines Bruders Brod keine Ruhe gefunden. Er war auf der Jagd nach den Männern gewesen, die Brod umgebracht hatten. Es hatte Jahre gedauert, und die letzte Spur war im Sand verlaufen. Er spürte die Enttäuschung des Jägers, der seinem Wild vergeblich nachgestellt hatte. Danach waren schwere Jahre für ihn gekommen, in denen er sich durchschlagen musste. Er fand keine Arbeit. Viehseuchen hatten die Rancher zu Entlassungen von Cowboys gezwungen. Ein bitterkalter Winter hatte die Treibherdenmannschaft aufgelöst, in der er geritten war. Er allein war davongekommen und hatte sein Leben retten können. Jim erinnerte sich nicht gern an diese Zeit, in der die Not sein ständiger Begleiter gewesen war. Er war damals froh gewesen, als er den Sheriffposten in Danstone angeboten bekam. Er hatte den Stern angelegt und die Eidesformel auf das Gesetz gesprochen. Der Sheriffposten war ihm lieb gewesen, das konnte er nicht abstreiten. Hier in dieser dreckigen Stadt war er gelandet, und es war ihm gelungen, sich ein bescheidenes Dasein aufzubauen. Das sollte jetzt alles wieder vorbei sein?

Der Winter stand vor der Tür. Arbeit gab es kaum auf den Ranches. Jeden Tag durchritten stellungslose Cowboys die Stadt auf der Suche nach einem Job. Manch einer von ihnen hatte Pferd, Sattel und Zaumzeug verkaufen müssen und war nach einigen Tagen Aufenthalt zu Fuß weitergezogen. Die Folge war, dass sich diese Leute lichtscheuem Gesindel anschlossen.

Jim Sutherland spürte die unsichtbare Drohung, die über dem Land lag. Die Not trieb viele Männer dazu, mit Banditen zu reiten. Jim war nicht dumm, er hatte die Anzeichen schon seit Wochen bemerkt. Man musste sich auf harte Auseinandersetzungen gefasst machen. Die Rancher waren bereits unruhig geworden und hatten ihre Cowboys enger um sich geschart. Alles deutete darauf hin, dass das Banditenunwesen stärker wurde. Niemand hatte sich aber mit Jim ausgesprochen. Nicht ein Rancher war zu ihm gekommen, um ihm seine Befürchtungen mitzuteilen.

„Sie nehmen mich nicht für voll und tragen ihre Angelegenheiten selbst aus“, murmelte Jim. „Während meiner Zeit hier habe ich das Vertrauen der Leute nicht erringen können. Für sie bin ich ein ganz gewöhnlicher Satteltramp, mit dem man sich nicht einmal gemeinsam an den Tisch setzt. Für sie bin ich der abgerissene Fremde geblieben, der den Posten als Sheriff nahm, weil es die letzte Rettung für ihn bedeutete. — Nein, sie mögen mich nicht! Für sie bin ich ein Aushängeschild für das Gesetz, das in Wirklichkeit noch nicht bis Danstone gedrungen ist.“

So war es. Jetzt stand Jim Sutherland den Ranchern und dem lichtscheuen Gesindel im Wege. Den Ranchern, weil sie ihn für unfähig hielten, den Banditen, weil sie einen harten Brocken in ihm sahen, der ihnen Schwierigkeiten bereiten konnte.

Jim spürte deutlich, dass er zwischen zwei Feuern stand. Niemand hatte etwas dagegen gehabt, dass er sich sinnlos betrank. Jetzt schämte er sich dessen — der Katzenjammer war da! Er versuchte ihn loszuwerden und holte eine Waschschüssel. Aus dem Wassereimer goss er Wasser hinein, zog das Hemd aus und tauchte Kopf, Hände und Ellbogen in das kalte Wasser.

Ich war ein Narr, dass ich da mitmachte, dachte er voller Abscheu. Ich war wohl der einzige, der es für einen Witz hielt, wenn auch für einen reichlich schlechten. Aber sollte ich mit dem Eisen in der Hand Sturm gegen sie laufen? Sie haben jetzt ihren Spaß gehabt — und wer weiß, wer zuletzt lacht.

Jim wusste, dass er weder davonreiten würde, noch gewillt war, sich einen Platz auf dem Stiefelhügel auszusuchen. Er würde bleiben und damit genau das tun, was man am allerwenigsten von ihm erwartete. Er war wohl nicht so wie seine Vorgänger, die entweder aufrechte Männer gewesen waren und starben oder der Belastung nicht standhielten und davongeritten waren.

Nein, Jim wollte nicht davonreiten, wollte nicht irgendein Reiter ohne Ziel sein, der überall, wohin er auch kam, ungern gesehen wurde und ein ungebetener Gast war. Er kannte das harte Leben, das ein Langreiter zu führen hatte. Mit ein wenig Wehmut im Herzen dachte er an Montana, an seine Heimat, aber es wurde ihm auch gleichzeitig klar, dass für ihn kein Weg dorthin zurückführte. Es gab keine Heimatranch mehr, niemanden, der auf ihn wartete. Auch in der Heimat würde er nur ein Fremder sein.

Das eine Jahr in Danstone hatte ihn sesshaft gemacht. Er liebte sein Amt, und er liebte Hayde Egan. Leider wusste das Mädchen nichts von dieser Liebe, und Jim war viel zu schüchtern, um es ihr deutlich zu machen. Er verehrte und bewunderte Hayde, doch sie nahm es nicht wahr. Zu viele Männer sahen sie an. Das war kein Wunder, denn sie war ein schönes Mädchen mit rotblondem Haar und violetten Augen, die ständig die Farbe wechselten. John Gelong. ihrem Halbbruder, gehörte die Schmiede. John war Schmied, Leichenbestatter und Dienstmann zugleich. Wegen seines guten handwerklichen Könnens stand er überall in hohem Ansehen. Es gab fast nichts, was John nicht konnte. Wenn etwas nicht in Ordnung war und man John Gelong holte, so konnte man sicher sein, dass bald wieder alles im Lot war. Johns Höflichkeit stand im Gegensatz zu seinem bulligen Aussehen. Ob John aber immer höflich war, daran zweifelte Jim Sutherland sehr. Oft genug hatte er Hayde mit rotgeweinten Augen gesehen. Das Mädchen führte John Gelongs Haushalt, und man konnte annehmen, dass John in seinen vier Wänden alle Höflichkeit fahren ließ und Hayde herumkommandierte.

Als Jim mit seinen Gedanken soweit gekommen war — er trocknete sich dabei gerade sein Gesicht mit einem rauen Leinentuch — fielen draußen Schüsse. Ihre Detonationen zerrissen die Stille der Nacht.

Jim ließ das Handtuch fallen, seine Augenlider verengten sich. Er ging zu seinem Lager und nahm den am Bettpfosten hängenden Gurt mit der 45er Waffe auf. Er schnallte den Gurt um und lief auch schon zur Tür, riegelte sie auf und trat mit nacktem Oberkörper hinaus. Der kalte Nachtwind setzte ihm so zu, dass seine Benommenheit endgültig wich. Er packte den Kolben seiner Waffe fester. Von der Schmiede her waren scharfe Befehle zu hören. Jemand schrie: „Tötet ihn!“

Ein bitteres Lächeln fraß sich in Jims Mundwinkel. Sein schmales Gesicht wirkte in diesem Augenblick wie eine Maske. Die Dunkelheit irritierte ihn ein wenig, noch mehr aber die Stimme, die aus dem Hintergrund sagte: „Schaut euch den Sheriff an, er ist total betrunken! Wenn er sich nur nicht erkältet.“

Den Sprecher konnte Jim Sutherland nicht sehen, da er sich im Hintergrund verborgen hielt. Wie er machten das viele andere, die aus der Deckung ihrer Häuser heraus die Vorgänge auf der Straße beobachteten.

Ja, so waren die Bürger der Stadt- neugierig und immer darauf bedacht, alles zu sehen und zu hören, ohne jedoch ihre eigene Haut zu Markte zu tragen. Keiner wollte Verantwortung übernehmen, jeder sah nur auf den anderen und wartete darauf, dass der etwas unternahm. Jim musste über dieses Problem nachdenken, als er auf die Mainstreet blickte, deren Bohlensteige zu beiden Seiten die Narben vieler Sporen trugen. Die Häuser zeigten falsche Fassaden mit imitierten Säulenfronten. Auf das alles achtete Jim jetzt allerdings nicht und auch nicht auf die Leute, die in sicherer Deckung darauf warteten, wie sich die Dinge weiter entwickeln würden.

Das Schießen verlagerte sich. Jim Sutherland bog in eine schmale Gasse ein und stolperte über einen Haufen Unrat. Schmutz gab es reichlich in Danstone. Er war eine Brutstätte für Ungeziefer aller Art. In diesem Gelände, im Gewirr von Hinterhäusern, Schuppen und Stallungen, versuchte der Verfolgte seinen Bedrängern zu entkommen. Vergeblich, denn die, die hinter ihm her waren, kannten alle Winkel ebenso. Sie waren Stammgäste in der Stadt. Sie gehörten zu jener Horde von Männern, die den Vogelkäfig-Saloon als ihre Burg betrachteten. Einen besseren Platz hätten sie sich nicht aussuchen können. Der Saloon war nicht nur Futter- und Tränkplatz für sie, sondern auch eine hervorragende Informationsquelle, da der Saloon auch das Postoffice beherbergte.

Jim bewegte sich zwischen den Schuppen vorwärts. Er fror erbärmlich. Das wilde Schießen und Schreien kam näher. Plötzlich tauchte der Schatten eines Mannes auf. Der Mann bewegte sich geduckt und feuerte dann. Die Kugel war nicht auf Jim gerichtet, der Mann hatte ihn noch nicht ausmachen können.

Ein seltsamer Pfeiflaut war die Antwort. Wieder zielte der Schütze, wobei er ein wenig aus seiner Deckung herauskam. Im gleichen Augenblick fuhr er zusammen. Er fiel vornüber, seine Hände zuckten, dann lag er still.

Jim Sutherland stand starr da. Er begriff die Vorgänge nicht. Er hatte keinen Mündungsblitz gesehen, der die Stellung des anderen Schützen angezeigt hätte, und dennoch war der Mann, den er undeutlich hatte ausmachen können, getroffen worden und vielleicht tot. Es gehörte zu Jims Beruf, sich über diese Frage Gewissheit zu verschaffen.

Jemand schrie: „Leute, der Schuft ist nach Norden durchgebrannt! Folgt mir, er soll uns nicht entkommen!“

Diese Stimme kannte Jim. Sie gehörte dem Besitzer des Vogelkäfig-Saloons, einem gewissen Duff Terrific, einem Mann mit schräg stehenden schwarzen Augen und von untersetzter Gestalt. Terrific trug einen Vollbart, wie man ihn hier selten sah. Er war ein cleverer Geschäftsmann, von dem man sagte, dass er imstande wäre, seine eigenen Angehörigen zu verkaufen.

Duff Terrifics Geschrei lockte den Verfolgerschwarm aus der Straße, in der sich Jim befand. Das erleichterte seine Aufgabe sehr, denn jetzt bestand die Gefahr nicht mehr, dass er in den Kugelhagel hineingeriet. Ungehindert erreichte er den Mann, der reglos am Boden lag. Er bückte sich und konnte nur noch dessen Tod feststellen. Jim Sutherland bekam jetzt die Bestätigung — er hatte das zernarbte Gesicht des Mannes schon gesehen — dass die Jagd nicht von Bürgern der Stadt oder von Cowboys abgehalten wurde, sondern von Duff Terrifics Leibgarde. Das war ein übler Verein, von dem niemand so recht wusste, was er trieb. Es war unbekannt, woher diese Burschen das viele Geld hatten, das sie reichlich ausgaben. Tage und Nächte hindurch hielten sie wilde Zechgelage ab.

Noch im Tode zeigte der Mann, dessen Name Jim unbekannt war, ein widerliches Grinsen. Jim packte den Toten an der Schulter, drehte ihn um und erkannte jetzt die Todesursache. Ein langes Wurfmesser hatte das Herz des Mannes durchbohrt. Als Jim das feststellte, spürte er, dass in seiner Nähe etwas nicht in Ordnung war. Er warf sich keinen Augenblick zu spät herum. Ein Mann sprang ihn an. Jim wich zur Seite und schlug zu. Er traf die Schläfe des Angreifers, der mit einem Stöhnen neben dem Toten zu Boden ging. Jim war sofort bei ihm, packte ihn an der Kehle und zwang ihn liegenzubleiben. Dabei sah er in ein regelmäßig geschnittenes Gesicht. Dunkle Augen starrten ihn an. Es war ein noch junger Mann mit einem geschmeidigen, raubkatzenartigen Körper, der ihm trotz des Würgegriffes zu entweichen drohte. Als der Fremde aufhörte, sich zu wehren, lockerte Jim den Griff.

„Wer bist du?“, fragte Jim Sutherland.

Der junge Bursche war ihm irgendwie sympathisch. Es konnte sich nur um den von Duff Terrific gehetzten Mann handeln.

„Ich bin Slim Bruce“, keuchte der Fremde, dessen glattes schwarzes Haar bis auf die Schultern fiel. Er war ohne Kopfbedeckung. Seine Kleidung war aus Hirschleder — wie Fallensteller und Waldläufer sie trugen — und mit Zierfransen besetzt. Das konnte Jim erkennen, als sich der Mann aufrichtete. Jetzt sah er auch, dass er auf dem Rücken ein Wurfmesserholster trug. Kein Wunder, dass er sich sein kostbares Wurfmesser zurückholen wollte. Das Messer war seine einzige Bewaffnung; er hatte keinen Waffengurt.

„Komm mit!“, befahl Jim Sutherland. Gleichzeitig ließ er den Mann los und hinderte ihn nicht daran, als dieser sich sein Wurfmesser nahm und in das Holster steckte, als sei weiter nichts geschehen. Jim zog nicht einmal sein Eisen, aber er ließ keinen Blick von Slim Bruce, dem man selbst in der Dunkelheit den indianischen Einschlag ansah.

„Es ist besser zu verschwinden. Sie werden zurückkommen, um dich aufzustöbern“, sagte Jim. „Ohne ein Pferd kommst du nicht aus der Stadt heraus. Ich wette, dass alle heute ihre Pferde in die Stallungen brachten und die Türen fest verriegelten.“

„Sheriff, wenn das so ist, warum bringst du mich nicht gleich um?“, fragte Slim Bruce. Der junge Mann schien sich schnell erholt zu haben. Seine Augen blitzten. Vielleicht wunderte er sich, warum Jim Sutherland ihm keine Fragen stellte und auch nicht danach fragte, warum man ihn verfolgte und wie Freiwild hetzte. Erst jetzt schien er den Sheriff genauer in Augenschein zu nehmen. Seine Musterung war kurz, dann nickte er zum Zeichen, dass er bereit war, mitzugehen.

Slim Bruce folgte lautlos dem voranschreitenden Sheriff. Er war wie ein Schatten in der Nacht. Nur so konnte man auch verstehen, dass er seine Verfolger hatte abschütteln und in die Irre leiten können.

„Bei welchem Stamm hast du gelebt?“, fragte ihn Jim über die Schulter gewandt.

„Bei keinem. Was ich von den Indianern und ihrer Art kenne, hat mir meine Mutter beigebracht, und mein Vater hat das gern gesehen. Jetzt sind beide tot, mein weißer Vater und meine indianische Mutter. Beide wurden ermordet, von weißen Schuften, Sheriff, von Leuten, die dem Besitzer des Vogelkäfig-Saloons Duff Terrific unterstehen. Bis in die Stadt hinein habe ich sie verfolgt, aber ich kam nicht dazu, meine Eltern zu rächen. Das ganze Rudel stand gegen mich, und nur einen von ihnen habe ich erwischt, den narbengesichtigen Mann. Er gehörte zu denen, die unsere Hütte überfielen.“

„Warum haben euch Terrifics Leute überfallen?“

„Mein Vater war Digger“, antwortete Slim Bruce, ohne zu zögern. „Er war es aus Leidenschaft. Manchmal war er monatelang fort und ließ meine Mutter und mich allein. Wir bebauten etwas Land und hielten Ziegen und Schafe. Wir hatten genug zu essen, aber es war ein armes Leben. Im Frühjahr ritt meine Mutter ein paarmal mit mir zu ihrem alten Stamm, um unsere Lage ein wenig zu verbessern.“

„Die Indianer haben doch selbst kaum etwas?“

„Stimmt, Sheriff, sie leben von der Hand in den Mund, aber sie teilten immer, was sie besaßen. Wir bekamen Kleidung und Felle und die Dinge, die wir uns nicht kaufen konnten. — Das war so bis zu dem Tag, an dem mein Vater zurückkam und uns sagte, dass jetzt alle Not zu Ende sei, er habe einen großen Fund gemacht. Er sei jetzt in der Lage, immer Gold zu holen, wann es ihm passe. Er wollte mir eine große Zukunft aufbauen. Er wollte den Traum seines Lebens verwirklichen, indem er Land kaufte und Rancher wurde. Er sagte mir, dass man mich dann anerkennen würde. Als ich ihn nach Mutter fragte, hob er die Schultern und ließ sie wieder sinken. O ja, er wusste nur zu gut, was ich mit meiner Frage meinte. Unter Weißen würde man meine indianische Mutter immer für einen Menschen zweiter Klasse, wenn nicht gar für ein Tier halten. Dass das so war, wusste ich von mir selbst. Rothaut und Halbblut nannte man mich, und das voller Verachtung. Meine Mutter und ich hatten deshalb wenig Verlangen danach, in der Gemeinschaft der Weißen zu leben. Ich selbst machte mir immer wieder Gedanken darüber, zu welchem Volk ich nun eigentlich gehörte. Ich konnte mich weder zu den Weißen noch zu den Roten rechnen. Auch die Indianer misstrauten mir, das hatte ich oft genug festgestellt. Die Hunkpapa-Sioux ließen es immer wieder durchblicken, obwohl meine Mutter nicht müde wurde, ihnen zu zeigen, dass ich ein Indianer sei wie sie.“

Jim Sutherland nickte. Was er von Slim Bruce hörte, war die Tragödie aller Menschen, die das Blut von zwei Rassen in sich hatten.

„Vorsicht, es darf uns niemand sehen!“, warnte Jim seinen Begleiter und ließ ihn am offenen hinteren Fenster seines Büros zurück. Er selbst ging weiter durch die Gasse. Als er den Bohlensteig der Mainstreet wieder betrat, hörte er jemanden höhnisch sagen: „Der Sheriff hat sich wieder rechtzeitig absetzen können. Schaut nur, wo er ist! Dabei wird im Norden der Stadt noch geschossen.“

„He, Sheriff!“, dröhnte eine andere Stimme über die Straße, „deine Beerdigung hat bereits stattgefunden. Nimm dein Pferd und reite davon!“

Lachen klang auf, doch Jim Sutherland machte sich nichts aus dem höhnischen Gelächter. Er betrat sein Office, verriegelte die Tür hinter sich und sah nach, ob alle Vorhänge zugezogen waren. Erst dann blickte er aus dem Fenster zum Hinterhof. Im ersten Augenblick glaubte er, dass Slim Bruce sich selbständig gemacht und seine Flucht fortgesetzt habe. Doch dann sah er, wie der junge Mann sich vorsichtig aus dem Halbschatten der Wand löste. Katzengleich kam Bruce in den Raum. Jim Sutherland schloss das Fenster, zog den Vorhang vor und machte Licht. Er achtete darauf, dass die Petroleumlampe nur mit kleiner Flamme brannte. Ohne Aufforderung setzte sich Slim Bruce auf einen der wackligen Stühle und sah sich interessiert im Raum um. Leise fragte er: „Wer wohnt nebenan?“

„Der Doc“, erwiderte Jim. „Er ist schwerhörig. Dieser Raum mit dem Sondereingang gehörte vor Jahren zu seiner Praxis. Seitdem der alte Doc seine Praxis aufgab und sich vor aller Welt verkroch, dient dieser Raum als Sheriff-Office. Den Doc hört und sieht man nicht. Manche Leute haben die Befürchtung ausgesprochen, dass der Alte eines Tages stirbt und dass man ihn erst nach Wochen findet. Der Doc arbeitet nicht mehr in seinem alten Beruf, er lehnt jede ärztliche Hilfe ab. Er ist zum Sonderling geworden, der sich in seinen Büchern vergräbt. Jede Woche bringt die Stagecoach Packen von Büchern mit, die man bei ihm ablädt. Eine alte Frau kommt dann und wann, um ihm den Haushalt in Ordnung zu bringen. Andere Leute lässt er nicht zu sich. Seit Monaten hat ihn niemand mehr zu Gesicht bekommen.“

„Das scheint ein eigenartiger Mensch zu sein, dieser Doc“, meinte Slim Bruce. „Vielleicht hätte er meinem Vater noch helfen können.“ Der junge Mann brach ab, um nach einer Pause fortzufahren: „Die Schufte hätten es aber wohl nicht zugelassen. Sie raubten sein Gold und wollten wissen, wo er sein Claim hatte. Mein Vater ertrug die Folterung, er hat es ihnen nicht gesagt. Die Schufte haben meinem Vater schwer zugesetzt, schlimmer als Indianer es mit ihren Gefangenen machen. Vater starb, ohne die Lage des Claims zu verraten. Danach versuchten sie es bei meiner Mutter. Meine Mutter ist eine Indianerin, eine Hunkpapa. Sie lachte ihre Peiniger aus und spuckte ihnen ins Gesicht, danach sang sie ihr Totenlied. Ich konnte es in meinem Versteck hören. Ich musste hilflos mit ansehen, mit welcher Grausamkeit auch meine Mutter gequält wurde. Ich konnte nichts tun. Ich musste zusehen und zuhören und warten. Was das bedeutet, kann nur der verstehen, der einmal in einer solchen Lage war. Ich weiß nicht, durch welche Höllen ich ging und welche Ewigkeiten ich zu warten hatte. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe. Ich biss mir die Lippen dabei blutig und grub mir die Fingernägel in die Arme. Ich habe in ein Tuch hineingebissen, um nicht laut aufschreien zu müssen. Schließlich war es vorbei. Die Hütte brannte, und die Kerle zogen ab. Ich verließ mein Versteck und trug meine Eltern aus der brennenden Hütte. Vater lebte noch und war bei klarem Verstand. ,Sie ist tot?‘, fragte er mich. Er blickte mich dabei nicht an. Ich nickte nur, sprechen konnte ich nicht, die Kehle war mir wie zugeschnürt. Mein Vater sagte mir, dass ich ihn neben Ma betten solle. Sie wäre ihm immer eine gute Frau gewesen, eine bessere habe er sich nicht wünschen können. Drüben in der anderen Welt zähle die Hautfarbe nicht. Er sagte mir noch ,so long‘, dann starb auch er. — Ich habe beide in ein gemeinsames Grab gelegt.“

„Und dann bist du aufgebrochen, um deine Eltern zu rächen, Slim?“

„Ja“, bestätigte Slim Bruce. „Ich machte mich zu Fuß an die Verfolgung, mir blieb nichts anderes übrig. Unsere Pferde hatten die Schufte mitgenommen. Die Hütte und das Maisfeld brannten lichterloh. — Ich werde den Mann stellen, der das üble Rudel führte! Es ist der Mann, der den Vogelkäfig-Saloon besitzt.“

Jim Sutherland antwortete nicht. Er sah Slim Bruce aufmerksam an. Danach machte er sich am Schrank zu schaffen und holte etwas zu essen.

„Ich glaube, du kannst mir noch eine Menge mehr erzählen“, sagte er dann. „Auf deinem Marsch hierher wirst du vieles bemerkt haben.“

„Yeah“, gab Slim Bruce zu. „Duff Terrific ist es, der die Poststraße kontrolliert. Seine Leute rauben nicht nur die Stagecoaches aus, wenn sie Wertvolles geladen haben, sie sind auch an den Rinderdiebstählen beteiligt. Terrific ist allerdings nur einer der Verbindungsmänner.“

Jim Sutherland horchte auf.

„Woher willst du das wissen, Slim?“ fragte er.

„Ich habe ein kleines Reiterrudel verfolgt und konnte es belauschen.“

„Zu Fuß, Slim?“, fragte der Sheriff zweifelnd.

„Ich bin ein guter Läufer“, sagte Slim Bruce. „Die Verwandten der Hunkpapas, die Yaquis, sind so gute Läufer, dass sie ein Pferd zu schlagen vermögen. In den Bergen muss man manchen Umweg machen, wenn man beritten ist. Zu Fuß kann man Wege abschneiden, was zu Pferd unmöglich ist.“

„Ich wollte dich nicht kränken, Slim.“

„Ich sage nur die Wahrheit, Sheriff“, erwiderte Slim Bruce. „Ich rede nicht mit gespaltener Zunge, wie die Weißen es tun.“

„Du kannst nicht alle Menschen über einen Kamm scheren, Slim. Es gibt überall Menschen, die gut oder schlecht, faul oder fleißig sind. Allein wirst du nicht gegen die Bande angehen können, Freund.“

„Von Amts wegen müsstest du mir helfen, Sheriff.“

„Stimmt, das werde ich auch tun, Slim. Wenn du willst, ernenne ich dich zum Hilfssheriff.“

Slim Bruce sprang erstaunt vom Stuhl hoch. Seine Augen weiteten sich. Er schaute auf Jims Sheriffstern und sagte heiser: „Du schaffst dir mit einem Halbblut als Sheriff nur Schwierigkeiten. Die ganze Stadt wird gegen dich stehen.“

„Das tut sie bereits ein Jahr lang, seitdem ich hier bin. Es ist für mich nichts Neues.“

„Du wirst nicht einmal einen Rancher auf deiner Seite haben, Sheriff.“

„Es ist erstaunlich, wie gut du meine Lage einschätzt.“

Slim Bruce ging auf diese Feststellung nicht ein. Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. Es schien, als wollten sie sich auf den Grund der Seele sehen.

„Bist du lebensmüde, Jim Sutherland?“, fragte Slim Bruce dann. Seine Stimme klang heiser vor innerer Erregung.

„Das könnte ich auch dich fragen, Slim“, erwiderte Jim.

„Bei mir ist es etwas anderes. Ich habe einen Schwur getan. Du hast dein Amt und dein Leben zu verlieren. — Willst du tatsächlich gegen die Bande vorgehen?“

„Sie hat mich lange genug genarrt und hat bereits meine Beerdigung gefeiert. Ich bin ihr etwas schuldig — vor allem mir selbst. Ich muss es durchstehen, mir bleibt keine andere Wahl.“

„Wenn die Bande mich hier weiß, wenn Duff Terrific erfährt, dass du mich zum Hilfssheriff gemacht hast, dann ist dein Leben keinen Cent mehr wert, Sheriff! Überleg es dir gründlich!“

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Litres'teki yayın tarihi:
26 mayıs 2021
Hacim:
810 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783956179853
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