Kitabı oku: «Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis», sayfa 5
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Kollegen nahmen Rico Jarmaine mit zur Federal Plaza. Er würde einige Verhöre über sich ergehen lassen müssen, aber ich bezweifelte, dass dabei etwas herauskam. Es gehörte zum Ehrenkodex der Gangs zu schweigen. Um jeden Preis. Da gab es keinen Unterschied zwischen "Los Santos" und Dutzenden anderer Gruppierungen dieser Art, von denen viele die Drecksarbeit für die großen Bosse des organisierten Verbrechens verrichteten. Vor allem waren sie als Endverteiler im Crackhandel tätig.
Wegen des 22er Revolvers würde ein Verfahren auf Jarmaine warteten. Aber sofern er einen festen Wohnsitz und ein paar Dollar für die Kaution hatte, war er in Kürze wieder auf freiem Fuß.
Kollegen der SRD nahmen sich das Parkhaus vor, durchsuchten es von oben bis unten. Die Aktion dauerte mehrere Stunden. Weitere Kollegen von FBI und City Police befragten Anwohner. Aber dabei kam so gut wie nichts heraus.
Wir wollten schon in den Wagen steigen, als die SRD-Kollegen schließlich fündig wurden.
In einer Mauernische im untersten Parkdeck war ein Western-Mantel abgelegt worden. In einer der Taschen fand sich ein goldenes Kreuz. Anstelle von Jesus Christus hing daran das Abbild eines gehörnten Skeletts.
"Vielleicht hat der Junge doch mehr mit dieser ganz Sache zu tun, als er uns weiß machen will", vermutete Milo.
Ich hob die Augenbrauen. "Wieso?"
"Na, ist doch klar! Dieser Rico Jarmaine kurvte auf den Rampen des Parkhauses mit seinen Roller-Skates herum, als wir auftauchten. Er hat gleich begriffen, wer wir waren und sich verzogen."
"In den hintersten Winkel!"
"Genau, Jesse. Dann hat er seinen Mantel und alles, was ihn als Gang-Mitglied hätte outen können einfach irgendwo abgelegt. Schließlich konnte er nicht unbedingt damit rechnen, dass eine Gruppe von Spezialisten diese feuchte Gruft da unten haarklein absucht."
"Wird schwierig sein, ihm zu beweisen, dass das wirklich sein Mantel ist!"
"Vielleicht finden sich Reste seines Genmaterials an den Sachen. Es reicht schon, wenn er sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn gewischt hat!"
Jay Kronburg war derselben Meinung. "Scheint, als hätte es sich gelohnt, hier mal vorbeizuschauen!"
Für mich passte da noch so manches nicht zusammen.
"Wenn Rico Jarmaine wirklich Mitglied der Santos ist, dann verstehe ich nicht, wie er hier seelenruhig mit seinen Roller-Skates herumfährt, während seine Gangbrüder gerade einen regelrechten Krieg führen!", gab ich zu bedenken. "Da muss unter Kid Dalbáns Leuten regelrechte Alarmstimmung geherrscht haben, denn es sieht vieles danach aus, dass man uns für Abgesandte der Scarlattis gehalten hat!" Ich schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, dieser Junge träumt vielleicht davon, zu Los Santos zu gehören. Aber im Moment ist er ganz bestimmt noch nicht so weit!"
Jay zuckte die Schultern.
"Wenn der Mantel und das Goldkreuz aus dem Labor kommen, sehen wir wahrscheinlich etwas klarer", war er überzeugt.
Wir fuhren schließlich zurück zur Federal Plaza und fanden uns in Mister McKees Büro ein.
Der Special Agent in Charge hörte sich unseren knappen Bericht schweigend an.
Dann brachte er uns auf den neuesten Stand, was die Ermittlungen im Hinblick auf den Sprengstoffanschlag in Brooklyn ergeben hatten.
"Alex Shkoliov ist alles andere als kooperativ", berichtete unser Chef. "Und das, obwohl es für ihn lebenswichtig sein könnte, mit uns zusammenzuarbeiten!"
"Das wird er niemals tun", meinte Milo. "Er wird krampfhaft versuchen, sich gegen Scarlattis Bande zu behaupten. Ohne Rücksicht auf Verluste."
Mister McKees Gesicht wirkte sehr ernst. "Wir erhielten übrigens einen anonymen Anruf. Danach plant der alte Scarlatti seine Rückkehr aus Marokko!"
Ich pfiff durch die Zähne. "Traut der große Boss seinem Statthalter Ray Neverio also nicht über den Weg! Interessant."
"Gibt es irgendeinen Hinweis, wer der Anrufer sein könnte?", fragte Milo.
"Die Stimme war verzerrt. Mal sehen, ob die Jungs vom Labor da noch etwas herausbekommen können..."
10
Kid Dalbán ließ mit einem gekonnten Stoß die Billard-Kugeln über den grünen Filz schießen.
Dalbán lachte heiser. "Ich glaube, ihr könnt mir schon jetzt eure Brieftaschen geben, Jungs! ich ziehe euch heute aus!" Er richtete sich auf. Der Anführer der "Santos" war fast zwei Meter groß und hatte blauschwarzes, nach hinten gekämmtes Haar.
"Ich verstehe nicht, wie du so ruhig bleiben kannst!", meinte einer der Männer. Er war breitschultrig und mehr als einen Kopf kleiner als der Ganganführer.
Dalbán musterte ihn.
"Wesley, warum so ängstlich? Du vergisst, wo wir uns hier befinden!"
Dalbáns Hauptquartier lag in einem atomsicheren Bunker, mehrere Stockwerke unter der Erdoberfläche. In den fünfziger Jahren waren derartige Anlagen von der US-Regierung stark subventioniert worden.
Dalbán tätschelte gönnerhaft Wesleys Schulter.
"Wir könnten hier notfalls wochenlang überleben, selbst wenn man uns einkesseln und belagern würde!"
"Ich glaube, du hast keine Ahnung, was uns bevorsteht, Kid!", knurrte Wesley düster.
"Du unterschätzt mich, Wes! Und das nicht nur beim Billard!" Kid Dalbán reichte Wesley den Queue. "Hier, probier dein Glück! Vielleicht macht dich das etwas relaxter, Amigo!"
"Caramba, die Lage gerät außer Kontrolle! Du musst etwas unternehmen, Kid!"
Kid Dalbáns Zeigefinger fuhr hoch wie eine Messerklinge. Sein Gesicht verfärbte sich dunkelrot. "Sag mir nie wieder, was ich zu tun habe, hörst du?"
Wesley schluckte.
Kid Dalbán war für sein übles Temperament berüchtigt.
Er neigte zu plötzlichen Ausbrüchen von ungehemmter Aggression. In solchen Augenblicken war er selbst für seine Freunde außerordentlich gefährlich.
"Kid, ich..."
Wesleys Stimme klang kraftlos.
Kid Dalbán unterbrach ihn. "In dieser Scheiß-Situation sind wir doch nur, weil du diese Irren unbedingt in der Gang haben wolltest!" Dalbán machte eine wegwerfende Handbewegung. "Wer ist auch so bescheuert und versucht einem Scarlatti die Brieftasche wegzunehmen!"
"Ich fand's cool, Kid!", meldete sich einer der anderen Anwesenden zu Wort. Der Mann trug eine Baseball-Cap mit der Aufschrift. "The One And Only". Er grinste breit. "Du musst zugeben, dass noch keiner von uns eine so coole Aktion hingelegt hat. Die Nachrichten waren voll davon. Auf Roller-Skates die Autofahrer auf der Brooklyn Bridge ausnehmen - dass muss denen erst einmal einer nachmachen!"
"The One And Only" lachte heiser. Schließlich fuhr er fort: "Ich meine, sie haben ein paar Jungs dabei verloren, aber das war ja nicht so geplant. Gib's zu, Kid, du bist nur neidisch darauf, dass selbst du da nicht mithalten kannst."
Kid Dalbán ließ seine Faust vorschnellen.
Sie fuhr "The One And Only" direkt ins Gesicht.
Der Getroffene taumelte zurück, ging ächzend zu Boden. Er starrte Dalbán fassungslos an. Das Blut schoss dem Geschlagenen aus der Nase. Seine Augen blitzten wütend. Aber er sagte nichts. Kein Wort. Was ihm auf der Zunge lag, schluckte er hinunter.
Er kannte Kid Dalbán gut genug, um zu wissen, dass er jetzt sehr vorsichtig sein musste.
Wenn der Boss der "Santos" in dieser Stimmung war, war er unberechenbar.
"Wegen dieser Idioten werden uns die Italiener jagen wie die Kaninchen!", zischte Dalbán.
Ein Sprechgerät summte.
Kid Dalbán hatte noch immer die Fäuste geballt. Das Gesicht war zur grimmigen Maske erstarrt. Jeder Muskel, jede Sehne seines durchtrainierten Körpers schien angespannt zu sein.
Jetzt erst lockerte sich seine Haltung etwas. Das Sprechgerät summte ein zweites Mal, aber keiner der Anwesenden wagte es, auf den Knopf zu drücken.
Dalbán ging die zwei Schritte, die ihn von dem Gerät trennten. Es war in die dicke Betonwand eingelassen.
"Was gibt es?", knurrte Dalbán.
"Kelly ist hier", erklärte eine heisere Stimme aus dem Sprechgerät.
"Allein?", wunderte sich der Anführer der "Santos".
"Ja."
"Soll reinkommen!"
Die luftdichte Tür wurde geöffnet.
Ein breitschultriger junger Mann mit blond gefärbten Haaren trat ein. Er war ziemlich dreckig. Ein Sturmgewehr hing ihm über der Schulter.
"Hey, Kelly, was ist los mit dir? Du stinkst, als kämst du aus einer Jauchegrube!"
"Ich musste über die Kanalisation flüchten..."
Kid Dalbáns Gesicht veränderte sich. Seine Augen wurden schmal. "Wo sind die anderen?"
"Wurden vom FBI einkassiert!"
"Was redest du da?" Kid Dalbán packte Kelly grob bei den Schultern.
"Es waren nicht Scarlattis Leute, sondern G-men, verdammt noch einmal!"
"Mierde!", entfuhr es Kid Dalbán. Er versetzte Kelly einen schmerzhaften Fauststoß. "Das haben wir jetzt von eurer verdammt coolen Aktion! Am liebsten würde ich euch wieder rausschmeißen!"
Wesley meldete sich zu Wort. Er versuchte etwas zu beschwichtigen.
"Du weißt genau, dass das unsere Probleme nicht beseitigen würde, Kid! Im Gegenteil. Gegen die Italiener brauchen wir jeden Mann, wenn's hart auf hart kommt!"
"Ja, aber keine leichtsinnigen Idioten!", knurrte der Gangleader.
In Kellys Augen blitzte es. "Wenn ich gewusst hätte, dass diese Gang von einem geführt wird, der schon die Hosen voll hat, wenn ein paar G-men auftauchen, dann hätte ich lieber meinen eigenen Laden aufgemacht!", zischte Kelly.
Kid Dalbán holte zum Schlag aus.
Wesley war bei ihm, fiel ihm in den Arm und hielt ihn zurück.
"Immer schön easy bleiben, Mann!", meinte Wesley.
Kid Dalbán atmete tief durch, schüttelte Wesleys Griff ab. Er knurrte etwas Unverständliches dabei.
Wesley hat Recht, ging es ihm dann durch den Kopf. Die Situation war nun einmal wie sie war. Und es war eine Tatsache, dass ein Großteil der Gangmitglieder den Coup auf der Brooklyn Bridge als Großtat respektierte. Besonders bemerkenswert fanden viele, dass Kelly die Coolness besessen hatte, dem toten Scarlatti noch die Brieftasche abzunehmen.
Kid Dalbán hatte die Bewunderung, die Kelly dafür bislang geerntet hatte, mit Misstrauen registriert.
Auf den Jungen werde ich achten müssen!, ging es ihm durch den Kopf. Noch gehört Kelly zu den Neulingen in der Gang - aber er tritt schon ziemlich respektlos auf!
Früher oder später würde Kelly versuchen, die Führung an sich zu reißen.
Dalbán hatte für so etwas eine Art siebten Sinn.
Ohne diesen Überlebensinstinkt hätte ihn längst einer der anderen "Heiligen" von der Führungsspitze der Gang verjagt. Aber Dalbán war wachsam.
Für Kelly werde ich mir etwas überlegen müssen!, ging es ihm durch den Kopf.
Wesley meldete sich zu Wort. "Vielleicht kann man mit den Little Italy-Leuten ja reden. Da müsste doch was zu arrangieren sein..."
"Wenn es um die Familie geht, verstehen die keinen Spaß", erwiderte Dalbán düster. Er hatte selbst auch schon an diese Möglichkeit gedacht, sah aber nur geringe Chancen.
"Auf jeden Fall können wir uns nicht gleichzeitig mit der Scarlatti-Familie und dem FBI anlegen, Kid! Dass muss auch dir klar sein!"
11
Am nächsten Morgen fuhren Milo und ich zu Scarlattis Penthouse in der Elizabeth Street. Zurzeit wohnte dort Evita Jackson, die junge Frau, die sich während des Attentats neben Jack Scarlatti auf dem Beifahrersitz befunden hatte.
Die Kollegen der City Police hatten sie unmittelbar nach den Geschehnissen auf der Brooklyn Bridge vernommen. Was den Tathergang anging, war sie eine der wichtigsten Zeugen für uns.
Möglicherweise konnte sie uns allerdings auch noch mehr über Scarlattis persönliches Umfeld verraten.
Wir parkten den Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft des Field Office zur Verfügung stellte, in einer Nebenstraße und gingen die letzten fünfhundert Meter zu Fuß.
321 Elizabeth Street war ein zehnstöckiges Gebäude. In den unteren beiden Etagen fanden sich Geschäfte und Restaurants. Der Rest war mit Wohnungen der Luxusklasse belegt, deren Quadratmeterzahl den New Yorker Durchschnitt um mindestens das Doppelte übertraf. Die Sicherheitsvorkehrungen waren streng. Überall gab es Kameras. Eine Mannschaft aus gut bewaffneten Security Guards in schwarzen Uniformen bewachte das Haus.
Jack Scarlatti schien bei der Auswahl seiner Residenz viel Wert auf Sicherheit gelegt zu haben.
Dafür gab es gute Gründe.
Wir fuhren mit dem Lift hinauf zum Penthouse.
Wenig später standen wir vor der Wohnungstür. Ich klingelte.
"Wer ist da?", meldete sich eine weibliche Stimme.
"Miss Evita Jackson?", fragte ich. "Hier spricht Special Agent Jesse Trevellian vom FBI. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen."
"Was für Fragen?" Evita Jacksons Stimme wirkte verschlafen. "Ich habe doch schon alles Ihren Kollegen gesagt..."
"Sie möchten doch sicher auch, dass die Mörder von Mister Jack Scarlatti gefasst werden, also helfen Sie uns bitte!"
Etwas knackte in der Leitung.
"Warten Sie einen Augenblick", säuselte Evita.
Wenig später öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Noch war sie durch eine Kette gesichert. "Geben Sie Ihren Dienstausweis herein!", forderte die junge Frau.
Ich reichte ihr meine ID-Card herein.
Einen Augenblick später erhielt ich sie zurück. Evita Jackson öffnete uns. Sie trug nichts weiter als einen Seidenkimono. Ihre wohlgerundeten Brüste zeichneten sich deutlich durch den fließenden Stoff ab. Das Haar war feucht. Offenbar hatte sie gerade geduscht.
Wir traten ein.
Sie führte uns in das Wohnzimmer, das allein doppelt so groß wie eine durchschnittliche New Yorker Wohnung war. "Ich weiß nicht, was das ganze soll", meinte sie. "Ich habe Ihren Kollegen von der City Police ausführlich Rede und Antwort gestanden..."
"Die entsprechenden Protokolle haben wir gelesen", unterbrach ich sie.
"Ich fürchte, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann als dort drinsteht!" Sie atmete tief durch, verschränkte die Arme unter den Brüsten. "Ihre Leute haben hier alles auf den Kopf gestellt. Was glauben Sie, was ich für eine Arbeit hatte, hier wieder halbwegs Ordnung zu schaffen!", beschwerte sie sich.
"Eine Durchsuchung der Wohnung ist bei einem Mordopfer Routine", erklärte ich ihr.
Sie verzog das Gesicht, machte einen Schmollmund.
"Ich hoffe, es war der Mühe Wert und Sie haben auch etwas gefunden!", sagte sie mit einem bissigen Unterton. "Egal ob FBI oder NYPD - die Justiz hat immer nur versucht, Jack etwas am Zeug zu flicken. Und jetzt, da er tot ist..."
"...geben wir uns alle Mühe, seine Mörder dingfest zu machen", unterbrach ich sie ein zweites Mal.
Sie lachte bitter auf. "Und das soll ich Ihnen glauben?"
"Ein Mord ist ein Mord - selbst dann, wenn das Opfer vielleicht selbst ein Verbrecher gewesen ist!"
"Es gab kein einziges rechtskräftiges Urteil gegen Jack!", fuhr die junge Frau mich an, und ich bereute meine Worte bereits. "Aber da sieht man es ja! Sie gehen davon aus, dass Jack ein Verbrecher war - wie Sie es nennen! Alles, was Sie interessiert ist, mit wem er in Verbindung stand und wo Sie sein Andenken noch nach dem Tode beschmutzen können! Oder Sie suchen einen Vorwand, um Jacks Vermögen gemäß des Rico Act einziehen zu können."
Der Rico Act war ein Gesetz, das es erlaubte, das Vermögen von Personen zu konfiszieren, die wegen Beteiligung am organisierten Verbrechen verurteilt worden waren.
"Ich weiß nicht, weshalb Sie sich Sorgen um Jack Scarlattis Vermögen machen", mischte sich Milo in das Gespräch ein.
"Einen Teil davon werde ich erben", erklärte Evita Jackson nach einem Augenblick des Zögerns. "Es gibt ein Testament, das mich zum Beispiel zur Eigentümerin dieses Penthouse macht."
"Herzlichen Glückwunsch, Miss Jackson!", sagte Milo. "Aber keine Sorge, wir wollen Ihnen nicht die Wohnung wegnehmen."
"Was wollen Sie dann?"
"Wann und wo haben Sie Jack Scarlatti kennen gelernt?", fragte ich.
Sie stemmte die Arme in die Hüften. "Ich verstehe nicht, was..."
"Beantworten Sie einfach meine Frage."
"Also gut. Wir lernten uns vor einem Jahr in einem Club in Miami kennen. Es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick..."
"Seit wann leben Sie hier mit Mister Scarlatti zusammen?"
"Zehn Monate."
"Hat Mister Scarlatti mal über seinen Vater in Marokko gesprochen?"
"Er hat ihn mal erwähnt, ja. Aber mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Sein Vater, das war ein Thema über das er nicht gerne redete."
"Eigenartig."
"Wieso?"
"Ich dachte immer, für Italiener wäre die Familie das Wichtigste!"
Ihre Augen funkelten mich ärgerlich an. "Sind Sie wirklich nur gekommen, um mich diesen Mist zu fragen? Ich habe Jack geliebt. Wer sein Vater ist, war mir vollkommen gleichgültig!"
"Wie ist Ihr Verhältnis zu Ray Neverio?"
"Ich kenne ihn flüchtig. Ist irgendein Verwandter. Ein Cousin, glaube ich."
"Wir nehmen an, dass Ray Neverio die Geschäfte von Jack Scarlatti weiter führen wird!"
"Fragen Sie ihn doch am besten selbst. Ich nehme an, dass er Fax und Telefon hat."
"Sie können uns da nicht weiter helfen?", hakte ich nach.
"Tut mir leid. Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Jack und ich waren privat ein Paar - aber in seine Geschäfte hatte ich keinen Einblick. Da war Jack sehr konservativ. Mit Frauen redete er aus Prinzip nicht über das Business."
"Dass er so ein Macho war, hat Sie nicht gestört?"
"Er war ein Gentleman. Ein wunderbarer Mann, der einer Frau jeden Wunsch von den Augen ablesen konnte!"
Das Timbre ihrer Stimme vibrierte leicht. Ihr Gesicht wirkte traurig. Aber mein Instinkt sagte mir, dass sie übertrieb.
Milo ergriff das Wort. "Hat Jack Scarlatti irgendwann einmal den Namen Alex Shkoliov erwähnt?"
"Wer soll das sein?"
"Jemand, der geschäftliche Differenzen mit Jack Scarlatti hatte", erklärte Milo. "Wenn man es so ausdrücken will.
"Sie meinen, dieser Shkoliov steckt hinter dem Anschlag?"
"Einige Mitglieder der Scarlatti-Familie scheinen das anzunehmen. Und jetzt erzählen Sie mir nicht, dass Sie von der explodierten Villa auf den Brooklyn Heights nichts gehört haben! Die Nachrichten waren voll davon."
"Seit Jacks Tod habe ich den Fernseher nicht mehr eingeschaltet", murmelte Evita Jackson mit leiser, belegter Stimme. "All diese reißerischen Bilder von Gewalt, Tod und Verbrechen... Wissen Sie, wenn man selbst von davon betroffen ist, dann kann man sich so etwas einfach nicht mehr ansehen."
Sie schluchzte leise.
Milo warf mir einen Blick zu. Ein Blick, der nichts anderes sagte als: "Es hat keinen Sinn, Jesse!"
Aber ich dachte noch nicht daran aufzugeben.
Aus der Innentasche meiner Lederjacke holte ich ein paar Fotos. Sie zeigten den langen Westernmantel sowie das Kreuzamulett mit dem gehörnten Skelett, die die SRD-Kollegen auf dem untersten Deck des Parkhauses gefunden hatten.
"Auch, wenn es schwer fällt: Sie müssen sich noch einmal an den Augenblick des Überfalls erinnern..."
"Ich denke dauernd daran, Mister..."
"Trevellian."
"Diese Typen in ihren lächerlichen Mänteln stehen mir immer vor Augen. Das Grinsen in ihren Gesichtern. Man konnte nur die Mundpartie sehen, der Rest war bedeckt. Aber das habe ich alles schon ausgesagt."
"Könnte das einer der Mäntel gewesen sein, die bei dem Attentat benutzt wurden?"
Sie sah sich die Bilder an und nickte.
"Ja, schon möglich. Warten Sie..." Sie stockte, dann deutete sie auf einen Aufnäher, der sich in Höhe der Schulter befand. "Fuck U!!" stand darauf. "Daran erinnere ich mich. Ja, diesen Mantel hat der Typ getragen, der mich dazu zwang, Jack die Brieftasche abzunehmen, als er schon tot war..."
Wenn Evita Jacksons Aussage der Wahrheit entsprach, brachte uns das ein ganzes Stück weiter. Möglicherweise hatte Rico Jarmaine doch mehr mit der Sache zu tun, als er uns hatte glauben machen wollen.
"Gegenüber den Kollegen haben Sie nur erklärt, auf dem Helm des Haupttäters habe 'Wild Eagle' gestanden."
"Ja, das ist richtig. Aber das mit Aufnäher ist mir jetzt erst wieder eingefallen, als Sie mir das Foto gezeigt haben."
"Und was ist mit diesem Kreuz?", hakte Milo nach. "Hat der Kerl so etwas vielleicht auch getragen."
"So etwas habe ich nie gesehen."
"Haben Sie eine Ahnung wer Los Santos sind?", fragte ich.
"Es ist Spanisch und bedeutet 'die Heiligen'."
"Sie sprechen Spanisch?"
"Meine Mutter ist Puertoricanerin." Sie sah mich an. "Wer sind diese sogenannten Heiligen?"
"Eine Gang aus der Bronx, die mit dem Attentat in Zusammenhang steht."
"Wenn Sie schon so viel über die Hintergründe von Jacks Tod wissen, dann verstehe ich nicht, weshalb Sie Ihre Zeit hier bei mir verschwenden, G-man! Fahren Sie in die Bronx und nehmen Sie die Schuldigen fest. Ich hoffe, man gibt ihnen die Giftspritze!"
Ich reichte der jungen Frau eine Karte. "Hier, vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas ein. Es könnte sein, das wir noch einmal mit Ihnen sprechen müssen."
"Und ich hoffe, dass bei Ihrer Arbeit endlich etwas herauskommt!"