Kitabı oku: «Messalina», sayfa 5

Yazı tipi:

»Wir wissen von deinen schlaflosen Nächten, Herr, und wir enthalten uns gar manche Nacht des Schlafes, um nichts vor dir vorauszuhaben,« rief ein Schmeichler dem Kaiser zu.

Ein Blick der Verachtung aus den grünlichen Augen des Cäsars streifte den Übergefälligen.

»Wirklich?« fragte Caligula in gespielter Freude. »Wenn du solch ein Getreuer bist, so werde ich mich gern von deiner Liebe zu mir überzeugen,« kündigte er an. »Mein Vertrauter Callistus wird dir zwei Sklaven zur Verfügung stellen, die eine Dekade lang darüber wachen sollen, daß du weder bei Tage noch bei Nacht ein Auge schließest.«

Eine Lachsalve schwoll auf, als hätte Caligula einen kostbaren Witz zum besten gegeben. Der Schmeichler erbleichte.

Dann erzählte der Cäsar:

»Callistus versuchte mir ein Traumgesicht vom Meere zu deuten. Was ich aber erlebte, was mich in dieser Nacht vom Lager scheuchte und durch alle Räume des Palastes hetzte, das war kein liebliches Traumgesicht, war überhaupt nicht nur ein Traum, sondern war Körperlichkeit. – Ihr wißt, daß ich den Meeresarm zwischen Bajä und Puteoli überbrücken ließ, ebenso wie ich weiß, daß von Dummköpfen behauptet wird, ich wäre so töricht gewesen, das Beispiel des Xerxes nachahmen zu wollen.«

»Das kann allerdings nur ein Dummkopf behaupten,« warf Callistus ein. »Denn was ist der Versuch des Xerxes, den armseligen Hellespont zu überbrücken, gegen dein Riesenwerk!«

»Meine Absicht hatte ganz andere Bedeutung,« bestätigte Caligula nach einem dankenden Kopfneigen. »Hatte nicht der Astrolog Thrasyllus dem Kaiser Tiberius versichert: ich würde ebenso wenig Cäsar sein wie jemals auf Rossen und Rennwagen den Meerbusen von Bajä überkreuzen? Ich habe bewiesen, daß dieser Astrolog ein Lügner und Fälscher war. Ich bin an dem einen Tage zu Roß über den Erddamm geritten, den die überbrückenden Schiffe trugen, als wäre eine neue Appische Heerstraße auf ihnen erstanden. Ich bin am andern Tage mit einem Zweigespann vor einem Rennwagen über den Damm hin- und zurückgebraust. Und ich bin – ? Kaiser geworden.«

»Ave, Cäsar! Heil dir, Kaiser!«

Gäste und Sklaven donnerten die Jubelrufe dem Imperator zu. Er bedankte sich stumm, wie ein Schauspieler den gespendeten Beifall entgegennimmt, und richtete sich höher aus in seinem weibischen, grotesk lächerlichen Gewande.

Wieder sang die Klingschale, und der Kaiser sprach weiter:

»In der verflossenen Nacht nun kam das Meer zu mir. Nein, Freunde, nicht als Traumgebilde, sondern wirklich, leibhaftig. Es kam, um mich zur Rede zu stellen, weil ich ihm Gewalt angetan und eine in den Sternen verzeichnete Schicksalsbestimmung zur Lüge der Götter gemacht hatte.«

Er schlug beide Hände vor das Gesicht und schauerte in der Erinnerung zusammen, daß die Edelsteinketten und Behängsel auf seinem Leibe klirrten und rasselten. Dann plötzlich gab er seine Züge wieder frei und stierte mit wilden Blicken in die Runde.

»In scheußlicher, wandelnder Gestalt trat das Meer vor mich hin. Seine Glieder waren die Leiber von Ertrunkenen. Seine Augen tausend Augen von Menschen, die in den Wogen den Tod gefunden. Und es sprach mit dem Todesröcheln Tausender. Sprach schauervolle Anklage. Vergeblich suchte ich mein Recht zu beweisen, daß ich göttlicher sei als die Götter und darum das Recht habe, die Sternenschrift des Himmels zur Lüge zu erniedrigen, denn meine Tat ist die Wahrheit. Aber ununterbrochen – so wie die Wogen ohne Aufenthalt an den Strand wallen, zurückweichen und wieder vorwärts rollen, tagelang, jahrelang, jahrhundertelang – so ununterbrochen ließ das Meer aus grünem Fischmaule mit blutrotem Rachen entsetzliche Worte über mich dahinbrausen. Es hob beim Sprechen die Hände, aus denen dann Wasser brachen. Und Fluten rannen fort und fort von der grauenhaften Gestalt hernieder. Höher und höher stieg der Schwall – er leckte zu meinem Lager hinauf und brandete über mich hin, wie der Wortschwall des Meeres mich betäubte. Um mich vor dem Ertrinken zu bewahren, blieb mir nur eines: aus dem Schlafgemach zu flüchten. Ich tat es. Aber das Meer war hinter mir her und schwemmte mich durch alle Gänge, über alle Treppen – wohin ich mich auch zu retten trachtete!«

Mit einem wilden Aufschrei brach er ab und warf sich in die Polster seines Speisebettes, wo er stöhnend liegenblieb.

»Rasch Unterhaltung und Ablenkung für den Kaiser!« befahl Callistus einem in der Nähe stehenden Sklaven.

An allen Tischen im Saale, selbst in der Vorhalle zum Speiseraume herrschte das Schweigen des Entsetzens, als kreise die Schauergestalt aus dem Wahnsinnstraume des Kaisers leibhaftig um die Triklinien. Jeder empfand es als eine Befreiung, als Bewegung entstand und buntgekleidete Sklaven seltsame Gestelle in den Saal schleppten, während plötzlich vom Eingange her eine wunderliche Musik erscholl und vier Frauen dort Aufstellung nahmen. Es waren Gauklerinnen, Petauristarierinnen, die sich mit ihren halsbrecherischen Sprüngen auf dem Trampolin zeigen wollten und in Rom als »die lebenden Bälle« bekannt waren.

Langsam hob Caligula das Haupt. Seine unstet irrenden Augen hatten den schlaftrüben Ausdruck eines Erwachenden, der sich zurechtzufinden sucht. Er lauschte der Gauklermusik, betrachtete verstört das seinem Triklinium gegenüber aufgestellte Petaurum und überflog mit blödem Blicke die sich ihrem Springapparat nähernden Mädchen.

»Das ist das Leben – das Leben ist noch um mich und in mir,« murmelte er nach tiefem Atemholen. »Nur weiter – weiter mit dem Feste!«

Er raffte sich auf und ließ sich wie ein krankes Kind gefallen, daß seine Gattin Cäsonia sich tröstend um ihn bemühte. Ihre Hand in der seinen haltend, sah er mit verfallenem, traurigem Gesichte den Künsten der Petauristarierinnen zu.

Valeria Messalina war tief erschüttert von dem Auftritt, dessen Zeuge sie gewesen war. Sie war zu klug, nicht die Kraßheit der Gegensätze zu erkennen, die hier aufeinanderplatzten: der sich offenbarende Wahnsinn eines Menschen, die Pracht des Festes, die geputzten, verängstigten, todbedrohten Gäste und der lebensfrohe Anblick der gestählten Frauenleiber, die wie zu Bällen gerundet von dem federnden Trampolin aufschnellten, sich augenscheinlich mühelos in die Luft warfen, sich überschlugen, übereinander fortwirbelten und mit jauchzenden Schreien ihre Springkünste und die sie anfeuernde Musik begleiteten.

Sie erkannte, daß Caligula die Vorgänge zwar äußerlich verfolgte, doch ohne sie innerlich in sich aufzunehmen. Sie sah sein in Krämpfen zuckendes Antlitz, in dem es arbeitete und zerrte, als bereite eine innere Qual ihm unerträgliche Schmerzen. Und sie sah, wie dieses Gesicht sich nach und nach beruhigte, bis es schließlich ein festgefrorenes Lächeln behielt, das den häßlichen Zügen des Kaisers den mildernden Ausdruck verzweifelter Trauer verlieh.

Da fühlte Valeria Messalina tiefes Erbarmen mit diesem unseligen Menschen, von dessen Bestialität ganz Rom widerhallte. Ein Mensch, dessen Dasein Glück und Glanz schien, und der im Grunde nichts war als ein armes, gehetztes, friedloses Geschöpf.

Sie entsann sich eines Ausspruches ihres Vaters, der in einem Gespräche über den Kaiser unlängst geäußert hatte: nicht dieser Mensch sei verantwortlich für seine Taten – die schwere Verantwortung schleppe einzig und allein das Volk, das diesen Geisteskranken seit fast vier Jahren als den Cäsar ertrage.

Valeria Messalina hatte sich so versunken in ihre Gedankenwege verloren, daß sie wie aus tiefem Schlummer auffuhr, als plötzlich um sie her brausendes Gelächter aufschwoll. Es galt einem Manne, der mit Verspätung zum Gastmahle eintraf. Während die Petauristarierinnen den Schauplatz ihrer Gauklerkünste verließen, die Sklaven eilig das Trampolin forträumten, meldete der Nomenklator den Oheim des Kaisers, den Tiberius Claudius.

Ein ältlicher Mann von etwa fünfzig Jahren stolperte in den Saal. Er tat es mit dem sonderbar hastigen Gebaren eines Menschen, der durch gespielte Eile die Entschuldigung für das Zuspätkommen zu gewinnen trachtet.

Claudius war von großer Gestalt und stattlicher Leibesfülle, machte beim Schreiten aber den Eindruck, als wären seine schwanken Beine nicht stark genug, seine körperliche Größe und deren Gewicht zu tragen. Der graubehaarte Kopf wackelte auf dem feisten Nacken. Seine Arme machten ungelenke Bewegungen, als bitte er, mangels passender Worte, durch Gebärden um Nachsicht. Weit eher glich er einem armseligen, plebejischen, gelehrten Stubenhocker als einem erlauchten Mitglieds des kaiserlichen Hauses.

»Nun, mein edler Claudius?« redete Caligula den Oheim spöttisch an, als sich das Gelächter gelegt hatte, »wenn wir auch daran gewöhnt sind, daß du mit störrischem Eigensinn auf die ersten Gänge des Gastmahles verzichtest, so mache uns wenigstens das Vergnügen, möglichst rasch deinen Platz einzunehmen, damit das Mahl fortgesetzt werden kann. Oder sollen wir deinetwegen verhungern?«

Verwirrt und ratlos, begleitet von einem neuen Aufflackern des Gelächters der Gäste, taumelte Claudius der Mittelreihe der Triklinien zu, weil er als Mann von fürstlichem Range mit Recht dort seinen Platz vermutete.

»Nicht hier, bester Oheim, nicht hier!« rief der Kaiser ihm lachend entgegen. »Ich habe dir eine Stätte drüben auf dem Lektikus imus des letzten Trikliniums zugedacht.«

»So, so – auf dem geringsten Platze – so, so?« machte Claudius, töricht erstaunt. Und während ihm der Graukopf noch heftiger als vorher zitterte, murmelte der sonderbare Mann vor sich hin: »Ich werde demnächst ein Buch schreiben müssen über die Herkunft und Einrichtung der Tischordnung. Sie kommt in Vergessenheit. Keiner weiß mehr Bescheid!«

Dann durcheilte er mit unsicheren Schritten den freien Platz der Mitte. Er suchte sich bescheiden auf der Kante des Tischsofas zu betten, da die bereits dort liegenden beiden Gäste nicht für nötig fanden, wegen der komischen Figur des Kaiserhauses zusammenzurücken.

Der Struktor hatte gewartet, um nun, nachdem Claudius endlich zur Ruhe gekommen war, neue Speisen und andere Weine anzukündigen. Es gab das Hauptgericht eines jeden römischen Gastmahles, den Eber. Der riesige Braten wurde auf einer Silberschüssel von gewaltigen Ausmaßen hereingeschleppt. Er war zwar in viele handgerechte Einzelstücke zerlegt; man hatte sie jedoch so kunstvoll wieder aneinandergefügt, daß der Anschein gewahrt blieb, als werde der Eber als Ganzes aufgetragen. Zum Getränk wurde Calda gereicht, ein Gemisch von sehr stark gewürztem Weine und kochendem Wasser. Die Sklaven stellten neben jeden Gast kleine, mit glühender Holzkohle gefüllte Roste, deren Glut Wohlgerüche verdunstete und die Calda heiß erhielt.

Zu dem fetten Eberfleische und dem anreizenden Getränk ward als Unterhaltung eine Gruppe von gaditanischen Tänzerinnen geboten, deren Leistungen ebenso berüchtigt wie gern gesehen waren.

Die zierlichen Gestalten mit den pikanten Zügen und brennenden Augen, echter Typ spanischer Mädchen, waren eng in grellrote dünne Seidentücher gewickelt, eine aufpeitschende Tracht, da die Körperformen, trotz der Hülle, deutlich hervortraten und so den lockenden Reiz des Verborgenen gewährten. Entblößt blieben nur die sehr kleinen Füße und die zierlich von dunkelm Gelock überkräuselten Nacken.

Zum Takte einer eintönigen Flötenmusik glitten die Spanierinnen lächelnd über den goldblitzenden Mosaikfußboden dahin, während sich an ihren Körpern nichts bewegte als die schmalen Hüften, ein schlängelndes Spiel verhaltener Leidenschaft. Nach und nach mischte sich das noch leise zögernde Klappern von Kastagnetten in das Getön der Flöten. Dazu summten die Tänzerinnen einen Sang von Sehnsucht und Liebesverlangen.

Doch bald wurde der Takt der Musik wirbeliger, das Rasseln der Klappern wütender. Der Gesang verstummte. Die Gaditanerinnen bewegten sich schneller und schneller. Immer mehr enthüllten sie sich. Aus der roten Seide leuchtete die blaßgelbliche Haut der Schenkel, quollen die festen kleinen Brüste, schälten sich zuckende Glieder, bis aus dem feierlichen Umherschreiten eine Raserei geworden war, die das einsetzende Gellen der Flöten und betäubende Gerassel der Kastagnetten noch aufstachelte und anfeuerte.

Valeria Messalina hatte vergeblich versucht, sich zu wehren gegen den erregenden Bann, den dieser ungewohnte sinnliche Rhythmus auf sie übte.

Schwer atmend, lag das junge Geschöpf auf seinem Lager, spürte Taumel in sich brausen, vernahm das Sausen des gärenden Blutes in den Ohren, hörte von vielen Lippen den bacchischen Jubelruf »Evohö!« tönen, fühlte, wie ihre Glieder sonderbar müde wurden, und rang staunend mit heimlichen, fremden Wünschen ihrer jungen Kraft. Sie blickte scheu auf ihre Lagergenossen. Doch der junge Mann und das Mädchen auf dem Lektikus waren bereits Freunde und kümmerten sich nicht um die ihnen fremde, schweigsame Tischgefährtin.

In einem seltsamen Umherflattern der Gedanken und zugleich gebannt von einer unheimlichen Anziehungskraft, richtete Valeria Messalina den Blick auf den Kaiser. Sie sah, wie Caligula sich der Zudringlichkeiten seiner Gattin erwehrte und unverwandt zu ihr hinüberblickte. Plötzlich stieß er Cäsonia schroff von sich und reckte die rechte Hand nach Valeria Messalina hin.

Sie verstand die Bedeutung der Gebärde nicht. Denn bis dahin hatte sie nie erlebt, daß ein Mann ihr eine Faust machte und den Mittelfinger der Hand dabei gerade vorreckte. Sie schüttelte den Kopf, dem Kaiser zu bedeuten, sie verstünde ihn nicht.

Mit einem wütenden Ruck befreite Caligula sich von den ihn wieder umschließenden Armen der Gattin, verließ den Lektikus und eilte aus dem Saale.

Zugleich brach die Musik ab. Die Tänzerinnen rafften ihre grellroten Seidentücher um sich und neigten sich dankend gegen den jubelnden Applaus. Dann verschwanden sie.

Ein Aufatmen ging durch den Raum, ein leises Murmeln schwirrte auf. Von einer Stelle her aber scholl lautes Schnarchen.

Dort lag der grauhaarige Claudius auf dem Speisesofa des letzten Trikliniums. Er hielt die Hände über dem Bauche gefaltet und schlief den Schlaf des von fetter Speise übersatten und vom heißen Würzweine Betäubten. Die stürmische Wildheit gaditanischer Künste hatte nicht vermocht, diese geruhsame Tätigkeit des Verdauens zu stören.

»So geht es dem kaiserlichen Oheim stets,« hörte Valeria Messalina ihren Tischnachbarn Amyklas sagen. Er lachte herzlich und fuhr fort: »Wo Claudius zu einem Gastmahl erscheint, sorgt er immer ungewollt für Erheiterung. In Privathäusern, die mit den Ausgaben für die Unterhaltung sparen, ersetzt der drollig-traurige Claudius bei Gastereien oft unfreiwillig ein ganzes Konsortium von Gauklern und Pantomimen.«

»Kein Wunder, wenn die eigene Mutter, Domina Antonia, sich dieses Sohnes schämte,« warf jemand ein.

»Dem ist nicht so,« berichtigte Amyklas. »Um den höchsten Grad von Dummheit auszudrücken, pflegte sie im Gegenteil stets zu sagen: dümmer als der dumme Claudius.«

»Neulich auf einem Gastmahl bei Tubellus ließ er alle Speisen stehen und las uns dafür äußerst komische, ernstgemeinte Eßregeln vor,« erzählte der dem Amyklas gegenüber liegende Gast. »Wenn er dann seine Regeln am Beispiel beweisen wollte und nach den Speisen griff, entzog man ihm rasch die Schüsseln. Sein verblüfftes Gesicht hättet Ihr sehen sollen! Es war zum Totlachen!«

»Und doch ist er durchaus kein Narr, trotz seines närrischen Benehmens,« meinte ein Tribun, der den Ehrenplatz auf dem mittelsten Speisesofa einnahm. »Der Ritterstand hat ihn häufig zum Patron wichtiger Angelegenheiten erwählt – der Senat loste ihn aus zum Priester des vergötterten Augustus – er hat mit dem jetzigen Cäsar einmal das Konsulat innegehabt und war später sogar noch einmal Konsul –«

»Aller dieser Ämter aber ging er doch stets verlustig durch seine Saumseligkeit,« unterbrach Amyklas. »Er ist mit Dummheit gestraft.«

»Dumm ist er nicht,« belehrte der Tribun, »nur umständlich und schwerfällig und ohne jedes Selbstvertrauen. Daran ist seine Erziehung schuld. Er wurde im Hause des Augustus wegen seines wenig anziehenden Äußeren und seines langsamen Geistes als halber Idiot behandelt und zurückgesetzt.«

»Er ist ein schlichter, bürgerlicher Mann und verschmäht allen kaiserlichen Prunk und Vorrang,« mischte ein anderer Gast sich ins Gespräch. »Ich kenne viele, die das mit Recht als einen Vorzug an Claudius rühmen.«

»Ah bah!« machte Amyklas verächtlich, »Sein einfaches Benehmen ist kein Vorzug, sondern nur die Bestätigung seiner albernen, niedrigen Denkungsart. Er ist eine Schande des erhabenen Blutes der Claudier.«

»Hat er sich nicht kürzlich von seiner zweiten Frau, der Aelia Petina scheiden lassen?« fragte ein junges Mädchen.

»Ganz richtig, kleine Hiberina,« rief ein Spottvogel. »Willst du ihn nicht zum Manne nehmen? Du könntest sicher sein, daß er dir viel Muße gönnt. Denn seine Hauptbeschäftigung ist Essen und Schlafen. Daneben studiert er alte Schriften und schreibt langatmige, schwülstige Scharteken. Deine Gefälligkeit wird er also nur wenig in Anspruch nehmen.«

Hiberina errötete zwar, doch versicherte sie mit aller Offenheit, dann wäre der kaiserliche Oheim nicht der rechte Mann für sie.

»Doch in allem Ernste,« nahm der gesprächige und gut unterrichtete Amyklas wieder das Wort, »man erzählt, Kaiser Caligula sei auf der Suche nach einer dritten Gattin für Claudius.«

»Er hatte schon in der Jugend keine Zukunft,« urteilte Hiberina schnippisch. »Wer nimmt diesen Alten, der bettelarm und ein verhöhnter Hanswurst ist?!«

In diesem Augenblicke kam der Struktor an das Triklinium und überreichte Valeria Messalina mit höflichen Worten eine Schreibtafel. Sie öffnete die beiden Holzplättchen, von denen eins mit rotgefärbtem Wachs überzogen war. Nachdem sie die mit spitzem Griffel eingeritzten Worte überflogen hatte, musterte Valeria Messalina das unbewegte Gesicht des Sklaven.

»Glätte das Wachs und gib mir den Griffel,« befahl sie rasch entschlossen. »Ich werde aufschreiben, daß ich keine Ursache sehe, dir zu folgen.«

Betroffen senkte der Struktor das Haupt. Tief verschattete sich sein Gesicht. Zögernd nur bereitete er das Wachs der Schreibtafel zur Antwort vor. Endlich faßte er Mut. Er sah das junge, stolze Mädchen bittend und voll Vertrauen an.

»Domina,« murmelte er fast unhörbar, »wenn ich deine Antwort zurückbringen muß, so bitte die Götter, daß sie mir wenigstens einen raschen Tod gewähren.«

Valeria Messalina hatte die Tafel schon an sich genommen, den Griffel angesetzt, den ersten Buchstaben bereits geritzt. Bei den verzagenden Worten des Sklaven hielt sie inne. Ein schönes Erbarmen verklärte ihr Antlitz.

»Um meiner Weigerung willen soll nicht ein Mensch leiden,« entschied sie ohne Zögern. Sie klappte die Täfelchen zu und bat freundlich: »Zeige mir den Weg.«

Der Struktor ließ sich auf ein Knie nieder und küßte inbrünstig dankbar den Saum des Gewandes seiner Retterin. Dann schritt er voran.

Hinter Valeria Messalina her scholl ein Tuscheln und Raunen, als brause plötzlich ein starker Wind über die blattreichen Baumkronen eines Gehölzes. Man wußte längst, was es bedeutete, wenn der Struktor ein Weib vom Gastmahle holte, kurz nachdem Kaiser Caligula den Saal verlassen hatte.

5

Nach einem langen Wege durch einsame Gänge blieb der Struktor vor einer Tür stehen. Ein Vorhang verdeckte mit schweren Falten den Eingang. Er diente der Gestalt eines riesigen Prätorianers zum Hintergrunde.

Der im vollen Waffenschmuck gerüstete Mann stand unbeweglich auf seinen Speer gelehnt. Er sah so ernst und grimmig drein, als bewache er das Schweigen der Einsamkeit, die hier, fern jedem Menschengetriebe, ihre Heimstatt aufgeschlagen hatte.

Als der Prätorianer den Sklaven in Begleitung eines Mädchens vor sich sah, überflog ein lautloses, verstehendes Lachen sein bärtiges Gesicht. Etwas zur Seite tretend, raffte er den Faltenvorhang an sich, den Eingang freizugeben.

Nur das leise Klirren der Wappnung des Wächters und das Knistern des Vorhangstoffes unterbrach die geheimnisvolle, lastende Stille. Kein Laut drang in diesen abgelegenen Flur. Die beschattete Helle einer Lampe, weit hinten im Gange, gab ein wenig Licht, doch kaum genug, das schwere Dunkel zu durchdringen. Von den in Finsternis aufstrebenden, oben in tiefer Nachtschwärze sich wölbenden Wänden tönte fremdartig das Flüstern des Struktors zurück.

»Weiter darf ich dich nicht geleiten, Domina,« entschuldigte er sich leise. »Der Wächter weiß von deinem Kommen. Er wird dafür sorgen, daß keine Menschenseele dein Zusammensein mit dem Kaiser stört.«

»Ich habe keinen Grund, eine Störung zu befürchten,« erwiderte Valeria Messalina herb.

Die wenigen laut gesprochenen Worte weckten einen Widerhall, der den Flur entlanglief, als wolle er die Geheimnisse dieses einsamen Palastflügels aus dem Schlafe scheuchen. Dann verschollen die Laute urplötzlich, als wären sie irgendwo in der Finsternis in einen Abgrund gestürzt.

»Vertraue nicht auf den Soldaten, Domina,« warnte der Struktor ernst. »Er ist ein Lieblingswächter des Kaisers, seinem Herrn sehr ergeben und außerdem – ? stumm und – auch taub.«

Valeria Messalina suchte das Gesicht ihres Führers in der Dunkelheit zu erkennen. »Was willst du damit sagen?« forschte sie mit unterdrückter Stimme.

»Du bist mutig, Domina,« wich er zögernd aus. »Und du bist schön. Niemand als Venus kann deine Schutzgöttin sein. Möge sie dir beistehen!«

»Ich verstehe dich nicht,« rief Valeria Messalina. Sie trat einige Schritte zurück, als bereue sie, dem Struktor gefolgt zu sein.

Doch da ließ der Prätorianer den Vorhang in das Gefalte zurückgleiten. Er huschte an der Wand hin, nahm die Lanze quer und schnitt der späten Besucherin so den Rückweg ab, mit der riesigen Gestalt und der Waffe den Flur absperrend.

»Hab Dank, Domina,« murmelte der Struktor. »Ich kann dir nur noch sagen: sobald du den zweiten leichten Vorhang, der sich hinter dem schweren ersten befindet, aufheben wirst, betrittst du ein hellerleuchtetes Gemach. Dort wirst du alles weitere erfahren.«

Damit verließ er die junge Domina und war sogleich verschwunden. Es war, als hätte der finster gähnende Gang ihn verschluckt.

Valeria Messalina sah sich mit dem Prätorianer allein. Er schien sein Amt zu kennen. Er trat auf das Mädchen zu. Jedes Ausweichen war unmöglich. Die Lanze an der Eisenspitze ergreifend, den Speerschaft hinter Valeria Messalina an die Wand stemmend, raffte er mit der freien Linken den Vorhang zurück. So bildete er mit Arm, Körper und Waffe einen Winkel, aus dem die Gefangene nur entkommen konnte, wenn sie das vor ihr liegende Gemach betrat.

Um aller Gewalttat zu entgehen, hob Valeria Messalina den zweiten Vorhang. Eine Lichtflut strömte auf sie ein. Und da diese Helle als Gegensatz zur Finsternis des Flures beruhigend wirkte, schritt Valeria Messalina ohne Zögern weiter. Zugleich wurde ein Vorhang dem Eingange gegenüber zur Seite gestreift. Eine junge, hübsche Griechensklavin trat lächelnd vor.

»Sei gegrüßt, Domina,« sprach sie freundlich, doch demutsvoll.

Die Gegenwart eines weiblichen Wesens gab Valeria Messalina den Mut zurück. In diesem kaiserlichen Palaste schien alles aus Gegensätzen zu bestehen: draußen der nachtdunkle Flur und der finstere Wächter – hier der lichterfüllte Raum und die liebliche Erscheinung der jungen Griechin.

»Sei bedankt,« erwiderte Valeria Messalina den Gruß der Sklavin. Dann lachten die beiden Mädchen einander an. »Führst du mich weiter?« erkundigte sich die Domina.

»Du bist am Ziele, Herrin, wenn du dort eintrittst,« gab die Sklavin Auskunft, auf den zurückgeschlagenen Vorhang deutend.

In diesem Augenblicke erschien Caligula auf der Schwelle. Er hatte seine Ungeduld nicht länger meistern können.

»Ohne Scheu,« bat er mit einer einladenden Handbewegung.

Der Kaiser zog selbst den Vorhang zu, nachdem Valeria Messalina die Tür durchschritten hatte und in das vom rötlichen Ampelscheine durchglühte Gemach gelangt war. Er wies auf einen Sessel, der mit weit ausgreifenden Beinen und mit halbgerundeter, tief zurückliegender Lehne die Mitte des Raumes einnahm. Ein rotes Seidenpolster bedeckte den bequemen Sitz. Caligula blieb höflich stehen, bis sein Besuch Platz genommen hatte. Dann zog er einen zweilehnigen Stuhl heran und lieh sich ebenfalls nieder.

»Ich habe dich hierher befohlen –« eröffnete er die Rede.

»So unfreundlich der Wächter im Vorgemach war, so anmutig ist die Dienerin vor diesem Raume. Ich mache dich aufmerksam, Herr, daß ich gewohnt bin, mit Männern nur in Gegenwart einer zweiten Frau im Gemach zu weilen. «Ich werde daher nur in Gegenwart deiner Dienerin mit dir reden. Rufe sie, bevor du weitersprichst.«

Caligula kam diesem kühnen Wunsche augenblicklich nach. Das Mädchen trat ein und blieb mit tiefgeneigtem Gesichte statuenhaft unbeweglich neben dem Türvorhang stehen. Ihre schönen Züge nahmen eine Ausdruckslosigkeit an, die erkennen lieh, daß die Sklavin Auge und Ohr zu verschließen verstand. Sie mochte sich daran gewöhnt haben, Zeugin zu sein der Gespräche ihres Herrn mit einsamen Besucherinnen.

»Wir sind allein,« sagte Caligula kurz und spöttisch, indem er mit einer leisen Kopfbewegung nach der Sklavin deutete. »Dennoch ist dein Wunsch erfüllt, Valeria Messalina,« fügte er etwas freundlicher hinzu. »Ich freue mich, Gedanken mit dir auszutauschen. Denn du scheinst mir ein Wesen besonderer Art. Von Alltagsmenschen aber strotzt meine Umgebung.«

»Gedanken mit mir auszutauschen?« fragte Valeria Messalina verwundert. »Gerade mit mir?! Was wüßte ich wohl zu sagen, ich, deren Wege bis zu diesem Tage kaum weiter als von der Schwelle des Elternhauses in das Heim guter Freunde führten – ich, deren Augen bisher eine nur kleine Welt sahen.«

Caligula saß mit untergeschlagenen Armen und betrachtete forschend das belebte Antlitz seines Gegenübers.

»Du schlägst die Augen nicht vor mir nieder,« sagte er nach einer Pause zufrieden.

»Ich habe nichts getan, was mich zwänge, meinen Blick zu verstecken,« entgegnete sie, frei seinen grünlich schillernden Augen begegnend.

»Das ist es eben: deine Unberührtheit macht dich kostbar,« sagte er. Sein eigenartig häßliches Gesicht nahm einen lauschenden Ausdruck an, voll Neugier, ob sie die Anspielung verstanden hätte. Da sie schwieg, fuhr er fort: »Bei welchem Namen nennt man dich in vertraulicher Anrede?«

»Du nanntest mich ja schon beim Namen, Herr,« erinnerte sie mit einem leisen Auflachen.

Er machte eine ungeduldige Bewegung. »Valeria Messalina – ja gewiß« stieß er hervor. »Du müßtest nicht eine Domitierin sein, wenn dein voller Name mir fremd wäre. Ich meine: wie ruft man dich zuhause?«

»Beim ersten Namen: Valeria.«

»Ein nichtssagender, blutloser Name,« meinte er geringschätzig. »Als ich noch ein Knabe war und die Bulla noch am Halse trug, ritt ich mit Vorliebe eine lammfromme Stute. Sie hieß Valeria.«

Ein breiter, sinnlicher Zug glitt um seinen Mund, während er fortfuhr:

»Dem erwachsenen Manne genügt ein frommes Stutchen nicht mehr. Nun kann gewiß auch eine Stute feuriges Blut haben, selbst wenn man sie nur sanft Valeria ruft. Ist aber das Feuer in ihrem Blute erst einmal geweckt ... vielleicht durch – den – Hengst ... so verdient die Stute einen klangvolleren Namen.«

Valeria Messalina wunderte sich still über dieses törichte Geschwätz des Kaisers.

»Wenn du von Pferdezucht mit mir reden willst, Cäsar,« sagte sie in aller Harmlosigkeit, »so kann ich dir nicht viel Unterhaltung bieten. Ich verstehe davon nichts.«

Sein Lächeln ward ein breites, laszives Grinsen, als er fortfuhr:

»Was meinst du – bist du eine Stute, die Feuer im Blute hat?«

Da sie diesmal auf die sie dumm dünkende Frage keine Antwort gab, nur gelangweilt mit den Achseln zuckte, sprach er weiter:

»Nun, der Abend ist noch lang – es wird sich erweisen. Und da du mir dein lebhaftes Temperament bereits bewiesen hast, wenn auch nicht in jener Form, die ich bei Frauen bevorzuge, so will ich dich schon jetzt nicht mehr bei dem wässerigen Namen Valeria nennen. Messalina sollst du heißen! Nicht nur für mich.«

»Meine Eltern haben über meinen Namen zu entscheiden!« erwiderte sie stolz.

Er schnellte von seinem Sitze auf und sah höhnisch auf sie herab.

»Deine Eltern? ... Wenn ich, der Cäsar, dir den Namen bestimme?« rief er belustigt. Er reckte sich zu kindischer, gravitätischer Haltung empor und stelzte gewichtig in dem Gemache auf und nieder wie ein Pfau, der eitel sein farbensprühendes Rad zeigt.

Plötzlich blieb er vor dem Mädchen stehen und wiederholte mit erhobener Stimme: »Messalina sollst du heißen! Der Name, bei dem dich die Gottheit Caligula rief, wird die Zeiten überdauern. Und du meinst, Menschen hätten über das zu entscheiden, was Cäsar befiehlt? Es gibt keinen, der neben mir wäre, geschweige denn über mir.«

»Bist du nicht auch ein Mensch? Nur ein Mensch und von demselben Fleische wie ich? Auch ich stamme aus dem Blute der Julier.«

»Wir werden später prüfen, wie weit wir einander als Menschen gleichen,« entgegnete er mit einer Stimme, die heiser war vor Erregung. Seine zitternde Hand griff an den Halsausschnitt ihres Gewandes. Er zerrte an dem Stoffe und flüsterte: »Ich hatte dir befohlen, in einem koischen Kleide zu erscheinen, Messalina.«

»Nimm deine Hand fort, Cäsar!« gebot sie so scharf, daß er erschrak und von ihr ließ. Dann setzte sie ihm ruhig auseinander: »Ich war zum ersten Male zu einem Fest geladen. Wie konnte ich anders als in dem edlen, weißen Gewande unserer Vorfahren erscheinen, wenn man mich nicht für eines von den lockeren Mädchen Roms halten sollte!«

»Gut, ich will das als Entschuldigung gelten lassen,« gab er zu. Er wanderte wieder eine Weile stumm aus und ab, wie traumverloren, sein kranker Geist entschwärmte seiner Herrschaft. Dann ließ er sich in den Stuhl fallen und erklärte mit dem Versuche, liebenswürdig zu erscheinen:

₺73,03

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
550 s.
ISBN:
9783754181485
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre