Kitabı oku: «Messalina», sayfa 4
»Sein Zeichen ist das Zeichen der Menschen, die auf Thronen sitzen.« antwortete Ulsis in dunkler Andeutung.
»Sprich klar, Ulsis!« gebot die junge Domina streng. »Man hat mir geweissagt, ich würde Kaiserin sein –«
Die Äthiopierin unterbrach die Herrin, indem sie ihr die Faust mit den Losen entgegenreckte und auf das zwischen Ringfinger und Zeigefinger ragende Stäbchen deutete.
»Zwischen dem Gipfel des Saturns und der Wohnung der Sonne schreitet der Löwe,« sagte sie. »Du gelangst aus Tiefen zur Höhe. Mehr vermag ich dir nicht zu künden.«
Sie erhob sich zu kniender Stellung, neigte dreimal die Stirn auf den glitzernden Mosaikfußboden, dann sammelte sie die Lose auf. Das Kästchen an sich nehmend, verließ sie mit dem Knaben Elpenor wortlos das Gemach.
»Bist du nun zufrieden, Mutter?« rief Valeria Messalina eifrig.
»Die Götter mögen deinen Weg zum Palatin geleiten,« antwortete Domina Lepida zwischen Zweifel und Zuversicht.
»Dann rasch her mit der Lacerna, bevor die zehnte Stunde ausgerufen wird,« forderte fröhlich das Mädchen.
Die Dienerinnen hüllten sie in den veilchenfarbenen Mantel. Die schöne Römerin war eine wahrhaft fürstliche Erscheinung, als sie die glückbeschwörenden Abschiedsworte ihrer Sklavinnen entgegennahm. Mit munteren Redensarten geleitete Fabulla die junge Herrin bis zum Vestibulum.
Auf diesem Platze vor dem Hause, den zwei vorspringende Seitenflügel des Gebäudes säumten, harrten die acht Träger mit der Lektika. Dieses Tragbett war überdacht. Ein Baldachin aus Purpurstoff ruhte auf vier dünnen Säulchen aus Zedernholz. Unter den Goldfransen des Tuches hervor quollen Vorhänge aus gelbem Seidendamast, die Fabulla sorgfältig ordnete, nachdem Valeria Messalina sich in halb liegender Stellung aus den Polstern gebettet hatte.
»Ich lasse dir einen Spalt offen, Herrin, damit du sehen kannst, was auf den Straßen vorgeht,« sagte die Vertraute. Dann zeigte sie auf eine der vielen Statuen, die das Vestibulum schmückten. »Dies dort ist Eros, Domina. Man erzählt, er spiele bei den Gastmahlen des Kaisers eine große Rolle. Nun hat dich Ulsis auch noch vor allzu großer Gunst der Venus gewarnt. Hoffentlich hast du sie recht verstanden. Du bist ein schönes und begehrenswertes Mädchen. Es wird wohl das Beste sein, wenn ich dem Eros nachher einen Arm voll Rosen aus dem Garten bringe, damit er befriedigt ist und nicht von dir ein allzu großes Opfer fordert.«
»Wie meinst du das?« fragte Valeria Messalina.
Doch Fabulla hatte den Trägern schon einen Wink gegeben. Mit einem taktmäßig festen Griffe hoben sie die Tragstangen auf die Schultern und marschierten von dannen in einem gleichmäßig kurz stampfenden Schritte, der die Lektika kaum merklich wiegte.
Das Elternhaus der Valeria Messalina lag auf dem stets von frischen Winden umwehten Esquilin. Um von dort zum Palatin zu gelangen, mußte die Sänfte das enge, winklige Gassengewirr der Subura passieren. Auf steilen Treppen hinab schleppten die acht Sklaven die schwere Lektika, vorsichtig bemüht, das Tragbett in wagerechter Lage zu halten.
Endlich war wieder ebener Boden erreicht. Und nun ging es eiliger des Weges dahin zwischen den viele Stockwerke hohen Häusern der Subura, in deren erbärmlichen Gelassen die Geringsten Roms hausten. Bemalte Tafeln zeigten die Kaufläden an, in denen die auf den Schildern dargestellten Dinge feilgeboten wurden: hier ein Plakat mit einem mächtigen, von Würsten umrahmten Schinken – dort hatte der Künstler primitiv, aber gut erkennbar einen Kuchen gemalt – an dieser Stelle Gemüse oder gerupfte Hühner – an anderer eine kühn entblößte Frauengestalt, lockendes Wahrzeichen eines Freudenhauses.
Ein bunt wimmelndes Gedränge wogte in den Gassen. Die Abendkühle lockte ins Freie. Mitten in dem Menschenchaos stauten sich Durstige vor den Schenken, Neugierige umstanden einen Mann, der Tagesneuigkeiten verkündete, um dann heischend einen Tonnapf umherzureichen, in dem es ermunternd von kleinen Münzen rasselte. Kauflustige hörten einem Auktionar zu, der bescheidene Luxusgegenstände und Hausgeräte versteigerte. Eine Blinde klimperte inmitten des Menschenschwalls auf einem dürftigen Saiteninstrumente, ein schmutziger Bube blies ohne Sinn und Melodie dazu auf einer Panflöte. Fast unhörbar verklang diese Bettelmusik in dem rauschenden Atem der Menge.
Endlich hatten die Träger die Sänfte hindurchgewühlt durch die brodelnde Fülle der Gassenenge. Die breitere, von wohlhabenden Bürgern bewohnte Via nova, die zum Palatin führte, war erreicht. Auf der Höhe des Hügels ragten die kaiserlichen Paläste.
Vor einem Doppelportikus aus ungeheuern Säulen machten die Sklaven halt. Viele andere Tragbahren, aus denen die vom Kaiser geladenen Gäste eintrafen, hatten sich hier angesammelt. Obwohl noch Tageshelle herrschte, brannten zwischen den Säulen bereits bunte Lampen, Kerzen in silbernen Ständern von riesigen Ausmaßen, mit wohlriechendem Holze genährte Feuerchen auf künstlerisch gegossenen Bronzerosten. Ein Zeichen, daß hier ein Freudenfest großen Stiles gefeiert werden sollte.
Valeria Messalina hatte die Vorhänge zurückgeschlagen und sog das Bild der Macht und des Glanzes in sich ein. Brannten denn die Freudenfeuer nicht auch ihr zu Ehren?
War dieser Weg zum Palatin vielleicht der erste Schritt zur Verwirklichung der Weissagung, die vor Wochen die Sibylle geraunt – die vor kaum einer Stunde die losekundige Ulsis bestätigt hatte? ...
Valeria Messalina versank in einen bunten Traum, wie auf einem Zaubermantel zu ferner Zukunft hochsteigend. Aus diesem Träumen erwachte sie erst, als endlich auch ihre Sänfte sich vorwärts bewegte. Aber das Traummärchen war noch nicht zu Ende – es konnte noch weiter geträumt werden. Der Weg in den Palast führte durch wahre Säulenwälder, in deren Höhen goldstrotzende Kapitäle glänzten. Aus den mit Goldmosaik verkleideten Nischen sahen Hunderte von Marmorgestalten auf den Einzug der Gäste nieder. Eine Wolke von Weihrauch schlug den Ankommenden entgegen, herabwirbelnd von dem gigantischen Altare vor einem machtvollen Tempel mit goldenem Dache. Rings um den Platz woben sich Girlanden von roten und weißen Rosen, ragte blühender Lorbeer, prangten Blumenbeete ohne Zahl.
Das war ein anderer Anblick, als ihn vorhin die Subura geboten. Dort hatte Valeria Messalina die Falten ihres Mantels ans Gesicht gedrückt, um durch die aus dem seinen Stoffe dringenden Wohlgerüche den Kochgestank zu übertäuben, den die an allen Ecken und Enden sprudelnden Kessel der Garküchen hinaufsandten zu dem Rauche der Kamine. Doch die einfallende Kühle des Abends drückte die aus den unzählbaren Schloten quellenden Schwaden in die schmalen Gassen zwischen den Mietshäusern nieder.
Wie eng neben Pracht und Herrlichkeit wohnt tiefstes Elend und Not und Schmutz in Rom, dachte Valeria Messalina, als man die Staunende nun dahintrug zwischen Reihen von Prätorianern, vorbei an den prächtig aufgezäunten und ins Gebiß schäumenden Rossen der berittenen kaiserlichen Leibgarde, die ausschließlich aus den reitgewohnten Germanen bestand.
Endlich hoben Sklaven in reichen Gewändern das von dem Zauber der neuen Umgebung überwältigte Mädchen aus der Sänfte. Wedel aus buntgefärbten, kostbaren Straußenfedern wölbten sich als Schmuck und Schutz über Valeria Messalina. Noch immer traumbefangen, doch stolz aufgerichtet, schritt sie hinein in die Höhle des Wahnwitzes und der Niedertracht. Die schimmernden Wände des Kaiserpalastes aus goldgetöntem Marmor Äthiopiens umfingen das junge erwartungsvolle Geschöpf.
4
Kaiser Caligula hatte für den Empfang seiner Gäste wieder einmal eines jener absonderlichen Gewänder gewählt, in die er sich je nach dem Wechsel seiner Launen zu hüllen pflegte. Bald erschien er als Held gerüstet, bald als ein weibischer Narr angetan, doch niemals gekleidet, wie Brauch und Gelegenheit es forderten.
Sein vertrautester Freigelassener Callistus hatte nach der Heimkehr vom Zirkus seine nicht geringe Beredsamkeit und einen eindringlichen Wortaufwand daranwagen müssen, Caligula von dem Gedanken abzubringen, in dem goldenen Brustpanzer Alexanders des Großen zum Mahle zu erscheinen.
»Du gefährdest wahrhaftig deinen Hals, Callistus!« hatte der Cäsar schließlich mit verkniffener Miene geknurrt. »Meinst du, ich hätte die Rüstung des göttlichen Mazedoniers wegen ihres Goldwertes aus seiner Begräbnisstätte rauben lassen! Was ist Gold? Schmutz, an dem die Menschen hängen! Zur dessen elenden Besitz sie sich von mir zu allem mißbrauchen lassen. Nicht die Goldpracht des Panzers reizt mich, etwa weil sie meinem Äußeren Prunk verleiht. Nein, wenn dieses Gold meine Brust umschient, bin ich nicht mehr ich, sondern ich bin dann die Gottheit Alexander.«
»Doch du gibst ein Gastmahl, Herr,« wagte Callistus zu erinnern. »Auch Eros war stets ein Sieger. Er ist unbeweglicher als der unbezwingliche Mazedonier, der es fertigbrachte, einen Jammerkerl wie den Diogenes in seiner Tonne zu beneiden. Es kommen schöne Frauen zum Mahle. Also sei lieber du selbst, die Gottheit Caligula – oder sei Eros – oder Jupiter.«
»Halt, halt – ja, Jupiter will ich sein!« ging der Imperator auf seines Vertrauten Vorschlag ein. »Ja, Jupiter mit dem goldenen Barte! Rufe den Sklaven Accius. Er soll mir das Haupthaar und den Bart mit Goldfäden durchflechten und mit Goldstaub pudern.«
Callistus warf einen scheuen Blick auf des Cäsars bartloses Gesicht und den kläglich behaarten Kopf. Er ahnte, für den armen Accius mußte die kommende Stunde den Tod bedeuten, sofern der Sklave nicht durch irgendwelche List das Wunder zu bewirken wußte, aus dem kahlen Schädel und Kinn seines Herrn ein goldumglänztes Jupiterhaupt zu zaubern.
Doch im nächsten Augenblicke schon hatte Caligula seinen Entschluß wieder geändert.
»Nein, nein,« entschied er – »mein Haupt soll Jupiter sein – gut – mein Körper aber Merkur, meine Füße Venus.«
So fanden die Gäste den Herrscher Roms nicht in der bei Gastmählern üblichen, schlichten weißen Gewandung, sondern in einem seltsamen Aufputz. Auch erschien er nicht, wie es bräuchlich war, erst als alle Eingeladenen versammelt waren. Er ließ die Türen durch Prätorianer absperren. Niemand durfte den Raum betreten, bevor der Cäsar aus einem prunkvollen Podest in der Pose einer mit kostbaren Gewändern behängten Statue Aufstellung genommen hatte. So tat er sich den Blicken dar.
Als Valeria Messalina den Saal betrat, schlug ihr ein betäubender Wohlgeruch entgegen.
Der Duft entströmte der mit Elfenbeinplatten getäfelten Decke, von der ein nebeldünner Sprühregen stark parfümierter Essenzen stäubte. Er rieselte aus feinen, dünnen Röhrchen, die in Blumenkelche mündeten. Diese Blumenkelche waren in die Elfenbeintäfelung eingelassen und aus seltenen Edelsteinen von roter, blauer und gelber Farbe gebildet.
Mit diesem Dufte vermischte sich der süße Hauch frischer Rosenblätter, die fingerdick die Speisebetten bedeckten. Volle Blüten roter Rosen waren aus den Fußboden gestreut, ein knöcheltiefer Purpurteppich sterbender Blumen. Unzählige Fuhrwerke hatten Rosen aus den geplünderten Gärten Roms und der Umgebung herbeigeschafft.
Tausende von Lichtern siegten mit ihrem Scheine über die Tageshelle, die sich durch die hoch unter der Decke gelegenen Wandöffnungen hereinzukämpfen suchte. Der Widerstrahl dieser zwiespältigen Beleuchtung, die noch nicht Abend und doch auch nicht mehr Tag war, flimmerte zurück von riesigen Wandplatten aus violett geflecktem Marmor, von den Perlmutterleisten, die diese Marmortafeln umrahmten, von den Säulen aus Onyx, die wuchtig die schwere Saaldecke trugen.
Und inmitten dieser unsinnigen Pracht, ein Zeugnis des cäsarischen Raubes an dem unerschöpflichen Reichtum der Reichen der Tiberstadt und der ganzen Welt und des Wahnwitzes, der Vergeudungswut der Herrscher Roms, inmitten dieses olympischen Glanzes stand auf goldenem Sockel – Cäsar Caligula!
Valeria Messalina überhörte die Worte des Struktors, der sie zu dem bevorzugten Platze auf einem Ruhebette des linken Flügels der Triklinien geleiten wollte. Sie stand, staunte den Imperator auf seinem Podeste an und zweifelte, ob sie eine gut gelungene Nachahmung Caligulas oder den Kaiser selbst vollkommen reglos dort stehen sehe.
Der Struktor erkannte sofort in diesem jungen und schönen Mädchen ohne jede Begleitung einen Neuling kaiserlicher Gelage. Er wollte sich gefällig erweisen, als die Verwunderung und das Schwanken in Valeria Messalinas lebhaftem Mienenspiel ihn belehrte, daß sie den Kaiser offenbar nicht erkannte.
»Es ist der Cäsar selbst, Domina,« flüsterte er ihr zu. »Heute ist er Jupiter, Merkur und Venus zugleich.«
Valeria Messalina warf dem Sklaven einen verdutzt fragenden Blick zu.
»Den Jupiter erkennst du am vergoldeten Haupte und an dem mit Goldfäden bedeckten Antlitz,« erläuterte er. »Es ist immer gut zu wissen, was der Kaiser vorstellt, denn er ist sehr beleidigt, wenn man – sollte er fragen – nicht sofort das Richtige errät.«
Die junge Domina zeigte ein leises Lächeln des Spottes.
Der Struktor wandte rasch den Kopf ab, dieses tödlich strafbare Lächeln nicht zu sehen. Dann sprach er wichtig weiter: »Die violettfarbene, goldgestickte und mit Geschmeide besetzte Pänula ist aus indischer Seide, Domina. Dieses Gewand deutet die Gottheit Merkur an. Freilich ist es eigentlich mehr ein Frauenkleid. Wahrscheinlich wünscht der Kaiser mit dieser Pänula schon auf seine Eigenschaft als Venus hinzuweisen.«
Valeria Messalina konnte ein halblautes Lachen nicht unterdrücken. Sie musterte die bizarr häßliche und theatralisch aufgeputzte Gestalt auf dem Sockel und fragte mit der ihr eigenen Offenheit:
»Durch dieses Gewand will er der Venus ähnlich werden! Venus wird sich wundern, ich sehe nichts, gar nichts, was an die Statuen der leuchtenden Göttin der Schönheit erinnern könnte.«
Dem Struktor wurde schwül bei den vermessenen Worten des jungen Mädchens.
»Es soll ja auch mehr Merkur sein, wie du an dem goldgeflügelten Elfenbeinstabe in der rechten Hand des Kaisers erkennen wirst, Herrin,« stieß er hastig hervor, um weiteren kritischen Bemerkungen vorzubeugen. »Aber die Fußbekleidung des Kaisers – die Socci aus weißgegerbtem afrikanischem Antilopenleder – siehst du, Domina, sie sind mit Goldfäden benäht und über den Knöcheln mit einem Kranz aus Smaragden besetzt – diese Frauenschuhe deuten wiederum auf Venus.«
»Arme Venus, vergib ihm den Hohn,« betete Valeria Messalina parodistisch, den dunklen Blick unter drolligem Aufseufzen und Augenverdrehen zur Decke emporschlagend. »Wenn sie mit solchen Lastträgerfüßen und in diesem Aufzuge daherschritte, würde jedes Liebespaar voller Entsetzen entfliehen.«
Das ernste Gesicht des Struktors verfärbte sich dunkelrot bei diesen Frevelworten. Er wußte, daß wahrscheinlich nicht der Gast, sondern er selbst diese Blasphemie zu büßen haben werde, falls der Kaiser sie erfuhr. Er warf einen Blick der Todesangst auf den Imperator, der sich nun endlich zu bewegen geruhte. Mit dem Merkurstabe grüßte er die ringsum in tiefem Schweigen an den Tischbetten stehenden Gäste.
Damit war das Zeichen zu stürmischen Rufen »Ave, Cäsar!« gegeben. Dann setzte laute Unterhaltung ein, aus der aufdringliche Schmeichelrufe der Bewunderung über den göttlichen Einfall des Kaisers, schamlose Lobpreisung seiner herrlich symbolischen Gewandung gewollt deutlich hervorklangen.
»Schnell, Domina, auf deinen Platz!« drängte der erfahrene Struktor. »Wenn der Kaiser die Polster seines Trikliniums einnimmt, muß jeder liegen.«
Er erbebte in Entsetzen, als Caligula zufällig herüberblickte und als einzigen Gast noch Valeria Messalina stehen sah. Doch während das junge Mädchen dem Führer folgte, stand der Kaiser auf dem Podeste und nickte mit beifälligem Schmunzeln hinter der jugendlichen Schönheit drein.
Sodann schritt Caligula seinem Lektikus zu.
Dreizehn Triklinien umrahmten in der Form eines nach vorn offenen Vierecks an drei Seiten einen breiten, auch von Rosenstreu bedeckten Raum. Diese Mitte gestattete den Sklaven, die Speisen und Getränke ohne die geringste Belästigung der Gäste herbeizutragen. Zugleich diente der Raum als Bühne für die Tänzer, Gaukler, Pantomimen und Aufführungen, mit denen die Gäste während des Speisens unterhalten werden sollten.
Jedes Triklinium bestand aus einem runden Tische und drei Ruhelagern. Die Tische waren als Monopodien gearbeitet: eine Platte aus dem unermeßlich teuren, kostbaren Citrusholze, die auf einem einzigen, massiv silbernen Mittelfuße von künstlerischer Arbeit ruhte. Die Mahagonigestelle der niedrigen, mit Polstern bedeckten Speisesofas hatten berühmte Bildner mit goldenen Ornamenten verziert. Getragen wurde dieses Gestell von den aus Elfenbein geschnitzten Gestalten nackter Mädchen.
Da jedes Triklinium neun Gästen Platz bot, konnten hundertsiebzehn Menschen an dem Mahle teilnehmen.
Der Kaiser als Gastgeber und höchste Persönlichkeit ruhte auf dem Lektikus medius des mittelsten Trikliniums gegenüber dem freien Räume. Zu seiner Linken, an der Lehne, dem ehrenvollsten Platze des Speisebettes, lag seine Gattin.
Cäsonia war eine nicht mehr junge, fast häßliche Frau, als deren einziger Vorzug ihre maßlose Sinnlichkeit galt. Oft genug beschrieb bei Gelagen der Cäsar seinen Gästen jede intimste Einzelheit des ehelichen Verhaltens der Kaiserin und erging sich dabei in obszönen Lobeserhebungen. Gerade durch ihre raffinierte Erotik aber hatte Cäsonia verstanden, sich den Gatten so hörig zu machen, daß er ihr eine Anhänglichkeit bewahrte, die wahrlich nicht seinem Wankelmute und grausamen Charakter entsprach.
Zur rechten Seite des Kaisers hatte der bevorzugte Freigelassene Callistus seinen Platz.
Über dem Ruhebette wölbte ein aus lauterem Golde getriebener Baum die goldbeblätterten Äste, an denen brennende Lampen in Gestalt silberner Früchte schwebten. Alle Tische der dreizehn Triklinien waren schwer beladen mit Silbergerät und goldenen Tabletten. Man wußte, daß bei den kaiserlichen Gastmählern nur Teller, Schüsseln und Trinkgefäße zur Verwendung kamen, deren höchster Wert nicht in dem Metall bestand, sondern in ihrem Alter und ihrer Rarität. Jedes einzelne Stück war eine Sehenswürdigkeit.
Da glänzten uralte Trinkschalen von der Hand des Statuengießers Lysippos, die voreinst von Tarent nach Rom gebracht worden waren. Die Gefäße waren mit köstlichen Salben ausgerieben, dem Wein zum Dufte der Rebe noch einen fremden exotischen Hauch zu verleihen.
Dort gossen die Sklaven den edlen Wein von Setia aus kristallenen Amphoren in muschelförmige Gefäße, Werke des ob seiner formvollendeten Becher berühmten Bildhauers Mentor.
Des Kaisers Tisch strotzte von Goldschüsseln, deren Randverzierungen der Steinschneider Dioskorides nicht nur selbst entworfen, sondern auch mit eigener Hand ziseliert hatte.
Doch nun gab Caligula das Zeichen zum endgültigen Beginn des Festes, indem er einen goldenen Apfel in eine gehöhlte, große silberne Halbkugel warf. Dies brachte das Gefäß zum Tönen. Der helle Klang, wie das lang anhaltende, gedämpfte Summen einer Glocke, übertönte die sogleich verstummende Unterhaltung, schwoll zur Decke hinauf, zitterte durch den Raum und verebbte allmählich, als ringe er sich mühsam durch die Saalwände hindurch.
Sogleich trat ein Sklave in die Mitte des Platzes zwischen den Triklinien. Ihm war das Amt des Nomenklators zugeteilt. Ohne Stocken rief er mit volltönender Stimme die Namen und Ehrentitel der Gäste aus.
»Wieviele Namen nanntest du?« rief ihm Caligula zu, als der Nomenklator sich verbeugte, zum Zeichen, daß er fertig sei.
»Hundertsechzehn, Herr,« antwortete der Sklave.
Der Kaiser traf ihn mit einem drohenden Blicke. »Warum nur hundertsechzehn, Mensch? Ich habe doch soviel Gäste eingeladen, daß auf keinem Lektikus ein Platz freibleiben sollte.«
»Ein Platz auf dem Lektikus imus wartet noch auf den Gast, Herr.«
»Wie? Jemand, dem ein so wenig ehrenvoller Platz zugewiesen ist, erlaubt sich, zu spät zu kommen?« Der Imperator war empört. »Wer ist der Zögernde?«
»Dein Oheim Tiberius Claudius Drusus, Gebieter.«
Caligula lachte. »Ah, der brave Claudius! Nun, um so besser. Es wird uns belustigen, wenn er verspätet eintrifft.«
Er gab einen entlassenden Wink. Der Nomenklator zog sich zurück. An seine Stelle trat der Struktor, den ersten Gang des Mahles anzukündigen: gebratene Pfauen aus Samos, die mit Feigen, Datteln und feinem, durch frischen Traubenmost gesüßtem Mehle gemästet worden waren. Gefüllt waren diese knusperigen Vögel der Juno mit einer Pastete aus gehackten Gänselebern und lybischen Trüffeln. Birnen aus Syrien und picenische Äpfel, zu einem gesottenen Gericht als Zuspeise vereint, wurden aufgetragen in Murrinen. Wie der Struktor mit hocherhobener Stimme erklärte, stammten diese Schüsseln, deren Gewicht man beim Kaufe hundertfach in Gold aufwiegen mußte, aus einem sehr fernen Lande, in dem die Menschen von gelber Haut seien und schiefgeschlitzte Augen hätten.
Während man sich über das Gericht hermachte, mehr schmatzend als schwatzend, erschienen in dem freien Raume zwölf ganz junge Mädchen. Ihr einziger Schmuck war die Schönheit der knospenhaften Körper und die Weiße der Haut. Und dieses lichte Weiß stand kaum zurück hinter dem Anstrich der Kreide, mit dem die Füße der Mädchen gefärbt waren, um sie als verkäufliche Sklavinnen zu kennzeichnen. Prüfend, abschätzend musterten die Blicke der Männer die zierlichen Musikanten. Einige von ihnen begleiteten leise auf kleinen Handpauken gedämpft die Weise ihrer Gefährtinnen, die den Saiten der syrischen Harfen sanfte Töne entlockten.
Als die Musik verklungen war, die schönen Kleinen sich entfernt hatten, erhob sich der Senator Sertorius. Abermals warf Caligula den Goldapfel in die silberne Klingschale, Aufmerksamkeit zu fordern.
Sertorius, ein fast weißhaariger Mann mit edlen Zügen und stattlicher Gestalt, hielt eine Ansprache an den Gastgeber. Er dankte im Namen aller Anwesenden dem Kaiser für die Einladung und erging sich in einem Panegyrikus auf den Imperator. Die lobhudelnden Worte fanden den stärksten Beifall der andern. Ein von allen Wänden zurückhallendes »Ave, Cäsar!« folgte jubelnd dem Schlusse der Rede.
Doch Caligula war von dieser ekstatischen Lobeshymne nicht befriedigt. Seine Gottheit hatte Anbetung erwartet, nicht kriecherische Menschendienerei. Er grollte bitter insgeheim.
Langsam raffte er sich von seinem Lektikus auf, ordnete fürsorglich die Edelsteinketten, die um seinen Hals hingen, glättete die Falten seiner seidenen Pänula und betupfte seinen goldbepuderten Kopf. Dann räusperte er sich und schickte vorauf, daß er wünsche, nicht unterbrochen zu werden. Mit einem lauernden Blicke betrachtete er den Senator, bevor er zur Entgegnung überging.
»Ich danke dir, edler Sertorius,« hob er endlich mit der ihm eigenen kraftvollen Stimme an, nach seiner Gewohnheit beim Reden bald vorwärts, bald seitwärts vom Triklinium, bald zurück an seinen Platz schreitend. »Wirklich, ich bin dir dankbar für die wohlgesetzten Worte, die du mir gewidmet hast. Du bist ein ausgezeichneter Redner, und ich werde dich mit einem noch höheren als dem von dir bekleideten Amte belehnen. Soll ich dich zum Konsul machen?« Und nun überrann ein Lächeln teuflischen Spottes das häßliche Gesicht. »Konsul! Mein lieber Sertorius, was hättest du davon? Ich will demnächst sogar meinem Pferde Incitatus den Konsultitel verleihen. Denn nämlich – – mit dem Schweife wedeln kann der Gaul auch!«
Ein lautes Lachen der boshaften Freude an dem eigenen frechen Witz brach über die goldumpuderten Lippen Caligulas, ehe er weitersprach: »Nein, mein Sertorius – dir soll für deine wirklich hübsche Ansprache ganz anders vergolten werden. Viel reicher! Kann man den Gatten einer entzückenden Domina herrlicher ehren, als indem man statt seiner die Gattin preist?«
Er winkte leutselig der schon ältlichen Frau des Senators zu. »Laß dich bitten, schöne Pyrrha, und erhebe dich. Gib uns deine Anmut zu schauen, indem du dich auf den Lektikus stellst. Es soll ein jeder hier im Kreise sehen, wem meine Worte gelten.«
Sehr geschmeichelt, ahnungslos, kam Domina Pyrrha dieser Aufforderung nach. Ihr angenehmes, doch schon verblühtes Gesicht errötete vor Freude unter dem blond gefärbten Haar.
Der Kaiser hatte mittlerweile einem Sklaven etwas zugeflüstert. Gleich darauf nahm eine junge griechische Harfenspielerin inmitten des Raumes Aufstellung. Sie griff ein paar Akkorde und begleitete sodann die Rezitation Caligulas mit den vibrierenden Klängen ihres Instrumentes.
Feierliche Stille herrschte an allen Triklinien, als der Cäsar nach dem Präludium ein Gedicht sprach:
»Pyrrha, dich flickt dein Putztisch aus hundert Lügen zusammen.
Während in Rom du lebst, rötet dein Haar sich am Rhein.
Wie dein seidenes Kleid, bewahrst du zur Nachtzeit den Zahn auf,
und zwei Drittel von dir liegen im Kasten verpackt.
Wangen und Augenbrauen, die jetzt deine Freude bezeugen,
malte der Sklavin Kunst, die dich zum Mahl heut geschmückt.
Niemals mehr kann dein Mann zu dir sagen: ›O Pyrrha, ich lieb' dich!‹
Denn was er liebt, bist nicht du, und was du bist, liebt er nicht.«
Die Wände hallten wider von dem gefügigen, schallenden Gelächter der Gäste über diese boshafte Frechheit, während Domina Pyrrha in glühender Beschämung schleunigst ihren Platz auf dem Lektikus wieder einnahm. Sie hatte aus dem Saale flüchten wollen, doch ein zwingender Blick des Gatten bannte sie auf das Sofa. Dann sah der Senator Sertorius hinüber zu dem Tribun Cassius Chärea. Die beiden Männer verstanden einander. Wieder war ein Einschnitt mehr auf dem schon übervollen Kerbholz, das die Schuld des täglich unverschämter werdenden Cäsars markierte.
Auch Valeria Messalina war auf das tiefste empört über die öffentliche Verspottung der würdigen Domina Pyrrha. Sie sprang empor, Zorn in den Augen. Alle blickten überrascht auf das kühne, junge Geschöpf. Doch ehe sie Worte fand, rief Caligula ihr spöttisch zu: »Das Mahl ist noch nicht zu Ende, Valeria Messalina. Gedulde dich noch etwas!«
Verwirrt ließ sie sich auf das Lager zurückfallen.
Ein Geflüster strich über die Ruhelager dahin, ein Raunen der Verwunderung. Man kannte die Vorgeschichte der Einladung Valeria Messalinas, wie man jeden Klatsch sofort in allen Quartieren Roms kannte. Weshalb hatte der Kaiser bisher keine Notiz genommen von der Anwesenheit eines erzwungenen Gastes? Was hatte das zu bedeuten? Und weshalb war er so unbegreiflich nachsichtig gegenüber dem Freimut dieser kecken, jungen Schönheit?
»Wir werden trotz allem morgen ein äußerst pikantes Histörchen erzählen können,« flüsterte Mucius seiner Freundin Tullia zu.
»Hoffentlich!« gab sie zurück, indem sie verlegen ihre Haare betastete, die sie gleich der Domina Pyrrha mit einem aus Germanien stammenden Schönheitsmittel vom Schwarz zum Hochblond umzufärben pflegte. »Hoffentlich,« wiederholte sie leicht gereizt. »Bis jetzt war alles sehr langweilig.«
Der Struktor unterbrach das kurze Zwiegespräch, indem er den nächsten Gang der Speisenfolge laut verkündete: süßen Falerner Wein als Getränk, der brennend aufgetragen wurde – ein Ragout aus Vogelhirnen und Vogelzungen – als Zuspeise kleine Knuspereien, die aus einem Gemisch von Weizenmehl, feingemahlenem Anis, Kümmel und Käse auf jungen Lorbeerblättchen gebacken waren. Der Struktor bezeichnete sie als Mustacea.
Caligula verschmähte dieses Gericht. Er sah seinen schmausenden und zechenden Gästen zu und spielte mit einer in Alpenschnee gekälteten Kristallkugel, die den Zweck hatte, die Hände zu kühlen. Nur ganz verstohlen blickte er dabei zu Valeria Messalina hinüber und beobachtete, wie sie mit verständnisvollem Genießen sich das ihr unbekannte Ragout munden ließ und dem angezündeten Falerner gerecht zu werden suchte.
Plötzlich wandte er sich an den Freigelassenen Callistus zu seiner Rechten mit der Frage: »Kannst du Träume deuten?«
»Es käme auf den Versuch an,« meinte Callistus heiter und reinigte rasch die vom Schmause fettigen Finger an der Mappa. Dann warf er die Serviette einem Sklaven zu, der sofort eine frische Mappa zurückgab.
Caligula fuhr fort:
»Es wäre wohl auch entscheidend, ob ich nur einen Traum träumte oder ob nicht vielmehr ein Gesicht mich heimsuchte.«
Er sah finster brütend vor sich hin und atmete schwer. Dann fragte er jäh und heftig: »Was meinst du – könnte das Meer ein Weib bedeuten?«
Callistus dachte einen Augenblick nach. »Wie man's nimmt,« sagte er klug und vorsichtig, um keinesfalls dem Traume des Kaisers eine üble Ausdeutung zu geben. »Das Meer ist wie das Weib, wechselvoll und veränderlich, voller Launen und Tücken und voller bestrickender Lieblichkeit.«
»Sehr gut,« lobte der Imperator. »Sprich weiter, Callistus.«
Gefällig kam der Freigelassene diesem Wunsche nach: »Träumte ich von einem Bade im Meer, so würde ich dem Traume die Vorbedeutung einer Liebesszene geben. Denn was schmiegt sich lieblicher, lauer und kosender, dem Meerwasser vollkommen gleich, an uns, als die Glieder einer wonnezitternden Frau?«
»Auch das ist gut,« nickte Caligula befriedigt.
Wiederum hafteten seine Augen auf Valeria Messalina. Einen Augenblick schien es, als wolle er das Mädchen an seinen Lektikus rufen, um – wie er das bei Gastmahlen bisweilen mit anwesenden Frauen tat – ihre Reize öffentlich zu prüfen. Doch offenbar besann er sich eines besseren.
»Es war aber keineswegs ein Traum,« erklärte er plötzlich und ließ den goldenen Apfel in die Klingschale rollen, um Stille zu erzwingen, so daß seine Worte nicht in den allgemeinen Gesprächen verlorengingen.
»Wüßte ich, wie gut andere Menschen schlafen,« hob er laut an, »wüßte ich, wen von euch ich um einen ungestörten Schlaf zu beneiden habe, das Mahl würde euch wahrscheinlich versalzen, der süße Falerner sauer werden. Denn wem mein Neid gilt, dem gilt mein Haß, und wem mein Haß gilt, der gleicht dem zum Tode geschmückten Opfertiere, über das der Oberpriester schon das zweischneidige Messer am Elfenbeingriffe schwingt. Ich muß lachen, wenn ich euch so friedlich-fröhlich fressen sehe, als schlafe alle Gefahr, die für euch in meinem Willen lauert, um auf einen Wink von mir an die Kehlen zu springen, die jetzt meinen Wein schlucken und meine Speisen schlingen.«