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Allgemeine Hinweise

Abgekürzt zitierte Rechtsquellen


AGVwGO Bayerisches Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.6.1992, GVBl. S. 162
BauGB (Deutsches) Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.2004, BGBl. I S. 2414
BayVerf. Bayerische Verfassung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998, GVBl. S. 991
BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4.1999, SR 101
B-VG (Österreichisches) Bundes-Verfassungsgesetz vom 2.1.1930, BGBl. 1/1930
CE Constitución española de 27 de diciembre de 1978
CF Constitution française
CJA (Französischer) Code de justice administrative
Cost. Costituzione della Repubblica italiana
CPA (Portugiesischer) Código do Procedimento Administrativo (aprovado pelo Decreto-Lei n.° 442/91, de 15 de Novembro, com alterações)
GG (Deutsches) Grundgesetz vom 23.5.1949, BGBl. S. 1
GWB (Deutsches) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.6.2013, BGBl. I S. 1750
RV Verfassung des Deutschen Reichs vom 28.3.1849, RGBl. 1849 S. 101 (sogenannte Paulskirchenverfassung)
VwGO (Deutsche) Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.3.1991, BGBl. I S. 686
VwVfG (Deutsches) Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.1.2003, BGBl. I S. 102
WRV Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919, RGBl. S. 1383 (sogenannte Weimarer Reichsverfassung)

Weitere Abkürzungen


BGBl. Bundesgesetzblatt
GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt
Verf. Verfassung

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › I. Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für Verständnis und Anwendung des Verwaltungsrechts in Europa

I. Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für Verständnis und Anwendung des Verwaltungsrechts in Europa

1

Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht hat eine lange Tradition und reicht bis in seine Entstehung zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück.[1] Zwar verblasste ihre Bedeutung mit dem Aufkommen des staatsrechtlichen Positivismus für ein ganzes Jahrhundert;[2] zum Erliegen gekommen ist sie jedoch nie. Sie hat dazu beigetragen, in der deutschen Verwaltungsrechtsordnung entwickelte Institute wie den Vorbehalt des Gesetzes, das subjektive öffentliche Recht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ebenso europaweit zu verbreiten wie die französisch geprägten Figuren des acte administratif oder des service public.[3] Dabei haben – wie die (eigenwillige) Interpretation des englischen local government durch Rudolf von Gneist zeigt – auch Missverständnisse die weitere Ausprägung bestimmter verwaltungsrechtlicher Institute wie etwa der Selbstverwaltung erst ermöglicht.[4] Seit der Zeitenwende der Jahre 1989/1990 haben Globalisierung und europäische Integration der Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht einen neuen Schub verliehen und sie (wieder) zu einem integralen Bestandteil verwaltungsrechtlicher Analyse und Systembildung gemacht. Als solche hat sie eine rechtsdogmatische und -politische Bedeutung für die Verwaltungsrechtsordnung der Europäischen Union, aber auch für die nationalen Verwaltungsrechtsordnungen im europäischen Rechtsraum.

2

So ist das Unionsrecht zwar eine allen Mitgliedstaaten gemeinsame, eigenständige Teilrechtsordnung. Diese beruht jedoch nicht nur auf den Verfassungen der Mitgliedstaaten, deren grundlegende Wertungen sie zu berücksichtigen hat (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV) und von denen sie zahlreiche Impulse empfängt (z.B. Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV);[5] sie ist in weiten Bereichen auch so fragmentarisch, dass interessengerechte Lösungen nur unter Rückgriff auf rechtsvergleichende Einsichten gefunden werden können. Dem trägt die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und in Teilen des europarechtlichen Schrifttums bestehende Neigung, das Unionsrecht als selbstreferentielles Handlungsregime der EU-Organe verstehen zu wollen,[6] nicht ausreichend Rechnung, ja sie erscheint wie ein Versuch, den im nationalen Bereich gerade erst überwundenen Positivismus auf europäischer Ebene wiederauferstehen zu lassen.

3

Unmittelbare Rechtserheblichkeit besitzt die Rechtsvergleichung zudem dort, wo das Unionsrecht Einfluss auf die Tätigkeit der nationalen Verwaltungen besitzt, d.h. im Bereich des mittelbaren Vollzugs. Da das Verwaltungsrecht überwiegend Recht ist, „das seine Steuerungswirkung erst über die Aktivitäten von Bürokratien, europäischen wie mitgliedsstaatlichen, entfaltet“, Recht also, „das Verwaltungen arbeiten lässt“,[7] lassen sich Grundsätze, Regeln und Institute, die das nationale Verwaltungsrecht im Zuge seiner Europäisierung und seiner Einbindung in den europäischen Verwaltungsverbund überlagern, modifizieren oder verdrängen, nur erfassen, wenn man auch den Kontext kennt, dem sie entstammen.

4

Schließlich ist auch die rechtspolitische Bedeutung der Verwaltungsrechtsvergleichung nicht zu unterschätzen. Der europäische Rechtsraum im Allgemeinen und die Rechtsordnung der Europäischen Union im Besonderen zeichnen sich jenseits der harmonisierten Bereiche – wie andere Mehr-Ebenen-Systeme auch – durch einen Wettbewerb der Rechtsordnungen aus, in dem es immer auch um die beste Lösung oder – in der Sprache der Organisationswissenschaften – die „best practice“ geht.[8] Das setzt voraus, dass man Aufbau und Funktionsweise der anderen Verwaltungsrechtsordnungen versteht.

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › II. Divergenzen und Konvergenztendenzen zwischen den Verwaltungsrechtsordnungen

II. Divergenzen und Konvergenztendenzen zwischen den Verwaltungsrechtsordnungen

1. Pfadabhängigkeit der Verwaltungsrechtsordnungen

5

Stärker als das Verfassungsrecht ist das Verwaltungsrecht Ausdruck unterschiedlicher nationalstaatlicher Traditionen der europäischen Staaten und insoweit „pfadabhängig“.[9] Ungeachtet der Ausstrahlungswirkung, die vor allem das französische – zu Recht ist bis ins 20. Jahrhundert hinein von Frankreich als dem „Rom“ des Verwaltungsrechts die Rede[10] –, aber auch das deutsche, britische, italienische und österreichische Verwaltungsrecht als Vor- und Gegenbild auf die Entwicklung des Verwaltungsrechts in anderen Staaten gehabt haben, haben letztlich doch fast alle Staaten Europas ein auf ihre politische Entwicklung und Topographie zugeschnittenes Verwaltungsrecht hervorgebracht oder, umgekehrt, die Verwaltung entsprechende Staaten.[11] Insoweit gilt unverändert das Diktum Otto Mayers: „Die Lehre vom Verwaltungsrecht findet ihren Gegenstand am Staate“.[12]

6

Die historisch kontingente Entwicklung der einzelnen Staaten hat vor diesem Hintergrund ganz unterschiedliche Typen von Verwaltung hervorgebracht. In Deutschland und Österreich hat sie im Schatten des Rechtsstaates und dem ihm zugrunde liegenden Kompromiss zwischen Bürgertum und Monarchie zu einer tendenziell unpolitischen Verwaltung geführt, die sich in erster Linie als Vollzugsorgan begreift. Das hat Konsequenzen – für ihr Verhältnis zum Gesetzgeber und zur Regierung ebenso wie für Art und Ausmaß ihrer gerichtlichen Kontrolle. In Frankreich hingegen konnte sich die Verwaltung, etatistische Entwicklungslinien aus dem Ancien régime und dem Bonapartismus aufgreifend, schon im 19. Jahrhundert zu einer eigenständigen, mit einem pouvoir administratif ausgestatteten Kraft neben Parlament und Regierung entwickeln, die politische und soziale Gestaltung als eigene Aufgabe begreift und dem – nicht von ungefähr als administré bezeichneten – Bürger mit einem entsprechenden Herrschaftsgestus gegenübertritt.[13]

2. Gegenstand und Funktion des Verwaltungsrechts

7

Die Rechtswissenschaft tut sich schwer mit einer Definition der Verwaltung und auch mit der Abgrenzung des Verwaltungsrechts. Zwar kann das Verwaltungsrecht als das dem Gemeinwohl bzw. dem öffentlichen Interesse dienende, an die öffentliche Verwaltung adressierte und durch sie gesetzte Recht angesehen werden;[14] viel gewonnen ist damit allerdings nicht.

a) Rechtsschutz- und Steuerungsfunktion

8

Seiner Funktion und seinen Entstehungsbedingungen nach dient das Verwaltungsrecht dazu, die Tätigkeit der Verwaltung rechtlich zu binden und den Bürger dadurch vor der als übermächtig empfundenen, weil zu einseitigem Handeln befugten und mit zahlreichen Vorrechten ausgestatteten Verwaltung zu schützen.[15] In diesem Sinne hat Otto Mayer dem Verwaltungsrecht die noch immer aktuelle Aufgabe zugewiesen, „die flutende Masse der Verwaltungstätigkeit“ einzudämmen.[16] In vergleichbarer Weise unternimmt es der Conseil d’État in Frankreich seit Beginn des 19. Jahrhunderts, vor allem aber seit der Verleihung des Gerichtsstatus (1872), die Verwaltung auf die Beschwerde (recours) von Bürgern hin den Regeln des Rechts zu unterwerfen.[17]

9

Ungeachtet dieser historisch vorgegebenen Ausrichtung des Verwaltungsrechts auf den Rechtsschutz des Bürgers gegenüber der Verwaltung gehört es, wie vor allem in der jüngeren deutschen Diskussion hervorgehoben worden ist,[18] daneben auch zu den Funktionen des Verwaltungsrechts, die effektive Erfüllung der Verwaltungsaufgaben und die politisch-demokratische Steuerung der Verwaltung sicherzustellen. In Verwaltungsrechtsordnungen, die wie die französische mit dem pouvoir administratif einen eigenständigen Gestaltungsauftrag der Verwaltung kennen und in denen sich Rechtsschutz und Gesetzmäßigkeitskontrolle weitgehend decken, muss dies freilich nicht eigens thematisiert werden.

b) Verwaltungsrecht als Richterrecht

10

Verwaltungsrecht ist in nahezu allen Rechtsordnungen historisch und funktional zunächst einmal Richterrecht. Das lässt sich für Deutschland an der Rolle des Preußischen Oberverwaltungsgerichts ebenso festmachen wie an jener des Bundesverwaltungsgerichts, für Frankreich an der herausragenden Rolle des Conseil d’État,[19] für Griechenland an der Rolle des Staatsrats[20] und für die Europäische Union an der nicht minder prägenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Soweit es an normativen Vorgaben fehlte, waren bzw. sind die Gerichte jeweils dazu gezwungen, unter Rückgriff auf das Zivilrecht, das nationale Verfassungsrecht oder die Rechtsvergleichung allgemeine Rechtsgrundsätze zu entwickeln und weiter zu verfeinern.

11

In den meisten Verwaltungsrechtsordnungen Europas konnte der Gesetzgeber, an die richterrechtliche Entfaltung des Verwaltungsrechts anknüpfend, grundlegende Bereiche oder allgemeine Teile des Verwaltungsrechts kodifizieren.[21] Er ging dabei äußert behutsam zu Werke und beschränkte sich – aus nachvollziehbarem Respekt vor der Vielfältigkeit und Unüberschaubarkeit der Materie – in der Regel auf die Nachzeichnung der in der Praxis entwickelten und einigermaßen etablierten Institute. In ähnlicher Weise wird bei Novellierungen des Allgemeinen Verwaltungs- bzw. Verwaltungsverfahrensrechts verfahren. In Frankreich ist der Respekt vor dem Richterrecht so groß, dass von einer Kodifizierung sogar eine Bedrohung der historisch gewachsenen und allgemein akzeptierten Rolle des Conseil d’État befürchtet wird.[22]

c) Verwaltungsrecht zwischen Systemdenken und Einzelfallentscheidung

aa) Grundlagen des Systemdenkens

12

Die Vorstellung von der Verwaltung als einer besonderen Staatsfunktion und des Verwaltungsrechts als ihrer Handlungsgrundlage sowie der Verfassung als dem rechtlich bestimmenden Bezugsrahmen auch für das Verwaltungsrecht erlauben es, das Verwaltungsrecht als eine einheitliche Materie zu verstehen, der gemeinsame Grundsätze und Prinzipien zu eigen sind und die sich von anderen Rechtsgebieten unterscheidet. Dies hat zugleich ein Ordnungs- und Systemdenken ermöglicht, das sich auch in den oben genannten Kodifikationen niedergeschlagen hat.[23]

13

Ein wesentlicher Aspekt dieses Systems besteht in der Unterscheidung des Verwaltungsrechts (als Teil des öffentlichen Rechts) vom Zivilrecht. Diese für die kontinentaleuropäischen Verwaltungsrechtsordnungen kategoriale Unterscheidung reicht in ihren Wurzeln bis in das römische Recht zurück[24] und ist nach wie vor nicht nur von grundlegender, sondern auch von erheblicher praktischer Bedeutung. Das gilt etwa für die Zuständigkeitsabgrenzung der Verwaltungsgerichte (z.B. § 40 VwGO) oder für die Zuordnung der Handlungsformen.

bb) Erosionen

14

Die Privatisierungen der letzten Jahrzehnte und der Rückzug des Staates aus seiner Erfüllungsverantwortung haben das verwaltungsrechtliche Ordnungs- und Systemdenken allerdings zunehmend unter Druck gesetzt, weil sich die Einheit von Staat und Verwaltung vor diesem Hintergrund immer häufiger als – wenn auch verfassungsrechtlich vorgegebenes – kontrafaktisches Postulat erweist. Das hat zur Folge, dass die prätorische Konkretisierung der Rechtslage im Einzelfall Steuerungskraft und Wirkmächtigkeit verwaltungsrechtlicher Systeme zunehmend in den Hintergrund drängt.

15

Ferner hat der mit der Privatisierung zusammenhängende Einsatz von Verträgen und anderen Formen konsensualen Verwaltungshandelns die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht ein Stück weit eingeebnet und damit letztlich auch eine Relativierung verwaltungsrechtlicher Vorgaben bewirkt.[25]

3. Konvergenztendenzen und ihre Ursachen

16

Ungeachtet aller Pfadabhängigkeit lassen sich zwischen den Verwaltungsrechtsordnungen im europäischen Rechtsraum doch unübersehbare Konvergenztendenzen ausmachen, ohne dass damit einer undifferenzierten „Konvergenzeuphorie“[26] das Wort geredet werden soll. Sabino Cassese spricht insoweit von einer „Osmose“ zwischen den unterschiedlichen Typen des Verwaltungsrechts.[27] Ausdruck dieser Konvergenz sind neben einer kontinuierlichen Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts (dazu unter a) seine schrittweise Subjektivierung und Demokratisierung (dazu unter b), Europäisierung und Internationalisierung (dazu unter c).

a) Konstitutionalisierung

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Nahezu alle Verwaltungsrechtsordnungen Europas haben nach dem Zweiten Weltkrieg – wenn auch mit zeitlichen und inhaltlichen Unterschieden – eine Konstitutionalisierung ihres Verwaltungsrechts erlebt, die dieses zwar vielleicht nicht seines Selbststands beraubt, jedoch den (jeweiligen) verfassungsrechtlichen Anforderungen nachhaltig untergeordnet hat.[28]

18

In Deutschland hat diese Konstitutionalisierung nach 1949 geradezu zu einer Neukonzeption des Verwaltungsrechts geführt und das berühmt-berüchtigte Diktum Otto Mayers von 1924, wonach „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“,[29] unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG überwunden und durch die Doktrin vom Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht[30] ersetzt.[31] Das dürfte – mutatis mutandis – heute für die Mehrzahl der europäischen Verwaltungsrechtsordnungen gelten.[32]

b) Subjektivierung und Demokratisierung des Verwaltungsrechts

aa) Allgemeines

19

Zur Konvergenz der Verwaltungsrechtsordnungen trägt auch eine veränderte Stellung des Einzelnen mit Blick auf die öffentliche Verwaltung bei. In Frankreich taucht sie, wenn auch noch in einer eher diffusen Weise, bereits in der in den 1920er-Jahren entwickelten Konzeption des service public auf. Ihr liegt ein Paradigmenwechsel im Verwaltungsrecht zugrunde, das den Einzelnen fortan nicht mehr als Untertanen, sondern als mit Rechten versehenen Empfänger einer Dienstleistung begreift.[33] In Deutschland vollzieht sich nach 1949 eine vergleichbare Entwicklung auf der Grundlage der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG, die nach und nach auch in der kleinen Münze des Verwaltungsrechts im Einzelfall erfahrbare Bedeutung erlangt.[34]

bb) Dogmatische Einkleidung

20

Praktisch greifbar wird die Subjektivierung des Verwaltungsrechts vor allem in dem von der Konstitutionalisierung getriebenen Ausbau subjektiver öffentlicher Rechte, der Stärkung der Position des Einzelnen im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren sowie bei der Etablierung von Verwaltungsverträgen. In Deutschland geschieht dies vor allem auf der Basis der in Art. 1 bis 19 GG verbrieften Grundrechte, [35] in Italien nach Maßgabe der schon im 19. Jahrhundert angelegten und für den Rechtsschutz prägenden Dialektik zwischen subjektiven Rechten (diritti soggetivi) und rechtlich geschützten Interessen (interessi leggitimi).[36]

21

Zu den jüngeren, durch das Unionsrecht zusätzlich verstärkten[37] Erträgen dieser Entwicklung gehört auch die Rekonstruktion des Staatshaftungsrechts aus der Perspektive der (Grund-)Rechte und rechtlich geschützten Interessen. In vielen europäischen Verwaltungsrechtsordnungen war bzw. ist es ein langer und dorniger Weg von der Annahme, dass es im politischen Ermessen der öffentlichen Hand stehe, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche gegenüber der öffentlichen Hand zu gewähren, bis zu der Einsicht, dass derartige Kompensationsansprüche eigentlich nur ein „Minus“ zur Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes sind und insoweit unmittelbar aus den (Grund-)Rechten und rechtlich geschützten Interessen fließen.[38] In Deutschland steht dieser Erkenntnisprozess noch am Anfang.[39]

cc) Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten

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Verstärkt werden die Konvergenztendenzen durch soziologische Veränderungen in den europäischen Gesellschaften, die der Neujustierung des Verhältnisses zwischen Bürger und Verwaltung zusätzlichen Nachdruck verleihen. So sind etwa das erheblich gestiegene Bildungsniveau der Bürger, die Vervielfachung der Kommunikationsmöglichkeiten über das Netz und die damit einhergehenden Vergleichsmöglichkeiten im Begriff, autoritären Verwaltungstraditionen, soweit sie in einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen noch nicht (vollständig) überwunden sind, endgültig den Boden zu entziehen.

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So hat sich – aus den USA kommend und über die unionale Rechtsetzung vermittelt – etwa die skandinavische Konzeption einer transparenten Verwaltung Bahn gebrochen und das alte Verwaltungsparadigma, dass die Nichtöffentlichkeit der Verwaltung die Regel und ihre Öffentlichkeit die Ausnahme ist, ins Gegenteil verkehrt. Dies wiederum öffnet nicht nur der Mitwirkung von Nichtregierungsorganisationen und sonstigen interessierten Dritten neue Partizipationsmöglichkeiten, sondern zwingt die Verwaltung auch zu einer grundlegenden Veränderung ihres Kommunikationsverhaltens.

24

Gleichwohl erstaunt es, dass mit der Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts nicht auch seine „Demokratisierung“ einhergegangen ist. Obwohl das Demokratieprinzip in praktisch allen europäischen Verfassungen als grundlegender Verfassungsgrundsatz verankert ist, verläuft die „Demokratisierung“ des Verwaltungsrechts nicht parallel zu seiner Konstitutionalisierung, sondern im Detail eher zufällig und zeitlich versetzt. Auch auf die Herausforderungen des demokratischen Prinzips durch die Globalisierung und die Informationsgesellschaft reagiert das Verwaltungsrecht bislang eher abwehrend und retardierend.

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