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c) Europäisierung und Internationalisierung

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Europäisierung und Internationalisierung haben dazu beigetragen, die zentrale Rolle des Staates für die öffentliche Verwaltung zu relativieren und ein Verwaltungsrecht jenseits des Staates hervorgebracht,[40] das die Teilnehmer am Rechtsverkehr naturgemäß unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Verwaltungsrechtsordnung trifft.

aa) Europäisierung

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Die Europäisierung[41] hat vor allem seit Ende der 1980er-Jahre teilweise erhebliche Überformungen, Modifikationen und Verdrängungen des nationalen Verwaltungsrechts mit sich gebracht. Da das Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht eine Querschnittsmaterie ist, ist die Europäisierung des Verwaltungsrechts – dem Prozess der Konstitutionalisierung nicht unähnlich – mit einer so großen „Tiefenwirkung“ verbunden, dass man in Deutschland von einer „zweiten Phase des Öffentlichen Rechts unter dem Grundgesetz“ spricht.[42]

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Technisch erfolgt die Europäisierung durch die Rechtsetzung der Europäischen Union und ihre Implementation in die Verwaltungsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die auf den Vorrang des Unionsrechts und seine einheitliche Geltung fixierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ferner durch spill-over-Effekte, d.h. die faktische Präjudizierung des nationalen Gesetzgebers und die Prägung von Verwaltungsbeamten und Richtern, die mit der Anwendung des Unionsrechts gesammelte Erfahrungen unwillkürlich auch auf die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts übertragen.[43] Kollisionen zwischen Unionsrecht und nationalem Recht gehen daher praktisch immer zugunsten des Unionsrechts aus.[44] In Italien, Kroatien oder Österreich trägt die verfassungsrechtliche „Veredelung“ von Unionsrecht und EMRK zu einer noch weiter gehenden Durchdringung des nationalen Rechts durch europäische Vorgaben bei.

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Von der (Neu-)Austarierung von Legalitätsprinzip und Vertrauensschutz bei der Rücknahme von Verwaltungsakten über die Entmaterialisierung und Prozeduralisierung des Verwaltungsrechts, die Rekonstruktion der Daseinsvorsorge (service public) und des Staatshaftungsrechts bis zu teilweise erheblichen Modifikationen der nationalen Verwaltungsorganisation und des Verwaltungsprozessrechts – die Europäisierung hat substantiell zu einer Homogenisierung der Verwaltungsrechtsordnungen in Europa beigetragen. Diese Entwicklung dauert an.

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Obwohl die Europäisierung das nationale Verwaltungsrecht zu Anpassungen und Veränderungen zwingt und deshalb zunächst meist Abwehrreflexe in den betroffenen Verwaltungsrechtsordnungen auslöst, wird ihr Innovationspotential mit einem gewissen Abstand doch überwiegend anerkannt.[45] Ein wenig überraschend wirkt dabei, dass die der Europäisierung geschuldeten Anpassungen und Veränderungen kaum als grundlegende Systemverschiebung empfunden, sondern Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Rezeptionsoffenheit des eigenen Verwaltungsrechts betont werden.[46]

bb) Internationalisierung

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Die Internationalisierung und die mit ihr verbundenen Trends der Ökonomisierung und Privatisierung verstärken angesichts der fortgeschrittenen Liberalisierung des Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs den Wettbewerb der (Verwaltungs-)Rechtsordnungen; sie erfordern eine intensivierte globale Kommunikation und zwingen die einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen über die Idee der „best practice“ jedenfalls faktisch zu Anpassungen. Pars pro toto sei insoweit das im Gefolge der Privatisierungen nach 1989/1990 entstandene Regulierungsverwaltungsrecht genannt, das typischerweise durch mehr oder weniger unabhängige Agenturen vollzogen wird, die (vorübergehende) Konjunktur Öffentlich Privater Partnerschaften u.a.m.

4. Ein gemeineuropäisches Verwaltungsrecht im Werden

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Internationalisierung, Ökonomisierung und Privatisierung sowie vor allem die europäische Integration haben so vor allem seit der Zeitenwende der Jahre 1989/1990 zu unübersehbaren Konvergenzen in den Verwaltungsrechtsordnungen des europäischen Rechtsraums geführt. Diese rechtfertigen es, bei allen verbleibenden und teilweise neu akzentuierten Differenzen, von der Existenz eines gemeineuropäischen Verwaltungsrechts zu sprechen, das sich insbesondere drei Herausforderungen gegenüber sieht: der Notwendigkeit, eine möglichst gute Erfüllung der Verwaltungsaufgaben sicherzustellen, der Gewährleistung einer hinreichenden Rückbindung der Verwaltungstätigkeit an den Willen des Wählers, d.h. der politischen Mehrheit, sowie der Sicherung eines wirkungsvollen Schutzes des Bürgers gegenüber dem Verwaltungshandeln.

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Dieses gemeineuropäische Verwaltungsrecht kann als ein allen Staaten des europäischen Rechtsraums gemeinsamer Bestand an Prinzipien verstanden werden (dazu unter III.), der die Grundlagen der Verwaltung (dazu unter IV.) ebenso prägt wie ihre Instrumente und Verfahren (dazu unter V.) und der seine maßgeblichen Bezugspunkte in der demokratischen Legitimation und Kontrolle des Verwaltungshandelns (dazu unter VI.) sowie in der rechtsstaatlich geforderten Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Verwaltung (dazu unter VII.) findet. Dies sind zugleich die Orientierungspunkte für eine an den Belangen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtete „gute Verwaltung“ (dazu unter VIII.).

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › III. Prinzipien des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum

III. Prinzipien des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum

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Betrachtet man die Prinzipien und Grundsätze, die die europäischen Verwaltungsrechtsordnungen prägen, so variiert ihre Konkretisierung im Detail zwar durchaus. Umfang und Bestand dieser Prinzipien weisen – nach über 60 Jahren europäischer Integration und einer umfangreichen Spruchtätigkeit von Europäischem Gerichtshof und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte nicht ganz überraschend – jedoch ein hohes Maß an Homogenität auf. Insofern lassen sich die nationalen Prinzipien des Verwaltungsrechts weitgehend bruchlos mit den Vorgaben aus Art. 4 und 6 EUV sowie Art. 6 und 13 EMRK vereinbaren.

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In einem konkreteren Sinne sind es vor allem das Legalitätsprinzip (dazu unter 1.), die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (dazu unter 2.), der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu unter 3.) und der Gleichheitssatz (dazu unter 4.), die als allgemein anerkannt gelten können. Alle nationalen Verwaltungsrechtsordnungen sichern die Kontrolle der Verwaltung darüber hinaus nicht nur, aber vor allem durch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (dazu unter 5.).[47] Weiter gehende Prinzipien und Grundsätze haben sich bislang jedenfalls nicht europaweit etablieren können (dazu unter 6.).

1. Legalitätsprinzip

a) Grundlagen

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Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, insbesondere ihre Ausprägung im Vorrang des Gesetzes,[48] dem Legalitätsprinzip (principe de légalité ou juridicité), ist der überragende Grundsatz des Verwaltungsrechts in allen europäischen Verwaltungsrechtsordnungen. Sie ist – je nach Akzent – eine Konkretisierung des Rechtsstaats- wie des Demokratieprinzips, die den Primat des Parlaments gegenüber der Verwaltung absichert, oder die Kompensation für die besonderen Befugnisse und Vorrechte der Verwaltung.[49]

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Weil die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht nur die demokratische Mehrheitsherrschaft absichert, sondern auch die Gleichheit aller vor dem Gesetz garantiert, ist es problematisch, der Verwaltung eine Disposition über das Legalitätsprinzip zu gestatten. Das schließt Kollisionen des Legalitätsprinzips mit anderen Prinzipien vergleichbaren Ranges nicht aus. Alle Verwaltungsrechtsordnungen – die unionale eingeschlossen – gestatten etwa im Interesse des Vertrauensschutzes eine begrenzte Relativierung des Legalitätsprinzips. Eine Regelung wie der deutsche § 48 Abs. 1 VwVfG, die es der Verwaltung ermöglicht, Verstöße gegen das Legali- tätsprinzip auch aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen aufrecht zu erhalten, ist im europäischen Vergleich hingegen ein problematischer Sonderfall.

b) Haftung

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Dem Legalitätsprinzip wird – soweit ein solcher nicht, spezifischer, aus den betroffenen (Grund-)Rechten abgeleitet wird[50] – seit geraumer Zeit auch der Grundsatz entnommen, dass die öffentliche Verwaltung durch sie verursachte Schäden zu ersetzen hat. Die (Weiter-)Entwicklung des Legalitätsprinzips geht insoweit „einher mit der zunehmenden Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung“.[51]

2. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz

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Die Verlässlichkeit des Rechts ist Grundbedingung einer rechtsstaatlichen Ordnung.[52] Ob das Prinzip der Rechtssicherheit und der aus ihm resultierende Grundsatz des Vertrauensschutzes vor diesem Hintergrund aus dem Rechtsstaatsprinzip oder einzelnen Grundrechten abgeleitet werden, ob sie kodifiziert sind oder auf Richterrecht beruhen – sie sind allen Verwaltungsrechtsordnungen Europas gemeinsam,[53] das Verwaltungsrecht der Europäischen Union selbst eingeschlossen.[54]

3. Verhältnismäßigkeit

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Klassisch rechtsstaatlicher Provenienz ist das von Peter Lerche aus dem Polizeirecht destillierte Übermaßverbot[55] bzw. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er zielt mit den Kriterien der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit auf die Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit[56] und gilt längst nicht mehr nur beim Vollzug von Gesetzen, sondern hat – zunächst in Deutschland – das gesamte öffentliche Recht durchdrungen. Im Laufe der Zeit ist er sowohl vom Recht der Europäischen Union[57] als auch von vielen nationalen Verwaltungsrechtsordnungen rezipiert worden, wenn auch zumeist in einer weniger ausdifferenzierten Form.[58]

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Die Verankerung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – als eigenständiges Prinzip, als Teil des Rechtsstaatsprinzips oder Ausfluss der jeweils betroffenen Grundrechtsverbürgung – changiert zwischen den einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen. Das kann für seine Entfaltung im Einzelfall erhebliche Konsequenzen haben. Denn nur in der Relation zu einem konkret betroffenen Schutzgut lassen sich insbesondere die Kriterien der Erforderlichkeit und der Angemessenheit mit einem eigenständigen rationalen Gewicht versehen.[59]

4. Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität

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Eine verwaltungsrechtliche Konsequenz des vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entfalteten Sozialstaats sind die Prinzipien der Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Zwar variiert ihre Bezeichnung in den einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen. Für die Ausgestaltung von Leistungsverwaltung und Daseinsvorsorge (service public) sind sie jedoch ebenso prägend wie für die Rechtsstellung des Einzelnen gegenüber der Verwaltung.[60]

5. Kontrolle der Verwaltung

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Im demokratischen Rechtsstaat gehört die gegenseitige Kontrolle der Gewalten, ein System von checks and balances, zum unverzichtbaren institutionellen Design. Das gilt auch für die Verwaltung, die zum einen der Kontrolle von Regierung und Parlament unterliegt, zum anderen der Kontrolle durch die Gerichte. Diese hat sich – trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen – als wesentliche Triebfeder für die Entwicklung des Verwaltungsrechts erwiesen. In Deutschland gilt das schon für das Preußische Oberverwaltungsgericht, seit den 1950er-Jahren für Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht, die vor allem die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG als formelles Hauptgrundrecht bis in das Verwaltungsverfahrensrecht hinein entfaltet haben, in Frankreich für die maßstabssetzende Rechtsprechungstätigkeit des Conseil d'État.[61]

6. Sonstige Prinzipien und Grundsätze

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In einzelnen europäischen Verwaltungsrechtsordnungen lassen sich darüber hinaus weitere Prinzipien identifizieren.[62] Auch wenn sie teilweise im Unionsoder sogar im Völkerrecht Niederschlag gefunden haben, so ist es doch (noch) nicht möglich, sie auch als den europäischen Rechtsraum in seiner Gesamtheit prägende Grundsätze des Verwaltungsrechts zu qualifizieren. So findet etwa das aus dem deutschen Umweltrecht stammende Vorsorgeprinzip zwar „Nachbilder“ im unionalen[63] und amerikanischen Recht (precautionary principle); im Verwaltungsrecht der anderen Mitgliedstaaten ist es jedoch kaum präsent. Auch das aus der deutschen Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts entlehnte Prinzip der Nachhaltigkeit, das „zu einer Intensivierung integrativer, finaler und prozeduraler Ansätze“ sowie zu einem Bedeutungszuwachs planerischer Elemente führen kann[64] und in der Schweiz sogar in die Verfassung übernommen worden ist (Art. 2 Abs. 2 BV),[65] ist in der Mehrzahl der europäischen Verwaltungsrechtsordnungen nicht nachweisbar. Das in Italien mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzip des „buon andamento“ – d.h. die Verpflichtung der Verwaltung auf das Legalitätsprinzip, Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Unparteilichkeit, ein gerechtes Verfahren, Sachlichkeit, eine ausreichende Sachverhaltsermittlung sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz[66] – findet zwar gewisse Parallelen in dem in Art. 41 GRCh verbrieften Recht auf gute Verwaltung. Nur wenige Verwaltungsrechtsordnungen kennen jedoch ein vergleichbar umfassendes und daher notgedrungen auch etwas diffus bleibendes Rechtsprinzip.

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › IV. Grundlagen der Verwaltung

IV. Grundlagen der Verwaltung

1. Eigenständigkeit der Verwaltung

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Die öffentliche Verwaltung ist als Teil der Exekutive eine eigenständige, demokratisch legitimierte Staatsgewalt bzw. ein Teil davon. Ihre Hauptaufgabe ist der Vollzug von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen. Darüber hinaus verfügt sie – abhängig von ihrer Stellung im jeweiligen nationalen Institutionengefüge – meist auch über einen Bereich bzw. unentziehbaren Kern exekutivischer Eigenverantwortung sowie über Gestaltungs-, Einschätzungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielräume.

a) Die Verwaltung zwischen Gesetzesvollziehung und Gestaltung

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Idealtypisch kann zwischen den Leitbildern einer eher gesetzesvollziehenden (dazu unter aa) und einer eher autonom gestaltenden (dazu unter bb) Verwaltung unterschieden werden, die sich in ihrer konkreten Ausgestaltung allerdings erkennbar annähern (dazu unter cc).

aa) Typus der gesetzesvollziehenden Verwaltung

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Zum Typus der eher gesetzesvollziehenden Verwaltung gehören u.a. die deutsche, griechische, italienische und österreichische Verwaltungsrechtsordnung. Sie folgen dem Leitbild einer eng an das Parlament angebundenen, gesetzlich stark determinierten Verwaltung, was Beurteilungs- und Ermessensspielräume der Verwaltung allerdings nicht ausschließt. Wesentliche Grundlage für die Entwicklung dieses Verwaltungsleitbildes war, dass – entsprechend der auf das 19. Jahrhundert zurück gehenden Konzeption des liberalen Rechtsstaats – Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger einer gesetzlichen Grundlage bedurften bzw. nach wie vor bedürfen („Vorbehalt des Gesetzes“, „riserva di legge“).[67] Ein Totalvorbehalt des Gesetzes ist damit nur in wenigen Verwaltungsrechtsordnungen verbunden;[68] in der Regel ist auch in den Verwaltungsrechtsordnungen, die dem Leitbild einer gesetzesvollziehenden Verwaltung verpflichtet sind, eine eigenständige Rechtsetzung der Verwaltung, eine gesetzesfreie Verwaltung[69] und eine privatwirtschaftliche Tätigkeit der Verwaltung in mehr oder weniger engen Grenzen zulässig.

bb) Typus der autonom gestaltenden Verwaltung

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In gewisser Weise den Gegenpol zu diesem Konzept bildet das französische Verwaltungsrecht, wie es sich im Gefolge der Revolution herausgebildet hat. In dieser spezifisch französischen Konzeption der Gewaltenteilung erscheint die mit Vorrechten und Privilegien, d.h. Befugnissen zu einseitigem Handeln ausgestattete Verwaltung als Trägerin der puissance public und des service public.[70] Sie wird als Staatsfunktion (puissance administratif) mit einem eigenständigen Gestaltungsauftrag begriffen, dem substantielle Handlungsspielräume verbleiben müssen (siehe z.B. Art. 34 und 37 CF). Auch Großbritannien und Schweden können der Kategorie von Verwaltungsrechtsordnungen mit einer autonom gestaltenden Verwaltung zugerechnet werden.[71]

cc) Konvergenztendenzen

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Konvergenztendenzen sind freilich auch hier unverkennbar. So macht die enge Anbindung an Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung (z.B. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) wenig Sinn, wenn die materiellen Entscheidungen auf Ebene der Europäischen Union bereits getroffen sind, was in den Verwaltungsrechtsordnungen mit einer idealtypisch eher gesetzesvollziehenden Verwaltung zu einer gewissen Lockerung der strikten Gesetzesbindung geführt hat.

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Einen Versuch, der Verwaltung eine größere Eigenständigkeit zu verschaffen und ihren Gestaltungsauftrag zu betonen, stellt auch die in Deutschland entwickelte sogenannte Neue Verwaltungsrechtswissenschaft dar, die das traditionell rechtsstaatlich fixierte Verwaltungsrecht um eine steuerungsorientierte, an der Effektivität der Aufgabenerfüllung orientierte Dimension ergänzen will.[72] Dies gelingt freilich ebenfalls nur um den Preis einer Lockerung der rechtsstaatlichen Determinierung des Verwaltungshandelns und einer Reduzierung des Rechtsschutzes – etwa gegenüber der Informationstätigkeit der Verwaltung.[73]

b) Rechtsetzung

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Auch im gewaltenteiligen Rechtsstaat ist die Verwaltung an der Rechtsetzung beteiligt: durch die Vorbereitung der parlamentarischen Rechtsetzung (dazu unter aa) sowie durch eigene Rechtsetzung (dazu unter bb).

aa) Mitwirkung der Verwaltung an der parlamentarischen Rechtsetzung

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Von kaum zu überschätzender Bedeutung ist die Beteiligung der öffentlichen Verwaltung an der parlamentarischen Rechtsetzung, die Vorbereitung von Gesetzentwürfen der Regierung oder auch der die Regierung tragenden Fraktionen. In Frankreich findet dies in der – in den vergangenen Jahren noch ausgebauten (Art. 39 Abs. 5 CF) – beratenden Rolle des Conseil d’État sogar institutionellen Ausdruck.[74] Angesichts der, verglichen mit dem Parlament, weit überlegenen personellen und sachlichen Ressourcen der Verwaltung ist die Vorbereitung der Gesetzgebung durch sie eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass die parlamentarische Rechtsetzung de facto weitgehend durch die Exekutive bestimmt wird.[75]

bb) Rechtsetzung durch die Verwaltung

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In allen Verwaltungsrechtsordnungen Europas ist die öffentliche Verwaltung auch selbst zur Rechtsetzung berufen.[76] Den Spielraum, den sie dabei genießt, stecken die einzelnen Verfassungen allerdings sehr unterschiedlich ab.

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In Deutschland und Österreich ist die Verwaltung beim Erlass von Rechtsverordnungen weitgehend auf die Ausfüllung gesetzlicher Ermächtigungen beschränkt (Art. 80 Abs. 1 GG; Art. 18 Abs. 2 B-VG); ein selbständiges Verordnungsrecht ist ihr grundsätzlich verwehrt. Vergleichbares gilt für Griechenland und Italien (Art. 76f. Cost.).[77] Etwas größer ist der Spielraum der Verwaltung, wenn sie durch Satzungen und (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften in einer abstrakt-generellen Weise rechtsetzend tätig wird.[78]

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Frankreich, Portugal und Spanien räumen der Rechtsetzung durch die Exekutive hingegen einen erheblich größeren Raum ein. In Frankreich kann die Exekutive nicht nur Verordnungen zur Durchführung von Gesetzen erlassen (règlements d’exécution des lois), sondern auch autonome Verordnungen (règlements autonomes). Sie besitzt dabei ein – im Einzelfall zu ermittelndes – Rechtsetzungsermessen.[79] Der Erlass abstrakt-genereller Regelungen (règlements administratifs) ist Teil der puissance publique.[80] Die portugiesische Verfassung teilt die Gesetzgebungskompetenz gar zwischen der Assembleia da República und der Regierung auf,[81] während die Verwaltung in Großbritannien grundsätzlich selbst darüber entscheiden kann, ob sie Einzelfallbestimmungen oder allgemeine Regelungen (Verwaltungsvorschriften) erlässt.[82]

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