Kitabı oku: «Magie am Hof der Herzöge von Burgund», sayfa 7

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2.3.2. Die Mitglieder der Kommission und ihr Umfeld

Die Personen, die auf Seiten der Verhörenden mit dem Prozess in Verbindung standen, sind der Bischof von Cambrai, Innocenz de Crecy, Enguerrand Signard, Girard Vurry und die erwähnten Seigneurs de Fourmelles und de Contay sowie Guillaume de Clugny, der Archidiakon von Avallon. Hinzu kommt der burgundische Sekretär Jean Gros, der den Prozess begleitend protokollierte und später die Abschriften verfasste.

Wie aus dem Aktenmaterial zu erschließen ist und erläutert wurde, leitete der Bischof von Cambrai, Johann von Burgund, das Untersuchungsverfahren in dem Processus contra dominum de Stampis auf Anweisung des Grafen von Charolais hinein. Dieser aus dem Haus Burgund stammende Bischof wurde im Jahre 1404 als illegitimer Sohn Herzog Johanns Ohnefurcht und Agnes de Croÿ und damit als Halbbruder Herzog Philipps des Guten geboren. Philipp der Gute förderte seinen Halbbruder bei einer kirchlichen Laufbahn, im Laufe derer Johann am 11. Mai 1439 zum Bischof von Cambrai ernannt und am 5. Mai 1440 in Hesdin geweiht wurde. Die Widerstände des Kapitels von Cambrai und die Bedenken Papst Eugens IV. gegenüber dem noch sehr jungen Kandidaten wurden durch das energische Vorgehen Herzog Philipps in dieser Angelegenheit aus der Welt geräumt.254 Johann von Burgund war seinem Bischofsstuhl allerdings kein sehr pflichtschuldiger Amtsinhaber, hielt er sich doch bevorzugt in Brüssel, Antwerpen oder Mechelen auf oder war am burgundischen Hof anwesend. Der Stadt Cambrai selbst stattete er erst zwei Jahre nach seiner Weihe den ersten Besuch ab. Am burgundischen Hof war er jedoch durchaus angesehen. Er erhielt sogar die ehrenvolle Aufgabe, Maria von Burgund zu taufen.255 Mehr von sich reden machte der Bischof jedoch durch die zahlreichen Kinder, die er nach seinem Tode 1480 hinterließ.256

Innocenz de Crecy spielte nur eine untergeordnete Rolle im Verlauf des Prozesses. Als Lizentiat en decret, Rat und aulmosnier des Grafen von Charolais wurde er von diesem mit den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Informationen zu Johann von Burgund, Bischof von Cambrai, geschickt, um eine Untersuchung seitens der Kirche einzuleiten.257 In das weitere Prozessgeschehen war er nicht mehr eingebunden.

Als einer der beiden Empfänger der bischöflichen Briefe war Enguerrand Signard von Beginn an mit den Untersuchungen zu den Vorfällen betraut; er war zudem Vorsitzender der Kommission, die den Verdächtigen Jean de Bruyère verhörte. Als Doktor der Theologie und Dominikaner war er zu diesem Zeitpunkt auch Beichtvater Karls von Burgund und kann damit als einer der engsten Vertrauten des Grafen von Charolais bezeichnet werden. Zudem war er Bischof von Salubrie258 und Abt von Altimontis in der Diözese Cambrai. Später wurde er mit dem Bistum der Stadt Auxerre betraut.259

Der zweite vom Bischof von Cambrai angeschriebene Kommissar, Girard Vurry, Doktor beider Rechte, stammte aus der Freigrafschaft Burgund und ist bereits seit 1461 in den Diensten des Grafen von Charolais belegt. Girard Vurry hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine Karriere als Mitglied des Parlamentes von Beaune und des Parlamentes von Dôle hinter sich. In dieser Zeit wurde er auch maître de requêtes (Bittschriftenmeister).260 Nach der Übernahme der Herrschaft durch Karl den Kühnen wurde Girard Vurry von jenem zum Präsidenten des Rates von Luxemburg ernannt. In der Forschung ist er besonders durch eine prominente Stelle in der Chronistik bekannt: Vurry war derjenige von Karls Unterstützern, der 1460 vor Herzog Philipp Karls Argumente gegen die Croÿ vortragen sollte, diese Rede aber durch die Mahnung und Androhung des Herzogs, nur Beweisbares vorzutragen, abbrach, sodass der Graf von Charolais selbst bei seinem Vater seine Vorbehalte gegen die Croÿ vorbringen musste.261 Während der Guerre du Bien Public erfüllte er die Aufgabe, als Agent Karls die Verbindung mit dem herzoglichen Rat aufrechtzuerhalten. Auch in den 1470er Jahren bis kurz vor seinen Tod 1475 fand man den Geistlichen immer wieder im Rahmen von diplomatischen Missionen und Gesandtschaften für den Herzog von Burgund.262

Jean de Rosimbos, Seigneur de Fourmelles,263 ist bereits in den 1430er Jahren am Hof der Herzogin Isabella als écuyant tranchant zu finden. 1456 wechselt er an den ersten eigenständigen Hofstaat des Grafen von Charolais, wo er seine Karriere zum Rat und Kammerherrn des Grafen und späteren Herzogs fortsetzte.264

Mit ihm in die Kommission berufen wurde auch Guillaume le Jeune.265 Über seine Ausbildung ist nichts bekannt; aber er wird neben Guillaume de Clugny und Jean Gros als einer der Spezialisten für Finanzen und Recht am Hof Karls genannt. Schon 1456 fand er sich im ersten Hofstaat Karls als dessen Hofmeister. Vor dieser Zeit wird der Seigneur de Contay bereits hinter Jean, Seigneur d’Auxy, dem weltlichen Erzieher des Grafen, in den Écroes der Herzogin genannt.266

Mit der Berufung von Guillaume de Clugny wurde eine weitere bedeutende Persönlichkeit der Kommission hinzugefügt, deren aus Autun stammende Familie bereits unter Philipp dem Guten mehrere herzogliche Beamte stellte.267 Der Lizentiat des Rechtes, seit 1454 Archidiakon von Avallon, wurde 1458 als Rat und maître des requêtes an das hôtel des Herzogs von Burgund gerufen und trug den Titel eines Pronotars des Heiligen Stuhls. Möglicherweise im Auftrag des Herzogs war er am Hof des Grafen von Étampes maître des requêtes, was BARTIER als seine erste Beschäftigung im Umfeld des burgundischen Hofs angibt. Dort soll er aber »aufgrund seiner Missetaten«268 vom Hof ausgeschlossen worden sein. Sein Wechsel an den Hof des Grafen von Charolais wurde in der burgundischen Chronistik 1464 als einer der Streitpunkte Karls mit seinem Vater, dem Herzog von Burgund, erwähnt.269 Auch in Holland, insbesondere in Haarlem und Leiden hat Clugny als Interessenvertreter des Grafen von Charolais eine sehr wichtige Rolle gespielt.270 1465 wurde er im Auftrag Karls von Burgund nach England geschickt, um dort eine Allianz gegen Frankreich zu schmieden. Durch den Tod der zweiten Ehefrau Karls, Isabellas von Bourbon, während Guillaumes Aufenthaltes in England, kam ihm die Aufgabe zu, erste Möglichkeiten zur Heirat des Grafen mit Marguerite, der Schwester König Edwards IV. von England, zu sondieren. Auch in den weiteren Jahren machte der Geistliche sowohl in der Kirche als auch im Dienste Karls des Kühnen Karriere. Er wurde in den Großen Rat berufen und wurde erster maître des requêtes von Karls hôtel. Seit 1470 war er tresorier (Schatzmeister) des Ordens vom Goldenen Vlies. Nach dem Tod des letzten Herzogs von Burgund wechselte er in den Dienst Ludwigs XI., an dessen Hof er seine Karriere weiter verfolgen konnte. Dies gipfelte in der Erlangung des Bischofssitzes von Poitiers (1477).271

Der Schreiber der Prozessakten war Jean III. Gros, secretaire de monseigneur le duc de Bourgougne et de monseigneur de Charrolois.272 Der Burgunder war Sohn Jeans I. Gros, der clerc juré bzw. Sekretär des Bürgermeisters von Dijon und später procureur derselben Stadt gewesen war. Jean III. Gros begann seine Karriere 1451 als Kleriker bei seinem Bruder,273 er soll aber auch Sekretär von Guillaume de Clugny gewesen sein, bevor er 1456 als audencier in den Dienst des Grafen von Charolais trat.274 1468 wurde er Sekretär und Kontrolleur der Finanzen des Herzogs, behielt dabei aber auch das Amt des audienciers bis 1477 bei. Unter Maximilian I. erlangte er das Amt des trésorier im Ordens vom Goldenen Vlies, bis er sich 1483 Ludwig XI. anschloss und höchster Greffier des Parlamentes in der Grafschaft Burgund wurde.275

Die hier skizzierten geistlichen und weltlichen Mitglieder der Untersuchungskommission für den Fall Jean de Bruyères bzw. Johanns von Burgund verbindet die Tatsache, dass sie aus dem engeren Umfeld des Grafen von Charolais oder des burgundischen Hofs stammten. Alle waren auch in späteren Jahren noch im Dienste des Grafen und späteren Herzogs Karl. Wir finden mit dem Beichtvater Karls, Enguerrand Signard, eine Person, die aufs Engste mit dem Grafen vertraut war, mit Guillaume de Clugny eine Person, dessen Familie bereits durch verschiedene Mitglieder mit dem Hof von Burgund verbunden war, und auch die übrigen Personen nahmen unter Karl dem Kühnen hohe bis herausragende Positionen an dessen Hof ein. Diese bereits in dieser Zeit den späteren Herzog unterstützenden Männer waren es auch, die Karl in den folgenden Jahren im Zuge seiner Machtsicherung halfen. Es fällt zudem auf, dass mit Gilles Carlier ein in der Diözese Cambrai für Zaubereifälle ausgewiesener Experte bei der Zusammensetzung der Untersuchungskommission nicht berücksichtigt wurde. Dies lässt erahnen, dass sich die Interessen Karls in dem Prozessgeschehen wider-spiegeln.276 Indem er aber die Verantwortung für den Prozess in die Hände und die Verantwortung des kirchlichen Gerichtes legte, demonstrierte er seinen Willen, die Verfolgung dieser Angelegenheit den zuständigen Stellen zu überlassen. Insbesondere die juristisch ausgebildeten Personen müssen hier als Vertreter ihrer Profession wahrgenommen werden. Die Ergebnisse des Prozesses, die das weitere Vorgehen gegen den Grafen bestimmen würden, sollten offenbar so belastbar wie möglich sein.277 Die bewusste Zusammenstellung der Kommission mit Vertrauten des Grafen von Charolais und seine Anwesenheit während der Untersuchungen in Le Quesnoy278 deuten allerdings auch darauf hin, dass sich Karl bereits zu diesem Zeitpunkt der politischen Dimension der Magievorwürfe bewusst und er gewillt war, das Verfahren zu begleiten.

2.3.3. Der Mann im Hintergrund: Karl von Burgund, Graf von Charolais

Die Prozessmaterialien und Briefe zeigen, dass der erste Anstoß zu den Untersuchungen durch Gerüchte gegeben wurde und dass Karl der Kühne, damals noch Graf von Charolais, eine Verfolgung dieser Affäre anstrebte, nachdem er von den Anschuldigungen gegen verschiedene Personen gehört hatte. Zwar übergab er die Angelegenheit durchaus folgerichtig dem Bischof von Cambrai, dessen kirchliches Gericht auch für das in der Diözese von Cambrai liegende Brüssel zuständig war und mit dem es seitens des Brüsseler Schöffengerichtes eine lange währende Zusammenarbeit gab, die Interventionen des Grafen sind aber in mehreren Punkten deutlich zu erkennen. Auch die mit der ersten Eruierung betrauten Personen und die Mitglieder der späteren Untersuchungskommission stammten allesamt aus dem engsten Umfeld des Grafen von Charolais.279 Zusätzlich wurde mit Le Quesnoy ein Ort ausgewählt, der für den Grafen von Charolais eine Machtbasis darstellte und an dem sich der Graf häufig aufhielt, wie van der Linden nachwies.280 Der Graf war persönlich während der Befragungen Jean de Bruyères in Le Quesnoy anwesend und mindestens einmal ist ein Kontakt zu dem Verhörten auf dessen eigenen Wunsch belegt, der über den archer de corps281 des Grafen zustande kam. Diese Unterredung fand auf Anraten und in Anwesenheit des Beichtvaters Karls und Kommissars der Untersuchungskommission, Enguerrand Signard, statt.282

Karls Abreise aus Le Quesnoy zu Philipp dem Guten ist direkt nach der Beendigung der Befragungen in den Prozessakten vermerkt.283 Wenngleich der Graf von Charolais also die Untersuchungen der Gerüchte um magische Praktiken, die gegen ihn gerichtet waren, an die kirchlichen Instanzen abgab, hatte er während aller Entwicklungsschritte von der Einrichtung der Untersuchungskommission bis zum Prozess selbst die Möglichkeit, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen. Der Graf von Charolais spielte also beim Zustandekommen der Untersuchungen eine maßgebliche Rolle, zumal die verdächtigen Handlungen, wie Gerüchte vermuten ließen und durch die Befragungen bestätigt wurde, auch gegen ihn persönlich gerichtet waren. Als hauptsächlich Geschädigter soll daher im Folgenden Karls Zeit als Graf von Charolais in groben Strichen skizziert werden. Da die Affäre um den Grafen von Étampes in die konfliktreiche Zeit der Jahre 1463 bis 1467, dem Jahr des Todes Herzog Philipps, hineinreichte, diese aber in einigen wichtigen Details an späterer Stelle noch eingehender betrachtet wird, soll für diese Jahre auf das dritte Kapitel, die Folgen des Processus contra dominum de Stampis, verwiesen werden.

Karl wurde am 10. November 1433 als dritter Sohn Herzog Philipps des Guten und Isabellas von Portugal, der dritten Frau Philipps, in Dijon geboren.284 Durch den frühen Tod der beiden Brüder noch vor der Geburt Karls erhielt der Sohn von Geburt an gemäß der Tradition den Titel des Grafen von Charolais. Er war damit einziger Erbe des Herzogtums Burgund. Der Tatsache, dass die Geschwister Karls jeweils wenige Monate nach ihrer Geburt verstarben, ist es wohl geschuldet, dass Karl noch am Tag seiner Geburt getauft wurde. Der Cousin Philipps des Guten, Karl von Nevers, war sein Namensgeber und neben Antoine de Croÿ und Jeanne de le Trémouille, Dame von Rochefort, sein Taufpate.285 Wenige Wochen nach seiner Geburt wurde er bereits in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen.286 Karl verbrachte seine Kindheit hauptsächlich bei seiner Mutter Isabella von Portugal, mit der er sich zumeist in den burgundischen Niederlanden aufhielt. Als burgundischer Erbe nahm er von Beginn an bei offiziellen Veranstaltungen wie den oftmals prunkvollen und feierlichen Einzügen in die Städte, an Vliesordens-Kapitelfesten oder sonstigen Feierlichkeiten teil, bei denen er als herzoglicher Sohn und Erbe präsentiert wurde. Längere Aufenthalte bei seinem Vater, Herzog Philipp, und Reisen mit diesem sind erst ab ca. 1450 nachzuweisen.287 Der junge Graf von Charolais erhielt die umfassende Ausbildung eines Prinzen, die ab seinem siebten Lebensjahr in die Hände zweier Angehöriger des burgundischen Hofes gelegt wurde. Der Herzog stellte seinem Sohn Antoine Haneron als Erzieher und Lehrer an die Seite, während der ritterliche Part der Ausbildung Jean d’Auxy anvertraut wurde, einem Mann, der zu dieser Zeit bereits Karriere am burgundischen Hof gemacht hatte und so mit den höfischritterlichen Gepflogenheiten bestens vertraut gewesen war.288 Er bildete Karl im Bogenschießen, Reiten, Jagen und als Tänzer aus und war bis 1468 sein erster Kammerherr. Der Graf von Charolais galt als Liebhaber antiker Autoren und besaß neben ein wenig Latein auch genügend Sprachkenntnisse in Portugiesisch, Flämisch, Englisch und Italienisch, um sich in kurzen Reden oder Briefen in diesen Sprachen verständlich zu machen; Kenntnisse, die ihm bei seiner späteren Regierungszeit in dem multilingualen Burgund von Nutzen gewesen sein dürften.289 Einen eigenen Haushalt erhielt Karl erst 1456; bis dahin war er dem Haushalt seiner Mutter angegliedert. Die Untersuchungen der überlieferten Écroes Isabellas und später auch derer Karls selbst belegen eine Kindheit und Jugend, die ganz in das soziale Umfeld des Hofes eingebettet war. Der Herzogsohn hatte demnach insbesondere mit Verwandten und anderen adeligen Angehörigen des Hofes zu tun. Besondere Bezugspersonen waren eine Gruppe junger Adeliger, die sich – im Gegensatz z.B. zu seinen Halbgeschwistern oder Cousins – in seinem Alter befanden. Zu dieser Gruppe gehörten Jean de la Trémouille, Philippe de Croÿ, Guy de Brimeu, Charles de Ternant, Philippe de Crèvecœur und Philippe de Wavrin, die auch in späteren Jahre enge Bindungen zu Karl hatten, wenngleich diese nicht immer konfliktfrei verliefen.290 Vor der Herauslösung seines eigenes Hofstaates sind besonders die frühen 1450er Jahre in der Entwicklung Karls hervorzuheben, denn hier vollzog sich sein Übertritt in die Welt der Erwachsenen, wobei seine erste Turnierteilnahme und der Ritterschlag anlässlich des Genter Kriegs wichtige Etappen der rite de passage waren. Zudem sind für diese Zeit auch sein eigenständiges Auftreten im Bereich der Frömmigkeit und Almosenpraxis wie auch seine erste Statthalterschaft zu erwähnen.291 Gleichwohl erlangte der Graf erst spät Eigenständigkeit in politischen Angelegenheiten,292 denn obgleich er repräsentative Aufgaben übernehmen durfte, hielt ihn Philipp der Gute lange von zu großer Macht fern. Auch die Einsetzung Karls als Generalstatthalter für die Niederen Lande während der Reise des Herzogs zum Reichstag nach Regensburg (1454) brachte keine Entwicklung in dieser Frage. Seit etwa 1457 versuchte der Graf von Charolais daher selbst, seinen Einfluss in den burgundischen Ländern zu vergrößern, was ihm besonders in Holland und der Grafschaft Hennegau gelang.293 Die aufgrund der Machtfrage aufkommenden Zwistigkeiten zwischen dem Herzog und seinem Sohn können dabei als klassischer Generationenkonflikt beschrieben werden. Dieser entzündete sich unter anderem an der Tatsache, dass Karl einen größeren Einfluss im Herzogtum anstrebte, als der Vater ihm zu seinen Lebzeiten zugestehen wollte. Erst die im Zuge des Guerre du Bien Public und des sich verschlechternden Gesundheitszustandes seines Vaters ausgesprochene Anerkennung des Grafen von Charolais als offiziellem burgundischen Erben durch die Generalstände der Niederen Lande am 27. April 1465 brachten für Karl den lange ersehnten Fortschritt in dieser Angelegenheit.294

Karl, der unter dem Einfluss seiner Mutter und deren Beratern stand, versuchte schon früh, sich in seinem Verhalten von seinem Vater abzugrenzen. Die starke Identifikation mit seiner Mutter führte mehrfach zu Konflikten zwischen der französischen Partei am burgundischen Hof und Isabellas Partei. Der junge Graf begab sich früh in Opposition zu der Frankreich-freundlichen Politik seines Vaters, mit der dieser seit 1461 Ludwig XI. zunächst gegenübertrat. Dass der König zeitgleich versuchte, den burgundischen Einfluss einzudämmen und den französischen Machtbereich zu vergrößern, stand dem Interesse des selbst nach mehr Macht strebenden Grafen von Charolais gegenüber. Die bereits sichtbaren Unterschiede im Auftreten Ludwigs und Karls, der hier wiederum stark in der burgundischen Tradition stand, vergrößerten sich später während der Regentschaft Herzog Karls weiter.295 Der im Zuge der Politik des Vaters entwickelte Argwohn des Grafen von Charolais gegen die Mitglieder der französische Partei richtete sich besonders gegen die Familie Croÿ, die seiner Meinung nach einen zu großen Einfluss auf den alternden Herzog hatte. Diese, allen voran Antoine le Croÿ, wurde sowohl in Burgund als auch von Seiten des französischen Königs mit Ämtern und Ländereien bedacht und hatte auf Herzog Philipp großen Einfluss, den sie besonders hinsichtlich einer pro-französischen Politik des Herzogs zu nutzen versuchte.296 Beispielhaft für den sich an dieser Familie entzündenden Konflikt steht der eskalierende Streit zwischen Philipp und Karl anlässlich der Einsetzung eines neuen dritten Kammerherrn für Karl. Da dieser im Einvernehmen mit seiner Mutter Antoine Rolin, einen Sohn des bekannten Kanzlers Nicolas Rolin, bevorzugte,297 während der Herzog Philippe de Croÿ-Chimay einsetzen wollte, kam es zwischen Vater und Sohn zu einer ernsthaften Auseinandersetzung.298 Diese verschiedenen Konfliktlinien – die Differenzen Karls mit seinem Vater, mit den Croÿ und der hier darzustellende Konflikt mit Johann von Burgund – treffen in der Guerre du Bien Public zusammen und haben direkten Einfluss auf den Processus contra dominum de Stampis. Sie werden an späterer Stelle noch Gegenstand der Untersuchungen sein.299

2.3.4. Die Helfer des Grafen von Étampes: Jean de Bruyère und Charles de Noyers

Johann von Burgund wurde bei der Austragung seines Konfliktes mit Karl dem Kühnen tatkräftig von zwei Personen unterstützt, die an seinem Hof beschäftigt waren. Hierbei handelt es sich zum einen um Jean de Bruyère, der zugleich als Verhörter die Hauptfigur in der Prozesshandschrift ist, und zum anderen um Charles de Noyers, von dem zwar keine Befragungen überliefert sind, der aber in den Aussagen insbesondere von Jean de Bruyère oft erwähnt wurde. Das Bild, das sich von Jean aus den Akten zeichnen lässt, stützt sich sowohl auf die Aussagen der Brüsseler Zeugen als auch auf von ihm preisgegebene Informationen sowie auf die von ihm an Franck geschriebenen Briefe. Hinzu kommen seine eigenen Aussagen im Untersuchungsprozess. Charles de Noyers befand sich zu der Zeit der Untersuchungen noch nicht in Haft. Nach den Befragungen Jean de Bruyères soll er allerdings gesucht und gefangen genommen worden sein.300 Von ihm sind daher nur Informationen aus zweiter oder dritter Hand übermittelt.

Einige Informationen zu den beiden Personen, die durch die Untersuchungsakten belegt werden können, finden sich auch bei dem Chronisten Jacques du Clercq. Jean de Bruyère wird hier als Arzt des Grafen von Étampes bezeichnet und es wird berichtet, dass er von diesem nach Le Quesnoy geschickt worden sei. Diese Profession des Verdächtigen wird auch in dem Brief Karls an Ludwig XI. erwähnt, in dem der Vorgang in ähnlichen Worten wie bei dem Chronisten beschrieben ist.301 Eigenartig nimmt sich in Verbindung dazu der Brief des Bischofs von Cambrai aus, der von den drei verdächtigen Personen als magister Johannes Bruyere, magister Egidius, medicus, et Franco, apoticarius spricht. Während Franck und Gilles mit einer Berufsbezeichnung versehen wurden, wurde Jean de Bruyère nur als Meister bezeichnet. Im Verlauf der Verhöre gab es jedoch ein weiteres Indiz dafür, dass auch Jean de Bruyère im medizinischen Bereich tätig war. Im Zuge der Befragungen über den Verwendungszweck der von ihm gewünschten Nadeln behauptete Jean an einer Stelle, dass er die Nadeln für chirurgische Zwecke gebraucht habe.302 Da diese Angaben Jeans auf eigene Praktiken als Arzt hinweisen, kann man davon ausgehen, dass sowohl Gilles als auch Jean diesen Beruf ausgeübt haben.303 Wie noch zu zeigen sein wird, verfügten sowohl Gilles als auch Jean de Bruyère und Franck über eine Vielzahl an Kontakten zu Personen, die einem wissenschaftlichen bzw. halb-wissenschaftlichen Bereich zugeordnet werden können. Für Jean de Bruyère lässt sich aus dem Aktenmaterial, insbesondere aus den Briefen, heraus erschließen, dass er, wie auch der Apotheker Franck, der lateinischen Sprache mächtig war. Hinsichtlich seiner Profession kann man aber annehmen, dass er eine eher handwerkliche Ausbildung zum Arzt genossen hat. Darauf weisen die Bezeichnung medicus beziehungsweise medcin hin, sowie eine später getätigte Aussage Jeans, er übe cirurgye aus. Zwar waren am burgundischen Fürstenhof studierte Ärzte üblicher,304 doch man kann anhand dieser Hinweise davon ausgehen, dass tatsächlich Jean de Bruyère gemeint ist, wenn von einem Arzt am Hof des Grafen von Étampes gesprochen wird.

Dieser erwähnt auch – unbelegt – eine Verurteilung zum Tod der beiden Verschwörer, die aber an keiner anderen Stelle auftaucht und somit nicht mit letzter Sicherheit angenommen werden kann. PLANCHER, Histoire générale et particulière de Bourgogne IV, S. 312-313.

Eindeutig belegbar ist aus den Akten heraus, dass Jean de Bruyère in den Jahren 1461 – 1463 am hôtel des Grafen von Étampes beschäftigt war. Dies erfährt man im Zusammenhang mit seiner Aussage zur ersten Begegnung mit Charles de Noyers, der ihn zur Weihnachtszeit in Brüssel aufgesucht habe.305 In welcher Position er dort tätig war, erwähnte Jean in seiner Aussage nicht. Man kann aber festhalten, dass er zumindest keine Schwierigkeiten hatte, Zugang zu Johann von Burgund zu bekommen. Als er Charles versprach, sich für ihn um ein Gespräch beim Grafen zu bemühen, war es für ihn nach eigener Schilderung nicht schwer, zu seinem Herrn zu gelangen: Jean de Bruyère konnte ihn direkt nach der Messe aufsuchen.306 In den Aussagen Francks vor der Kommission in Le Quesnoy wurde Jean de Bruyère zudem als concierge des Brüsseler Stadthofes des Grafen von Étampes bezeichnet.307 Eine weitere Bestätigung für das Ausfüllen einer derart wichtigen Position durch den Verdächtigen ist allerdings weder den Prozessakten noch anderem uns überlieferten Material zu entnehmen.308

Für den Verhörten ließen sich zudem eindeutige Verbindungen zu den Brüsseler Zeugen Josse Doegens, Franck, dem Apotheker, Bruder Jean Mussche und weiteren Personen nachweisen, von denen ihrerseits wiederum einige die Verbindung Jean de Bruyères zum Grafen von Étampes hätten bestätigen können. Durch die Aussagen Josse Doegens’ ist zudem zu erfahren, dass Jean de Bruyère zwei Künste beherrscht haben soll. Zum einen soll er in der Lage gewesen sein, sehr schöne Perlen nach der Art des Orients herzustellen, zum anderen soll er auch 40 Meilen entfernt gewusst habe, welche Dinge man über eine Person sagt.309 Zudem scheint sich Jean ferner für das Erlernen weiterer Künste interessiert zu haben. Einige von diesen können dabei auch dem Bereich der Nigromantie zugeordnet werden.310

Die näheren Umstände der Festnahme und der Überführung des Hauptverdächtigen Jean de Bruyère nach Le Quesnoy lassen sich aus den Befragungen erschließen Demnach kam es zu ersten Verdächtigungen gegen den Bediensteten des Grafen von Étampes, nachdem Meister Gilles in Brüssel verhaftet worden war. Die Aussagen des Letzteren scheinen die Untersuchungen gegen Jean de Bruyère eingeleitet zu haben, da Jean durch Johann von Burgund selbst zum Grafen von Charolais geschickt worden sei.311

Die wichtigsten Informationen über Charles de Noyers erhalten wir durch die Schilderungen Jean de Bruyères von dem ersten Zusammentreffen312 der Helfer Johanns von Burgund.313 Ob Charles den Beinamen de Noyers als Kennzeichnung seines Geburts- oder Herkunftsortes verwendetet oder ob er zu der adeligen Familie de Noyers gehörte, die im Burgund ansässig war, wird in den Akten oder anderen bearbeiteten Materialen nicht erwähnt. Deutlich wird durch verschiedene Aussagen aber, dass Charles de Noyers ein ehemaliger Bediensteter des Grafen von Étampes gewesen und vor 24 Jahren als [zweiter] Kammerherr in einer sehr hohen Position gewesen sein soll.314 Dies deutet darauf hin, dass er adelig gewesen sein muss. Charles muss diese Position demnach zumindest im Jahre 1439 inne gehabt haben. Obgleich in den Archives départementales du Nord einige der täglichen Gagenlisten des Grafen von Étampes aus dieser Zeit überliefert sind, ist ein Charles de Noyers auf diesen leider nicht nachzuweisen.315 Die Anstellung soll Charles nach eigener Aussage, aber auch – wie Jean berichtet – laut der Erinnerung des Grafen von Étampes, durch einen anderen Bediensteten des Grafen, Berard de l’Or, vermittelt worden sein. Dieser scheint ein Verwandter Charles’ gewesen zu sein, da ein weiteres Mitglied der Familie de l’Or und Bediensteter des Grafen, Charles de l’Or, von Charles de Noyers als Neffe bezeichnet wurde und er mit diesem auch in Kontakt stand.316 Auf diese Verbindung wird allerdings nicht näher eingegangen, und es finden sich auch keine weiteren Hinweise dazu.

In einer Aussage Jean de Bruyères erfährt man, dass Charles de Noyers sich im Laufe ihres ersten Gespräches als Alchimist bezeichnet habe, der verschiedene alchimistische Anwendungen kenne.317 Diese habe er auch Jean beibringen wollen. Charles habe Jean de Bruyère dann erklärt, dass er mithilfe von Figurenzauber die Zwistigkeiten des Grafen von Étampes am burgundischen Hof lösen wolle: Er habe dies zwar zunächst mit seiner andauernden Verbundenheit zum Grafen von Étampes begründet, doch wurden schnell auch eigennützige Motive der Bereicherung deutlich. So vermutete Charles, dass Jean de Bruyère und er selbst eine Belohnung dafür bekommen würden, hülfen sie dem Grafen von Étampes, in die Gnade des Grafen von Charolais zu gelangen und dadurch seine Güter zu vergrößern.318 Hinter diesen Versprechungen Charles de Noyers’ wird auch die Motivation für Jean de Bruyère gelegen haben, dem für ihn zu diesem Zeitpunkt unbekannten Mann bereitwillig Zugang zum Grafen von Étampes zu verschaffen. Charles soll Jean de Bruyère zudem erzählt haben, dass er die Kunst der Wachsfigurenmagie von einem verwandten Prior erlernt habe und auf diese Weise die Zuneigung zwischen Karl und Johann von Burgund herstellen wolle.319

Dies deckt sich wiederum mit den Informationen, die man aus den Brüsseler Zeugenaussagen erhält, in denen Charles de Noyers zwar nicht namentlich erwähnt wurde, verschiedene Zeugen jedoch von einem unbekannten, schwarz oder grau gekleideten Mann sprachen. Am ersten Befragungstag in Le Quesnoy wurde allerdings deutlich, dass die Mitglieder der Kommission über weitreichendere Informationen verfügten. Sie fragten den Apotheker Franck, der laut den Zeugenaussagen oft mit dem schwarz gekleideten Mann320 unterwegs gewesen sein soll, gezielt nach einem Charles de Noyers und seinem Verhältnis zu ihm. Francks Antwort macht deutlich, dass die beiden Männer sowohl in Anwesenheit Jean de Bruyères aufeinander getroffen sind als auch zu zweit bei mehreren Figurenschnitzern und Formschneidern gewesen sind. Hier wurden – neben anderen – wieder die bereits bekannten Zeugen Josse Doegens und Jean (Jacques) de Knibbere321 genannt.322 Es ist also davon auszugehen, dass es sich um Charles de Noyers handelt, wenn von dem unbekannten, schwarz gekleideten Mann gesprochen wurde.

Bei der Zusammenfassung der Informationen aus den Untersuchungsakten und der Chronistik fallen einige Parallelen zwischen den beiden Männern ins Auge. Beide waren oder sind im Dienste des Grafen von Étampes tätig, sie kommen also nicht als Unbekannte zu ihm. Obgleich Charles de Noyers angegeben haben soll, dass er dem Grafen aus alter Verbundenheit helfen wolle, werden auch finanzielle Motive deutlich, deren Anreize vermutlich auch für Jean de Bruyère den Ausschlag gegeben haben. In den Befragungen stellte Jean de Bruyère Charles de Noyers als Ideengeber und als treibende Kraft dar; die Befragungen der Kommission machten aber auch deutlich, dass Jean durch Gespräche mit und Informationsbeschaffungen für den Grafen von Étampes ebenso Anteil am Fortschreiten der Planungen hatte.323

Die Voraussetzungen für das Unternehmen waren für den Grafen von Étampes mit diesen Helfern also nicht die schlechtesten. Dadurch, dass sie sich selbst – hier insbesondere Charles de Noyers – angeboten hatten und auch eigene Ziele verfolgten, konnte der Graf davon ausgehen, dass die beiden ein eigenes Interesse hatten, die zu bewältigenden Aufgaben zu Ende zu bringen. Da beide Personen zudem offenbar über eigene Erfahrungen im Bereich mehr oder minder obskurer Künste und über die entsprechenden Kontakte verfügten, waren sie auch für die ganz praktische Durchführung der Zaubereien qualifizierte Personen. Der weitere Verlauf der Ereignisse zeigt aber, dass die Rechnung der beiden Männer nicht aufgegangen ist. Anstelle einer gehobenen Position beim Grafen von Étampes und einer wie auch immer gearteten Belohnung, führten die Untersuchungen des Processus contra dominum de Stampis zur Inhaftierung beider Männer. Zumindest für Charles de Noyer ist zudem nachweisbar, dass er in der Haft verstarb.324

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