Kitabı oku: «Systemisches Case Management», sayfa 2
Struktur des Buches
Unser Buch ist deduktiv aufgebaut, wir gehen also vom Allgemeinen zum Konkreten.
Zunächst wird Heiko Kleve eine kurze Skizze der methodischen Grundlagen Sozialer Arbeit zeichnen. Dabei klärt er die Frage, was überhaupt unter Methodik der Sozialen Arbeit zu verstehen ist, und ordnet die sozialarbeiterische Methodenentwicklung in den historischen Prozess gesellschaftlicher Entwicklung ein. Des Weiteren stellt er knapp die klassischen Arbeitsformen Sozialer Arbeit dar und erläutert drei psychologische/psychotherapeutische Schulen, die die Soziale Einzelfallhilfe ausgesprochen stark geprägt haben und wohl immer noch prägen: die Psychoanalyse/Tiefenpsychologie, die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie/nicht-direktive Beratung und die systemische Familientherapie. Diese Skizze der methodischen Grundlagen Sozialer Arbeit erscheint vor allem deshalb sinnvoll, weil auch ein Systemisches Case Management nicht losgelöst ist von den historischen Prozessen und Einbindungen der sozialarbeiterischen Methodik, es bietet höchstens eine neue Perspektive auf dem Hintergrund des herkömmlichen Sozialarbeiterischen.
Diese neue Perspektive des Case Management wird im zweiten Beitrag thematisiert. Heiko Kleve vertritt dort die These, dass Case Management mit einer aktuell in der heutigen Sozialen Arbeit sehr ausgeprägten Ambivalenz umzugehen erlaubt: die Ambivalenz von Lebensweltorientierung und Ökonomisierung. Case Management ermöglicht es Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, auf beiden Seiten der Ambivalenz zugleich zu stehen, also sowohl lebensweltorientiert als auch ökonomisch reflektiert zu handeln. Um dies zu begründen, werden zunächst einige grundsätzliche Postulate beider Orientierungen beschrieben, um sodann anhand des Case-Management-Prozesses zu zeigen, welche lebensweltorientierten und ökonomisch ausgerichteten Möglichkeiten des methodischen Handelns Case Management bietet.
Auf den Case-Management-Prozess geht Matthias Müller in seinem Beitrag vertiefend ein. Zunächst reflektiert er die geschichtliche Entstehung des Case Management und leitet daraus die Möglichkeiten dieser Methode ab: Desintegrationen von KlientInnen hinsichtlich sozialarbeiterischer und anderer Hilfen sowie Diskontinuitäten im Hilfeprozess entgegenzuwirken. Wie dies gelingen kann, wird erläutert anhand der Darstellung eines Fünf-Phasen-Modells zum Case Management. Besonders wichtig sind in diesen Phasen Verfahren und Techniken, die erst ihre Ausgestaltung (z. B. die Erarbeitung und Operationalisierung von Zielen) ermöglichen. Solche Techniken und Verfahren stellt Matthias Müller vor und lädt PraktikerInnen ein, diese sogleich für ihre Case-Management-Arbeit zu nutzen. Am Ende des Textes wird eine Reihe von Werkzeugen angeboten, die ebenfalls sofort in der Praxis genutzt werden können.
Werkzeuge bietet auch Heiko Kleve im nächsten Text. Er vertritt die These, dass in der Phase der Falleinschätzung die Kontexte insbesondere des Falls und der Hilfe allgemein gründlich zu klären sind. Nur wenn man die Rahmenbedingungen der Arbeit von Anfang an im Auge behält, ist zielwirksames und für KlientInnen sowie HelferInnen erfolgreiches Arbeiten möglich. Für die Klärung dieser Rahmenbedingungen werden unterschiedliche Fragekomplexe angeboten.
Für die Umsetzung in der Praxis bietet auch der nächste Aufsatz von Britta Haye und Heiko Kleve viele Möglichkeiten. Es wird nämlich ein Sechs-Phasen-Modell zur Strukturierung der Kommunikation in der Fallarbeit angeboten, das sich im Rahmen des Case Management insbesondere für die Falleinschätzung und die Hilfeplanung eignet. Ausgehend vom klassischen methodischen Dreischritt der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien wird ein erweiterter Sechs-Schritte-Rhythmus angeboten und die Ausgestaltung der Schritte thematisiert. So schlagen die AutorInnen vor, dass SozialarbeiterInnen während der Falleinschätzung insbesondere kontextualisieren, Probleme klar definieren, Ressourcen gründlich analysieren und Hypothesen über die Problembedingungen entwickeln sollten. Die Hilfeplanung zeichnet sich dadurch aus, wie auch Matthias Müller in seinem Text zeigt, dass Ziele benannt und die Schritte zu den Zielen genau entwickelt werden (Handlungsplanung, Operationalisierung).
Schließlich zeigt Andreas Hampe, wie die systemischen Sechs-Schritte helfender Kommunikation im Rahmen eines Case Management im Jugendamt, im Allgemeinen Sozialpädagogischen Dienst (ASD) realisiert werden könnten. Da sich die Arbeit des ASD häufig auf »Multiproblemfamilien« bezieht, ja hier gerade die Herausforderung der Sozialen Arbeit liegt, beschäftigt er sich vor allem mit der Frage, wie derartigen Familien erfolgreich geholfen werden kann. Dazu stellt er – im Teil 1 seines Beitrags – zunächst theoretische Überlegungen an, die ein systemisches Verständnis von den KlientInnen Sozialer Arbeit ermöglichen und eine Haltung der SozialarbeiterInnen herausfordern, die genau dazu passt. Mit vielen Beispielen und Schaubildern wird deutlich gemacht, wie ein lösungs- und ressourcenorientiertes Arbeiten im Jugendamt gelingen kann, ohne zu vernachlässigen, dass gerade in diesem Bereich Sozialer Arbeit Hilfe und Kontrolle häufig zusammenfallen. Im Teil 2 bespricht er einen konkreten Fall und strukturiert diesen mit Hilfe des von Britta Haye und Heiko Kleve beschriebenen Sechs-Phasen-Modells für die Falleinschätzung und Hilfeplanung. Der Beitrag von Andreas Hampe stellt gewissermaßen die Synthese dessen dar, was in den Texten zuvor vorgestellt und erläutert wurde.
Ich hoffe, dass die Beiträge dieses Buches dazu einladen, die vorgestellten Konzepte auf ihre praktische Brauchbarkeit zu testen, denn die Autoren sind der Meinung, dass gerade die systemisch-konstruktivistische Orientierung in der Sozialen Arbeit kombiniert mit einem strukturierten Case-Management-Prozess das ermöglicht, was SozialarbeiterInnen anstreben: erfolgreich zu helfen – nämlich so, dass KlientInnen im Sinne von Empowerment ermächtigt werden, ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände zu nehmen.
Methodische Grundlagen Sozialer Arbeit
Eine fragmentarische Skizze
Heiko Kleve
Praxis, Wissenschaft und Methoden Sozialer Arbeit
Sozialarbeit und Sozialpädagogik sind in Deutschland die beiden zentralen Wissens- und Handlungsbereiche der Sozialen Arbeit. Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass Sozialarbeit (»Armenfürsorge«) Ersatz für schwindende familiäre Sicherungsleistungen bietet, während Sozialpädagogik (»Jugendfürsorge«) die schwindenden familiären Erziehungsleistungen kompensiert (vgl. Mühlum 1996). Inzwischen können wir allerdings von einer Identität von Sozialarbeit und Sozialpädagogik sprechen (vgl. Merten 1998), d. h., eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Bereichen ist kaum noch möglich, sodass das Berufsfeld immer häufiger als Soziale Arbeit bezeichnet wird.
Soziale Arbeit lässt sich in Praxis (Profession Soziale Arbeit) und Wissenschaft (Disziplin bzw. Fachwissenschaft Soziale Arbeit, Sozialarbeitswissenschaft) unterscheiden. Die Methoden der Sozialen Arbeit können als ein Bindeglied zwischen Praxis und Wissenschaft verstanden werden.
Sozialarbeit – Sozialpädagogik – Soziale Arbeit | |
Sozialarbeitspraxis | Sozialarbeitswissenschaft |
Profession Soziale Arbeit | Disziplin Soziale Arbeit |
Sozialarbeiterische Organisationen, freiberufliche Sozialarbeit | Hochschulen bzw. hochschulische Fachbereiche für Soziale Arbeit |
Wirksamkeit und Angemessenheit des Handelns | »Wahrheit«, im Sinne von Anschlussfähigkeit und Brauchbarkeit des Wissens |
Methoden Sozialer Arbeit … … als Bindeglied von theoretischem, disziplinärem Erklärungswissen und praktischem, professionellem Handlungs-, Werte- sowie Evaluationswissen |
Abb.: Methoden als Bindeglied von Theorie und Praxis
Praxis: Die Praxis der Sozialen Arbeit wird auch Profession genannt, sie ist das berufliche Handlungsfeld, in dem die SozialarbeiterInnen tätig sind. Das sozialarbeiterische Handlungsfeld lässt sich weiter in Interaktion (Mikroebene), Organisation (Mesoebene) und Gesellschaft (Makroebene) unterscheiden. Mit anderen Worten, es arbeiten SozialarbeiterInnen etwa in der Beratung mit KlientInnen auf einer kommunikativen Interaktionsebene, weiterhin sind sie in sozialarbeiterische Organisationen (z. B. in Sozial-, Jugend- und Gesundheitsämtern oder bei freien Trägern) als Angestellte eingebunden oder erhalten als freiberuflich Tätige ihre Aufträge von diesen Organisationen. Schließlich stellt die Soziale Arbeit ein gesellschaftliches Funktionssystem dar, das neben anderen Systemen der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Erziehung, Religion, Recht, Kunst, Wissenschaft etc.) potenziell für alle Gesellschaftsmitglieder (»Bürger«) Leistungen (»soziale Hilfe«) erbringt.
Inzwischen kann gesagt werden, dass Soziale Arbeit gewissermaßen von der Geburt bis zum Tode der Bürger in allen Lebensabschnitten und -bereichen (präventiv, interventiv und postventiv) tätig ist. Dabei fokussiert sie biologische, psychische und soziale Prozesse von Menschen und ist doppelt generalistisch tätig: Sie bezieht sich potenziell sowohl auf die gesamte Gesellschaft (als Berufs- und Funktionssystem) als auch auf alle Ebenen des individuellen Lebens (als organisatorisches und interaktionelles Handlungssystem):
Gesellschaftliches Funktionssystem | Organisations- und Handlungssystem |
Universeller Generalismus: Heterogenität (Vielfältigkeit) des sozialarbeiterischen Handlungsfeldes | Spezialisierter Generalismus: Heterogenität (Vielfältigkeit) des sozialarbeiterischen Fallbezugs |
Prävention * Intervention * Postvention | Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien * Gruppenarbeit * Gemeinwesenarbeit |
Sozialhilfe, Kinder- und Jugendhife, Familienhilfe, Behindertenhilfe, Obdachlosenhilfe, Suchthilfe, Krankenhilfe, Schuldnerhilfe, Rechtshilfe, Altenhilfe etc. | Biologisches (biologische Bedürfnisse und alle körperlichen/somatischen Aspekte, die damit zusammenhängen) |
Psychisches (psychische Bedürfnisseund alle psychischen/kognitiven/ emotionalen Aspekte, die damit zusammenhängen)Soziales (soziale Bedürfnisseund alle sozialen Aspekte, die damit zusammenhängen |
Abb.: Doppelter Generalismus Sozialer Arbeit
Wissenschaft: Die Wissenschaft der Sozialen Arbeit (Sozialarbeitswissenschaft) wird auch Disziplin genannt, sie ist das Handlungs- bzw. Forschungsfeld, in dem die WissenschaftlerInnen tätig sind, d. h. StudentInnen ausbilden (lehren) und forschen. Die Wissenschaft hat insbesondere die Aufgabe, Wissen bereitzustellen, mit dem die Praxis und mit dem in der Praxis beobachtet, beschrieben, erklärt und bewertet, kurz reflektiert werden kann.
Methoden: Die Methoden Sozialer Arbeit stellen, wie gesagt, ein Bindeglied zwischen Praxis und Wissenschaft dar, sie sind im besten Falle wissenschaftlich begründet und praktisch wirksam. Sie sollen in einem bestimmten Arbeitsfeld, innerhalb von Hilfeprozessen (z. B. innerhalb der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien) Menschen gezielt dabei helfen, ihre sozialen Probleme zu lösen. Methoden sind in dieser Hinsicht ein »Kern« professioneller Sozialarbeit/Sozialpädagogik.
Zwei Definitionen zum Begriff Methode: »Methode heißt, strategisch einen Weg zu beschreiten, der nach Zweck und Ziel und nach Lage der Dinge angemessen erscheint« (Wendt; zit. nach Galuske 1998, S. 29).
»Methoden der Sozialen Arbeit thematisieren jene Aspekte im Rahmen sozialpädagogischer/sozialarbeiterischer Konzepte, die auf eine planvolle, nachvollziehbare und damit kontrollierbare Gestaltung von Hilfeprozessen abzielen und die dahingehend zu reflektieren und zu überprüfen sind, inwieweit sie dem Gegenstand, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den Interventionszielen, den Erfordernissen des Arbeitsfeldes, der Institution sowie den beteiligten Personen gerecht werden« (Galuske 1998, S. 25).
Daraus ergeben sich sechs Perspektiven, die bei der Reflexion von Methoden Sozialer Arbeit grundsätzlich zu beachten sind (vgl. ebd., S. 25 f.):
1. Sachorientierung: Welche Probleme sollen mit der Methode bearbeitet werden? Wird die Methode der Problemlage gerecht?
2. Zielorientierung: Welche Ziele sollen mit der Methode erreicht werden? Lassen sich die Ziele mittels der Methode einlösen?
3. Personen- und Interaktionsorientierung: Wird die Methode den betreffenden Personen (KlientInnen/SozialarbeiterInnen) und ihrer Interaktion gerecht?
4. Arbeitsfeld- und Institutionsorientierung: Ist die Methode sinnvoll innerhalb der institutionellen/organisatorischen Rahmenbedingungen anwendbar?
5. Planungsorientierung: Erlaubt die Methode die gezielte Planbarkeit von Hilfeprozessen?
6. Überprüfbarkeit (Evaluation; Controlling): Lassen sich am Ende darüber Aussagen treffen, ob und wie die Methode gewirkt hat?
Sozialarbeiterische Methodik von der Moderne bis zur Postmoderne
Die berufliche, professionelle Soziale Arbeit, so wie wir sie heute kennen, ist ein Ergebnis der gesellschaftlichen Evolution; sie ist beispielsweise hervorgegangen aus der Armenpflege der freien Reichs- und Hansestädte, der bürgerlichen Frauenbewegung, der sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung, der sozialreformerischen Bemühungen staatlicher Institutionen, der so genannten Armenpolicey, der diakonischen und karitativen Bemühungen der Kirchen sowie der Jugendbewegung. Gesellschaftshistorisch lässt sich die Soziale Arbeit neben vormodernen Hilfeformen als die moderne Form des sozialen Helfens bewerten (vgl. Luhmann 1973).
Vormoderne | Moderne | |
Archaische Gesellschaft (»Urgesellschaft«) | Hochkultivierte Gesellschaft (»Feudalistische Gesellschaft«) | Moderne Gesellschaft (»Kapitalistische Gesellschaft«, »Industriegesellschaft« etc.) |
primär differenziert in soziale Segmente (z. B. in Familien, Stämme etc.) | primär differenziert in soziale Schichten und Klassen (Bauern, Handwerker, Adel etc.) | primär differenziert in Funktionssysteme (z. B. Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft, Erziehung, Soziale Arbeit etc.) |
reziproke (wechselseitige) persönliche Hilfen auf der Grundlage von Hilfe- und Dankeserwartungen | moralisch bzw. religiös inspirierte Hilfen zwischen verschiedenen Schichten/Klassen | gesetzlich definierte, abgesicherte und organisatorisch durchgeführte Hilfen (rationalisierte, bürokratisierte und ökonomisierte Hilfe, Sozialstaatsprinzip, moderne und professionelle Sozialarbeit) |
Abb.: Hilfeformen im Wandel
Soziales Helfen kann verstanden werden als Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse von Menschen, die diese nicht mehr selbst befriedigen können. Sozialarbeiterische Hilfen beziehen sich auf materielle und symbolische (soziokulturelle) Bedürfnisse, die für die physische und psychische Reproduktion von Menschen erforderlich sind bzw. gesellschaftlich so bewertet werden. Somit wird soziales Helfen auch verstanden als ein Bedarfsausgleich im Hinblick auf ungleich verteilte und verfügbare soziale Ressourcen und Kapazitäten – z. B. Unterkunft, Nahrung, Gebrauchsgegenstände, Geld, Arbeit, Freizeit, Erziehung, Bildung, Betreuung, persönliche Beziehungen, soziale Netzwerke.
In der modernen Gesellschaft lassen sich vor allem vier unterschiedliche Hilfeformen beobachten, die nebeneinander existieren:
situationsgebunden | situationsübergreifend | |
personengebunden | 1. personengebunden und situationsgebunden Hilfe in Familien, unter Freunden, in Nachbarschaften, in Selbsthilfegruppen | 3. personengebunden und situationsübergreifend Professionelle soziale Hilfe (in Interaktionsprozessen, z. B. Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien) |
personenübergreifend | 2. personenübergreifend und situationsgebunden Spontane Hilfe unter Fremden | 4. personenübergreifend und situationsübergreifend Hilfen durch den Sozialstaat (Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe etc.), Versicherungsleistungen |
Abb.: Hilfeformen in der modernen Gesellschaft (vgl. zur Übersicht Hillebrandt 2001, S. 44)
Die Professionalisierung (Verberuflichung) der sozialen Hilfe zur Sozialen Arbeit geht einher mit der Etablierung der modernen Gesellschaft. So ist die Soziale Arbeit Teil eines Projektes, das als ein permanentes Ringen um Ordnung, Eindeutigkeit, Rationalisierung, Kontrolle, Klassifizierung, Bestimmung und Identifizierung beschrieben werden kann: nämlich des Moderne-Projektes (vgl. Bauman 1991). Die Durchsetzung der Moderne, der modernen Gesellschaft, die ihren Ursprung in der aufkommenden Aufklärung des 17. Jahrhunderts hat, kann auf die Zeit des Beginns des 20. Jahrhunderts datiert werden.
Der Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert war ebenfalls der Zeitpunkt, an dem sich die soziale Hilfe von einer primär moralisch bzw. religiös inspirierten »Mildtätigkeit« (vgl. Luhmann 1973) deutlich zu wandeln begann in die professionelle – zunächst ausschließlich frauenberufliche – Sozialarbeit. Nun wurde auch versucht, soziale Hilfe, Armen- und Jugendfürsorge, mithin das, was wir heute Sozialarbeit, Sozialpädagogik bzw. Soziale Arbeit nennen, den Kriterien der gesellschaftlichen Modernisierung, sprich: der Rationalisierung, Verrechtlichung und Bürokratisierung, kurz: der formalen Organisation unterzuordnen.
In diesem Zusammenhang der Modernisierung steht auch die Entwicklung der Methoden und Arbeitsformen Sozialer Arbeit (Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien, Soziale Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit); sie sind der Ausdruck dafür, dass das geplant, rationalisiert, bürokratisiert und ökonomisiert im öffentlichen Bereich der Gesellschaft anzubieten und durchzuführen ist, was in der Vormoderne wenig rationalisiert eher im privaten Bereich oder ausgehend von privaten Motivationen und Interessen geleistet wurde: eben soziale Hilfe.
Inzwischen ist Soziale Arbeit zu einem normalen Teil der modernen (Dienstleistungs-)Gesellschaft geworden. Das 20. Jahrhundert, in dem sich Soziale Arbeit entwickelt und auf alle Gesellschaftsbereiche ausgedehnt und etabliert hat, kann daher auch als das »sozialpädagogische Jahrhundert« (vgl. Thiersch 1992 oder auch Rauschenbach 1999) bezeichnet werden.
Wie sich die Soziale Arbeit in der Postmoderne des 21. Jahrhunderts weiterentwickeln wird, ob es etwa zu einer Re-Familialisierung der sozialen Hilfe kommen wird, bleibt abzuwarten.
Entwicklung der klassischen Methoden Sozialer Arbeit
Die klassischen Methoden Sozialer Arbeit sind genau genommen keine spezifischen Methoden, sondern Arbeitsformen. Innerhalb dieser Arbeitsformen wird dann methodisch etwa mit einzelnen KlientInnen oder Familien (Soziale Einzelfallhilfe), mit Gruppen (Soziale Gruppenarbeit) oder Gemeinwesen (Gemeinwesenarbeit) sozialarbeiterisch gehandelt (kommuniziert). Die Entwicklung der sozialarbeiterischen Arbeitsformen/Methoden kann in vier Phasen unterteilt werden (vgl. Schilling 1997, S. 272 ff.; Galuske 1998, S. 63 ff.):
Erste Phase: Anfänge (Anfang des 20. Jahrhunderts): In Deutschland hat vor allem Alice Salomon die Anfänge der professionellen sozialarbeiterischen Methoden maßgeblich beeinflusst. Mit der Veröffentlichung ihres Buches Soziale Diagnose (1926) versuchte sie, die aus den USA kommende (von Mary Richmond entwickelte) Methode des Case Work auch in Deutschland bekannt zu machen. Der Begriff »Diagnose« deutet es schon an, dass die Sozialarbeit in ihrer ersten Phase bestrebt war, sich konzeptionell/methodisch an die Medizin anzulehnen.
Das Ziel der sozialen Diagnose von FürsorgerInnen ist es, »Material zu sammeln (eigene Beobachtungen und Aussagen anderer), das beschaffene Material zu prüfen und zu vergleichen, es zu bewerten, Schlüsse daraus zu ziehen – schließlich ein Gesamtbild herzustellen, das erlaubt, einen Plan für die Abhilfe (Behandlung) zu fassen. […] Zum Material der Ermittlung gehören […] alle Tatsachen aus dem Leben des Bedürftigen und seiner Familie, die dazu helfen können, die besondere soziale Not und das soziale Bedürfnis des Betroffenen zu erklären und die Mittel zur Lösung der Schwierigkeit aufzuzeigen« (Alice Salomon, zit. nach Müller 1988, S. 145).
Zweite Phase: Übernahme amerikanischer Methoden (Arbeitsformen) (1950er Jahre): In dieser Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Bundesrepublik Deutschland die in den USA entwickelten o. g. klassischen Methoden/Arbeitsformen der Sozialen Arbeit in die Praxis und Lehre eingeführt.
Soziale Einzelfallhilfe: Sie bezieht sich auf einzelne Individuen und Familien, betrachtet deren Bedürfnisse und Probleme – auch in Wechselwirkung mit der relevanten Umwelt – und versucht, die KlientInnen und Familien zur Problemlösung anzuregen. Dabei wird von folgenden Prinzipien ausgegangen: Annehmen und Akzeptieren; Individualisieren; individuelle Selbstbestimmung; dort anfangen, wo die KlientInnen stehen; mit den Stärken des Individuums arbeiten. Methodisch wird in drei Schritten gearbeitet (»Methodischer Dreischritt«): 1. Fallstudie/Anamnese; 2. Soziale Diagnose; 3. Behandlung.
Im Mittelpunkt dieser Arbeitsform stehen die helfende Beziehung und das Gespräch.
Einen großen Einfluss auf die Einzelfallhilfe übte seit den 1930er Jahren in den USA eine Zeitlang die Psychoanalyse aus. Besonders nach der Emigration vieler deutscher und österreichischer Psychoanalytiker in die USA nach den faschistischen Machtergreifungen in Deutschland und Österreich wurden psychoanalytische Ideen in der US-amerikanischen Sozialen Arbeit bedeutend. Die Psychoanalyse wurde als die wichtigste psychologische Bezugstheorie für das US-amerikanische Social Case Work aber schnell abgelöst durch die seit den 1950er Jahren wachsende Bewegung der humanistischen Psychologie. Des Weiteren gewann zu dieser Zeit bereits die Systemtheorie, und zwar jene des Soziologen Talcott Pasons, an Bedeutung.
Soziale Gruppenarbeit: Sie bezieht sich auf (sozial)pädagogische Gruppen (von Kindern und Jugendlichen) oder auf themenbezogene Gruppen in allen Bereichen Sozialer Arbeit. In der Gruppenarbeit werden einzelne Gruppenphasen (z. B. Anfangs-, Machtkampf-, Harmonie-, Differenzierungs- und Lösungsphase) unterschieden. Die Grundprinzipien der Gruppenarbeit sind: Die Gruppe dort abholen, wo sie steht, und sich mit ihr in Bewegung setzen; mit den Stärken des Einzelnen arbeiten; Zusammenarbeit ist besser als Einzelwettbewerb; Raum für Entscheidungen geben; erzieherisch notwendige Grenzen setzen; sich als Gruppenleiter überflüssig machen.
Die Gruppenarbeit hat (nach dem bedeutenden Developmental Model) vier Ziele: 1. durch die Gruppenerfahrung den einzelnen Mitgliedern Sicherheit, Anerkennung, Unterstützung und Hilfe zu geben; 2. Werte und Normen zu vermitteln; 3. Möglichkeiten der Konfliktlösung zu bieten; 4. einen Transfer der Gruppenerfahrungen auf das Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Soziale Gemeinwesenarbeit: Sie bezieht sich auf eine größere Anzahl von Menschen, die etwa durch räumliche Nähe miteinander verbunden sind, die durch gemeinsame Problemlagen aufgrund äußerer Bedingungen benachteiligt sind, die durch gemeinsames Planen und Handeln ihre Benachteiligungen aufzuheben versuchen oder die in Kommunikationsprozessen ihre Fähigkeiten zur Verbesserung ihrer Situation einsetzen wollen. Während der Gemeinwesenarbeit versuchen professionelle HelferInnen, die Selbsthilfepotenziale der Menschen anzuregen, damit diese nicht nur sich selbst, sondern vor allem die sozialen Strukturen, in denen sie leben, verändern, umgestalten können. Gemeinwesenarbeit bezieht sich also nicht unmittelbar auf einzelne KlientInnen, sie ist vielmehr die Arbeitsform/ Methode der Sozialen Arbeit, die sich auf spezifische (mehr oder weniger begrenzte) gesellschaftliche (strukturelle) Veränderungen bezieht. Diesbezüglich wirken SozialarbeiterInnen als BeraterInnen oder Vermittlerinnen, z. B. innerhalb von BürgerInnenbewegungen oder Stadtteilinitiativen.
Dritte Phase: Methodenkritik (etwa 1968–1975): In Zusammenhang mit der 68er Studentenbewegung beginnt auch in der Sozialen Arbeit eine allgemeine Kritik an den Methoden und Arbeitsformen. Kritisiert wird beispielsweise der Optimismus der 1950er Jahre bei der Übernahme der klassischen Arbeitsformen/Methoden aus den USA.
Außerdem wird von einigen Hochschullehrern an den Fachbereichen Sozialwesen der neu gegründeten Fachhochschulen die Wissenschaftlichkeit der klassischen Methoden angezweifelt. Diese Hochschullehrer kamen in der Mehrzahl nicht aus der Praxis der Sozialen Arbeit, was für die bisherigen MethodenlehrerInnen an den Höheren Fachschulen eine unabdingbare Voraussetzung war (vgl. Kersting 1997, S. 336 f.; Schiller 1997, S. 313 ff.).
Vierte Phase Ausdifferenzierung (1980er und 1990er Jahre): Zunehmend werden nun moderne psychotherapeutische Methoden (z. B. Gesprächspsychotherapie, Gestalttherapie und Familientherapie) für das methodische Handeln in der Sozialen Arbeit aufbereitet. Angesichts der professionellen Etablierung Sozialer Arbeit differenzieren sich vielfältige neue Methoden aus, die vor allem die methodischen Diskurse der heutigen Sozialarbeit prägen: z. B. lebensweltorientierte Sozialarbeit, systemische Beratung, Case Management, Empowerment, Mediation, Sozialmanagement, Selbstevaluation, Supervision. Darüber hinaus ist die Soziale Arbeit angesichts immer knapper werdender öffentlicher Kassen aufgefordert, ihre Hilfen stärker als zuvor an ökonomischen Effektivitäts- und Effizienzkriterien auszurichten, zu evaluieren und zu dokumentieren, ob und wie die Ergebnisse der Arbeit mit den Zielen übereinstimmen (Effektivitätsmessung und -dokumentation) und welcher Aufwand welchem Nutzen gegenübersteht (Effizienzmessung und -dokumentation).
Bei der Entwicklung der sozialarbeiterischen Methoden allgemein, aber vor allem bei der konzeptionellen Ausgestaltung der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien standen psychologische/psychotherapeutische Verfahren oft Pate. Daher möchte ich im Folgenden die drei Verfahren knapp erläutern, die auch noch heute Grundlage vieler sozialarbeiterischer Erklärungen und Handlungen in der Arbeit mit Einzelnen und Familien sind: die Psychoanalyse/Tiefenpsychologie, die nicht-direktive Beratung bzw. klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie sowie die systemische Familientherapie.