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Soziale Gruppenarbeit
Geschichte: Die soziale Gruppenarbeit ist insbesondere aus drei verschiedenen Richtungen hervorgegangen: aus der Bewegung der Nachbarschaftsheime, aus der Reformpädagogik und der Gruppendynamik.
Die Nachbarschaftsheime bzw. Settlements können als Vorformen der sozialen Gruppenarbeit angesehen werden und sind z. B. als englische Settlements entstanden, in denen Studenten gemeinsam mit »Nachbarn« neue Formen sozialer Unterstützung erprobten, oder konstituierten sich als amerikanische Nachbarschaftshäuser, die u. a. initiiert wurden von der Pionierin der Sozialarbeit Jane Addams.
Die Reformpädagogik gilt als jene Bewegung, die die Gruppe als Medium sozialer Erziehung (wieder)entdeckt hat. Ihr liegt die Idee zugrunde, dass der Gruppe eine zentrale Bedeutung bei der Erziehung und Sozialisation junger Menschen zur Selbstverantwortung und sozialer Orientierung zukommt. Ein bis heute fortlebendes Beispiel der Reformpädagogik ist die Pfadfinderbewegung.
Die Gruppendynamik ist eng mit dem Namen Kurt Lewin verbunden und entstand in den 1930er Jahren als eine Forschungsrichtung der Sozialpsychologie, die sich wissenschaftlich mit der Struktur, der Genese, der Entwicklung und nicht zuletzt mit Besonderheiten von Kleingruppen beschäftigte. Die Forschungsergebnisse dieser Richtung führten schließlich zur professionellen Nutzung der Gruppe für die Erziehung und die Therapie, z. B. in Form der Therapiegruppen, Trainingsgruppen oder Encounter-Gruppen.
In Deutschland etablierte sich die soziale Gruppenarbeit mit der Übernahme des sozialarbeiterischen Methoden-Dreigestirns – soziale Einzel(fall)hilfe, soziale Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit – aus den USA nach 1945 und wird heute in allen Bereichen der Sozialen Arbeit angewandt, z. B. in der Kinder- und Jugendhilfe, s. dazu § 29 KJHG (Soziale Gruppenarbeit), wo es heißt: »Die Teilnahme an einer sozialen Gruppenarbeit soll älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen. Soziale Gruppenarbeit soll auf der Grundlage eines gruppenpädagogischen Konzepts die Entwicklung älterer Kinder und Jugendlicher durch soziales Lernen in der Gruppe fördern.«
Inzwischen hat die Konzeption der Gruppenarbeit unterschiedliche theoretische und methodische Grundlegungen erfahren. Bedeutend scheinen derzeit die systemisch-konstruktivistischen Ansätze der Gruppenarbeit zu sein, die Georg Nebel und Bernd Woltmann-Zingsheim (1997) in einem Werkbuch vorstellen.
Zwei Definitionen sozialer Gruppenarbeit: »Gruppenarbeit wird hier gesehen und beschrieben als eine der drei Methoden der Sozialarbeit. Durch sie will ein dafür besonders ausgebildeter Gruppenleiter die Menschen in der Gruppe dazu bereit und fähig werden lassen, als ganze Menschen sich zu entwickeln, zu wachsen und zu reifen. Dabei spielen die Beziehungen eine ausschlaggebende Rolle, die die Mitglieder zueinander, zum Leiter und zu anderen Gruppen haben. Von wesentlicher Bedeutung sind jedoch außerdem die Begegnung und Auseinandersetzung mit einem sachlichen Programm« (Lattke 1962).
»Soziale Gruppenarbeit ist eine Methode der Sozialarbeit, die den Einzelnen durch sinnvolle Gruppenerlebnisse hilft, ihre soziale Funktionsfähigkeit zu steigern und ihren persönlichen Problemen, ihren Gruppenproblemen oder den Problemen des öffentlichen Lebens besser gewachsen zu sein« (Konopka 1971).
Drei Bestimmungsmerkmale der sozialen Gruppenarbeit
Erstens: Die Gruppe ist nicht Selbstzweck, sondern dient als Medium psycho-sozialer Veränderung. Daher stehen im Mittelpunkt Ziele wie Wachstum, Reifung, Bildung, Heilung und/oder Integration des Einzelnen.
Zweitens: Von sozialer Gruppenarbeit wird erst dann gesprochen, wenn ein sozialpädagogisch geschulter Experte die Gruppe anleitet.
Drittens: Die Zielsetzung bezieht sich auf gesellschaftseingliedernde (integrierende bzw. inkludierende) Bestrebungen. Durch die Gruppen soll der Einzelne seine sozialen Anpassungsmöglichleiten bzw. seine soziale Funktionsfähigkeit erhöhen.
Der Gruppenleiter muss insbesondere das Phasenmodell der Gruppenarbeit (nach Garland et al. 1975; vgl. dazu Nebel u. Woltmann-Zingsheim 1997) kennen, will er eine Gruppe kompetent anleiten und gestalten. Demnach gliedert sich die Entwicklung einer sozialen Gruppe folgendermaßen:
Phasen | Bezeichnung der Phasen | Aufgaben in den Phase |
1. | Orientierungsphase, Voranschluss | Es muss das Problem der Gruppenzusammensetzung gelöst und es sollten erste Ziele für die Gruppe formuliert werden. |
2. | Machtkampf, Übergangsphase | Kontraktklärung (in Lerngruppen: Lernzielabsprache). Drei Hauptprobleme sind zu lösen:1. Rebellion und Autonomie;2. die normative Krise (die Wahrscheinlichkeit des Austritts aus der Gruppe ist in dieser Phase am höchsten);3. Schutz und Stützung. |
3. | Vertrautheitsphase, Beziehungsphase | Wichtig sind Fragen der emotionalen Beziehungsabklärung, des Treffens von Entscheidungen und Bewältigung von Konflikten. |
4. | Entwicklungsphase, Differenzierung | Wichtig sind Fragen des Lösens von Gruppenaufgaben und des Miteinanderarbeitens. |
5. | Trennung, Ablösung | Wichtig sind: 1. Klärung, ob die Trennung gruppenentwicklungsbedingt oder durch die Umstände erzwungen ist; 2. Frage nach der Zukunft. |
Abb.: Phasen sozialer Gruppenarbeit
Soziale Gemeinwesenarbeit
Geschichte: Die Gemeinwesenarbeit stammt wie die anderen klassischen Methoden/Arbeitsformen der Sozialen Arbeit (Soziale Einzelfallhilfe, Soziale Gruppenarbeit) aus der amerikanischen Social Work. Sie ist dort zum einen als Community Organization und zum anderen als Community Development in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert entwickelt worden. Community Organization, als die auch in Deutschland der 1950er Jahre aufgenommene Form der Gemeinwesenarbeit, zielte auf die Verbesserung der Infrastruktur in urbanen Großstadtzentren ab: »Ihr Anliegen war es, in den durch Einwanderer unterschiedlichster Herkunft geprägten großstädtischen Elendsvierteln durch gezielte Intervention und Unterstützung Entwicklungen in Gang zu setzen, die die Eingliederung dieser Bevölkerungsgruppen in die amerikanische Gesellschaft förderten und die ›Rekonstruktion heruntergewirtschafteter Massenwohnviertel‹ (Müller 1992, S. 105) vorantrieben« (Galuske 1998, S. 88).
Definitionen von Gemeinwesenarbeit (nach Galuske 1998, S. 90 f.): »Community Organization for Social Welfare gilt als eine der ›grundlegenden Methoden‹ der Sozialen Arbeit. In der einfachsten Form wird sie praktiziert, wenn eine Gruppe von Bürgern einer Stadt sich zusammentut, um in planmäßiger Weise ein gemeinsames Bedürfnis zu befriedigen. Als berufsmäßig ausgeübte Tätigkeit mit erprobten Methoden und anerkannten, lehrbaren Fertigkeiten aber ist Community Organization der Prozess, durch den Hilfsquellen und Bedürfnisse der sozialen Wohlfahrt innerhalb eines geografisch oder inhaltlich begrenzten Arbeitsfeldes immer wirksamer aufeinander abgestimmt werden« (Lattke 1955, zit. nach Galuske 1998, S. 90).
»Der Begriff Gemeinwesenarbeit […] bezeichnet einen Prozess, in dessen Verlauf ein Gemeinwesen seine Bedürfnisse und Ziele feststellt, sie ordnet oder in eine Rangfolge bringt, Vertrauen und den Willen entwickelt, etwas dafür zu tun, innere und äußere Quellen mobilisiert, um die Bedürfnisse zu befriedigen, dass es also in dieser Richtung aktiv wird und dadurch die Haltung von Kooperation und Zusammenarbeit und ihr tätiges Praktizieren fördert« (Ross 1968, zit. nach Galuske 1998, S. 91).
»Gemeinwesenarbeit ist eine Methode, die einen Komplex von Initiativen auslöst, durch die die Bevölkerung einer räumlichen Einheit gemeinsame Probleme erkennt, alte Ohnmachterfahrungen überwindet und eigene Kräfte entwickelt, um sich zu solidarisieren und Betroffenheit konstruktiv anzugehen. Menschen lernen dabei, persönliche Defizite aufzuarbeiten und individuelle Stabilität zu entwickeln, und arbeiten gleichzeitig an der Beseitigung akuter Notstände (kurzfristig) und an der Beseitigung von Ursachen von Benachteiligung und Unterdrückung« (Karas u. Hinte 1978, zit. nach Galuske 1998, S. 91).
Gemeinwesenarbeit ist »die zusammenfassende Bezeichnung verschiedener, vor allem nationaler und im Laufe der Entwicklung der letzten Jahrzehnte unterschiedlicher Arbeitsformen, die auf die Verbesserung der soziokulturellen Umgebung als problematisch definierter, territorial oder funktional abgegrenzter Bevölkerungsgruppen (Gemeinwesen) gerichtet ist. Diese Verbesserung soll in methodischer Weise unter fachkundiger Begleitung durch theoretisch und praktisch ausgebildete Sozialarbeiter und unter aktiver Teilnahme der (entsprechenden) Bevölkerung(sgruppe) durchgeführt werden. Es geht hierbei um eine Anpassung der Problemgruppe an die Umgebung, um eine Veränderung der (Einstellungen, Verhaltensweisen der) Umgebung und um die gemeinsame Erarbeitung von, gemäß den entsprechenden kulturellen Normen, notwendigen Fertigkeiten oder Institutionen« (Ludes 1977, zit. nach Galuske 1998, S. 91).
Zielstellungen: Soziale Arbeit bezieht sich entweder auf Verhaltensänderung oder auf Verhältnisänderung bzw. hat beide Bereiche gleichzeitig im Blick. Während die Soziale Einzelfallhilfe und die Soziale Gruppenarbeit tendenziell eher Verhaltensänderungen von Individuen anstreben, intendiert Gemeinwesenarbeit eher eine Verhältnisänderung, eine Beeinflussung der sozialen Milieus, der Umwelt bzw. des Umfeldes von Individuen. In der Gemeinwesenarbeit werden also sozial-strukturelle Veränderungen angestrebt, um die Lebensbedingungen von Menschen zu verbessern. Dazu ist keine asymmetrische SozialarbeiterIn-KlientIn-Beziehung, mithin keine individuelle Falldefinition, notwendig.
Gemeinwesenarbeit ist vor allem durch folgende Aspekte gekennzeichnet:
•Sie bezieht sich auf soziale Netzwerke, und zwar – territorial – auf einen Stadtteil, eine Nachbarschaft, eine Gemeinde, einen Wohnblock, einen Straßenzug etc., – kategorial – auf bestimmte ethnisch, geschlechtsspezifisch, altersbedingt abgrenzbare Bevölkerungsgruppen und/oder – funktional – auf inhaltlich bestimmbare Problemlagen, z. B. Wohnen, Bildung.
•Sie geht zumeist von sozialen Konflikten oder gemeinsam geteilten Problemen aus.
•Sie richtet sich gegen die – normalerweise in der Sozialen Arbeit typische – Individualisierung sozialer Probleme, sie hat vielmehr eine sozial-strukturelle, sozial-systemische Perspektive.
•Sie ist trägerübergreifend und intendiert Kooperationszusammenhänge zwischen verschiedenen sozialen Dienstleistern innerhalb eines Gemeinwesens.
•Sie ist zum Teil methodenintegrativ, d. h., sie kann auch Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit umfassen.
•Sie wird durch die gezielte Anregung, Unterstützung, Beratung, Koordination usw. von Menschen durch SozialarbeiterInnen geleistet.
Formen der Gemeinwesenarbeit: wohlfahrtsstaatliche Gemeinwesenarbeit; integrative Gemeinwesenarbeit; aggressive Gemeinwesenarbeit; katalytische/aktivierende Gemeinwesenarbeit.
Zur Methode der Gemeinwesenarbeit: Phasen (nach Ross):
1. Feststellen und Bewusstmachen von Bedürfnissen und Zielen
2. Ordnen und Prioritätensetzen bei den Bedürfnissen und Zielen
3. Entwickeln der Bereitschaft, ans Werk zu gehen
4. Ausfindigmachen von (internen und externen) Hilfsquellen
5. Übergang zur Aktion.
Rollen der Gemeinwesenarbeiter (nach Ross): LeiterIn; BefähigerIn; Sachverständige/r; SozialtherapeutIn.
Techniken und Verfahren: Verfahren der Kontaktaufnahme und Kontaktpflege; Verfahren der Feldforschung; Verfahren der Meinungsbildung innerhalb von Gruppen; Verfahren politischer Einflussnahme.
Resümee: Die zentrale Idee der Gemeinwesenarbeit, soziale Probleme nicht zu individualisieren, sondern sie in ihren gesellschaftlichen Kontexten zu verstehen, zu beeinflussen und – angeleitet von SozialarbeiterInnen – gemeinsam mit den Betroffenen an den sozial-strukturellen Bedingungen dieser Probleme zu arbeiten, ist spätestens durch die kritische Studentenbewegung der 1960/1970er Jahre in die deutsche sozialarbeiterische Diskussion aufgenommen worden.
Inzwischen finden wir in unterschiedlichen sozialarbeiterischen Methoden (z. B. in der systemischen Beratung, im Case Management, im Empowerment) derartige Denkweisen und Ansätze wieder.
Die folgenden Aufsätze, die einen ersten Weg zu einem Systemischen Case Management zu bahnen versuchen, knüpfen zwar an einzelfallorientierte Konzepte der Sozialen Arbeit an, sind aber auch bezogen auf die hier vorgestellte Gemeinwesenarbeit, die heute vielleicht eher mit dem Begriff der Sozialraumorientierung umschrieben werden könnte.
Case Management
Eine methodische Perspektive zwischen Lebensweltorientierung und Ökonomisierung Sozialer Arbeit
Heiko Kleve
Zwischen Lebensweltorientierung und Ökonomisierung Sozialer Arbeit
Spätestens seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts prägten zwei gegensätzliche Orientierungen die Praxis und auch die theoretischen Reflexionen Sozialer Arbeit, zum einen die Lebensweltorientierung und zum anderen die Ökonomisierung.
Lebensweltorientierung meint im Sinne des theoretischen Begründers dieser methodischen Orientierung, Hans Thiersch (1993), dass sich SozialarbeiterInnen und deren Institutionen auf die eigensinnigen lebensweltlichen Erfahrungen ihrer Adressaten einlassen, dass sie in ihrer Arbeit von diesen Erfahrungen ausgehen und sich auf diese beziehen. Demnach bezeichnet Lebensweltorientierung einen sozialarbeiterischen Grundsatz, der sich gegen die »normalisierenden, disziplinierenden, stigmatisierenden und pathologisierenden Erwartungen [richtet; H. K.], die die gesellschaftliche Funktion der Sozialen Arbeit seit je zu dominieren drohen« (ebd., S. 13).
Damit schließt eine lebensweltorientierte Soziale Arbeit einerseits an traditionelle Leitmaximen sozialarbeiterischen Handelns an, an Leitmaximen etwa, die sich durch Lehrsätze ausdrücken wie »Dort anfangen, wo der Klient steht«, »Unterstützung in den gegebenen Verhältnissen« oder »Hilfe zur Selbsthilfe«.
Andererseits bedeutet diese methodische Maxime aber auch eine Enttraditionalisierung der Grundprämissen Sozialer Arbeit. Zentral dabei ist, dass man sich von der klassischen, der traditionellen Leitdifferenz der Sozialen Arbeit, nämlich von der Differenz Norm/ Abweichung, verabschiedet und sich allmählich neuen Leitdifferenzen wie Hilfe/Nicht-Hilfe (Baecker 1994), Fall/Nicht-Fall (Fuchs u. Schneider 1995) oder bedürftig/nicht-bedürftig (Weber u. Hillebrandt 1999) zuwendet. Während die Leitdifferenz Norm/Abweichung noch suggeriert, es gäbe so etwas wie eine übergeordnete bzw. gesellschaftlich anerkannte Normalität, von der die KlientInnen Sozialer Arbeit abweichen und hinsichtlich der sie wieder (re)normalisiert werden müssten, eröffnen die derzeit theoretisch diskutierten Leitdifferenzen andere Optionen. Relativ unabhängig von gesellschaftlichen Normalitätserwartungen und -vorstellungen, die sich aufgrund von Individualisierungs- und Pluralisierungstendenzen der Postmoderne ohnehin enorm vervielfältigen (vgl. etwa Beck u. Beck-Gernsheim 1994; Kleve 1999, S. 237 ff.), markieren die in den letzten Jahren ins Spiel gebrachten sozialarbeiterischen Leitunterscheidungen etwas, was in der sozialarbeiterischen Praxis tägliches Geschäft ist: das kommunikative Aushandeln, den Dialog zwischen SozialarbeiterIn und KlientIn bezüglich der Fragen, wie wann wo geholfen werden soll, was überhaupt der Fall ist bzw. wer wie als bedürftig zu betrachten sei.
Die genannten neuen Leitunterscheidungen verdeutlichen also, dass das, was als Norm bzw. als Abweichung von dieser Norm angesehen wird, nicht mehr voraussetzungslos erkennbar oder postulierbar ist, sondern jeweils fallspezifisch kommunikativ konstruiert werden muss. Lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist der Begriff zur Kennzeichnung genau dieser professionellen Praxis – einer Praxis, die sich weniger als Durchsetzerin gesellschaftlicher Normen versteht, die vielmehr individuell auszuhandelnde Hilfen arrangiert, die nur kommunikativ, dialogisch initiiert und erbracht werden können (vgl. ausführlich Kleve 2000, S. 57 ff.).
Durch die Ökonomisierung Sozialer Arbeit werden demgegenüber betriebswirtschaftliche Konzepte in die Praxis hineingetragen. Angesichts der in den letzten Jahren immer knapper werdenden öffentlichen Haushalte wird auch die Soziale Arbeit mit ökonomischen Forderungen konfrontiert, die sich beispielsweise durch Leitgrößen wie Effektivität und Effizienz beschreiben lassen. Demnach sollen sozialarbeiterische Leistungen effektiv, d. h. zielwirksam, sein. Sozialarbeiter sind aufgefordert, dass sie das, was sie tun, an konkreten Zielvereinbarungen ausrichten, mit denen dann die tatsächlich erreichten Ergebnisse verglichen werden können. Nur eine Leistung, die keine bzw. eine geringe Differenz zwischen Zielen und Ergebnissen aufweist, ist somit effektiv. Effizient sollen die Leistungen weiterhin sein, sie sollen ein günstiges Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen ermöglichen. Mit anderen Worten: Soziale Arbeit soll, bei so wenig Aufwand wie möglich, einen maximalen Nutzen für alle Beteiligten erzielen. Der Aufwand wird finanziell, durch die angefallenen Kosten, etwa für den Einsatz von Personal und Zeit, gemessen, während der Nutzen durch die KlientInnen, die Auftraggeber (KundInnen) und die Hilfeleistenden einzuschätzen ist.
Bevor ich versuchen werde, das Verhältnis von Lebensweltorientierung und Ökonomisierung, das ich als Gegensatz markiere, näher darzustellen und meine These entfalte, dass Case Management zur Vermittlung dieser scheinbaren Gegensätze beitragen kann, sollen an dieser Stelle noch zwei Aspekte vorausgeschickt werden:
Erstens unterscheide ich zwischen Kunden und Klienten. Kunden verstehe ich als die Institutionen, die die in der Regel gesetzlich (z. B. im Kinder- und Jugendhilfegesetz oder im Bundessozialhilfegesetz) fixierten sozialarbeiterischen Hilfen einleiten und finanzieren (z. B. die Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämter); Klienten sind die Hilfebedürftigen, die Adressaten Sozialer Arbeit. Ich treffe diese eher unübliche Unterscheidung zwischen Kunden und Klienten, weil sozialarbeiterische Leistungen kaum von denen bezahlt werden, die diese Leistungen erhalten. In der Regel erfolgt die Finanzierung sozialarbeiterischer Hilfen durch staatliche Leistungsträger, die dann – und nicht die Adressaten, nicht die Klienten – konsequenterweise auch als Kunden bezeichnet werden sollten. Denn diese Kunden regulieren mit ihrer Zuwendung oder Reduzierung von Geldern das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Markt sozialer Dienstleistungen; dies können die Klienten nicht, zumindest nicht mit Geld.
Die Ökonomisierung Sozialer Arbeit wird dadurch verkompliziert, dass wir es hier nicht mit dem klassischen dualen Verhältnis des ökonomischen Marktes von Verkäufern (Anbietern) und Käufern (Nachfragenden, Kunden) zu tun haben, sondern mit einer triadischen Beziehung: Hilfeleistender – Kunde (Auftrag- und Geldgeber) – Klient.
Zweitens ist die oben genannte Ergebnisorientierung, die durch die sozialarbeiterische Ökonomisierung angestrebt wird, im Bereich humaner Dienstleistungen nur bedingt umsetzbar. Effektivität, also Zielwirksamkeit, kann im Bereich der Sozialen Arbeit nur sehr beschränkt als Kriterium dienen, um die Qualität der Hilfeleistungen zu beurteilen. Wir können zwar die sozialarbeiterischen Prozesse beschreiben, die fachlichen Standards bzw. dem aktuellen Stand der Methodendiskussion entsprechen und eine professionell und wissenschaftlich gute Sozialarbeit ausmachen, aber ob die Ergebnisse, die aus solchen Prozessen resultieren, den vereinbarten und angestrebten Hilfezielen entsprechen, steht auf einem anderen Blatt. Ein Grund für diese Situation ist der Aspekt der Koproduktion, d. h. dass nicht allein die Sozialarbeiterin den Verlauf und die Ergebnisse einer Hilfe bestimmt, sondern immer auch der Klient als Koproduzent. Soziale Arbeit ist darüber hinaus ein Prozess, der innerhalb einer komplexen strukturellen Kopplung abläuft, in der biologische, psychische und soziale Systeme, kurz: autopoietische Systeme, interagieren, die niemals direkt beeinflusst, sondern immer nur zur Selbstveränderung angeregt werden können (vgl. Kleve 1996a; b). In dieser Hinsicht ist Soziale Arbeit nur begrenzt mit ökonomischen Konzepten wie Effektivität und Effizienz beschreibbar (vgl. eingehend dazu Kleve 2001).
Trotz dieser beiden Einschränkungen soll die Ökonomisierung dennoch als eine bestimmende Tendenz aktueller Sozialer Arbeit nicht gänzlich verworfen, sondern ins Verhältnis gesetzt werden zur Lebensweltorientierung. Dieses Verhältnis lässt sich m. E. als ein ambivalenter Gegensatz beschreiben, der besonders deutlich wird, wenn wir uns zusammenfassend die folgende Tabelle anschauen, die mit einigen Begriffen die widersprüchlichen Merkmale von Lebensweltorientierung und Ökonomisierung veranschaulicht:
Lebensweltorientierung | Ökonomisierung |
kommunikative/diskursive Rationalität | instrumentelle/strategische Rationalität |
Prozessorientierung »Der Weg ist das Ziel!« | Ergebnisorientierung »Das Ergebnis ist das Ziel!« |
Akzeptanz von Unordnung, Chaos, Kontingenz, Unsicherheit | Primat von Ordnung und Eindeutigkeit |
eher klientenorientiert (hilfsbedürftigenorientiert) | eher kundenorientiert (auftrag- bzw. geldgeberorientiert) |
Qualität | Quantität |
Subjektivität | Objektivität |
Abb.: Lebensweltorientierung und Ökonomisierung
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit kann durch Bestimmungsmerkmale gekennzeichnet werden, die ihre Offenheit, ihre kommunikative und diskursive, ihre auf das Subjekt und auf die Qualität orientierte Struktur zum Ausdruck bringen, während die sozialarbeiterische Ökonomisierung eher durch instrumentelles, strategisches, ergebnisorientiertes Denken geprägt ist, das vor allem die finanzielle Quantität der Auftraggeber- bzw. Kundenperspektive objektiv in den Blick zu bringen versucht. Schließlich könnten wir sagen, dass Lebensweltorientierung – ganz prozesshaft – davon ausgeht, dass der Weg das Ziel ist. Im Gegensatz dazu postuliert die Ökonomisierung: Das Ziel ist das kostengünstig erbrachte Ergebnis.
Meine These ist nun, dass die Methode des Case Management diese beiden widersprüchlichen, aber m. E. gleichermaßen wichtigen Perspektiven Sozialer Arbeit zu vereinen erlaubt; aus dem Entweder-oder hinsichtlich Lebensweltorientierung und Ökonomisierung macht diese Methode ein Sowohl-als-auch. Case Management erlaubt, wie im Folgenden deutlich werden soll, zugleich die Einnahme einer lebensweltorientierten und einer ökonomisch aufgeklärten Perspektive Sozialer Arbeit, ja noch mehr: Die jeweils eine Perspektive ist hier die Voraussetzung für die jeweils andere.
Dies will ich in drei Schritten veranschaulichen: Im ersten Schritt werde ich die methodischen Grundsätze des Case Management darstellen, um sodann im zweiten Schritt die Methode in ihren verschiedenen Phasen etwas ausführlicher zu skizzieren. Schließlich werde ich im dritten Schritt resümierend noch einmal verdeutlichen, dass und wie mit dieser Methode die Doppelperspektive von Lebensweltorientierung und Ökonomisierung eingenommen wird.
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