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Psychoanalyse/Tiefenpsychologie als methodische Grundlage Sozialer Arbeit
Psychoanalyse ist die Bezeichnung für ein von Sigmund Freud (1856–1939) entwickeltes psychologisches Konzept, das auf drei Ebenen wirksam wird: 1. als Untersuchungsmethode von seelischen Vorgängen, 2. als Behandlungsmethode neurotischer Störungen (Neurosen) und 3. als Gesamtheit psychologischer und psychopathologischer Theoriebildung (vgl. Barth 1993).
Die psychoanalytische Behandlung zielt darauf ab, unbewusste (Interaktions-)Erfahrungen bewusst zu machen. Denn es wird davon ausgegangen, dass seelische Konflikte und Probleme (Neurosen) auf der Verdrängung von traumatischen Interaktionserfahrungen (aus der Kindheit) beruhen. Durch das Liegen auf der Couch und die freie Assoziation während einer (klassischen) psychoanalytischen Psychotherapie soll das Erinnern und das Verbalisieren (Aussprechen) dieser Erfahrungen erleichtert werden. Im Verlaufe einer Psychoanalyse werden aktuelle Konflikte mit Bezugspersonen und mit dem Psychoanalytiker auf die Grundkonflikte, auf die traumatischen Interaktionserfahrungen der Kindheit, zurückgeführt. Es wird angestrebt, diese Erfahrungen und die damit einhergehenden Gedanken und Gefühle nicht nur zu erinnern, sondern auch in der professionellen Übertragungsbeziehung zum Therapeuten emotional zu wiederholen und schließlich mit Hilfe des Therapeuten durchzuarbeiten.
Übertragung ist das von Sigmund Freud beschriebene Phänomen, dass »affektive Einstellungen oder Bindungen aus einer (frühkindlichen) Beziehung in spätere, in irgendeiner Hinsicht ähnliche Beziehungen unbewusst ›mitgebracht‹ und somit gegenüber Personen (oder Institutionen) reaktiviert werden, die ›eigentlich‹ nicht gemeint sind« (Fuchs 1988, S. 802 f.). Sozialwissenschaftlich und -praktisch ist die Übertragung bedeutsam, »weil prinzipiell in jeder aktuellen Beziehung das Nach- und insofern Mitwirken früherer Beziehungen – meist zu den gegenwärtigen Partnern unbekannten Personen – aufzufinden und ein entsprechendes Fortwirken auf künftige Beziehungen zu vermuten ist« (ebd., S. 803).
Freud selbst schreibt: »Machen wir uns klar, dass jeder Mensch durch das Zusammenwirken von mitgebrachter Anlage und von Einwirkungen auf ihn während seiner Kinderjahre eine bestimmte Eigenart erworben hat, wie er sein Liebesleben ausübt, also welche Liebesbedingungen er stellt, welche Triebe er dabei befriedigt, und welche Ziele er sich setzt. Das ergibt sozusagen ein Klischee (oder auch mehrere), welches im Laufe des Lebens regelmäßig abgedruckt wird, insoweit die äußeren Umstände und die Natur der zugänglichen Liebesobjekte es gestatten, welches gewiss auch gegen rezente [gegenwärtige, aktuelle; H. K.] Eindrücke nicht völlig unveränderlich ist« (Freud 1909/1913, S. 364 f.).
Übertragung ist – obwohl dieses Konzept meistens pathologisch konnotiert und in psychoanalytischen Kontexten zur Bezeichnung neurotischer Störungen verwendet wird – ein »normaler«, alltäglicher Vorgang. Dies bringt Gregory Bateson zum Ausdruck, wenn er schreibt, dass »nichts Bedeutung hat, solange man es nicht in irgendeinem Kontext sieht« (Bateson 1982, S. 24). Und weiter: »Diese Sicht wird Übertragung genannt und ist ein allgemeines Phänomen in menschlichen Beziehungen. Sie ist ein universelles Charakteristikum jeglicher Interaktion zwischen Personen, weil schließlich die Form dessen, was gestern zwischen Ihnen und mir vorgefallen ist, darauf einwirkt, in welcher Form wir heute aufeinander reagieren. Und diese Gestaltung ist im Prinzip eine Übertragung aus vergangenem Lernen« (ebd., S. 24 f.).
Peter Sloterdijk bringt dies – geradezu poetisch – noch deutlicher auf den Punkt, wenn er schreibt, »dass Übertragung die Formquelle von schöpferischen Vorgängen ist, die den Exodus der Menschen ins Offene beflügeln« (Sloterdijk 1998, S. 14). In Anlehnung an den Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein, für den die Grenzen der Sprache die Grenzen der Welt bedeuteten, formuliert Sloterdijk: »Die Grenzen meines Übertragungsvermögens sind die Grenzen meiner Welt« (ebd.).
Zurück zum psychoanalytischen Therapieprozess, hier wird Übertragung zur »Heilung« eingesetzt. Übertragung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Interaktionserfahrungen der Kindheit (z. B. bezüglich der Eltern) auf die aktuellen Beziehungen (z. B. auf die Beziehung zum Therapeuten) übertragen werden. Diese Übertragung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Psychoanalyse, in der kindliche Ängste, enttäuschte Erwartungen an die Eltern, Traurigkeit, Wut, Verzweiflung etc. zunächst wiederholt (Wiederholungszwang), emotional noch einmal erlebt, dann im günstigsten Falle bewusst erinnert und schließlich in Richtung einer neu zu konstruierenden (»gesunden«) erwachsenen Perspektive auf die Realität therapeutisch durchgearbeitet werden können.
In diesem Zusammenhang sollen auch die Gegenübertragungsphänomene nicht verschwiegen werden. Gegenübertragung meint die Übertragung von Gefühlen, Beziehungserfahrungen und affektiven Bindungserlebnissen von Helfern (Therapeuten, Sozialarbeitern etc.) auf ihre Klienten. Gegenübertragungsphänomene können der konstruktiven Dynamik der helfenden Beziehung hinderlich sein, aber auch positiv genutzt werden. Sie sollten in der Selbstreflexion (z. B. in der Supervision oder Balintgruppenarbeit) thematisiert und gegebenenfalls so »bearbeitet« werden, dass sie positiv nutzbar sind.
Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell differenziert die menschliche Psyche in drei Bereiche: in »Es«, »Ich« und »Über-Ich«. Das unbewusste »Es« beinhaltet vor allem den Sexual- und den Aggressionstrieb und nimmt die aus dem »Ich« verdrängten Wünsche, Affekte und Erinnerungen auf. Das »ICH« versucht, die Triebimpulse des »Es« sowie internalisierte soziale Anforderungen/Erwartungen aus dem »Über-Ich« mit der sozialen Realität abzustimmen, zu koordinieren bzw. zu vermitteln. Das »Über-Ich« bildet sich ab dem 3. Lebensjahr durch die Verinnerlichung (Internalisierung) elterlicher Verbote, Gebote, Normen und Erwartungen.
Die Soziale Einzelfallhilfe war in den 1930er Jahren eine Zeit lang stark geprägt von der Psychoanalyse (vgl. zu den folgenden Ausführungen auch Kleve 1999, S. 120 f.). Die professionellen SozialarbeiterInnen erhofften sich von der Rezeption der Psychoanalyse, »den Weg aus der alten, mit repressiven Mitteln arbeitenden Fürsorge zu finden, hin zu einer Menschenführung ohne Gewalt oder materielle Erpressung, die mit wissenschaftlichen Mitteln das eigene Interesse und die Mitarbeit der Klienten zu wecken vermöchte, ohne die materielle Hilfe wirkungslos bliebe« (Müller 1995, S. 35). Die Psychoanalyse lenkt den Blick der SozialarbeiterInnen auf die Gestaltung und Reflexion der helfenden Beziehung, auf die Möglichkeiten der kognitiven und emotionalen Ver- und Aufarbeitung, Gestaltung und Überwindung von subjektiv erfahrenen psychosozialen Problemlagen.
Das Verdienst der Psychoanalyse für die Sozialarbeit liegt darin, die Perspektive der sozialen Hilfepraxis zu öffnen für die individuell-subjektiven und psychologischen Dimensionen des Helfens, die sowohl die KlientInnen als auch die HelferInnen gleichermaßen tangieren. Das professionelle Reflektieren der gegenseitigen Verstrickungen, der Übertragungen, Gegenübertragungen und Widerstände in Hilfeprozessen, das die Psychoanalyse ausgesprochen differenziert erlaubt, kann entscheidend dazu beitragen, helfende Beziehungen in ihrer konstruktiven oder destruktiven Dynamik einschätzen zu lernen und kontextuell angemessen zu handeln.
Die Psychoanalyse kann SozialarbeiterInnen dafür sensibilisieren, dass die Kenntnis ihrer eigenen kognitiven und emotionalen Welten ein grundlegendes Arbeitsinstrument bei der Gestaltung helfender Beziehungen ist. Die Persönlichkeit des Helfers ist zentraler Bestandteil des Hilfeprozesses, der in seiner emotionalen bzw. affektiven Dynamik letztlich nur durch die Wahrnehmung seelischer Vorgänge des Helfers beobachtet werden bzw. beschrieben, erklärt und bewertet werden kann (vgl. Stierlin 1971).
Kritik: Trotz der offensichtlichen Verbindungen, der »natürlichen Brücke« (Hollis) zwischen Psychoanalyse und Sozialarbeit ist nicht zu verkennen, dass die – verkürzte und unreflektierte – Anwendung psychoanalytischer Erkenntnisse und Methoden in sozialarbeiterischen Handlungsfeldern Probleme bereitet. Beispielsweise medizinalisiert oder therapeutisiert die psychoanalytische Betrachtung nicht selten psycho-soziale Probleme. Vor allem die Medizinalisierung psychosozialen Leidens ist mit dem frühen psychoanalytischen und dem frühen sozialarbeiterischen Denken des Social Case Work eng verhaftet. Genauso wie Freud, der die Psychoanalyse an dem zu seiner Zeit paradigmatisch auch die Human- und Sozialwissenschaften prägenden naturwissenschaftlichen Verständnis ausrichtete (vgl. Capra 1982, S. 194), orientierte sich beispielsweise auch Mary Richmond bezüglich der Konzeption einer personenbezogenen Sozialarbeit am medizinischen Modell. Die Begriffe »Diagnose« und »Behandlung« wurden somit zu wesentlichen Elementen der Case-Work-Literatur.
Humanistische Psychotherapien als methodische Grundlage Sozialer Arbeit
Die humanistische Psychologie wurde 1962 in den USA als kritische psychologische und psychotherapeutische Kraft zwischen Psychoanalyse und der akademischen Verhaltenspsychologie begründet (vgl. Fraßa 1993). Als ihr geistiger Vater gilt der Motivationspsychologe Abraham Maslow (1908–1970). Die humanistische Psychologie hebt das Bedürfnis des Menschen nach Wachstum und Selbstverwirklichung hervor und betont deshalb vor allem die durch die Therapie zu aktivierenden »positiven Kräfte« selbstverantwortlicher Individuen.
»Nicht die Erforschung unbewusster seelischer Vorgänge wie bei der Psychoanalyse, sondern die Schärfung des Bewusstseins für innere Erfahrungen steht im Vordergrund. Psychotherapie wird als Lernerfahrung betrachtet, die nicht von außen gesteuert ist, sondern die die dem Individuum innewohnenden, auf Selbstheilung zielenden Kräfte unterstützt«(Fraßa 1993, S. 480).
Im Einzelnen werden insbesondere die Gesprächspsychotherapie nach Carl R. Rogers, die Gestalttherapie nach Fritz Perls, das Psychodrama nach Iacov Moreno oder die Logotherapie nach Viktor E. Frankl der humanistischen Psychologie bzw. Psychotherapie zugeordnet.
Die Soziale Einzelfallhilfe wurde insbesondere von der nicht-direktiven, klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie bzw. Beratungsmethode Carl Rogers’ maßgeblich beeinflusst. Die wesentlichen Annahmen der Gesprächspsychotherapie sind (vgl. Schneider u. Esser 1993):
Klienten-/Personenzentriertheit: Im Mittelpunkt des beraterischen Interaktionsgeschehens während der Sozialen Arbeit mit Einzelnen steht die hilfesuchende Person mit ihren jeweiligen Gefühlen, Wünschen, Zielen und Wertvorstellungen, kurz: mit ihrer subjektiven Sicht auf die Innen- und die Außenwelt. Die HelferInnen geben weder Ratschläge noch Empfehlungen, weder bewerten sie die Sicht- und Verhaltensweisen der KlientInnen, noch intervenieren sie diesbezüglich direktiv durch konkrete Vorschläge. Das Ziel während der Beratung besteht darin, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, die die Angst der KlientInnen mindert und sie schließlich in die Lage versetzt, selbst aktiv an der kreativen Lösung der eigenen Probleme zu arbeiten. Somit steht auch hier »Hilfe zur Selbsthilfe« im Mittelpunkt.
Beeinflussung und Veränderung des Gesprächsverhaltens, der Selbstexploration (Selbstbefragung, -einschätzung, -offenbarung) und des problematisierten Verhaltens und Erlebens der KlientInnen durch das verbale und soziale Verhalten der SozialarbeiterInnen: Als für den Hilfeprozess maßgebliche Verhaltensweisen bzw. zentrale Basisvariablen der HelferInnen gelten:
a) »Echtheit« (Kongruenz, Authentizität) der HelferInnen;
b) die volle Akzeptanz bzw. Wertschätzung und das bedingungslose, positive Bemühen um die KlientInnen;
c) das tiefe, sensitive und einfühlende Verständnis für die Gefühle der KlientInnen und deren Bedeutung (Empathie).
Die Verfahren der nicht-direktiven Beratung sind insbesondere:
Erstens: Ermöglichung der Selbstexploration: Hierbei geht es darum, die KlientInnen zu befähigen, über sich selbst zu sprechen, darüber, was sie bedrückt, was sie denken und was sie fühlen. Der Berater »bestimmt seine Rolle mit der Mitteilung, dass er selbst keine Lösung für die Schwierigkeiten des Klienten bereitstellen kann, dass er aber bereit ist, ihm bei der Lösung seiner Schwierigkeiten beizustehen. Da der Klient in kein Gespräch über Sachverhalte eintreten kann, wird er auf seine eigenen Erfahrungen zurückverwiesen« (Geißler u. Hege 1988, S. 80).
Zweitens: Die Verbalisierung der emotionalen Erlebnisinhalte der KlientInnen: Mit diesem Verfahren sind die BeraterInnen aufgefordert, den KlientInnen aktiv zuzuhören, sie vor allem emotional zu verstehen, d. h., die HelferInnen teilen den KlientInnen mit, was sie an Emotionen wahrgenommen haben. Es wird davon ausgegangen, je mehr es den BeraterInnen gelingt, adäquat die Erlebnisweise der KlientInnen verbal zu erfassen, umso stärker sind die KlientInnen in der Lage, sich zu öffnen und über ihre Probleme zu sprechen. Beispiel einer Interaktion, in der die Beraterin die emotionalen Erlebnisinhalte des Klienten verbalisiert (Geißler u. Hege 1988, S. 85 f.):
Klient: | Ich weiß manchmal gar nicht, wie ich mich verhalten soll. |
Beraterin: | Sie fühlen sich richtig verunsichert. |
Klient: | Meine Mutter lässt mich nie in Ruhe. |
Beraterin: | Sie fühlen sich fast kontrolliert. |
Klient: | Ich langweile mich sehr. |
Beraterin: | Es spricht Sie überhaupt nichts an. |
Kritik: »In allen Gesprächen oder Gesprächsabschnitten, in welchen es darum geht, die emotionale Lage des Klienten ihm selbst und dem Sozialpädagogen zu verdeutlichen, ist die Anwendung dieses Verfahrens eine adäquate Intervention. Konflikte […], die im Berufsfeld des Sozialpädagogen auftreten, sind jedoch mit Selbstexploration des Klienten allein nicht zu lösen. […] Schon Rogers hat deutlich gemacht, dass Klienten, deren Schwierigkeiten im Umfeld liegen, nicht geeignet sind für klientenzentrierte Gesprächsführung. Dies bedeutet für den Sozialpädagogen, dass er zunächst den Einfluss des Umfeldes sehen muss, dann erst entscheiden kann, ob er mit seinen Interventionen sich dem Umfeld, dem Problem und seinem Sachverhalt oder zunächst den psychischen Anteilen des Problems zuwenden muss« (Geißler u. Hege 1988, S. 86 ff.).
Systemische Familien-/Kommunikationstherapie als methodische Grundlage Sozialer Arbeit
Die Familientherapie, die in den 1950er Jahren vor allem in den USA entstanden ist, hat insbesondere zwei Wurzeln: zum einen die Sozialarbeit und zum anderen die Schizophrenieforschung; »Beides sind Bereiche, die die Erfahrung vermitteln, dass das menschliche Individuum nicht ›kleinste therapiefähige Einheit‹ ist« (Simon 1983, S. 349 f.). Genau dies ist auch der Grundgedanke der Familientherapie: Menschliches Verhalten ist abhängig vom System (Familie, Gemeinschaft, Gesellschaft etc.), in dem es gezeigt wird, sodass man menschliches Verhalten nur verstehen und Menschen nur zur Veränderung anregen kann, wenn man das jeweils verhaltensrelevante System betrachtet bzw. behandelt (z. B. die gesamte Familie).
Die verschiedenen Schulen der Familientherapie (die von der Psychoanalyse kommende Familientherapie [z. B. H. Stierlin]; die strukturelle Familientherapie [z. B. S. Minuchin]; die Kurztherapie bzw. systemische Familientherapie [z. B. Mailänder Schule: M. Selvini Palazzoli; Mental Research Institute Palo Alto: P. Watzlawick] sowie die entwicklungs- bzw. erfahrungsorientierte Familientherapie [z. B. V. Satir]) entstanden aus der Erfahrung, dass psychologische Therapien mit einzelnen Personen häufig erfolglos blieben – besonders bei schwer wiegenden psychiatrischen Symptomen und Multiproblemfällen. Es zeigte sich, dass es nicht ausreicht, sich therapeutisch oder beraterisch auf die Psyche der jeweils zu therapierenden Personen zu beziehen, weil ihr (symptomatisches) Verhalten abhängiger erschien von den familiären Beziehungen, in denen die Personen lebten, als man gemeinhin (etwa im psychoanalytischen Denken) annahm.
Die systemische Familientherapie begreift daher Verhalten von Menschen als eine Funktion bzw. als eine abhängige Variable von (zwischenmenschlichen) Systemen. Individuelles Verhalten ist nur sinnvoll verstehbar, wenn es in seinem jeweils relevanten systemischen Kontext betrachtet wird. Jedes soziale Verhalten von Menschen ist ein auf andere Menschen bezogenes Verhalten. Somit ist es wichtig, die Bedeutung und die Kommunikationsregeln der relevanten zwischenmenschlichen Beziehungen (der Systeme) zu kennen, wenn man Verhalten verstehen bzw. verändern will. Insbesondere die Möglichkeiten und Grenzen der Veränderung von Verhalten erscheinen in diesem Zusammenhang abhängig von den Möglichkeiten und Grenzen der Veränderung der Kommunikationsregeln von Beziehungen.
Schon die ersten von dem Anthropologen Gregory Bateson (s. 1981) durchgeführten kommunikationstheoretischen Studien in den 1950er Jahren offenbarten, dass der Sinn menschlichen Verhaltens, der im interaktiven Kontext immer kommunizierend wirkt (»Man kann nicht nicht kommunizieren«; s. u.), nur verstanden werden kann, wenn Verhalten in seinem (kommunikativen) sozialen Kontext gesehen wird. Am Beispiel des Verhaltens von als schizophren diagnostizierten Familienmitgliedern wurde deutlich, dass Schizophrenie nicht nur das Symptom eines Patienten ist. Vielmehr entdeckten Bateson und seine MitarbeiterInnen, dass schizophrenes Verhalten Resultat einer (paradoxen) Kommunikation in einem bestimmten sozialen Kontext ist (s. dazu auch Watzlawick u. a. 1969, S. 171 ff.). Schizophrene Verhaltensmuster erscheinen demnach als die einzig mögliche Reaktion auf einen absurden zwischenmenschlichen Kontext.
Der Ausgangspunkt der familientherapieorientierten Konzepte der Sozialen Arbeit ist das Verständnis der menschlichen Interaktion als ein System (vgl. Watzlawick u. a. 1969, S. 115 ff.), das sich von einer Umwelt abgrenzt und aus »Mit-anderen-Personen-kommunizierende[n]-Personen« (ebd., S. 116) besteht. Neuere familientherapeutische bzw. systemische Konzepte betonen allerdings, dass ausschließlich Kommunikationen bzw. Verhaltsweisen (vgl. Simon 1993, S. 104) als Elemente in die Bildung eines sozialen Systems (z. B. einer Familie) eingehen.
Um in der Sozialen Arbeit die helfende Beziehung angemessen zu gestalten, erfordert die SozialarbeiterIn-KlientIn-Interaktion system- und kommunikationstheoretische Kenntnisse auf Seiten der SozialarbeiterInnen, denn soziale Beziehungen sind äußerst komplexe kommunikative Phänomene.
Für die komplexen Phänomene kommunikativer Beziehungen lassen sich nach Paul Watzlawick u. a. (1969) folgende kommunikationstheoretische Axiome nennen:
1. Man kann nicht nicht kommunizieren.
2. Jede Mitteilung hat einen Beziehungs- und einen Inhaltsaspekt.
3. Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Ereignisfolgen bestimmt.
4. Jede Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten.
5. Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.
Auch für die ein soziales System konstituierenden Kommunikationsprozesse gilt wie für alle Beziehungen innerhalb einer jeden systemischen Ganzheit, dass sie »immer schon mehr und anders geartet [… sind …] als die bloße Summe der Elemente, die [etwa …] Kommunikanten in [eine …] Beziehung hereinbringen« (ebd.). Watzlawick beschreibt die Kommunikationsprozesse entsprechend der Systemtheorie, wenn er formuliert, dass »nicht nur […] eine Ursache eine Wirkung [erzeugt], sondern jede Wirkung wirkt ihrerseits ursächlich auf ihre eigene Ursache zurück. Daraus entstehen Komplexitäten, die sich jeder Reduktion auf ihre Einzelbestandteile entziehen« (ebd.).
Da Verhalten, wie das Systemdenken lehrt, nicht verstehbar scheint, wenn der soziale Kontext, in dem es auftritt, vernachlässigt wird, ist der Erfolg sozialarbeiterischer Interventionen davon abhängig, inwieweit die SozialarbeiterInnen in der Lage sind, die konkreten psychischen, gesellschaftlichen und familiären Bedingungen ihrer KlientInnen in ihren wechselseitigen Abhängigkeiten einzuschätzen. Hierfür bietet die systemische Familientherapie vielfältige Erklärungsund Problembeschreibungsmöglichkeiten: z. B. das Genogramm, zirkuläres Symptomverständnis, Balance zwischen Veränderung/Wandel und Bestand/Kontinuität, Kontexterweiterung, Perspektivwechsel.
Kritik: Auch die familien- und kommunikationstherapeutischen Ansätze in der Sozialen Arbeit erfuhren unterschiedliche Kritik. Eine Kritikerin dieser Ansätze ist Silvia Staub-Bernasconi (1995, z. B. S. 232), die beispielsweise die strikte Trennung biologischer, psychischer und sozialer Systeme problematisiert, wie sie der Soziologe Niklas Luhmann (1984) vorgeschlagen hat und wie sie von einem bedeutenden Strang der Systemtherapie aufgenommen wurde (s. etwa Simon 1993). Nach Luhmanns Theorie löst sich der Mensch in das biologische und psychische System auf und gehört zur Umwelt des sozialen Systems (vgl. einführend auch Kleve 1996a). Genau diese Sichtweise kritisiert Staub-Bernasconi.
Die starke Anlehnung systemtherapeutischer Ansätze an soziologische und kybernetische Theorien könnte möglicherweise auch dazu geführt haben, dass die Dimension des Emotionalen bei der systemorientierten Sozialen Arbeit zunehmend vernachlässigt wird, was in aktuellen Diskussionen – etwa von Heinz J. Kersting (2002) z. B. in Anlehnung an Tom Levold (1997; 1998) und Rosemarie Welter-Enderlin (Welter-Enderlin u. Hildenbrand 1996; 1998) – kritisiert wird.