Kitabı oku: «Tatort Ostsee», sayfa 10
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Stefan stand am Grill und wendete die Steaks. Er hätte zu gerne gewusst, ob Sophie wirklich nur an einer neuen Sportart interessiert war. Er bezweifelte es. Sophie war von Natur aus neugierig. Eine Schnüfflerin, die in ihrem Job perfekt aufgehoben war. Sie war immer wie ein Pitbull, wenn sie an einer Sache dran war. Schon damals als Polizeireporterin war sie hartnäckiger als ihre Kollegen. Die deutsche Prominenz musste sie regelrecht fürchten. Und jetzt hatte sich ihr Verdacht bestätigt. Aber das würde er ihr auf keinen Fall erzählen.
»Und?« Er deutete auf ihr Handy. »Gute Nachrichten? Vielleicht vom Showmaster?«
»Nein. Kurze Gratulation zu den Verkaufszahlen der letzten Ausgabe.«
»Ach, wegen der Enthüllungsstory über deinen Ex? Ja, dem hast du ganz schön eine verpasst.«
Sophie sah ihn kalt an. Sie wollte gerade etwas sagen, als Tina zurück auf die Terrasse kam. »Die Mäuse schlafen. Sag mal, Sophie, stimmt es, dass du Paul Hundefutter zu essen gegeben hast? Er hat behauptet, du findest es genauso lecker wie er!«
Stefan nahm die Steaks vom Grill und legte sie auf eine Platte. »Setzt euch! Ich glaube, sie sind perfekt.«
In den nächsten Minuten war außer »Mmh!« und »Lecker!« nichts zu hören. Stefan wollte die Gelegenheit nutzen und Sophie ein bisschen ausquetschen. Das Problem war nur, dass sie nicht dumm war. Er musste sich schon sehr geschickt anstellen, damit sie keinen Verdacht schöpfte. Wenn er zu freundlich wäre, würde sie den Braten sofort riechen.
»Und? Wie ist die Stimmung bei deinen neuen Sportsfreunden in Gold?«, fragte er ganz nebenbei.
Sophie grinste. »Du willst wissen, ob ich schon einen Verdächtigen habe?«
»Haha! Ich wollte nur etwas Konversation betreiben.«
»Ich glaub dir kein Wort! Außerdem kannst du doch einfach deine Kollegen fragen. Die haben ja heute eine Riesenwelle aus ihrer Zeugenbefragung gemacht. Eins kannst du mir glauben, alle wissen jetzt, dass es nicht nur um einen Unfall geht. Der Mörder ist definitiv gewarnt. Aber zurück zu deiner Frage. Die Stimmung ist wieder etwas besser. Der erste Schock scheint vorbei zu sein und alles läuft wieder nach Plan.«
Stefan sah sie unschuldig an. »Ich wollte nur wissen, ob vielleicht jemand irgendetwas über Sarah erzählt hat. Zum Beispiel, dass sie öfter mal nachts gekitet ist.«
»Ach, soll ich jetzt doch für dich spionieren?«
Stefan seufzte genervt. Mit genau dieser Reaktion hatte er eigentlich gerechnet. Sophie blitzte ihn wütend an. »Willst du mich eigentlich verarschen? Ihr geht nicht von einem Unfall aus! Ihr sucht einen Mörder! So, und jetzt entschuldigt mich. Ich geh ins Bett. Ich bin hundemüde und morgen um neun geht es weiter. Gute Nacht! Pelle!« Ihr Hund rührte sich nicht. »Wie du willst, dann schläfst du eben draußen.« Sophie gähnte und ging ins Haus.
Stefan atmete tief durch. Das Mädchen war in Leitungswasser ertrunken. In einem Pool oder einer Wanne ertränkt worden. Sophie hatte tatsächlich recht gehabt. Man hatte die Tote an den Strand gelegt.
»Stefan?« Seine Frau lächelte ihn müde an. »Ich geh auch schlafen. Ich bin total kaputt. Zu viel Sonne, Strand und Familienglück. Grüble nicht mehr zu lange, ja?«
»Nacht, Zaubermaus. Ich komm bald. Muss nur noch über was nachdenken. Lass alles stehen, ich räum das ab.«
»Pelle? Letzte Chance bei Frauchen zu schlafen.«
Pelle schmatzte genüsslich und rollte sich zur Seite. Tina zuckte mit den Schultern. Stefan lehnte sich zurück und fasste zusammen. Die Leiche war abgelegt worden. Der Täter hatte wohl gehofft, dass man nur den Tod durch Ertrinken feststellen würde. Eine Ertrunkene wird morgens am Strand gefunden. Furchtbar zwar, aber so etwas passierte nun einmal. Er konnte davon ausgehen, dass man die Leiche nicht weiter untersuchen würde. Und er wäre ja auch damit durchgekommen. Die Polizei von Fehmarn hätte sicher keinen Mord vermutet. Nicht mal er hatte es in Erwägung gezogen. Und was war mit der anderen, dieser Sandra? Scheiße, sie würden sie ebenfalls obduzieren lassen müssen. Hoffentlich lag sie noch irgendwo in einem Kühlschrank. Stefan nahm sein Telefon aus der Hemdtasche und wählte die Nummer seines Kollegen in Lübeck.
»Chef?«, meldete sich Ingo Schölzel.
»Ingo, weißt du, ob diese Sandra noch irgendwo in der Truhe liegt? Diese Ertrunkene von letzter Woche.«
»Ja, zufälligerweise. Sie liegt beim Bestatter in Burg. Ihre Eltern waren verreist, Florida. Sie konnten sich erst jetzt um einen Beerdigungsunternehmer kümmern. Sie wollen sie morgen holen lassen.«
Stefan nickte und überlegte.
»Bist du noch dran?«
»Natürlich!«, antwortete er schroff. »Ruf die Eltern an. Wir müssen sie untersuchen. Gleich morgen früh. Ruf Franck an! Ich kümmere mich um den Staatsanwalt.«
»Erklärst du mir, was los ist?«, fragte Ingo verwirrt.
»Morgen in der Rechtsmedizin. Bis dann.«
Stefan klappte den Handydeckel zu und fluchte innerlich. Er hätte gern noch ein Bier getrunken und sich dann an seine Frau gekuschelt. Doch er war viel zu unruhig, um an Schlaf denken zu können. Vielleicht gab es sogar zwei Opfer. Irgendwo da draußen lief ein Mörder frei herum. Und dem wäre fast ein perfekter Mord gelungen.
Tina schlich leise über den Flur. Sie sah, dass Sophie noch Licht brennen hatte. Leise klopfte sie an.
»Komm rein!«
»Du schläfst ja noch gar nicht.«
Sophie schlug die Decke zur Seite und klopfte auf die Matratze. Tina kuschelte sich neben ihre Freundin.
»Der Vormittag war toll! Stell dir vor, ich bin durch die Luft geflogen. In der Mittagspause kamen dann die Kollegen von Stefan. Sie haben alle befragt, in der Hoffnung noch einen Zeugen zu finden oder mehr über diese Sarah zu erfahren. Damit ist der zweite Teil des Kurses ins Wasser gefallen.«
»Und? Hatten sie Erfolg?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Da musst du deinen Mann schon direkt fragen. Mir sagt doch keiner was.«
Tina ärgerte sich, dass sie gefragt hatte. Sie wollte auf keinen Fall eine neue Diskussion. »Was habt ihr denn dann alle noch so lange gemacht?«
»Wir haben am Strand ein paar Bier gezischt. Der Kurs wird jedenfalls morgen nachgeholt.«
»Und ich hatte Angst, dass du dich hier langweilen würdest.«
»Ich langweile mich ganz bestimmt nicht! Da sind zum einen die Morde und landschaftlich ist es hier wirklich schön. Nicht ganz so wie Phuket oder Ibiza, aber eben anders schön. Und schnuckelige Typen findet man hier auch. Da ist dieser Ben. Der ist richtig lecker. Er haust in einem Bus. Stell dir das mal vor. Von dem würde ich mich gerne über Felix hinwegtrösten lassen.«
»Ben? Der Hippie, der sich in Thailand das Hirn weich gekifft hat? Willst du dich jetzt in ein Abenteuer stürzen?«, fragte sie entsetzt.
»Wer weiß?«, grinste Sophie. »Außerdem ermittle ich doch! Miss Marple ist doch auch keiner Gefahr aus dem Weg gegangen und sie hatte am Ende immer einen Verehrer, der sie heiraten wollte.«
»Sie ist aber auch ein paarmal fast draufgegangen!«
»Woher weißt du eigentlich, dass er in Thailand war?«
»Mensch, Miss Marple, jetzt streng deine grauen Zellen mal an. Das ist Fehmarn. Nicht New York, London, Tokio. Wenn einer, der hier aufgewachsen ist, für ein paar Jahre auswandert, dann weiß das jedes Schaf!« Tina grinste. »Du bist scharf auf einen obdachlosen Spinner.«
»Tina, hör auf! Das habe ich doch gar nicht gesagt. Ach, es ist doch nur so, dass ich Ben sehr attraktiv finde. Darüber bin ich fast erleichtert. Ich hatte schon Angst, dass ich nach der Geschichte mit Felix zu so einer Männerhasserin werde. Keine Sorge, ich stürze mich bestimmt nicht sofort in die nächste Affäre. Der andere, dieser Olli, ist übrigens auch ganz schnuckelig.«
»Der ist jedenfalls nicht zu beneiden. Dein cooler Kitelehrer muss in den Wintermonaten die Kühe seiner Eltern hüten.«
»Was?«
»Im Ernst! Seine Eltern haben hier einen riesigen Hof und Sohnemann weiß nicht, was er will! Den Hof eigentlich nicht, aber außer ein paar abgebrochenen Semestern hat er nichts auf der Vita. Dabei war er ganz gut in der Schule. Ob er will oder nicht, er wird als reicher Bauer enden.« Sophie sah sie verblüfft an. »Ich war mit Olli in einer Klasse!«, erklärte Tina.
»Wozu mach ich eigentlich einen Kitekurs und riskier meine Knochen, um ein bisschen Zugang zu der Szene zu bekommen, wenn die beste Informantin hier sitzt?«
Tina lachte. »Sagtest du nicht, dein Interesse am Kitesport hätte rein gar nichts mit den Morden zu tun?«
»Ja, das sagte ich zu Stefan!«
»Stoppen kann dich sowieso niemand und wer die Frauen umgebracht hat, weiß ich nicht. Das musst du schon selbst herausfinden.« Und pass bloß auf dich auf, dass du nicht die Nächste bist, beendete Tina gedanklich den Satz.
»Das mach ich auch.«
»Ich sollte ins Bett gehen. Die Nacht hält noch ein paar Unterbrechungen für mich bereit.«
Tina schlich in ihr Schlafzimmer. Sie kuschelte sich in ihr Bett und knipste die Nachttischlampe aus. Ben, dachte sie, was war denn noch mit Ben? Es wollte ihr nicht einfallen. Sie war zu müde und außerdem war Sophie schon ein großes Mädchen. Zumindest würde Ben sie von diesem schrecklichen Felix ablenken. Dass dieser Samstagabendguru eine ganze Nation verarschte, unglaublich! Arme Sophie! Auch wenn ihr Mann bestimmt nicht sehr glamourös war und oft schrecklich überarbeitet und mies gelaunt, wusste sie, dass sie nie einen anderen haben wollte. Dass Sophie sich ausgerechnet Ben aussuchen musste? Der Typ war doch schon immer irgendwie anders gewesen. Aber wahrscheinlich war Ben tatsächlich weniger gestört als ihr alter Klassenkamerad Olli. Plötzlich war sie wieder hellwach. Da war doch damals dieses Mädchen in ihrer Klasse. Ja, Fenja! Sie war ertrunken.
20
Montag
Tina erwachte, als Finn leise wimmerte. Sie sah auf den Wecker. Halb acht! Der Kleine hatte fast sieben Stunden durchgeschlafen. Sie blickte zur Seite. Auf Stefans Kopfkissen lag ein Zettel. Mal wieder. Sie konnte sich denken was draufstehen würde. Leise trat sie an die Wiege und nahm Finn vorsichtig auf den Arm. »Ist ja gut, mein Liebling. Pst. Sonst wecken wir die anderen auf.« Tina setzte sich wieder ins Bett und griff sich die Notiz: ›Musste früh los. Liebe dich!‹
»Armer Papa,« flüsterte sie ihrem Baby zu. »Der ist auf Verbrecherjagd.« Was war denn jetzt schon wieder so wichtig, dass es nicht mal bis nach dem Frühstück warten konnte. »Weißt du, was wir zwei jetzt machen? Wir kochen Mama einen schönen Kaffee und gehen in den Garten. Na, was hältst du davon?«
10 Minuten später waren sie auf der Terrasse und wurden von Pelle stürmisch begrüßt. Tina beruhigte den aufgeregten Hund, wickelte Finn in eine Decke und legte ihn in die Babyschale. Der Kleine schaute mit großen Augen auf einen kleinen Hampelmann, der vor ihm baumelte. Tina nippte an ihrem Milchkaffee, als von oben lautes Geschrei zu hören war. Paul! Tina schnappte Finn und stürmte nach oben. Ihr Sohn saß heulend im Bett. »Mama! Ich bin ein Wauwau!«
Sie nahm ihn in den Arm. Antonia stürzte ebenfalls ins Zimmer. »Ist was Schlimmes passiert?«
Tina atmete tief durch und legte ihrer Tochter die Hand auf den Arm. »Paul hat nur schlecht geträumt. Aber du kannst mir einen großen Gefallen tun. Pelle ist im Garten. Lauf runter und sorg dafür, dass er nicht hochkommt. Er ist furchtbar dreckig.« Antonia klatschte begeistert in die Hände und stürmte los. »Paulchen, du hast nur schlecht geträumt. Du bist noch immer mein netter kleiner Junge. Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?«
Paul schluchzte etwas ruhiger. »Weil, ich hab Hunnefutter geetten.«
Tina grinste. Wenn er müde war, fiel er immer in diese süße Babysprache zurück. »Jetzt guck doch mal auf deine Händchen. Sind das Hundepfoten oder Pauls Hände?«
Ihr Sohn betrachtete sie ein paar Sekunden. Dann strahlte er. »Pauls!«
Antonia stürmte mit Pelle ins Zimmer. Der Hund begann freudig zu bellen. »Ich konnte ihn nicht festhalten, Mama!«
»Pst. Aus! Wir gehen jetzt alle nach unten. Und zwar möglichst leise!« Das wars dann wohl mit dem ruhigen Morgen, stellte Tina lächelnd fest. Zusammen gingen sie nach unten, um das Frühstück vorzubereiten. Tina hatte den schreienden Finn auf dem Arm und versuchte, die Großen daran zu hindern sich die Köpfe einzuschlagen, als Sophie in die Küche kam. »Morgen! Gut geschlafen?«, fragte Tina nebenbei.
»Wie ein Baby! Muss an diesem Astrid-Lindgren-Gedächtniszimmer liegen. Ich fühl mich wie ein kleines Mädchen, das einen aufregenden Sommer in Schweden verbringt.«
Tina musste lachen. »Siehst du, so glücklich war meine Kindheit.«
»Allerdings hat mich heute Nacht wohl ein LKW überrollt. Mir tut alles weh. Ich schwöre, ich hatte noch nie so einen brutalen Muskelkater!«
»Nimmst du mal den Kleinen. Ich muss die Brötchen rausholen.«
Tina gab Sophie das Baby und öffnete den Ofen. »Fuck! Aua! Ich hab mir die Hand verbrannt.« Wütend schmiss sie das heiße Blech in die Spüle und hielt ihre Hand unter fließendes kaltes Wasser.
»Ist es schlimm?«, fragte Sophie.
»Nein, ich glaube nicht. V. S.!«
»V. S.?«
»Verfluchte Scheiße!«, flüsterte Tina. »Wir versuchen, vor den Kindern nicht zu fluchen.«
»Mama, was bedeutet Fuck?«, wollte Antonia wissen.
»Und das klappt auch immer ganz toll.«
Sophie fing an zu lachen. Tina schüttelte ernst den Kopf, dann konnte sie sich auch nicht mehr halten. Antonia und Paul waren schon wieder mit Pelle beschäftigt. Ein paar Minuten später saßen alle am Frühstückstisch. Das Telefon klingelte.
»Ich geh ran!«, flötete Antonia. Sie sprang auf und griff sich den Hörer. »Hallo, Papa! Gut, dass du anrufst. Du sag mal, Papa. Was bedeutet eigentlich Fuck?«
Tina ließ ihr Brötchen fallen und stürzte zum Telefon. Mit einer schnellen Bewegung nahm sie ihrer Tochter den Hörer aus der Hand. »Stefan?«
»Fuck? Was ist denn bei euch los?«
Tina sah zu Sophie und rollte mit den Augen. »Meine Schuld! Als ich am Backblech kleben blieb, ist es mir rausgerutscht.« Sie berichtete kurz von ihrem Unfall. »Und was ist bei dir so wichtig, dass du dich schon im Morgengrauen aus dem Haus schleichst?«
»Dienstgeheimnis!«
»Jetzt hör aber auf!«
»Aber kein Wort zu Miss Marple! Wir haben gerade auch diese erste Leiche obduzieren lassen.«
»Du bist in der Rechtsmedizin? Verstehe ich dich da richtig? Zwei?«
»Ich darf dir nicht mehr sagen.«
»Wenn hier ein Irrer herumrennt, hätte ich das schon ganz gerne gewusst. Denk mal an deine Kinder.«
»Ist Sophie in der Nähe?«
»Nein!«, log Tina. »Sie ist mit Pelle im Garten.«
»Es stehen noch etliche Tests aus, aber leider sind auf den ersten Blick tatsächlich Parallelen erkennbar. Schatz, ich muss Schluss machen. Feller ist da. In 10 Minuten haben wir eine Besprechung mit Franck. Ich liebe euch. Und kein Wort zu Sophie!«
Tina legte das Telefon auf den Tisch und setzte sich wieder.
»Zwei?«
Tina deutete auf die Kinder und schüttelte den Kopf. Antonia und Paul schlangen ihr Frühstück runter und sprangen auf, um mit Pelle zu spielen.
»Jetzt sag schon. Was, zwei? Zwei Leichen? Diese Sandra ist auch nicht freiwillig getaucht, stimmt doch?«
»Ich darf dir nichts sagen. Stefan würde mich umbringen.« Sophie schaute sie beleidigt an und stand auf. »Mensch, du musst das doch verstehen!«
Sophie war schon fast bei der Treppe. »Sicher.«
Tina rieb sich nervös die Schläfen. »Nur so viel. Sie haben tatsächlich die erste Leiche obduzieren lassen.«
»Dann haben wir zwei Opfer?«
»Das weiß Stefan noch nicht genau.«
Sophie nickte gedankenverloren und rannte die Treppe hoch. Tina deckte ab. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Hatte sie zu viel gesagt? Sophie würde jetzt erst recht schnüffeln. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn Stefan dahinterkam. Tina zuckte zusammen. Und der Mörder? Mein Gott, natürlich! Ihm würde Sophies Schnüffelei am wenigsten gefallen.
Ben schnappte sich frische Klamotten, Duschgel und Zahnbürste und lief zum Bistro. Das Küchenfenster war weit geöffnet. Hanjo werkelte sicher schon in der Küche. Ben nahm sich vor, ihm nach der Dusche Gesellschaft zu leisten und ihm zu helfen. Er schloss die Hintertür auf und ging ins Badezimmer. Auch wenn das Bad nicht viel mehr war als ein gekachelter Raum mit Badewanne und Waschbecken und sich die Leergutkisten bis unter die Decke stapelten, war er froh, dass er es nutzen durfte. Verglichen mit seinem Badezimmer auf Phuket war es Luxus pur. Er musste nichts mit Kakerlaken teilen. Ben fröstelte kurz unter der kalten Dusche. Trotzdem blieb er eisern. Die Verlockung war groß, den Heißwasserhahn aufzudrehen. Er sollte sich gar nicht erst an diesen Luxus gewöhnen. Vielleicht würde er bald wieder weg sein, irgendwo anders, in einer Welt, die andere primitiv finden würden und die ihn retten konnte. Ben trocknete sich schnell ab und schlüpfte in Shorts und ein Batikhemd. Er rubbelte sich noch schnell durch die nassen Locken und verließ das Bad. Ohne nachzudenken, öffnete er die Küchentür. »Moin, Hanjo!«
Hanjo zuckte zusammen und verschüttete seinen Tee. Ben hätte fast gelacht, doch ihm fiel rechtzeitig genug ein, dass der Mann nach dem Tod seiner Frau wahrscheinlich einfach noch sehr sensibel war. Du bist ein Idiot, schimpfte er still. Warum kannst du nicht anklopfen wie ein normaler Mensch?
»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken!«
»Schon gut, mein Junge. War mit meinen Gedanken ganz woanders. Tee?«
»Kaffee wäre mir lieber. Ich setze mal welchen auf.«
»Du bist früh dran!«
»Stimmt! Bei dem herrlichen Wetter hält mich so gar nichts in meiner Rostlaube.«
»Hab nicht gut geschlafen«, erklärte Hanjo müde. »Mir will das nicht in den Kopf, dass hier so was passiert sein soll. Ich meine Mord. Auf unserer Insel. Nee, die müssen sich da irren.«
Ben nickte nachdenklich. Die Polizei war sich aber sicher und sie würde auch nicht aufgeben, bis sie den Täter gefasst hätten. »Lass uns das Frühstück vorbereiten«, schlug er gut gelaunt vor. »Mensch Hanjo, zumindest für die Gäste sollte alles so normal wie immer ablaufen.«
Hanjo öffnete den Kühlschrank und holte einen Karton Eier heraus. »Hast ja recht! Ich kann nur nicht aufhören zu grübeln. Die Polizei hat mir richtig Angst gemacht. Was, wenn es wieder passiert?« Hanjo schlug die Eier in eine Schüssel. »Olli hat Sarah doch sehr gemocht, nicht?«
Ben drehte sich schnell zur Kaffeemaschine, damit Hanjo sein Gesicht nicht sehen konnte. »Ah, er ist durch. Wird auch Zeit!« Er nahm sich eine Tasse von der Spüle und goss ein. »Olli und Sarah hatten irgendwie so ein halbes Verhältnis.«
»Ein was?«, fragte Hanjo irritiert.
Ben lächelte entschuldigend. »Na ja, sie haben zusammen trainiert und waren wohl nicht sicher, ob eine intensivere Beziehung für beide gut sein würde. Deshalb haben sie die Sache auch geheim gehalten.«
Hanjo schnaubte und schlug mit einem Schneebesen auf die Eier ein. »Ich hoffe nur, der Junge war nicht ernsthaft verliebt in sie.« Hanjo hörte auf zu rühren.
»Er hat ihr doch nichts angetan?«
»Um Gottes willen, Hanjo, natürlich nicht! Olli hat nur dran geglaubt, dass sich die Situation nach den Deutschen Meisterschaften wieder entspannen und Sarah dann einsehen würde, dass sie in allen Lebenslagen ein wunderbares Team wären. Es war sein großer Traum!«
Hanjo nickte beruhigt. »Ja, sicher! Mein Gott, ich muss verrückt geworden sein. Bitte sag ihm nichts.«
»Natürlich nicht. Ich deck jetzt mal die Tische.«
Ben nahm sich ein Tablett mit Tassen und Tellern und ging in die Gaststube. Er war froh, allein zu sein. Wenn jemand Schuld hatte, dass Ollis Traum zerplatzt war, dann war er das!
21
Sophie ging in ihr Zimmer und wählte die Nummer von Lutz Franck. Sie ließ es lange klingeln. Er musste doch jetzt zu erreichen sein. Endlich nahm Lutz ab. »Ich hatte dir doch gesagt, dass du mich nicht anrufen sollst! Ich habe gleich eine Besprechung«, schnaubte er genervt. »Der Tag hat schon beschissen genug angefangen.«
Sophie bemühte sich um einen besonders freundlichen Ton.
»Tut mir leid, aber wenn du dich gar nicht meldest. Was soll ich denn dann machen?«
»Ich hätte dich schon noch angerufen. Hast du meine SMS nicht bekommen?«
»Doch. Ich weiß, dass diese Sarah M. in Leitungswasser ertränkt worden ist. Und dass du diese Sandra obduziert hast.«
»Woher hast du das schon wieder?«
Sophie biss sich auf die Zunge. Sie durfte nicht zu viel verraten. Am Ende würde Tina noch Ärger kriegen. Zum Glück sprach Lutz weiter. »Ja, wir sind vor ein paar Minuten fertig geworden. Und nun warten die Kollegen von der Kripo auf mich. Erwarte nicht, dass ich dich vor der Polizei informiere.«
»Sag mir nur, warum du so sicher bist, dass Sarah in Leitungswasser ertrunken ist.«
»Warum ich sicher bin? Ist das dein Ernst? Weil ich der zuständige Rechtsmediziner bin und sie untersucht habe!« Sie hörte ihn durchatmen. »Es gibt eine ganze Reihe von Anzeichen. Unter anderem eine Alge. Die sogenannte Kieselalge. Sie ist in natürlichen Gewässern stark verbreitet. Beim Ertrinken werden große Mengen davon verschluckt und eingeatmet, und gelangen in den Blutkreislauf. Ich habe Spuren von Kieselalgen gefunden, aber nur geringe.«
»Und geringe Mengen dieser Kieselalge kommen in Trinkwasser vor?«
»Bingo!«
»Hast du sonst noch was?«
»Aber dann legst du auf! Ich habe ein paar Haare gefunden, auch in den Schamhaaren.«
»In den Schamhaaren?«, fragte Sophie irritiert.
»Was ist denn mit dir los? Plötzlich prüde? Ja, Haupthaar im Schamhaar. Kommt gar nicht selten vor. Im Allgemeinen wird es Oralsex genannt.«
»Ich weiß, was das ist!«
»Na, da bin ich aber froh. Ansonsten habe ich komische weiße Spuren unter ihren Nägeln gefunden. Weiße Partikel.«
»Was für weiße Partikel?«
»Ich hab schon zu viel gesagt.«
»Hör mal, das kannst du nicht machen! Mir einen Brocken zuwerfen und dann nichts mehr.«
»Ich weiß es wirklich noch nicht. Die Sache ist im Labor. Genau wie die Proben, die wir entnommen haben, um eventuell Alkohol oder Drogen nachweisen können. Und jetzt lass mich in Ruhe.«
Sophie versuchte, sich einen Reim auf das eben Erfahrene zu machen. War der Mörder tatsächlich so leichtsinnig, so viele Spuren zu hinterlassen? Oralsex. Das hatte doch nichts mit einer schnellen Nummer zu tun. Sie musste den Täter gekannt haben. Wenn die Todesumstände dieser Sandra ähnlich waren, dann bedeutete das gar nichts Gutes. Es war zu viel Leidenschaft dabei. Ging auf der Insel tatsächlich ein irrer Killer umher? Hatten die Frauen sich gekannt? Da waren noch viele Fragen offen. Und was hatte die Sache mit den weißen Partikeln auf sich? Sophie sah auf die Uhr. Sie musste sich jetzt wirklich beeilen, wenn sie Pelle vor dem Kurs noch ein bisschen den Strand entlangjagen wollte. Sie rannte nach unten.
Tina stand auf der Terrasse und sah in den Garten. »Ein Mädchen ist ertrunken!«
Sophie sah sie verwirrt an. »Ja, wahrscheinlich sogar zwei! Ich muss mich beeilen. Pelle!« Der Labrador kam sofort angeschossen.
»Das meine ich nicht.« Tina kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich. »Es war in der achten oder neunten Klasse. Fenja! Ja, so hieß sie. Sie ist damals ertrunken. Es war schrecklich! Wochenlang ließen wir ihren Stuhl leer. Wie konnte ich das nur vergessen?« Sie grübelte noch immer über etwas nach. »Sie hatte damals einen Freund! Händchenhalten und so, mehr war natürlich noch nicht.«
»Ja und?«
»Er hieß Oliver!«
»Da komm ich gerade nicht mit.«
Tina sah sie ungeduldig an. »Oliver! Olli! Was ist denn mit dir los, Miss Marple? Olli, dein Kitelehrer!«
Stefan verließ zusammen mit seinem Kollegen Robert Feller das Gebäude der Gerichtsmedizin.
»Soll ich fahren?«, fragte Robert.
Stefan nickte nur, ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen und wünschte sich weit weg.
»Mann, Chef! Das ist die dreckigste Karre, die ich je gesehen habe.«
Vorhaltungen, egal welcher Art, konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Er machte sich selbst schon genug. »Halt die Klappe und fahr!« Robert gab Gas. Stefan war zu müde, um einen klaren Gedanken fassen zu können. In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander und um 14 Uhr mussten sie beim Staatsanwalt erscheinen und möglichst ein paar Ergebnisse vorlegen. Viel hatten sie nicht. Beide Frauen waren innerhalb einer Woche ertrunken. Und das nicht freiwillig und definitiv nicht in der Ostsee. Wer zum Teufel hatte was davon, junge Wassersportlerinnen zu ermorden? Sarah war ziemlich erfolgreich und es gab Sponsoren und Konkurrenten, aber dass sie deshalb ermordet worden war, konnte er nicht glauben. Dagegen sprach auch, dass diese Sandra eine Anfängerin gewesen war. Es gab keine Gemeinsamkeiten, nichts, was auf ein Motiv hinwies. Nur die Todesursache trug dieselbe Handschrift. Und beide Opfer waren blond und Mitte 20.
»Chef! Aufwachen! Wir sind da.«
Stefan rieb sich irritiert die Augen. Nun bekam er sowieso schon viel zu wenig Schlaf, und wenn er dann mal wegpennte, bekam er es gar nicht so richtig mit. Er versuchte, seinen letzten Gedanken festzuhalten. »Blond und Mitte 20!«
Robert sah ihn irritiert an. »Ja, find ich auch lecker. Erklärst du mir, was du da faselst?«
»Beide Opfer entsprachen dem gleichen Typ. Nur mit dieser Sarah hatte er Sex.«
Sie stiegen aus dem Wagen. Robert schloss ab und warf Stefan den Schlüssel zu. »Vielleicht steigert er sich.«
»Was?«
»Na, er probiert immer mehr aus.« Robert sah ihn an, als habe er ein Brett vor dem Kopf. »Er wird mutiger.«
»Kommst du mir jetzt mit so einer Serienmord-Scheiße?«
Robert machte ein beleidigtes Gesicht. »Zwei sind eine kleine Serie fürchte ich.«
Sie gingen schweigend ins Präsidium. Stefan lief es eiskalt den Rücken runter. Vielleicht hatten sie es tatsächlich mit einem Serienkiller zu tun. Wie viele Frauen waren wohl in den letzten Jahren ertrunken? Ob sie etwas übersehen hatten? Hinterließen diese Irren nicht immer ein Zeichen? Ein Label, eine Unterschrift? Sie würden danach suchen müssen. Bevor sie in Stefans Büro verschwanden, zogen sie sich zwei Kaffee aus dem Automaten.
»Lass uns noch mal alles durchgehen«, schlug Stefan nach einem Schluck Kaffee vor.
Robert nickte und zückte sein Notizbuch. »Wir haben zwei tote Frauen. Todesursache: Ertrinken in Süßwasser. Franck war sich doch sicher, dass Sandra Schmidt auch so ertrunken ist. Laborwerte! Pah, der zögert nur noch, damit er vor dem Staatsanwalt eine große Show abziehen kann. Na egal. Allein der Fundort schließt einen Unfall aus, sodass wir von einem Verbrechen ausgehen müssen. Beide Frauen hatten leichte Hämatome im Oberkörperbereich, die durch Fremdeinwirkung verursacht worden sein könnten. Wir sollten bei der jetzigen Situation sogar davon ausgehen. Dass beide Opfer sich kannten, ist möglich.«
Stefan nippte mit geschlossenen Augen an seinem Kaffee. »Das müssen wir rausfinden. Wir tappen da noch total im Dunkeln. Haben sie sich gekannt? Mit wem hatten beide Umgang. Das ganze Programm. Wir müssen alle befragen. Irgendjemand muss etwas gesehen haben. Da campen im Moment so viele Typen. Mann, die gehen doch auch nachts mal an den Strand, um in Ruhe zu kiffen.« Wütend stellte er den Pappbecher ab. »Das gibts doch gar nicht!«
»Was jetzt?«
»Das volle Programm! Teambesprechung in einer Stunde. Trommel die Leute zusammen. Besser, wir haben bis 14 Uhr irgendwas.«
Robert nickte und stand auf. »Ich muss jetzt was essen. Willst du auch was? Salamibrötchen?«
»Gute Idee!« Er hatte am Morgen schon eine Kippe nach der anderen geraucht und nun fühlte er seinen Hunger nicht mehr. Er musste sich zusammenreißen und was essen. Auf dem Schreibtisch stand das neuste Foto seiner Familie. Sie hatten es knipsen lassen, als Finn drei Wochen alt war. Paul grinste breit in die Kamera. Stefan schmunzelte, als er daran dachte, wie er ›Lamiblötchen‹ sagte. Meine Süßen, dachte er zärtlich. Und nun ist unsere Idylle der Schauplatz zweier Verbrechen. Sein Herz begann zu rasen. Und irgendwo läuft ein Mörder rum.