Kitabı oku: «Wettbewerbsvorteil Gender Balance», sayfa 3
Die Unterschiede machen den Unterschied
Zehn Jahre Beratung zeigen mir: Empowerment für Frauen, also ihre Stärkung im Bereich der Selbstdarstellung und im Auftreten, ist gut und wichtig. Aber diese Maßnahme alleine reicht nicht aus, um einen Paradigmenwechsel in Unternehmen zu bewirken. Top-Management und Führungskräfte müssen zuerst verstehen, was das »Mehr« bei »Mehr Frauen« bedeutet und wie das Unternehmen davon profitiert.
Ich wecke dieses Verständnis für Unterschiede gerne in Form eines klassischen Beratungsworkshops. Die Ausgangssituation ist klar: Wenn ich nur meine Verhaltensweise kenne, dann bin ich die Messlatte für alle anderen. Kenne ich aber auch andere Verhaltensweisen (von Frauen und Männern) und verstehe ich, wie sie im Arbeitsalltag eingesetzt werden und die Kommunikation beeinflussen, kann ich auch die Vorteile dieser Vielfalt erkennen. Spätestens dann werde ich mich gedanklich für Gender Balance öffnen (müssen). Der Umkehrschluss: Wenn uns jemand fremd ist, gehen wir eher in den Widerstand und tun uns schwer, die andere Sichtweise zu verstehen – egal ob Mann oder Frau.
Es ist wichtig, über Unterschiede zu sprechen, wenn unterschiedliche Verhaltensweisen im Unternehmen zur Geltung kommen sollen. Es gilt Führungskräfte dafür zu »sensibilisieren«, um Verständnis für das andere Geschlecht zu schaffen und zu lernen, dass es Platz im Unternehmen hat. Mehr noch: zu lernen, dass unterschiedliche Verhaltensweisen im Projektalltag einen Mehrwert bringen. Dieses Verständnis für Unterschiede – und hier geht es nicht um besser oder schlechter, sondern um anders – ist nach meinen Untersuchungen genau das, woran es vielen Unternehmenskulturen mangelt.
Ziele meiner entsprechenden Beratungsworkshops sind, voneinander zu lernen, MitarbeiterInnen offen zu begegnen und sie somit besser zu fördern. Wie gehe ich dabei vor? Zunächst teile ich Männer und Frauen in einzelne Gruppen. Jede Gruppe bekommt die gleiche Aufgabe: Frauen und Männer beschreiben jeweils ihre eigenen Verhaltensweisen:
• Wie verhalten Sie sich im Arbeitsalltag?
• Was ist Ihnen in Bezug auf Ihre Arbeit wichtig?
Ich mache diese Workshops seit zehn Jahren und stelle dabei immer die gleichen Fragen. Interessanterweise bleiben auch die Antworten weitgehend gleich. Und ich spreche hier von je rund 2000 befragten Frauen und Männern.
Wie läuft die Beantwortung ab? Ich stelle kreisförmige Moderationskarten in unterschiedlichen Farben und drei Größen zur Verfügung. Die Aufgabenstellung lautet: Die Damen und Herren sollen ihre stark ausgeprägten Verhaltensweisen in unterschiedlicher Gewichtung je nach Kreisgröße an eine Pinnwand heften. Was mich immer wieder fasziniert: Knapp die Hälfte aller Frauen wählen rote und fast alle Männer blaue Kärtchen, obwohl ich bei der Auswahl der Kärtchen komplett freie Hand lasse.
Wirklich spannend wird es, wenn man betrachtet, wie Männer und Frauen sich gegenseitig einschätzen. Denn wenn ich den Spieß umdrehe und Männer das ausgeprägte Verhalten von Frauen bzw. Frauen das ausgeprägte Verhalten von Männern beschreiben lasse, fällt das Ergebnis exakt gleich aus – egal, aus welcher Branche die Befragten kommen. Haben wir es hier mit Erkenntnissen zu tun oder mit Klischees? Für mich ist klar, dass eines sehr deutlich gezeigt wird: Es gibt unterschiedliche Verhaltensweisen von Mann und Frau, die von beiden Seiten bestätigt werden. Im vorherigen Kapitel habe ich die Studie von Tomas Chamorro-Premuzic zitiert, die ähnliche Ergebnisse erbrachte. Meine Arbeit ist jedoch nicht wissenschaftlich untermauert, sondern beruht rein auf praktischen Erfahrungen. Sollte es WissenschaftlerInnen geben, die diese unterschiedlichen Verhaltensweisen bestätigen, freut es mich natürlich.
So bewerten sich Männer
Rund 1000 befragte Männer schätzen sich wie folgt ein:
Große Kreise – sehr stark ausgeprägt:
Status ist wichtig, direkte Durchsetzungsfähigkeit, Mut, Risikobereitschaft, machtorientiert, Loyalität / Freundschaft, Rationalität, Sachlichkeit, Entscheidungen einfach halten, größenwahnsinnig
Mittlere Kreise – mittelmäßig ausgeprägt:
effizient, Einzelkämpfer, Konsequenz, umsetzungsstark, Veränderungsbereitschaft, direkte sachliche Kommunikation
Kleine Kreise – wenig bis gar nicht ausgeprägt:
emotional, Struktur, zuhören und verstehen können, Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten
So bewerten sich Frauen
Rund 1000 befragte Frauen schätzen sich wie folgt ein:
Große Kreise – sehr stark ausgeprägt:
diskutieren und abwägen, Perfektionismus, selbstkritisch, empathisch, emotional, selbstreflektiert, wenig Selbstbewusstsein, strukturiert, organisiert
Mittlere Kreise – mittelmäßig ausgeprägt:
kommunikativ, lachen gerne, Weitblick, kultiviert, fürsorglich, teamorientiert, harmoniebedürftig, gesellig, kreativ und verspielt
Kleine Kreise – wenig bis gar nicht ausgeprägt:
selbstbewusstes Auftreten, vorne stehen, zielorientiert
Geschlechterspezifische Gruppendynamik
Ebenso spannend wie die Ergebnisse auf der Pinnwand ist für mich das Verhalten der unterschiedlichen Gruppen während der Übung. Sie bestätigen für einen Beobachter das Ergebnis auf eindrucksvolle Weise. Die Gruppe der Männer hört teilweise bei den Anweisungen gar nicht mehr richtig zu, sondern startet gleich los. Männer nehmen sich die Kärtchen und schreiben ihre Punkte nieder – ohne Absprache oder Diskussion mit den Kollegen. Je technikorientierter die betreffende Gruppe ist, desto ausgeprägter ist dieses Verhalten. Ich habe Gruppen von Männern erlebt, bei denen kein einziges Wort gefallen ist, während geschrieben und gepinnt wurde. Es wird nichts abgesprochen. Es gibt meist nur einen Blick in die Runde und die Frage »Passt?«, was von den Kollegen mit Kopfnicken bestätigt wird. Bemerkt ein Teilnehmer, dass ein Kollege einen Begriff bereits an die Wand gepinnt hat, heftet er das eigene Kärtchen entweder dazu oder schmeißt es kommentarlos weg. Sie bringen aus meiner Sicht die Übung hinter sich und widmen sich zum Beispiel Gesprächen über das aktuelle Projekt oder über Themen, die sie beschäftigen.
Die Übung dauert im Schnitt 15 Minuten. Sind Vorstandsmitglieder oder Vertreter unterschiedlicher Hierarchieebenen anwesend, wird ein wenig länger diskutiert. Dabei geht es meiner Beobachtung nach aber vorrangig darum, die Rangordnung abzubilden und sicherzustellen, dass Vorgesetzte gehört werden und recht haben wollen. Aber selbst dann dauert die Übung selten länger als 30 Minuten. Wenn die Gruppe für meine Begriffe allzu rasch fertig wird, stelle ich die Frage »Wie würde das Ergebnis aussehen, wenn Sie sich absprechen oder miteinander reden?« Zur Antwort bekomme ich meist: »Nichts. Eh alles klar. Oder war das die Aufgabenstellung? Müssen wir reden?« Diese Aussagen erstaunen mich immer wieder. Aus meiner weiblichen Sicht gäbe es natürlich noch einiges zu diskutieren.
Wenn Frauen mit der Übung beginnen, wird lange Zeit nichts geschrieben oder gepinnt. Meist dienen die ersten fünf Minuten dazu, zu klären, wer schreibt. Frauen sind meistens davon überzeugt, dass nur eine Person tatsächlich auf die Kärtchen schreiben soll, damit ein möglichst perfektes Endergebnis (nicht zu viele Kärtchen verschwenden, einheitliche Schrift) gelingt. Jede Frau erklärt, warum sie nicht schreiben möchte (Handschrift, Rechtschreibung …). Es wird darüber gesprochen, ob vorher auf einen Notizblock geschrieben werden soll oder gleich auf Kärtchen.
Frauen nutzen die Zeit für Klärung. Harmonie ist ihnen sehr wichtig. Keine Aussage darf übergangen werden und für alle Punkte sollte ein Konsens gefunden werden. Nach 15 Minuten muss ich die Frauengruppe meist darauf hinweisen, dass die Hälfte der Zeit vorbei ist. Dann bricht in der Regel so etwas wie Panik aus, weil zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Kärtchen an der Pinnwand klebt.
In der Frauengruppe geht es um einiges emotionaler und intensiver zu, weil viel gelacht und gesprochen wird. Oft bilden sich innerhalb der Gruppe »Gesprächsinseln«, in denen über Teilbereiche gesprochen wird, weil alle Beteiligten den Zeitdruck spüren, aber alle Aspekte diskutieren wollen. Es kristallisiert sich dabei in der Regel eine Person heraus, die die Koordination übernimmt und die Ergebnisse auf den Punkt bringt. Im Gegensatz zu den Männern definiert sich diese nicht automatisch aufgrund der Hierarchieordnung. Jenes Gruppenmitglied, das am besten koordiniert, moderiert und strukturiert, wird für die Dauer dieser Übung zur »Leiterin«.
Ein hoher Anteil der weiblichen Gruppen in den letzten Jahren konnte die Zeitvorgabe von 30 Minuten nicht einhalten. Nicht weil sie nicht fähig dazu waren, sondern weil es ihnen wichtig war, alle miteinzubinden und zu diskutieren.
Sobald beide Gruppen fertig sind, diskutieren wir offen über die Ergebnisse. Die Gruppen amüsieren sich über die Pinnwände der anderen, weil Männern die Vorgehensweise der Frauen natürlich nicht entgangen ist. Den Frauen wiederum fiel die Ruhe der Männer auf. Danach diskutieren wir darüber, wie sich diese unterschiedlichen Verhaltensweisen im Alltag bemerkbar machen:
• Welchen Mehrwert haben sie in der Organisation oder im Team?
• Wie können die Menschen voneinander profitieren?
• Wie lassen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlich fördern?
All das führt direkt zu den Fragen der Unternehmenskultur: Welche Verhaltensweisen sind im Unternehmen akzeptiert und ebnen den Weg zu einer Führungsposition und welche nicht? Erst da wird vielen der männlichen Führungskräfte klar, dass sie nur das fördern, was sie als Führungsstärke empfinden.
Wenn wir uns die typischen Eigenschaften der Frauen ansehen, kann eine weibliche Führungskraft Erwartungshaltungen in Bezug auf typisches männliches Führungsverhalten gar nicht erfüllen. Wenn wir also nicht ein neues Bild von erfolgreicher Führung kreieren, wird es für Frauen so gut wie unmöglich sein, in einer Unternehmenskultur, die typisch männliche Eigenschaften fördert, groß zu werden. Es sei denn, sie eignet sich diese Eigenschaften bewusst an. Dann wird sie allerdings wieder in die Rolle der »macht- und karrieregeilen Bitch« gedrängt, die »Eier hat« und wie ein Mann agiert.
Der Einfluss der Biologie
Neben der These, dass Frauen und Männer ihr Gehirn unterschiedlich nutzen, haben auch Hormone einen Einfluss auf unsere Verhaltensweisen. Auf den evolutionären Unterschied gehe ich nicht im Detail ein, weil es hierzu sehr viele unterschiedliche Meinungen gibt. Selbst die Jäger-und-Sammler-Theorie ist mittlerweile umstritten, weil sie hauptsächlich von Männern untersucht wurde. In Einzelfällen kam heraus, dass auch Frauen früher Jägerinnen waren. Man kann die Geschichte durch unterschiedliche Brillen betrachten. Am bedeutendsten sind aber sicher die Unterschiede in der Sozialisierung der Geschlechter.
In meinen Workshops stelle ich Frauen und Männer einander gegenüber und lasse den Mann beschreiben, wie es ihm beim Anblick der Frau geht. Woran denkt er? Natürlich sind nicht alle ganz ehrlich, aber mit einer Intervention kommen dann Aussagen wie »Tolle Ausstrahlung, schöne Haare und attraktive Person«, »Würde ich gerne näher kennenlernen«, »Wirkt sehr zierlich, muss ein wenig bei dieser Person aufpassen« und so weiter. Der Frau fallen sofort die Augen auf, das nette Lächeln und natürlich auch der Gesamteindruck des Mannes.
Weil die beiden nicht miteinander sprechen, beschränken sich die Beschreibungen auf das Äußere. Fühlen sich die beiden körperlich angezogen, werden sie oft rot im Gesicht oder senken den Blick, weil sie sich ertappt fühlen – egal ob Mann oder Frau, egal ob verheiratet oder nicht. Beide melden in der Regel zurück, dass sie sich nicht vergleichen, sondern eher auf die Unterschiede schauen. Beide fragen, warum sie sich mit einem Mann oder einer Frau vergleichen sollen, da sie einander ja nicht ähnlich seien. »Wir sind unterschiedlich«, stellen sie fest.
Dann stelle ich eine Frau einer Frau und einen Mann einem Mann gegenüber, und es wird spannend: Vorher spielten die sexuelle Anziehung oder zumindest das Interesse an der Person eine Rolle. Was würde nun dominieren? Neid und Missgunst? Zustimmung und Gemeinsamkeiten? Schauen die beiden Personen einander in gewisser Weise ähnlich, sind Vertrautheit und Wohlwollen spürbar. Wird aber eine Frau als hübscher empfunden als die andere oder ein Mann scheint besser gekleidet als sein Gegenüber, entstehen sofort negative Emotionen.
Das Experiment zeigt: Frauen und Männer vergleichen sich untereinander. Männer neigen zu Fragen wie: Wer hat das größere und bessere Auto, Haus, Bankkonto oder die bessere Familie? Wenn Frauen einander gegenüberstehen, stehen Fragen wie »Wer ist schlanker, attraktiver, hat schönere Haare und das bessere Outfit?« im Vordergrund. Bei Männern geht es meist um den Status, bei Frauen um Äußerlichkeiten.
Durch den höheren Cortisol-Pegel bleiben Mädchen mehr in Sicherheit und sind achtsamer mit ihrer Umgebung und sich selbst.
Einer der interessantesten Bereiche im menschlichen Gehirn in Sachen Verhaltensunterschiede ist der »Nucleus praeoticus medialis«, eine Ansammlung von Nervenzellen, die zum Sexualzentrum gehören. Bei Männern ist der »Nucleus praeopticus medialis« doppelt so groß wie bei Frauen. Tatsächlich ist der Größenunterschied dieser besonderen »Schaltzentrale« so auffällig, dass Forscher anhand dieses Teils feststellen können, ob sie das Gehirn einer Frau oder eines Mannes vor sich haben. Das funktioniert übrigens schon bei einem drei Monate alten Fötus. Gerhard Roth, Experte für Neurobiologie und Verhaltenspsychologie, unterstreicht in einem Interview mit der »ZEIT« die Bedeutung dieser Hirnregion: »Dass dieser pränatale Unterschied zwischen Männern und Frauen auch deutliche Auswirkungen auf das Verhalten hat, bezweifelt heute kaum noch jemand.«
Roth konnte anhand von unzähligen Untersuchungen feststellen, dass es auch hormonelle Zusammenhänge gibt, die für unterschiedliches Verhalten sorgen: Frauen reagieren teilweise stärker auf Stress und sind ängstlicher und besorgter als Männer. Sie schütten mehr vom Stresshormon Cortisol aus. Je höher dessen Pegel, desto mehr Angst haben Frauen. Daher sind manchmal Frauen neurotischer als Männer. Diese Unterschiede im Hormonhaushalt sind seit der Geburt beobachtbar und führen schon bei Säuglingen und Kleinkindern zu unterschiedlichen Verhaltensweisen. Roth hat außerdem festgestellt, dass Jungen zu einem besseren räumlichen Vorstellungsvermögen neigen. Sie klettern, bauen und probieren aktiver als Mädchen. Durch den höheren Cortisol-Pegel bleiben Mädchen mehr in Sicherheit und sind achtsamer mit ihrer Umgebung und sich selbst. Mädchen kommunizieren daher mehr mit den Menschen, da sie dadurch zu Informationen kommen, und können sich in der Regel verbal besser ausdrücken.
Es ist also körperlichen Voraussetzungen zu verdanken, dass Frauen im Berufsleben lieber mit Menschen und Männer lieber mit Dingen arbeiten. Wie ausgeprägt sich das zeigt, ist aber natürlich auch von der Sozialisierung durch die Eltern und das Umfeld abhängig. Zusätzlich sind Hormone bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausgeprägt.
Fazit: Verschiedene körperliche Faktoren sind dafür verantwortlich, dass wir uns so verhalten, wie wir uns verhalten. Meine praktischen Untersuchungen und Analysen der Unternehmenskulturen spiegeln also das natürliche Verhalten von Frauen und Männern wider. Da wir uns als Personen allerdings nur bedingt verändern können, hilft auch das gezielte Empowerment von Frauen kaum dabei, Gender Balance zu erreichen. Es braucht ein komplettes Umdenken hinsichtlich Führung und Führungsqualitäten in Organisationen, um langfristig eine neue Unternehmenskultur zu entwickeln.
Ein neues Führungsbild muss her
Wenn wir über Gender Balance sprechen, ist es also unumgänglich, ein neues Führungsbild zu erzeugen, in dem die Eigenschaften von Männern und Frauen Platz haben. Je früher wir damit in Unternehmen starten und Führung neu definieren, umso leichter ist es, echte Gender Balance umzusetzen. Dies wiederum erfordert jedoch auch eine gesellschaftliche Veränderung, um die gängigen Vorurteile und Denkweisen zu überwinden.
Ein Beispiel gefällt mir da sehr gut: IWF-Chefin Christine Lagarde, die schon als frühere Synchronschwimmerin einen langen Atem bewies, wurde einmal als »Frau mit Kohle im Herzen« bezeichnet. Sie gilt als vernetzte, geschickte Verhandlerin. Vor ihrer erfolgreichen Laufbahn beim Internationalen Währungsfonds hatte sie sich als Anwältin einen Namen gemacht. Sie ist gelernte Juristin, Ökonomin und Amerikanistin und war Wirtschafts- und Finanzministerin. Wäre hier von einem »Herrn Christian Lagarde« die Rede, wäre dessen Erfolg ganz normal. Einer »Frau Christine Lagarde« schreiben wir ein »Herz aus Kohle« und unmenschliches Verhalten zu.
2011 wurde eine HR-Studie veröffentlicht, in der 60 000 Vollzeitarbeitskräfte zu ihrer Haltung gegenüber weiblichen und männlichen Führungskräften befragt wurden. Fazit: Ein erfolgreicher Mann wird mehr akzeptiert als eine erfolgreiche Frau. 46 Prozent der Befragten, Männer wie Frauen, hatten eine Präferenz für das Geschlecht ihres Vorgesetzten. 72 Prozent bevorzugten einen männlichen Chef. Dies wird auch in anderen Studien mit anderen Zielgruppen bestätigt: Dürften sich Befragte für eine Heidi oder einen Howard mit den gleichen Eigenschaften entscheiden (Studie an der Columbia University), würden die meisten Studenten für einen Howard plädieren.
Warum stehen bei so vielen Unternehmen also nur Frauen mit »männlichen Verhaltensweisen« hoch im Kurs? Weil Macht- und Führungskompetenzen von der Gesellschaft überwiegend den Männern zugeschrieben werden. Auch wenn sich die Sichtweisen ändern, wird es noch lange dauern, bis Frauen mit ihren ureigensten Eigenschaften in Führungspositionen akzeptiert werden.
Bei einer meiner Unternehmenskulturanalyse ergab sich eine weitere spannende Situation: In einer Gruppe, in der Frauen überrepräsentiert waren (Verhältnis: 70 Frauen und 30 Männer), sollten Gruppenbefragungen stattfinden. Die Gruppen waren hierarchisch durchmischt. Bei den Männern waren allerdings keine höheren Vorgesetzten anwesend, sondern alle Positionen annähernd gleichwertig. Die erstaunliche Beobachtung war: Obwohl weitaus weniger Männer vertreten waren, wandten sich Frauen in ihren Präsentationen der Gruppenarbeit zu einem bestimmten Thema immer an einen Mann – sowohl in Großgruppen als auch in kleineren Settings. Da sich dieses Verhalten in jeder Gruppenbefragung wiederholte, war es ein wichtiger Teil meiner Analyse. Die Erkenntnis: Frauen hatten in diesem Unternehmen bereits gelernt, dass Männer das Sagen haben – also richteten sie das Wort immer an Männer. Ganz egal ob diese eine höhere Position bekleideten oder nicht.
Für mich als Beraterin war das eine wirklich interessante Beobachtung. Die Erkenntnis dabei war: Wenn ich als Frau in dieses Unternehmen komme, werde ich in kürzester Zeit ähnliche Verhaltensweisen an den Tag legen, da mir das tagtäglich vorgelebt wird.
Bei der Präsentation meiner Analyse vor einer größeren Gruppe wurde mir von den anwesenden Frauen bestätigt, dass dies eine Verhaltensweise ist, die vorgelebt wird und der Frauen sich anpassen. Auch einige der 30 Männer bestätigten diese Situation. Ihnen war das Setting fremd, weil ansonsten der Männeranteil in Besprechungen nie so gering ist. Darum erlebten sie das Verhalten der Frauen zum ersten Mal bewusst.
Wenn ich übrigens Männer und Frauen separat befrage, warum Gender Balance in ihrem Unternehmen nicht funktioniert, erhalte ich ebenfalls seit zehn Jahren die gleichen Antworten. Auch Männer erkennen eine sehr männlich dominierte Unternehmenskultur in sehr konservativ geführten Organisationen. Ich meine damit Organisationen, die einen weiblichen Führungsanteil von weniger als 10 bis 15 Prozent haben.
Eine Studie der Universität von Cincinnati legt allerdings dar, dass es nicht immer nur die Männer sind, die Gender Balance erschweren. Auch Frauen können Frauen in Führungspositionen verhindern. Dies wird in der Wissenschaft als »Queen Bee Syndrome«, also das »Bienenköniginnen-Syndrom«, bezeichnet. Auch dieses Phänomen ist mir nicht fremd. Ich erlebe regelmäßig in Coachings, dass Frauen von weiblichen Führungskräften nicht gefördert oder sogar gemobbt werden und dadurch auf ihrem Karriereweg nicht weiterkommen. Noch schlimmer ist, dass dieses »Heruntermachen« auch von anderen bemerkt, aber in den meisten Fällen als »Zickenkrieg« abgetan wird. Willkommen in einer weiteren Klischeefalle, die sich sehr oft bewahrheitet. Die betroffenen Frauen kämpfen meist seit Jahren erfolglos um eine Beförderung.
Chefinnen haben viele Mobbing-Tricks auf Lager, um aufstrebende Frauen kleinzuhalten. Die Erklärung: Pro Bienenvolk kann es nur eine Königin geben und diese möchte es auch bleiben. Noch bevor die Geschlechtsgenossinnen zur gefährlichen Konkurrenz heranreifen, werden sie von der Königin »gestochen« – und diese Stiche tun richtig weh. Denn während die Männer um sie herum unterstützt werden, macht die Bienenkönigin-Chefin ihren weiblichen Untergebenen das Leben schwer, indem sie diese behindert und ausbremst statt fördert.
Wenn die Solidarität unter Frauen gleich null ist, schmerzt das eine weibliche Arbeitsbiene natürlich besonders. Die zitierte Studie mit 2000 Probandinnen beweist, dass Frauen, die es mit einer solchen Chefin zu tun haben, besonders häufig unter gesundheitlichen Problemen wie Depressionen, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen leiden. Und das erlebe ich auch: Ich habe Frauen mit akademischen Abschlüssen bei mir sitzen, die eine solche Situation erdulden mussten. Nach einem Führungswechsel oder Jobwechsel benötigten sie eine Traumaberatung, um ihre Angst vor Chefinnen loszuwerden und wieder Selbstbewusstsein aufbauen zu können.
Wenn uns das alles bewusst ist, wie können wir dann etwas Neues entwickeln? Was fehlt uns, um auch Heldinnen an der Macht zu sehen? Wichtige Fragen, auf die ich in den weiteren Kapiteln eingehen werde. Wir stecken ja immer noch in der Analyse der derzeitigen Situation.
Denkanstöße für HELDEN & HELDINNEN
•Gehen Sie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlich um?
•Welche Verhaltensweisen muss eine Führungskraft aus Ihrer Sicht haben, wenn Sie an Führung denken?
•Wie sollte eine Führungskraft wirklich agieren, damit sie für ein Unternehmen gewinnbringend ist?
•Denken Sie »out-of-the-box« und nicht in Klischees und Normen! Was wäre wirklich wichtig, damit ein Unternehmen mehr Gewinn machen oder einfach nur stabil wirtschaften kann? Weibliche Verhaltensweisen oder männliche Verhaltensweisen? Beide?