Kitabı oku: «Wildfell Hall», sayfa 9

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»O« Gilbert, wie konntest Du das thun? Wo bist Du gewesen! Komm herein und iß Dein Abendbrot — es steht Alles bereit, obgleich Du es nicht verdient hast, da Du mich nach der sonderbaren Art, in der Du heute Abend das Haus verließest, so in Schrecken zurückgelassen hast. Mr. Milward war ganz — um Gotteswillen, Junge, wie krank Du aussiehst! O gütiger Himmel, was ist Dir geschehen!«

»Nichts, nichts — geben Sie mir ein Licht.«

»Aber willst Du nicht erst etwas zu Abend essen?«

»Nein, ich will zu Bett gehen, sagte ich, indem, ich ein Licht nahm, welches sie in ihrer Hand hielt, und es anzündete.

»O, Gilbert, wie Du zitterst,« rief meine Mutter besorgt. »Wie weiß Du aussiehst! — sage mir, was es giebt? Ist Dir etwas zugestoßen?«

»Es ist nichts!« rief ich, vor Aerger, weil das Licht nicht anbrennen wollte, fast mit den Füßen stampfend. Hierauf fügte ich, meine Reizbarkeit unterdrückend, hinzu: »Ich bin zu schnell gegangen, das ist Alles; gute Nacht! und marschierte zu Bett, ohne das mir von unten nach gerufene:

»Zu schnell gegangen, — wo bist Du gewesen?« zu achten

Meine Mutter folgte mir mit ihren Fragen und Rathschlägen über meine Gesundheit und mein Benehmen bis an die Thür meines Zimmers. Aber ich flehte sie an, mich bis zum Morgen ungeschoren zu lassen, und sie entfernte sich und endlich hatte das Vergnügen, sie ihre eigene Thür schließen zu hören. Ich dachte jedoch, daß mir diese Nacht keinen Schlaf bringen werde und schritt, statt denselben zu suchen schnell im Zimmer auf und ab, nachdem ich die Stiefeln ausgezogen hatte, damit mich meine Mutter nicht hören sollte; aber die Dielen knarrten und sie war wachsam. Ich hatte es noch keine Viertelstunde so getrieben, als sie sich schon wieder an der Thür befand.

»Gilbert, warum bist Du nicht im Bette? — Du sagtest doch, daß Du gehen wolltest?«

»O, zum Kuckuk, ich gehe schon,« sagte ich.

»Warum machst Du aber so lange daran? Es muß Dir etwas im Kopfe herumgehen —«

»Um Himmelswillen, lassen Sie sich um mich unbekümmert, und gehen Sie selbst zu Bett!« —

»Ist es etwa die Mrs. Graham, die Dich so bekümmert?«

»Nein, nein, ich sage Ihnen, es ist nichts.«

»Wollte Gott, es wäre so,« murmelte sie mit einem Seufzer, als sie nach ihrem Zimmer zurückkehrte, während ich mich selbst auf das Bett warf und mich mit großem Mangel an kindlicher Liebe über sie ärgerte, weil sie mich des einzigen Schattens von Trost, welcher mir noch geblieben zu sein schien, beraubt, und an das elende Dornenlager gefesselt hatte.

Ich habe noch nie eine so lange, so elende Nacht verlebt, wie diese, und doch war sie nicht ganz schlaflos. Gegen Morgen begannen meine Gedanken alle Prätensionen auf Zusammenhang zu verlieren und sich zu verwirrten, fieberischen Träumen zu bilden und endlich folgte ein Zwischenraum bewußtlosen Schlafes; aber dann das Aufdämmern bitterer Erinnerungen, welches diesem folgte, — das Erwachen, — und das Leben als eine Einöde, und schlimmer als dies, da es von Pein und Elend überströmte, zu erkennen, — nicht als eine bloße nackte Wüste, sondern mit Dornen und Disteln gefüllt, — mich getäuscht, betrogen, hoffnungslos, meine Gefühle mit Füßen getreten, meinen Engel nicht als Engel, und meinen Freund als eingefleischten Teufel zu finden — es war schlimmer, als wenn ich gar nicht geschlafen hätte. —

Es war ein trüber, bleigrauer Morgen, das Wetter hatte sich geändert, wie meine Aussichten, und der Regen schlug an die Fenster. Ich stand jedoch auf und ging aus, nicht sowohl, um nach dem Gute zu sehen, obgleich ich dies zum Vorwand nahm, sondern um meinen Kopf zu kühlen, und wo möglich wieder Fassung genug zu erlangen, um beim Frühstück mit der Familie zusammentreffen zu können, ohne mir unbequeme Bemerkungen zu erregen. Wenn ich durchnäßt wurde, so konnte dies in Verbindung mit vorgeblicher, zu großer Anstrengung, bei dem Frühstück meinen plötzlichen Verlust des Appetites entschuldigen, und wenn ich mir eine Erkältung zuzog — je schlimmer, desto besser — so konnte diese die mürrische Laune und brütende Melancholie, welche mein Gesicht wahrscheinlich auf lange genug bewölken würde, erklären helfen.

Dreizehntes Kapitel.

Die Rückkehr zur Pflicht.

»Mein lieber Gilbert, ich wollte, Du versuchtest es, etwas liebenswürdiger zu sein, sagte meine Mutter eines Morgens nach einer Kundgebung ungerechter, übler Laune von meiner Seite. »Du sagst, daß Du nichts habest und nichts vorgefallen sei, was Dich betrüben könne, und doch habe ich noch nie einen Menschen in so wenigen Tagen so verändert gesehen, wie Dich. Du hast für keinen Menschen ein freundliches Wort — Freunde wie Fremde, Gleichstehende wie Untergebene — es ist dies alles eins. Ich wollte, Du versuchtest, dem Einhalt zu thun.«

»Wem Einhalt zu thun?«

»Nun, Deiner seltsamen Laune; Du weißt nicht, wie schlecht sie Dir steht; es gibt wirklich keinen besseren Charakter, wie der Deine von Natur ist, wenn Du ihm nur freies Spiel gäbest — damit kannst Du Dich also nicht entschuldigen.«

Während sie mir so Vorstellungen machte, nahm ich ein Buch, legte es offen vor mir auf den Tisch und that, als ob ich von demselben ganz in Anspruch genommen wäre; denn ich vermochte ebensowenig, mich zu rechtfertigen, als ich meine Irrthümer zugestehen wollte, und wünschte über den Gegenstand gar nichts zu sagen — aber meine vortreffliche Mutter fuhr fort, mir vorzupredigen, und kam dann ins Schmeicheln, und begann mir das Haar zu streicheln, und ich fing schon an, mich wieder als einen guten Jungen zu fühlen; als mein muthwilliger Bruder, der sich müßig im Zimmer herumtrieb, meine Verderbtheit wieder neu belebte, indem er rief: »Rühr’ ihn nicht an, Mutter, er beißt! er ist ein wahrer Tiger in Menschengestalt! Ich meines Theils habe ihn aufgegeben — geradezu enterbt — mit Wurzel und Stamm aus meinem Herzen gerissen — ich bin in Lebensgefahr, wenn ich ihm auf sechs Schritte zu nahe komme. — Neulich hat er mir beinahe den Schädel zerschlagen, weil ich ein hübsches, unschuldiges Liebeslied sang, um ihn ein wenig zu erheitern.«

»O, Gilbert, wie konntest Du das thun!« rief meine Mutter.

»Du weißt« Fergus, daß ich Dir vorher gesagt habe, daß Du Deinen Spektakel einstellen sollst,« sagte ich.

»Ja, aber als ich Dir versicherte, daß es mir nun ganz und gar keine Mühe mache, und den zweiten Vers anfing, da ich dachte, daß er Dir besser gefallen würde, packtest Du mich bei der Schulter und warfst mich mit solcher Gewalt dort an die Wand, daß ich dachte, ich hätte mir die Zunge entzweigebissen, und sie mit meinem Gehirn bespritzt zu sehen erwartete, und als ich meine Hand an den Kopf hielt und fand, daß er nicht zerschmettert war, hielt ich es für ein Wunder und weiter nichts. Aber der arme Bursche, fügte er mit einem sentimentalen Seufzer hinzu — »sein Herz ist gebrochen — das ist die reine Wahrheit — und sein Kopf ist —«

»Willst Du jetzt den Mund halten!« schrie ich, aufspringend und den Burschen so grimmig anblickend, daß meine Mutter, welche dachte, daß ich ihm eine schwere Verletzung zuzufügen beabsichtige, ihre Hand auf meinen Arm legte und mich bat, ihn gehen zu lassen, worauf er gemächlich mit den Händen in den Hosentaschen hinausging, und mir zum Aerger sang:

»Das Lieben ist nun aus 2c.«

»Ich werde mir die Finger nicht an ihm beschmutzen,« antwortete ich auf die Vorstellungen meiner Mutter, »ich würde ihn nicht mit der Zange angreifen.«

Jetzt entsann ich mich, daß ich mit Robert Wilson in Bezug auf den Kauf eines an mein Gut stoßenden Feldes zu thun hatte — ein Geschäft, welches ich von Tag zu Tag verschoben; denn ich nahm jetzt an nichts mehr Antheil, und war überdies menschenfeindlich gesinnt, und hatte außerdem eine besondere Abneigung, mit Jane Wilson oder mit ihrer Mutter zusammenzutreffen, denn obgleich ich jetzt nur zu guten Grund besaß, ihren Gerüchten in Bezug auf Mrs. Graham Glauben zu schenken, so waren sie mir dadurch doch um kein Haar lieber geworden — ebenso wenig, als Elise Milward — und der Gedanke an eine Begegnung mit ihnen war mir um so mehr zuwider, als ich jetzt nicht mehr, wie früher, ihren anscheinenden Verläumdungen Trotz bieten und in meinen eignen Ueberzeugungen triumphieren konnte.

Heute aber beschloß ich, eine Anstrengung zu machen, um wieder zu meiner Pflicht zurückzukehren. Obgleich ich kein Vergnügen davon zu erwarten hatte, war es doch weniger unangenehm, als das Nichtsthun — jedenfalls aber vortheilhafter; wenn mir das Leben keinen Genuß in meinem Berufe versprach, so bot es mir doch wenigstens außer demselben keine Lockungen und von nun an wollte ich meine Schulter an das Rad stimmen und mich abmühen wie ein armer Kartengaul, der zu seiner Arbeit gehörig abgerichtet war, und durchs Leben schleichen, wenn auch nicht mit Freuden, doch, nicht ganz nutzlos, und wenn nicht mit meinem Schicksale zufrieden, doch ohne mich zu beklagen.

Unter diesen Entschlüssen begab ich mich mit einer Art von mürrischer Resignation, wenn man einen solchen Ausdruck gebrauchen darf, auf den« Weg nach Ryecot, obgleich ich kaum erwartete, den Besitzer zu dieser Stunde des Tages zu Hause zu finden, hoffte aber, zu erfahren, in welchem Theile des Gutes er wahrscheinlich zu finden sein würde

Er war allerdings nicht zu Hause, wurde aber in wenigen Minuten erwartet, und man forderte mich auf, in das Wohnzimmer zu treten, bis er komme. Mrs. Wilson war in der Küche beschäftigt, das Zimmer aber nicht leer, denn Miß Wilson saß darin und schwatzte mit Elise Milward. Ich beschloß jedoch, kalt und höflich zu sein. Elise schien ihrerseits den gleichen Entschluß gefaßt zu haben. Wir waren seit dem Abend der Theegesellschaft nicht zusammengetroffen, aber es zeigte sich keine freudige, noch schmerzliche Aufregung, — kein Versuch zum Pathos — keine Kundgebung von gekränktem Stolzes sie war kaltblütig und benahm sich höflich. Ihre Miene und ihr Wesen besaßen selbst eine Ruhe und Heiterkeit, woraus ich keinen Anspruch machte; in ihrem zu ausdrucksvollen Auge lag jedoch eine tiefe Bosheit, die mir deutlich sagte,, daß mir keine Verzeihung zu Theil geworden sei; denn obgleich sie nicht mehr hoffte, mich für sich zu erringen haßte sie ihre Nebenbuhlerin doch noch immer und war offenbar entzückt, ihr Gift an mir auszulassen. Andrerseits war Miß Wilson zuthulich und höflich, wie es das Herz nur wünschen konnte, und obgleich ich selbst nicht in gesprächiger Laune war, gelang es den beiden Damen doch ein fortwährendes . Feuer von Geschwätz zu unterhalten. Elise benutzte jedoch die erste Pause, welche sich ihr darbot, um zu fragen, ob ich in der letzten Zeit Mrs. Graham gesehen habe, und that dies in einem Tone bloßer zufälliger Erkundigung, aber mit einem Seitenblicke, welcher scherzhaft-heiter sein sollte, wirklich aber von Bosheit überströmte.

»In der letzten Zeit nicht,« antwortete ich nachlässigen Tones, wobei ich jedoch ihre odiösen Blicke mir meiner Augen streng zurückwies; denn ich ärgerte mich, zu fühlen, wie mir trotz meiner Anstrengungen, mich unbewegt zu zeigen, das Blut in die Stirn stieg

»Wie! fangen Sie schon an, ihrer müde zu werden? Ich dachte doch, daß ein so herrliches Geschöpf Sie wenigstens auf ein Jahr zu fesseln im Stande sein würde.«

»Ich bitte Sie, jetzt nicht von ihr zu sprechen.«

»Ach, so sind Sie also endlich von Ihrem Irrthum überzeugt — Sie haben endlich entdeckt, daß Ihre Göttin nicht ganz die fleckenreine —«

»Ich habe gebeten, daß Sie nicht von ihr sprechen möchten, Miß Elise —«

»O, ich bitte um Entschuldigung! ich sehe, daß die Pfeile Amors für Sie zu scharf gewesen sind; die Wunden sind tiefer als in die Haut gegangen und noch nicht zugeheilt — und bluten jedesmal bei der Erwähnung der Geliebten von Neuem!« —

»Sagen Sie lieber,« unterbrach sie Miß Wilson, »Mr. Markham fühlt, daß ihr Name unwürdig ist, in Gegenwart ehrbarer Frauenzimmer erwähnt zu werden; es wundert mich, Elise, daß Sie daran denken können, von der unglückseligen Person zu sprechen. Sie sollten doch wissen, daß die Erwähnung ihres Namens für Alle hier keineswegs angenehm sein kann.«

Wie sollte ich dies ertragen? Ich stand auf und wollte eben den Hut auf den Kopf stülpen und in grimmigem Zorne aus dem Hause stürzen, bedachte aber noch gerade zu rechter Zeit, um meine Würde zu retten, die Thorheit eines solchen Benehmens, und daß dasselbe meine Quälgeister nur auf meine Kosten zum Lachen bringen würde — und noch dazu um eines Wesens willen, welches ich in meinem Herzen als des geringsten Opfers unwürdig erkannt hatte — wenn mich auch das Gespenst meiner früheren Achtung und Liebe noch so verfolgte, daß ich ihren Namen von Andern nicht schmähen hören konnte. — Ich trat daher bloß an das Fenster, und nachdem ich einige Sekunden mit zornigem Nagen an meiner Lippe zugebracht und das leidenschaftliche Klopfen meines Herzens streng unterdrückt hatte, bemerkte ich gegen Miß Wilson, daß ich von ihrem Bruder noch nichts wahrnehmen könne, und fügte hinzu, daß es, da meine Zeit kostbar wäre, vielleicht besser sein würde, wenn ich morgen zu einer Stunde, wo ich ihn sicherer zu treffen erwarten könne, wiederkommen würde.

»O nein,« sagte sie, »wenn Sie nur eine Minute warten, so werden Sie ihn gewiß treffen in L. (so hieß die Stadt nach welcher wir unsre Produkte zu Markte brachten) und wird einiger Erfrischungen bedürfen, ehe er geht.«

Ich unterwarf mich daher mit der bestmöglichen Miene und brauchte glücklicherweise nicht lange zu warten. Mr. Wilson kam bald, und so wenig ich in diesem Augenblicke auch zu Geschäften aufgelegt war und so wenig mir auch an dem Felde oder dessen Eigenthümer lag, zwang ich doch meine Aufmerksamkeit mit höchst lobenswerther Entschlossenheit auf den vorliegenden Gegenstand und schloß schnell den Handel ab — wahrscheinlich zur größeren Zufriedenheit des geldliebenden Gutsbesitzers, als er kund zu geben Lust hatte.

Hierauf überließ ich ihn dem Genusse seines kräftigen Frühmahls, verließ das Haus und ging hinweg, um nach meinen Mähern zu sehen.

Ich ging von diesen hinweg, nachdem ich gesehen, daß sie auf dem Thalgange fleißig arbeiteten, stieg den Hügel hinauf, da ich ein Kornfeld in den höheren Regionen zu besuchen gedachte und wollte zuschauen, wenn dieses zur Ernte geeignet sein würde. Ich besuchte es aber an jenem Tage nicht — denn beim Näherkommen bemerkte ich in nicht großer Entfernung Mrs. Graham und ihren Sohn, die mir gerade entgegenkamen. — Sie sahen mich und Arthur lief schon auf mich zu, aber ich wendete mich augenblicklich um und lenkte nach Hause ein, denn ich war fest entschlossen, nie wieder mit seiner Mutter zusammenzutreffen. Ohne auf die Kinderstimme in, meinen Ohren zu achten, welche mir zurief: »Einen Augenblick zu warten,« verfolgte ich meinen Weg und er stellte bald das Nacheilen als hoffnungslos ein oder wurde von seiner Mutter zurückgerufen. Auf alle Fälle war, als ich mich fünf Minuten später Umsah, von Keinem von Beiden eine Spur zu erblicken.

Dieser Vorfall bewegte und regte mich aus höchst — unerklärliche Weise auf — außer wenn Sie dies dadurch erklären wollen, daß Sie sagen: Amors Pfeile seien nicht nur für mich zu scharf, sondern auch mit Widerhaken versehen und zu tief eingedrungen und ich noch nicht im Stande gewesen, sie aus meinem Herzen zu reißen. Wie dem auch sein mochte, so wurde ich dadurch doch auf den übrigen Theil des Tages doppelt elend gemacht.

Vierzehntes Kapitel.

Ein Straßenanfall.

Am nächsten Morgen erinnerte ich mich, daß ich ebenfalls Geschäfte in L. habe. Ich stieg also bald nach dem Frühstück auf mein Pferd und machte mich dorthin auf. Es war ein trüber, regnerischer Tag — dies kümmerte mich aber nicht, oder paßte vielmehr nur um so besser zu meiner Gemüthsverfassung. Ich hatte die Aussicht auf eine einsame Reise, denn es war kein Markttag und die Straße zu anderen Zeiten nur wenig frequentiert — dies aber behagte mir ebenfalls nur um so besser.

Als ich jedoch dahin trabte und mich meinen bitteren Gedanken überließ, hörte ich in nicht großer Entfernung hinter mir ein anderes Pferd kommen, ahnte aber nicht, wer der Reiter sein könne und bekümmerte mich überhaupt nicht um ihn, bis ich meinen Schritt verzögerte; um eine sanfte Anhöhe hinauf zu gelangen — oder vielmehr meinem Pferde überließ, seinen Trab in einen trägen Schritt zu verwandeln, denn ich gestattete ihm, in meine Gedanken versunken, so gemächlich als es für angemessen hielt, zu gehen — und wurde von meinem Reisegenossen eingeholt. Er begrüßte mich, indem er meinen Namen nannte, denn es war kein Fremder — es war Mr. Lawrence! — Instinktmäßig zuckten die Finger, womit ich meine Reitgerte hielt, und faßten ihre Last mit konvulsivischer Energie, aber ich hielt den Impuls zurück, beantwortete seinen Gruß mit einem Kopfnicken und gab meinem Pferde die Sporen; aller er that desgleichen und begann vom Wetter und von der Ernte zu sprechen. Ich gab auf seine Fragen und Bemerkungen die möglichst kurzen Antworten und hielt mein Pferd zurück; er that dasselbe und fragte, ob mein Pferd lahm sei —— ich antwortete mit einem Blicke — auf den er freundlich lächelte.

Ich war über diese sonderbare Hartnäckigkeit und unerschütterliche Zudringlichkeit von seiner Seite ebenso sehr erstaunt als erbittert. Ich hatte gedacht, daß die Umstände unsrer letzten Begegnung einen solchen Eindruck auf seinen Geist gemacht haben würden, daß er auf ewig fremd und kalt geworden wäre — statt dessen schien er aber nicht nur alle früheren Kränkungen vergessen zu haben, sondern auch für alle jetzigen Unhöflichkeiten blind und taub zu sein. Früher war der leiseste Wink, eine, wenn auch nur eingebildete Kälte in Ton und Blick hinreichend gewesen, um ihn zurückzuweisen, jetzt vermochte ihn positive Ungezogenheit nicht hinwegzutreiben. Hatte er von meinem Mißgeschick gehört und kam er, um zu sehen, welches Resultat dasselbe gehabt habe und über meine Verzweiflung zu triumphieren? Ich erfaßte meine Peitsche mit entschlossenerer Energie, als bisher, gewann es aber noch immer über mich, sie nicht zu erheben, und ritt schweigend — dahin, indem ich auf eine wesentlichere Kränkung wartete, ehe ich die Schleusen meines Zornes öffnete und die auf gedämmte Wuth, welche in meinem Innern kochte und braus’te, überstürmen ließ.

»Markham,« sagte er in seinem gewöhntem ruhigen Tone, »warum zürnen Sie mit Ihren Freunden, weil Ihre Erwartungen von Andern getäuscht worden sind? Sie haben Ihre Hoffnungen als vergeblich erkannt, wie aber bin ich dafür zu tadeln? Ich warnte Sie im Voraus dagegen, wie Sie wissen, aber Sie wollten nicht —«

Er sagte weiter nichts, denn schon hatte ich, wie von einem bösen Dämon hinter mir getrieben, meine Reit peitsche am dünnen Ende ergriffen und das andre schnell und plötzlich wie ein Blitzstrahl auf seinen Kopf herab fahren lassen. Ich erblickte nicht ohne ein Gefühl wilder Zufriedenheit die augenblickliche Todtenblässe welche sein Gesicht überzog und die wenigen rothen Tropfen, welche über seine Stirn herabträufelten, während er einen Augenblick im Sattel schwankte und dann hinterwärts zu Boden sank. Der Pony war erstaunt, auf so sonderbare Weise seine Last los zu werden und schrack zusammen und sprang und schlug ein wenig aus und benutzte sodann seine Freiheit, um das Gras unter der Hecke abzuweiden, während sein Herr still und stumm wie eine Leiche dalag. Hatte ich ihn getödtet? — Eine eisige Hand schien mein Herz zu umfassen und seinem Klopfen Einhalt zu gebieten, als ich mich über ihn beugte und mit athemloser Angst auf das gespenstige, nach oben gekehrte Gesicht blickte. Aber nein, er bewegte seine Augenlider und stieß ein leichtes Aechzen aus. Ich athmete von Neuem — er war nur von dem Falle betäubt, — es war ihm schon recht — er mußte dadurch in Zukunft bessere Manieren lernen; sollte ich ihm — auf sein Pferd helfen? — Nein, für jede andre Combination von Beleidigungen würde ich es gethan haben, aber die seinigen waren zu unverzeihlich. Er konnte selbst hinaufsteigen, wenn er Lust hatte, — in einer Weile — er fing schon an sich zu bewegen und umzusehen und dort war es und weidete ruhig auf dem Grase unter der Hecke.

Mit einer, vor mich hingemurrten Verwünschung überließ ich den Burschen seinem Schicksale und galoppierte hinweg. Ich war von einer Verbindung von Gefühlen aufgeregt, die sich nicht leicht analysieren lassen würden, und wenn ich dies thäte, würde das Resultat schwerlich sehr günstig für meinen Charakter ausfallen, denn ich glaube so halb und halb, daß eine Art von Triumph über das was ich gethan, ein Hauptbestandtheil desselben war.

Nach kurzer Zeit besänftigten sich jedoch die aufgeregten Gefühlswellen und nach wenigen Minuten wendete ich mich um und ritt zurück, um mich nach dem Schicksale meines Opfers zu erkundigen. Es war kein großmüthiger Impuls, keine Reue, die mich dazu veranlaßte — nicht einmal die Furcht vor den möglichen Folgen für mich, wenn ich meinen Anfall auf Mr. Lawrence dadurch die Krone aufsetzte, daß ich ihn so unberücksichtigt und weiterer Verletzung ausgesetzt zurückließ. Es war einfach die Stimme des Gewissens und ich that mir nicht wenig darauf zu Gutes daß ich seinen Geboten so schnell gehorcht — und wenn man das Verdienst der That nach der Ueberwindung, welche sie kostete, beurtheilen will, so hatte ich nicht ganz unrecht.

Mr. Lawrence und sein Pony hatten beide ihre Stellung einigermaßen verändert, — der Pony war nun etwa acht bis zehn Schritte weiter gewandert und Jenem war es gelungen, sich aus der Mitte des Weges fortzuschleppen. Ich fand ihn zurückgelehnt im Graben sitzen — er sah noch immer sehr blaß und und unwohl aus und hielt sein Batisttaschentuch (das jetzt eher roth als weiß war) an seinen Kopf. Es mußte ein furchtbarer Schlag gewesen sein, aber die Hälfte der Wirkung war der Peitsche, deren Knopf aus einem massiven versilberten Pferdekopfe bestand, zuzuschreiben. Das vom Regen durchnäßte Gras gewährte dem jungen Manne ein ziemlich ungastliches Lager, sein Hut lag auf der andern Seite des Weges im Kothe; seine Gedanken schienen jedoch hauptsächlich auf seinen Pony gerichtet zu sein, nach dem er halb hilflos verlangend und halb hoffnungslos in sein Schicksal ergeben blickte.

Ich stieg ab und hob, nachdem ich mein Thier an den nächsten Baum befestigt hatte, zuerst seinen Hut auf, den ich ihm auf den Kopf zu setzen beabsichtigte; er dachte aber entweder, daß sein Kopf für einen Hut ungeeignet, oder der Hut in seinem gegenwärtigen Zustande ungeeignet für seinen Kopf sei, denn er zog den Einen zurück, nahm mir den Andern aus der Hand und warf ihn widerwillig bei Seite.

»Er ist gut für Sie,« antwortete ich.

Meine nächste Gefälligkeit war, seinen Pony einzufangen und ihm zu bringen, was bald geschehen war; denn das Thier hielt sich im Ganzen ruhig genug und kokettierte nur ein wenig, bis ich mich des Zügels bemächtigt hatte — aber dann mußte ich ihm noch in den Sattel helfen.

»Hier, Sie Kerl — Schuft — Hund — geben Sie mir Ihre Hand, ich will Ihnen hinaufhelfen.«

»Nein,« — Er wendete sich mit Widerwillen von mir ab; ich versuchte, ihn am Arm zu nehmen, aber er zog denselben zurück, als ob meine Berührung besudelnd gewesen wäre.

»Wie, Sie wollen nicht? Nun, so mögen Sie denn meinetwegen bis zum jüngsten Tage hier sitzen bleiben Aber Sie werden wohl nicht alles Blut aus Ihrem Körper verlieren wollen — ich will mich herablassen, Sie zu verbinden.«

»Lassen Sie mich allein.«

»Nun, mit dem größten Vergnügen; gehen Sie zum Teufel, wenn Sie Lust haben — und sagen Sie, daß ich Sie geschickt hätte.«

Ehe ich ihn aber seinem Schicksale überließ, hing ich den Zügel seines Pony über einen Pfahl im Zaun und warf ihm mein Taschentuch zu, da das seine jetzt ganz von Blut durchdrungen war. Er nahm es und warf es mir mit aller Kraft, welche er aufbieten konnte, voller Abscheu und Verachtung zurück. Dies machte das Maaß seiner Sünden voll. Mit nicht lauten, aber tiefen Verwünschungen überließ ich ihn seinem Schicksale, überzeugt, daß ich meine Pflicht gethan, indem ich versucht, ihn zu retten . —— vergaß aber, daß ich es gewesen, der ihn in diese Lage gebracht und wie kränkend ich ihm später meine Dienste angeboten — und bereitete mich mürrisch darauf vor, den Folgen entgegenzutreten, wenn er sagen sollte, daß ich ihn zu ermorden versucht, was ich nicht für unmöglich hielt, da es wahrscheinlich erschien, daß er von dergleichen boshaften Gründen angetrieben worden sei, den ihm von mir dargebotenen Beistand so hartnäckig zurückzuweisen.

Nachdem ich mein Pferd wieder bestiegen, blickte ich noch einmal zurück, um zu sehen, wie es ihm ergehe, ehe ich hinwegritt. Er hatte sich vorn Boden erhoben, die Mähne seines Pony erfaßt und bemühte sich, aufzusteigen. Kaum hatte er jedoch den Fuß in den Steigbügel gesetzt, als er vom Schwindel übermannt zu werden schien. Er lehnte sich, mit auf dem Rücken des Thieres liegendem Kopfe, vorn über, machte noch einen Versuch, welcher sich als erfolglos erwies und sank auf den Rasen zurück, wo er allem Anscheine nach so ruhig lag, als ob er sich zu Hause auf seinem Sopha befände.

Ich hätte ihm trotzen, selbst beistehen, die Wunde, deren Blutung er nicht zu hemmen vermochte, verbinden, darauf bestehen sollen, ihm auf sein Pferd zu helfen, und ihn nach Hause bringen müssen; aber außer meiner bitteren Indignation gegen ihn selbst waren noch die Fragen zu berücksichtigen, welche seine Dienerschaft und meine eigene Familie stellen würden. Entweder hätte ich die That gestehen müssen, weshalb man mich für einen Tollhäusler erklärt haben würde, außer wenn ich auch den Grund dafür angegeben hätte, und dies erschien mir unmöglich oder ich mußte eine Lüge ersinnen, was ebenso sehr außer aller Frage zu sein schien, besonders da Mr. Lawrence höchst wahrscheinlich die ganze Wahrheit mittheilen und mich dadurch zehnfacher Schande aussetzen würde, wenn ich nicht schlecht genug war, auf den Mangel an Zeugen zu pochen und auf meiner eignen Auslegung der Sache zu beharren, wodurch er als ein noch größerer Schuft, wie er wirklich war, dagestanden haben würde. Nein, er hatte nur eine Wunde über die Schläfe und vielleicht ein paar Brauschen vom Falle oder den Hufen seines eignen Ponys erhalten und dies konnte ihn nicht tödten, wenn er auch den ganzen Tag da liegen blieb, und wenn er sich nicht selbst helfen konnte, so war es doch ganz unmöglich, daß nicht Jemand vorüberkam — es war unmöglich, daß ein ganzer Tag vorbeigehen werde, ohne daß außer uns Beiden Jemand erschien. Was das betraf, was er später darüber sagen mochte, so wollte ich die Gefahr auf mich nehmen. Wenn er log, so beabsichtigte ich ihm zu widersprechen, sagte er aber die Wahrheit, dieselbe so gut ich konnte, zu ertragen. Ich war nicht verbunden, mich auf weitere Erklärung, als ich für angemessen hielt, einzulassen; vielleicht zog er es auch vor, aus Furcht, Nachforschungen über den Grund des Streites zu erregen und die Aufmerksamkeit des Publikums auf sein Verhältniß zu Mrs. Graham zu ziehen, welches er aus dem einen oder dem andern Grunde geheim halten zu wollen schien, zu schweigen.

Unter diesen Gedanken trabte ich nach der Stadt weiter, verrichtete dort meine Geschäfte und besorgte, wenn man die verschiedenen Umstände der Sache in Betracht nimmt, einige kleine Aufträge Rosa’s und der Mutter mit löblicher Sorgfalt. Auf dem Heimwege wurde ich von einiger Unruhe über das weitere Schicksal des unglücklichen Lawrence bestürmt. Die Frage, »wie, wenn ich ihn noch auf der feuchten Erde liegend, vor Kälte und Erschöpfung dem Tode nah, sterbend oder bereits kalt und steif finden sollt?« drängte sich mir auf höchst unangenehme Art auf, und die entsetzliche Möglichkeit malte sich mit schmerzlichen Farben in meinem Geiste aus, als ich mich der Stelle näherte, wo ich ihn verlassen hatte. Aber nein, dem Himmel sei Dank, sowohl Mann wie Pferd waren fort und nichts zurückgeblieben, was gegen mich zeugen konnte, mit Ausnahme zweier Gegenstände, die allerdings an sich schon unangenehm genug waren und einen sehr häßlichen, um nicht zu sagen, mörderischen Schein auf die Sache warfen. — An der einen Stelle der vom Regen durchweichtem mit Straßenkoth überzogene, eingebogene und an der Krämpe von dem verwünschten Reitpeitschenstiele zerschlagene Hut — an einer andern das in einer rothgefärbten Wasserpfütze (denn es war unterdessen viel Regen gefallen) schwimmende, purpurrothe Taschentuch.

Schlimme Nachrichten verbreiten sich schnell, es war kaum vier Uhr, als ich nach Hause kam, aber meine Mutter kam mir ernst mit den folgenden Worten entgegen:

»O, Gilbert, welch ein Unglück! Rosa hat im Dorfe Einkäufe gemacht und dort gehört, daß Mr. Lawrence von seinem Pferde abgeworfen und sterbend nach Hause gebracht worden ist.«

Das entsetzte mich ein wenig, wie Sie sich leicht denken können, aber es tröstete mich, als ich hörte, daß er den Kopf entsetzlich zerschlagen und ein Bein gebrochen habe, denn da ich wußte, daß dies erlogen sei, hoffte ich, daß der übrige Theil der Geschichte eben so unrichtig sein werde und als ich meiner Mutter und Schwester seine Lage so gefühlvoll beklagen hörte, wurde es mir sehr schwer, mich zu enthalten, Ihnen zu sagen, wie weit sich seine Verletzungen, so weit sie mir bekannt waren, wirklich erstreckten.

»Du mußt morgen hingehen und ihn besuchen,« sagte meine Mutter.

»Oder heute,« meinte Rosa, »es ist noch Zeit genug dazu, und Du kannst den Pony nehmen, wenn Dein Pferd müde ist. Willst Du es nicht thun, Gilbert, so bald Du etwas gegessen hast?«

»Nein« nein — wie können wir wissen, ob nicht das ganze ein falsches Gerücht ist’s es ist höchst unp —«

»O, das ist es gewiß nicht, denn das ganze Dorf redet davon und ich habe zwei Männer gesehen, die Andere gesehen haben, die den Mann« gesehen hatten, von dem er gefunden wurde. Das klingt weit hergeholt, aber es ist nicht so, wenn Du es bedenkst.«

»Nun, aber Lawrence ist ein guter Reiter; es ist nicht wahrscheinlich, daß er überhaupt von seinem Pferde fallen wird, und wenn es geschehen sein sollte, so ist es höchst unwahrscheinlich, daß er seine Glieder auf diese Art brechen sollte — es muß wenigstens eine grobe Uebertreibung sein!«

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