Kitabı oku: «Natürlich heilen mit Bakterien - eBook», sayfa 5

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In dieser Zeit trennte sich die Entwicklung probiotischer Medikamente und der Lebensmittelprobiotika, obwohl die Bakterien dabei an sich natürlich die gleichen sind.

Bakterien wirken immer probiotisch

Der Begriff »Probiotikum« wurde anscheinend erstmals im Jahr 1953 verwendet, und zwar von Werner Kollath (1892–1970), der etwas gänzlich anderes damit meinte. Er bezeichnete damit nämlich Nahrungsbestandteile, die dem Leben förderlich seien, im Gegensatz zu schädlichen »Antibiotika«. Damit begann geradezu eine Laufbahn des Begriffs: 1965 verstand man unter Probiotika Substanzen, die von Bakterien abgegeben wurden, um das Wachstum anderer Mikroben zu fördern, als Gegensatz zu den sie hemmenden »Antibiotika«.92 Später waren es Organismen oder Stoffe, die das Bakteriengleichgewicht im Darm förderten,93 dann meinte man damit lebende Mikroorganismen, die als Zusätze zur Gesundheitsförderung der Nahrung oder dem Tierfutter zugegeben wurden,94 noch später lebende Mikroben, die zu Gesundheitszwecken verzehrt wurden. Diese vergeblichen Versuche, »Probiotika« genau zu definieren, mündeten in die heutigen Begriffsfassung der WHO aus dem Jahr 2001, nach der Probiotika lebende Mikroorganismen sind, »die, wenn in ausreichender Menge verabreicht, dem Wirtsorganismus einen gesundheitlichen Nutzen bringen«. Nimmt man diese Definition beim Wort, zählten folgerichtig auch Bier und Champagner, Rohmilchkäse sowie der Salat aus dem Garten zu »Probiotika«, da auch sie mikrobenreich sind und dem Menschen einen gesundheitlichen Nutzen bringen. Kurzum: Alles Essen mit Bakterien ist probiotisch. Essen ohne Bakterien gibt es allerdings nicht. Gleichzeitig gelten auch äußerlich angewendete Mikroben, also Vaginalzäpfchen mit Bakterien oder Hautcremes, als Probiotikum. DieVerwirrung besteht jetzt darin, dass man nun gar nicht mehr weiß, was ein Probiotikum eigentlich Besonderes sei und was es von einem Lebensmittel oder Medikament unterscheidet.

Im Oktober 2013 fand sich daher eine Gruppe von Spezialisten zu einer Tagung zusammen und fragte sich, ob wegen der neuen Mikrobiom-Erkenntnisse die derzeitige Definition denn noch gültig sei. Man fand ja, schloss aber neu diejenigen Mikrobenstämme darein, die in kontrollierten wissenschaftlichen Studien bestimmte Gesundheitswirkungen gezeigt haben. Hingegen sollten Mikrobenstämme, für die es entweder keine Studien gibt, die zu fermentierten Lebensmitteln gehören oder die als Stuhltransplantationen verwendet werden, gar nicht mehr als »Probiotika« gelten. Übrig blieben dann nur die industriell hergestellten Mittel unter Verwendung isolierter Stämme, die vom Menschen künstlich kultiviert in eine streng kontrollierte Form gebracht wurden.95

Damit wird die Verwirrung leider noch vergrößert, abgesehen davon, dass darin obendrein ein weiterer Versuch liegt, die grenzenlose Fülle und Vielfalt der Kleinstlebewesen in ein menschengemachtes Korsett zu zwängen. Der freie Fluss unseres Lebensursprungs, der durch die Mikroben unentwegt im Lebendigen vermittelt wird, würde damit fortgesetzt blockiert.

In den »Probiotika« verschwimmen Ernährung und Medizin. Nichts macht deutlicher, dass unsere Gesundheit tatsächlich von dem abhängt, was wir aufnehmen, egal wie es heißt. Der Spruch »Eure Nahrung sei euer Heilmittel, und eure Heilmittel seien eure Nahrung« stammt zwar nicht von Hippokrates, dem er fälschlicherweise zugeschrieben wird.[5] Er drückt nichtsdestotrotz die tiefe Weisheit aus, dass die Gesundheit von der Ernährung abhängt. Deren Wirkung auf den Organismus wird, wie wir jetzt wissen, durch die »Übersetzung« durch die Darmbakterien bestimmt (siehe Seite 131ff.).

Der Begriff »Probiotika« bezeichnet daher eigentlich etwas, was Nahrung und Heilmittel zugleich ist: nämlich eine bakterienhaltige Ernährung. Denkt man diese Bedeutung der definierten »Probiotika« zu Ende, implizieren sie, dass sie Medizin überflüssig machen könnten, wenn man sich nur gut genug ernährt. Kein Wunder also, dass Probiotika aus mancher Sicht eher unerwünscht sein mussten.

Jetzt, wo die Mikrobiomforschung die große Bedeutung der Bakterien bewiesen hat, gelten sie aber doch auf einmal wieder als Medizin der Zukunft. Daher ist es umso wichtiger, tatsächlich umzudenkenund ein wahres Bild von Mikroben und Mensch zu entwickeln, um nicht dem nächsten Irrtum in der Medizin anheimzufallen.

Vor fast hundert Jahren gab es also eine Weichenstellung in der akademischen Medizin: Entweder man behandelte mithilfe der Bakterien, oder man ging gegen sie an. Vielleicht gefördert durch das Denken in Kriegszeiten, wählte man den Umweg des Bekämpfens. Wir haben die Möglichkeit, die Wege jetzt wieder zusammenzuführen und an den Pfad eines friedlichen Umgangs mit Bakterien anzuknüpfen.

Die Wirkung von Probiotika

Es gibt noch einen Grund, der den Ruf der Probiotika minderte: Die Forscher, die die Wechselwirkungen zwischen Mikroben und Mensch erforschten, taten dies im Labor. Sie führten dort objektivierbare Studien durch, deren Ergebnisse erst auf den Tierversuch, dann auf den Menschen übertragen wurden. Solange man dabei auf ein bestimmtes Symptom blickte, zum Beispiel auf Durchfall, ließ sich ein Prozentsatz derer ermitteln, bei denen es verschwand. Das ist bei den Antibiotika leicht möglich. Bei einem Probiotikum, das ja definitionsgemäß direkt im Menschen wirkt, sind Laborversuche für die Ergebnisse hingegen wenig aussagekräftig und die Wirkungen im Lebendigen kaum objektivierbar, weil jeder Mensch natürlich anders ist als der nächste. Da die Wirkung nicht immer nachweisbar ist, ist der Begriff »probiotisch« seit Dezember 2012 mit gesundheitsbezogenen Aussagen bei Lebensmitteln in Europa verboten.96

Die diversen Menschenbilder der Ärzte entwickelten somit unterschiedliche therapeutische Richtungen. Probiotika galten als »alternativ«. Sie wurden in der Erfahrungsheilkunde eingesetzt, die auf den einzelnen Menschen und seine ganz persönliche Konstitution sah. Antibiotika hingegen wurden zur offiziellen und daher auch von den Krankenkassen bezahlten, naturwissenschaftlich-akademischen Medizin. Während ein Antibiotikum eine zwingende Wirkung hat, die in entsprechenden Studien nachweisbar sein kann, ist dies bei Probiotika nicht möglich, da sie auf ein persönliches Mikrobiom treffen. Dementsprechend unterschiedlich fielen die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zu Probiotika aus. Erst ab den neunziger Jahren gab es überhaupt welche, dann eine stetig zunehmende Anzahl. Doch untereinander vergleichen lassen sie sich ebensowenig. Damit wurden sie für viele Ärzte nicht nachvollziehbar. Es ist auch hier so: Mikroorganismen sprengen das menschliche Begreifen.

Geht man heutzutage in ein Reformhaus, um ein Probiotikum zu erwerben, findet man Pulver oder Kapseln, die aus verschiedenen Stämmen von zum Beispiel bei minus 180 Grad Celsius schockgefrosteten und gefriergetrockneten Mikroben bestehen. Meistens sind es Milchsäurebakterien der Stämme Lactobacillus oder Bifidus. Sie werden geschluckt oder in Wasser eingerührt und zum Essen eingenommen. Viele enthalten auch sogenannte Prä- oder Prebiotika, worunter man Substanzen versteht, die Bakterien im Körper als spezifische Nahrung dienen, sogenannte Ballaststoffe (siehe Seite 143ff.). Werden »Probiotikum« und »Präbiotikum« kombiniert, nennt man dies »Symbiotikum«. Diese Bezeichnung ist jedoch eher theoretischer Natur, denn niemand bittet im Geschäft um ein »Symbiotikum«, und auch in der Fachliteratur ist dieser Begriff unüblich.

Mit der Einnahme eines Probiotikums verbindet sich die Vorstellung, seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun, speziell bei Darmerkrankungen oder wenn ein Antibiotikum angewendet wurde. Erst »Anti«, dann »Pro« – damit drückt sich die Gegensätzlichkeit aus, die sich im vergangenen Jahrhundert entwickelt hat. Beide Begriffe waren zuvor überflüssig. Man ernährte sich ganz natürlicherweise mit einer ausreichenden Menge von Bakterien. Jetzt gibt es Probiotika für jedes Lebensalter, vom Baby bis zum Greis, für Sportler, gestresste Manager und Reisende in ferne Länder. Sie heißen nach Kuscheltieren, tragen kraftvolle Marken wie »Stress Repair«, so als ob man Stress mit Bakterien reparieren könne. Sogar ein »Breitband«-Probiotikum wird bereits beworben.

Damit werden Bakterien für eine weitere Medikamentierung des Lebens benutzt. Eine Monatsration derlei Probiotika kann gut und gern so kostspielig werden, dass man stattdessen gleich bakteriengerechte und naturnah angebaute Lebensmittel kaufen kann. Heilung besteht darin, sein Leben in ein gesundes Fließgleichgewicht zu bringen, und nicht, den kranken Zustand durch Pulver und Pillen zu stabilisieren. Die meisten solcher Präparate sind zwar tauglich, sie genügen jedoch in der Regel nicht für eine Genesung.

Man muss Bakterien auch nicht mit »magensaftresistenten« Kapseln schlucken. Kapseln bestehen aus künstlich gefärbter Hart- oder Weichgelatine[6], die in der Regel bereits nach kurzer Verweildauer im Magen aufgelöst wird[7]. Ebenso können die enthaltenen Bakterien künstlich mit magensaftresistenten Eigenschaften versehen worden sein.

Dick- und Sauermilch

Alle alten Kulturen kannten »probiotische« Gärgetränke, die einen Reichtum an lebenden Bakterien und an bakteriellen Stoffwechselprodukten mit sich brachten – die übrigens den künstlich hergestellten Probiotika fehlen. Honig wurde zu Met vergoren, Früchte zu Wein, Getreide zu Bier und Korn (siehe Seite 172ff.). Wo es Milch gab, gab es auch Sauermilch. Diese bildet sich, wenn Bakterien aus der Luft sich mit der Milch spontan verbinden, und die Mikroben beginnen, die Milch zu verdauen. (Im deutschsprachigen Raum spricht man eher von »Dickmilch«). Der Milchzucker wird dabei von den Bakterien in Säuren umgesetzt, in Milchsäuren, Buttersäuren, Essigsäure, Ameisensäure, daher der Zusatz »sauer«. Und dadurch sinkt der pH-Wert. Dies löst die zuvor homogenen Milcheiweiße aus ihrem Zusammenhang, indem die als Micellen bezeichneten Milchkügelchen gelockert werden und bei weiterer Säuerung ein kurzkettiges Gel entsteht, eine Art Netz. In dessen Zwischenräumen liegen dann bakterielle Verdauungsenzyme und bakteriell verdaute Milchbestandteile als Mikronährstoffe vor, darunter enzymatisch abgespaltene Aminosäuren und gelöste Mineralien.98 Dieser Vorgang bringt die »Dicklegung« der Sauermilchprodukte mit sich, was sie besser transportierbar und über längere Zeit haltbar macht. Je nach beteiligten Bakterien werden dazugehörige Aromata, Eiweißketten oder wie bei Crème fraîche Gummi- und Schleimstoffe abgegeben.

In der Kulturentwicklung der Menschheit lernte man, diesen mikrobiellen Prozess bewusst zu lenken und dadurch unterschiedliche Sauermilchbereitungen entstehen zu lassen. Aus der vollen Milch zum Beispiel Kumys, Kefir, Dickmilch oder Joghurt, aus dem Rahm saure Sahne, Schmand oder Crème fraîche. Die Dicklegung der Milch erfolgt spontan nur, wenn sich frische Milch mit geeigneten Bakterien vermischt. Sie setzt also handwerkliches Melken und die passende natürliche Luftzusammensetzung voraus, wie es in Deutschland bis zum letzten Jahrhundert auf dem Land gegeben war. Sobald die Milch gekühlt oder erhitzt wurde oder wenn die Bakterienzusammensetzung in der Raumluft nicht passt, wird die Milch stattdessen nach längerem Stehen ungenießbar.

Im 19. Jahrhundert wurde von Louis Pasteur die Keimabtötung mittels Hitze initiiert, die nach ihm »Pasteurisierung« genannt wurde. Da man ja damals fälschlich noch davon ausging, dass Bakterien im menschlichen Körper nichts zu suchen hätten, und da man »Krankheitskeime« abtöten wollte, führte man die Milcherhitzung von Gesetzeswegen ein.[8] Damit verschwanden nicht nur die Milchbakterien aus unserer Ernährung, sondern auch das Verspeisen frischer »Dick«milch mit all ihren hilfreichen Effekten für die Gesundheit (siehe Seite 174). Um weiterhin Käse und Dickmilch zu produzieren, gab man ab 1890 der Milch künstlich gezüchtete Starterkulturen für die Sauerlegung bei.99 So war der natürliche Bakterienkreislauf fortan abgeschnitten. Zur Bakterienversorgung wurde stattdessen ab 1919 der künstlich unter besonderem Wärmeeinsatz hergestellte Joghurt ins nördliche Europa eingeführt.100

Inzwischen weiß man, dass die Milchbakterien über das Blut aus dem Verdauungstrakt der Muttertiere stammen. Für einen gesunden Milchverzehr ist es also wichtiger, sich um Futterqualität, Wohlbefinden und Bakterienversorgung der milchspendenden Tiere zu kümmern, als in einer ungesunden Milch hinterher Bakterien zu töten. Zuerst Tiere in unnatürlicher Massenhaltung aufzuziehen, ihre dadurch entstandenen Krankheiten antibiotisch zu behandeln und dann ihre Milch zu erhitzen ist abwegig und entfernt Tiere, Milch und ihre Produkte immer weiter vom natürlichen lebendigen Nahrungskreislauf. Gesunde Tiere geben auch gesunde Milch.

Kefir

Im Kaukasus war diese Sauermilch der Kefir[9]101 oder »Milchwein«, ein Volksgetränk und Heilmittel zugleich. Er bildet sich im Miteinander mehrerer Pilze und Bakterien[10].102 Kefirknollen werden mit Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch an der Luft angesetzt – früher in ledernen Schläuchen –, und die daraus nach einem Tag gebildete Gärmilch samt Mikroben wird abgegossen, mit frischer Milch vermischt und luftdicht abgefüllt weiter fermentiert. 1892 wurde Kefir in Deutschland erstmals mikrobiologisch beschrieben.103 Frisch gemacht ist er kohlesäure-, milchsäurereich und alkoholhaltig. Die Milcheiweiße werden durch die Mikroben vorverdaut

Joghurt

Die Herstellung von Joghurt gelangte offenbar von den Nomadenvölkern über das Osmanische Reich und den Balkan nach Europa. Sie unterscheidet sich in dem Sauerlegen der Milch durch eine andere Bakterienmischung, die bei einer höheren Temperatur gedeiht, so wie sie in den südlichen Ländern häufig ist. Bereits im 16. Jahrhundert wird von Reisenden vom jugurt aus der Türkei nach Deutschland berichtet.104 Doch auch in Homers Ilias, etwa im 7. Jahrhundert vor Christus, ist bereits von der »Milchkost« der Thraker, eines Reitervolksstammes im heutigen Bulgarien, die Rede. Der von Elias Metschnikow zur Joghurtbereitung eingeführte Lactobacillus bulgaricus stammt von dort. Das Wort kommt vielleicht von yogurmak, dem türkischen Wort für »kneten, mischen, hart machen«,[11] und lautet in quasi allen europäischen Sprachen ähnlich. Es benennt ein fermentiertes Sauermilchprodukt, bei dem die beteiligten Bakterien Milchbestandteile umwandeln. Dies macht Joghurt lange haltbar. Im Produkt sind schließlich nicht nur die Bakterien, sondern ebenso ihre Stoffwechselprodukte enthalten, die beim Verzehr im Körper ihrerseits wirken. Der Herstellungsprozess ist folglich entscheidend für seine Wirksamkeit. Vielleicht machen die bakteriellen Stoffwechselendprodukte im Joghurt einen Gutteil seiner Wirkung aus. Es handelt sich dabei gewissermaßen um eine »Botschaft« der Nahrung an die Darmbakterien.

Die Bakterien der Sauermilchprodukte wirken im Körper, siedeln sich dort aber nicht an. Früher wurde Joghurt in Lederbeuteln geschüttelt, die die Mikrobenkulturen von Mal zu Mal, ja von Generation zu Generation weitertrugen. Die heutige industrielle Massenproduktion ist davon weit entfernt. Lebende Bakterien sind im Verkaufsprodukt nur dann noch enthalten, wenn die Milch nicht wärmebehandelt, zum Beispiel pasteurisiert wurde, also in der Regel in biologischen Joghurts aus Rohmilchqualität. Eingesetzt werden möglicherweise künstlich gentechnisch veränderte Bakterienstämme. Zusätze von Lactose oder Magermilchpulver zur Verdickung müssen nicht deklariert werden, außer bei biologisch klassifizierten Produkten. Konservierungsstoffe, die das Verderben durch Schimmelwachstum und Gären zugesetzter Früchte verzögern sollen, entfalten natürlich auch im Körper ihre Wirkung. Dort ist eine »Konservierung« das Gegenteil von »Verdauung«.[12] Nachträglich zugesetzter Zucker, wie er in Handelsjoghurt üblich gewordenist, nimmt ihm seine eigentliche Gesundheitswirkung. Gezuckerte Trinkjoghurts, die als »probiotisch« beworben werden, in handlich schönen Fläschchen daherkommen und unter dem Druck massiven Marketings sogar in Krankenhäusern verteilt werden, stellen eine ungute Entstellung der ursprünglichen Rolle dar, die Joghurt und Sauermilch in der Menschheitsernährung seit Jahrtausenden einnehmen. Ein namhaftes dieser Produkte enthält neben Joghurt und Mager(!)milch bei 2,8 Prozent Eiweißen und 1,1 Prozent Fett satte 10,5 Prozent Zucker, dazu synthetische Vitaminzusätze. Eine fruchthaltige Variante davon für Kinder kommt sogar auf einen 15,3-prozentigen Zuckeranteil. Das ist mehr als bei Cola. Man muss also sehr genau hinschauen, wenn man sich mit einem Sauermilchprodukt etwas Gutes tun möchte.

Ein Joghurt sollte dafür aus biologischer reiner Milch, zuckerfrei, ohne Zusätze, unerhitzt und mit natürlichen Bakterienstämmen fermentiert worden sein. Da Joghurt ballaststofffrei ist, die Bakterien im Körper also nicht ernährt (siehe Seite 143ff.), empfiehlt es sich, ihn mit ballaststoffhaltiger Ernährung zu kombinieren. (Zu weiteren Bakterienstämmen in Probiotika siehe Seite 172ff.).

[1] »Mutaflor«

[2] Vom griechischen dys für »schlecht, krankhaft, von der Norm abweichend« und baktḗrion für »Stöckchen«.

[3] Das aktuelle Förderprogramm der Europäischen Union zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen heißt: »New Drugs 4 Bad Bugs«, »Neue Mittel für schlechte Bakterien«.

[4] Von der Firma M. Woelm, Eschwege.

[5] Weder in Schriften, die die Worte des Hippokrates überliefern, noch in denen der Ärzteschule von Kos ist er zu finden.

[6] Als Weichmacher dienen »Glycerol« oder »Sorbit«.

[7] Hartgelatinekapseln lösen sich in wässriger Umgebung bei 37 Grad Celsius binnen 2 Minuten auf.97

[8] Die Sterilisation von Milch wurde 1886 vom Agrarchemiker Franz von Soxhlet (1848–1926) entwickelt.

[9] Tartarisch für »die Wonne«.

[10] Saccharomyces, Streptococcus, Diaspora caucasica und andere.

[11] Yogun heißt im Alttürkischen »dick«, im Neutürkischen »dicht«.

[12] Wird ein Joghurt mit »frei von Konservierungsstoffen« beworben, können solche trotzdem in den Früchten im Joghurt sein, wenn deren Menge einen gewissen Prozentsatz einhält.

Biofilme, Bakterienkommunikation und die Entwicklung von Leben

Bakteriengemeinschaft im Biofilm

Einzeller waren die ersten Lebewesen, die wohl vor mindestens 3,8 Milliarden Jahren auf der Erde lebten. Zunächst bestand diese aus Gasen wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Stickoxiden und Kohlenmonoxid, in denen elementare Vorgänge abliefen, dann aus einer Art globalem Plasma»pudding«, in dem sich Moleküle zu Membranen zueinanderfügten. Eine lebendige Abgrenzung zwischen einem Innen und Außen entstand: die Einzeller.

Welche gewaltige Kraft hinter dem Ursprungsimpuls und der Entwicklung dieses Lebens waltet, ahnen wir nur. Es kann allein die schöpferische Liebe sein, aus dem Urgrund der Ewigkeit, deren Dimension für uns nicht zu erfassen ist. »Zufälle« können dies jedenfalls nicht.

Sobald es ein »Innen« und ein »Außen« gab, gab es Transportmechanismen für den Stoffaustausch durch Membranen hindurch und die Möglichkeit für ein anderes Milieu drinnen als drum herum. Seither bilden Zellmembranen beides zugleich: Durchlässigkeit und Abgrenzung und die Entstehung von Raum.

Gleichzeitig bildeten Einzeller Verständigungsmöglichkeiten aus. Man geht davon aus, dass bereits die ersten in großen Gemeinschaften lebten. Sie bildeten Biofilme, das sind Milieus, in denen die Bakterien ihre Stoffwechselprodukte so anreichern, dass sie darin dauerhafte Strukturen im Miteinander entstehen lassen können. In so einer gelartigen Materie, zum Beispiel aus Zuckerketten[1], sind sie gegenüber der oft wässrigeren Umgebung als Gemeinschaft abgesondert. Sie leben darin sozusagen in ihrem eigenen »Saft«.

Solche bakteriellen Biofilme sind beispielsweise der schmierige weißliche Belag, der sich auf Zähnen bildet, die nicht geputzt werden, oder der sich im Inneren von Schläuchen entwickelt, wenn man sie nicht genügend spült. Im Boden sind pflanzliche Feinwurzelspitzen von Biofilmen umgeben, und auch die Darmschleimhaut hat ihren Namen wegen des Biofilms, der auf den Darmepithelzellen aufliegt. Alle diese Häute sind von organisierten Einzellern gebildet, und sie bilden neue Lebensräume aus. Dies sind die Urlebensräume der Erde.

Innerhalb eines Biofilms finden sich die Mikroorganismen in geordneten, zum Beispiel geschichteten Gruppen zusammen, die unterschiedliche Stoffwechsel durchführen. Dabei entsteht ein Gefälle, etwa an Sauerstoffgehalt zwischen Ober- und Unterseite des Biofilms, und durch die möglichen Unterschiede wird größere Vielseitigkeit von Lebensräumen möglich.

Auf festen Flächen sammeln sich grundsätzlich mehr Stoffe an, als sie im Wasser der Umgebung in Lösung sind. Die Pionieroberflächen auf der Erde waren die Einzellermembranen, an denen sich Substanzen ansammelten. Diese Einzeller fanden sich zusammen, bildeten in ihren Biofilmen größere Oberflächen, die sich wiederum zusammenlagerten, und so reicherte sich Materie im Laufe der Zeit zu zunehmend dichterer Masse an. So wie man es kennt, dass aus Zahnbelag sogenannter Zahnstein wird, bildeten Bakterien Mikrobenmatten,[2] an deren negativ geladene Oberflächen sich positiv geladene Mineralsalze kristallin anlagerten, sodass Stein entstand. Auf absterbenden Mikroben-Substanz-Schichten wuchsen die Biofilme in die Höhe. So verfestigte sich die Erde zunehmend.

Einzeller bewirken also seit Beginn des Lebens die Gliederung in Fülle und Vielseitigkeit sämtlicher bestehender Lebensräume. An jeglichen Grenzen, Übergängen und Oberflächen bilden sie spontan Biofilme aus: von Luft zu Wasser, Wasser zu Festem, Festem zu Luft – und auch im lebenden Organismus. Beim Menschen finden sie sich genauso wie bei Gewässern, Steinen, Pflanzen und Tieren. Es ist, als übersetzten die Einzeller unentwegt geistige Urbilder des Lebens überall in die Substanz der manifestierten Wesen.

Als vielzellige Gemeinschaftsbildung ist der Biofilm die Vorstufe zum späteren Mehrzeller. Höheres Leben entstand aus zunehmend größerem Gefälle und der Differenzierung zwischen Außen und Innen, weiteren Innenraumbildungen und der Ausbildung besonderer Zellen, mit Stoffaufnahme und Stoffabgabe, ständig im Fluss der molekularen Substanzen durchs Lebendige.

Seitdem begleiten Einzeller jegliche Mehrzeller auf der Erde und natürlich auch den Menschen. Mikroorganismen machen seit jeher die größte Biomasse aus und sind damit die wichtigsten Lebewesen unseres Planeten.

Innerhalb des Biofilms leben die vernetzten Einzeller anders als einzeln gelöst in wässriger Umgebung. Was nicht heißt, dass sie sich da nicht ebenso verständigen. An einem Ort im Biofilm können sie sichjedoch bildlich gesprochen ganz konzentriert den wesentlichen Aufgaben ihres Lebens widmen. Bewegliche Bakterien werfen dort ihre Fortbewegungsorgane ab, ihre Vermehrungsrate verlangsamt sich, und Stoffwechselaktivitäten werden geordnet und gleichmäßig verteilt. Dadurch lebt eine höhere Mikrobenvielfalt friedlich auf engstem Raum zusammen, was eine höhere Produktivität des Ganzen ermöglicht. Biofilme sind geschichtlich und gegenwärtig der Ort intensivster Wandlungen und Entwicklungen im Leben. In einem Biofilm fanden Forscher eine einmillionenfach größere Produktivität als im freien Wasser drumherum.105 Manchmal wird dadurch das Zusammenleben bestimmter Gemeinschaften überhaupt erst ermöglicht, zum Beispiel in einer Umgebung, in der keiner einzeln überleben könnte. Anaerobe[3] Campylobacter können zum Beispiel in einer sauerstoffhaltigen Umgebung nur dann existieren, wenn sie sich mit Pseudomonas-Bakterien zusammentun.106 Dieses Prinzip gilt natürlich auch in unserem Körper. Der Mangel an bestimmten Bakterienstämmen kann dabei das Überleben anderer gefährden.

Innerhalb des Biofilms erleben die Bakterien äußere Einflüsse wesentlich gemildert. Ändern sich Nährstoffdichte, Säuregrad, Wassergehalt, Temperatur, UV-Strahlungen oder anderes außerhalb, werden diese abgepuffert. Gifte gelangen weniger leicht zum Einzeller und werden in der Zwischenzellsubstanz womöglich neutralisiert. Das bakterielle Miteinander bleibt stabilisiert.

Ist ein solcher Biofilm verringert, zum Beispiel die Schleimschicht im Darm, hat das erhebliche Folgen. Dann fehlen nicht nur Menge und Vielfalt der Bakterien in diesem Lebensraum, sondern auch ihre Anordnung zur Gemeinschaft als Mikrobiom. Es verändern sich Aktivität und Produktivität, Vernetzung und Vermehrung und potenziell jegliche Eigenschaften, die Bakterien haben. Dass das Folgen für die Gesundheit hat, leuchtet ein.

Eigentlich bräuchte man daher eine Diagnostik für den Gemeinschaftgrad des Biofilms in einem Organ, um dessen Befindlichkeit abzulesen. Denn dieser Biofilm ist ausschlaggebend für die Bakterienaktivität im jeweiligen Mikrobiom, nicht allein die Anzahl dort zu findender Bakterienstämme, auf die man sich bislang stützt.

In der Medizin ist »Biofilm« eher noch ein Reizwort, weil man ihn für gefährlich hält und als Hindernis für die Wirkung antimikrobieller Substanzen ansieht. Man betrachtete ihn als Ursache für Kariesbildung oder für eine störende Besiedelung von Implantaten, Kathetern odermedizinischen Geräten. Auch in der Trinkwasserversorgung hat man Biofilme ungern, aus Angst, dass sie in Fäulnisprozesse umschlagen. Woanders nutzt man sie hingegen gezielt, etwa zur Essigherstellung, für die Abwasser- oder Abgasreinigung oder zur Sanierung vergifteter Böden.

Die Kommunikation der Bakterien

Wie die Bakterien im Biofilm zur differenzierten Gemeinschaft zusammenfinden, wissen wir bisher lediglich ansatzweise. Zu wissen, dass alle Bakterien kommunizieren, ist jedoch wichtig, weil es bedeutet, dass jede Aufnahme von Bakterien in den Körper, jedes Abtöten von Bakterien im Körper und jede Nahrungsaufnahme in den Körper, die ja die Bakterien ernährt, in ihrer Wirkung nie auf einen Ort begrenzt bleibt, sondern sich allen Bakterien im Organismus mitteilt. Die Heilung mithilfe der Bakterien besteht darum nicht bloß in einem Hinzufügen von Bakterien, die fehlen. Es ist vielmehr ein Weg, das Miteinander im Mikrobiom zu fördern, indem man den geeigneten Rahmen dafür schafft, und der vorhandenen Gemeinschaft mithilfe von Bakterien einen Impuls zur Reorganisation gibt.

Mikroorganismen kommunizieren auf vielerlei Wegen und Ebenen: durch chemische Botenstoffe, Mikropartikel, elektrische Ladungen, Lichtquanten, Frequenzmuster, Gene und anderes mehr. Jegliche genetische Information, die in Bakterien vorkommt, kann nach Bedarf in die Umgebung vervielfältigt oder an andere Zellen abgegeben werden. Einzeller teilen folglich alle einen Genpool miteinander, im Grunde genommen sogar weltweit, was man »Pangenom« nennt. Kleinere, meist kreisförmige Genstücke, sogenannte Plasmide, können Informationen tragen, die nur bei Bedarf benötigt werden. Sie liegen im Ruhezustand in der Zelle und werden durch Reize aktiviert. Antibiotikaresistenzen sind auf solchen Plasmiden kodiert. Auch die direkte Berührung von Zelle zu Zelle – egal welcher Art – ist ein Signal an die Zellen, in denen es eine Aktivität auslösen oder verändern kann.

Bewegungen von Bakterien sind mit Mini-Energieentladungen nach außen verbunden, die aus Formveränderungen der Membran entstehen. Gerät eine Bakterie in Stress, strahlt dies in die Umgebung aus.107 Diese elektrische Ladung von Bakterien kann auch durch Veränderung der Umgebung, zum Beispiel des pH-Wertes, stärker oder schwächer werden, wodurch sich ihre Eigenschaften innerhalb eines Lebensraumes verändern.108 Damit erklärt sich eine entstehende Fehlbesiedelungim Körper bei verändertem pH-Wert. Dieselben Bakterien, die vorher harmlos waren, können dann Krankheiten auslösen. Welche Rolle elektrische Felder dabei spielen, lässt sich erahnen.

Alle Zellen, sei es von Einzellern, Pflanzen, Tieren oder Menschen, verständigen sich über Signalbotenstoffe aus kleineren Stoffmolekülen. Bakterien schwimmen geradezu in einer beständigen Botenstoffflut, aus deren Information ihre gesamte Aktivität folgt. Es gibt Botenstoffe, die der Verständigung innerhalb der Art dienen, und andere, die Informationen zwischen Arten weitergeben. Es gibt überhaupt keine Umgebung, die den Mikroben nicht irgendetwas mitteilt. Was auch immer sie vermögen, geschieht im Einklang mit dem Umfeld.

Ob sie an einem Ort bleiben oder sich woandershin bewegen, ob und welche Art von Stoffwechsel sie betreiben, welche Enzyme, Vitamine, Säuren oder Toxine sie abgeben, ob sie sich zum Biofilm anordnen oder nicht, ob sie Plasmide übertragen, Mutationen veranlassen, in einem Ruhezustand verharren, sich stärker verdoppeln – alles geschieht auf Wahrnehmung hin. Die Nährstoffdichte, der pH-Wert, Stoff- und Zellbewegungen, Lichtstärke, Temperatur, was auch immer, und alles bewirkt etwas. Dazu berühren kleine Moleküle Sensoren auf der Außenmembran der Einzeller. Das sind über die Oberfläche herausragende Eiweißketten, die den Reiz ins Zellinnere übertragen, wo er an die Zellsteuerung weitergeleitet wird. Botenstoffe können auch durch Poren ins Zellinnere gelangen. Oder durch kleine Tunnel, die durch Signale geöffnet werden und dann Stoffe hinein- oder herauslassen. Man hat mehr als hundert Sensoren auf einer einzelnen Bakterienmembran entdeckt. Wahrscheinlich sind es mehr. Andere Eiweißketten auf der Außenmembran präsentieren Moleküle aus dem Zellinneren und zeigen so nach außen, was in ihr gerade vorgeht.

Reichert sich ein Botenstoff in einem Lebensraum an, können dort alle Einzeller gleichzeitig auf den Reiz reagieren. Das nennt man »Quorum Sensing«.[4] Sie können somit wie ein Gemeinschaftswesen tätig sein. Das ist beim Mikrobiom der Fall.

Bakterien richten sich also stets aufeinander ein, dem Milieu entsprechend, in dem sie leben. Sie agieren nie eigenwillig. Es ist daher Unsinn, wenn wir sie »Killer«bakterien oder »böse«, »aggressiv«, »Krankheitserreger« oder sonst wie nennen. Damit lenken wir leicht von der Tatsache ab, dass wir selbst das Milieu geprägt haben, in dem sie leben. Umgebung und Bakterien sind untrennbar miteinander verknüpft.Die Umwelt gestalten wir durch unser Leben, und Bakterien übersetzen dies in ihre Aktivität im Miteinander der Gegebenheiten am jeweiligen Ort. Dabei stehen sie im Dienst eines übergeordneten Ganzen, dessen Weisheit sich den meisten von uns bislang entzieht.

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