Kitabı oku: «Der NSU Prozess», sayfa 46

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Tag 137

5. September 2014

Manfred Götzl, Richter. Jan C., 33, Kriminalbeamter beim BKA. Wolfgang Heer, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben.

(Der Zeuge war einer der Beamten, die Enrico Theile vernommen haben, der bereits an den Tagen 94, 108 und 122 vor Gericht ausgesagt hat. Die NSU-Ermittler haben Enrico Theile in Verdacht, Teil der Lieferkette gewesen zu sein, durch die der NSU die Tatwaffe Česká 83 aus der Schweiz erhalten hat.)

Jan C. Herr Theile wurde in Karlsruhe vorgeladen, er erschien, wurde nach Waffen durchsucht und zur Vernehmung gebracht. Herr Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof Weingarten hat ihn belehrt. Es wurde ihm erklärt, dass er als Bindeglied zwischen Herrn Müller aus der Schweiz und dem Herrn Jürgen Länger infrage kommt, der im Verdacht stand, ihm die Tatwaffe verkauft zu haben. Herr Theile sagte, er höre zum ersten Mal von dem Tatvorwurf gegen Länger. Es wurde ja auch bei ihm durchsucht. Und da stand ja drin, dass der Verdacht gegen Länger bestand. Er hatte den Durchsuchungsbeschluss mehrmals gelesen. Er kannte den Vorwurf. Theile machte sich dann unglaubwürdig, weil er angab, nur von seinen Eltern in der JVA besucht worden zu sein. War aber nicht so. Er hat sich gleich am Anfang unglaubwürdig gemacht, mehrmals gelogen, so wurde die Vernehmungsatmosphäre entsprechend angepasst. Man sagte ihm, dass man ihm nicht glaubt. Das wurde auch wortstark mitgeteilt.

Götzl Was ist mit »wortstark mitgeteilt« gemeint?

Jan C. Die Fragen wurden in gesteigerter Lautstärke wiederholt.

Verteidiger Klemke Was verstehen Sie unter gesteigerter Lautstärke?

Jan C. Dass man die Stimme um einige Dezibel steigert.

Verteidiger Klemke Kam es einem Brüllen oder Schreien nahe?

Jan C. Es kam einem Brüllen nahe, aber nicht gleich.

Verteidiger Klemke Hielt sich das durch?

Jan C. Nein, die Lautstärke wurde wieder runtergefahren.

Verteidiger Klemke Und wurde die Lautstärke auch wieder hochgefahren?

Jan C. Ja, zum Ende hin. Sowohl von Herrn Weingarten als auch von mir.

Verteidiger Klemke Wurde die Lautstärke im Protokoll vermerkt?

Jan C. Nein.

Verteidiger Klemke Warum nicht?

Jan C. Weiß ich jetzt nicht mehr, warum.

(Der Zeuge verlässt den Gerichtssaal.)

Verteidiger Heer Wir widersprechen der Verwertung der Bekundungen des Zeugen C. wegen Verstoßes gegen die Vernehmungsvorschriften.

Verteidiger Klemke Die Verteidigung Wohlleben schließt sich an.

(Im Anschluss betritt Ronny Eminger den Saal, ein weiterer Bruder des Angeklagten André Eminger. Er beruft sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als naher Angehöriger und sagt ansonsten nichts.)

Tag 138

16. September 2014

Manfred Götzl, Richter. Christian M., 59, und Patrick R., 41, Kriminalbeamte der Kantonspolizei Bern.

(An diesem Tag geht es um die Aufklärung der Spuren in die Schweiz. Von dort soll laut den Ermittlungen die Tatwaffe Česká 83 nach Jena und schließlich zu den untergetauchten Neonazis nach Chemnitz gelangt sein. Laut Anklage kam die Waffe vom Schweizer Waffengeschäft Schläfli & Zbinden über den Schweizer Anton Peter G. und dessen Bekannten Hans-Ulrich Müller an Enrico Theile und von ihm über den Tauchlehrer Jürgen Länger an den Szeneladen Madley. Dort kaufte sie der Angeklagte Carsten Schultze von einem Mitarbeiter namens Andreas Schultz. Es geht um Vernehmungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 – also noch vor dem Auffliegen des NSU.)

Christian M. Herr G. sollte einvernommen werden wegen der Beschaffung von Waffen. Ich habe ihm eine Frage gestellt, er hat geantwortet, die Fragen waren auf den Auftrag abgestimmt. Es ging darum, dass er zwei respektive eine Waffe beantragt hat mit einem oder zwei Waffenerwerbsscheinen. Wie dann der Weg war, konnte oder wollte Herr G. nicht sagen. Er hat auch erklärt, dass er eine schwere Krankheit erlitten hat und er sich dadurch nicht mehr erinnern konnte. Mein Eindruck war, dass das ein bisschen vorgeschoben war.

Götzl Was hat er zu den Waffenerwerbsscheinen gesagt?

Christian M. Dass sie irgendwie verlustig gegangen seien.

Götzl Ob er Waffen erworben hat, hat er dazu etwas gesagt?

Christian M. Soweit ich weiß, hat er gesagt: Er habe keine Waffen selber gekauft.

Götzl Haben Sie ansonsten noch Erinnerungen an das Verhalten von Herrn G.?

Christian M. Ich habe ihn außerhalb des Protokolls gefragt, ob er denn die Wahrheit gesagt habe. Da hat er nur so ein Achselzucken gezeigt, gesagt hat er nichts.

(Auch der nächste Zeuge ist ein Schweizer Polizist.)

Götzl Uns geht es um Vernehmungen, die Herrn G. und Herrn Müller betreffen. Bitte berichten Sie, wie es dazu gekommen ist, uns interessieren auch der Inhalt und das Verhalten des Herrn G..

Patrick R. Der Auftrag kam von Deutschland. Es ging um die Česká-Waffen, in unserem Bereich betraf es drei. Eine Durchsuchung sollte durchgeführt werden, anwesend waren auch drei Kollegen aus Deutschland. Herr G. blieb dabei, dass er diese Waffen nicht gekauft haben will. Ich hatte das Gefühl, dass er mir nicht alles sagte. Aber ich hatte nichts Konkretes in den Händen. Mit Ausnahme vielleicht des Waffenbuches von Schläfli & Zbinden, in dem er aufgeführt ist.

Tag 139

17. September 2014

Manfred Götzl, Richter. Patrick R., 41, Kriminalbeamter der Kantonspolizei Bern.

(Die Vernehmung des Schweizer Polizisten wird fortgesetzt.)

Götzl Nun zur Einvernahme von Herrn G. im Jahr 2012. Bitte sagen Sie uns, wie es dazu kam und was der Inhalt war.

Patrick R. Zu der Einvernahme kam es aufgrund der Information aus Deutschland, dass die Waffe in der Brandruine in Zwickau gefunden wurde. Anhand der Waffennummer ließ sich feststellen, dass es eine Česká war, die laut Waffenbuch Schläfli & Zbinden an Herrn G. versandt worden war. Herr G. wurde mitgenommen auf die Polizeiwache in Thun, es wurde eine Verteidigung zugemessen. Der Anwalt war von Beginn der Einvernahme anwesend. Herr G. wurde angesprochen, ob er die Angaben seiner früheren Einvernahmen bestätigen könne. Er sagte, grundsätzlich ja, wollte aber eine Änderung anfügen. Er gab an, dass er die Waffenscheine einem Herrn Müller für 400 Franken übergeben habe, Grund dafür seien Geldprobleme gewesen. Herr Müller soll ihm gesagt haben, dass er, G., es gar nicht wissen wolle, wohin die Waffen gingen. Herr G. bestritt weiter, dass er die Waffen je in Händen gehalten hat.

Götzl Wie kam es denn jetzt dazu, dass er Herrn Müller ins Gespräch brachte?

Patrick R. Es ist eine Vermutung von mir: Er hat gemerkt, dass er mit den bisherigen Aussagen wahrscheinlich nicht weit kommen wird.

Götzl Hat er denn gesagt, wann er die Scheine an Herrn Müller weitergegeben hat?

Patrick R. Es müsste im Zeitraum 1996 gewesen sein. Er sagte, er habe die Waffenscheine erworben. Das sei »die Scheiße« gewesen, die er gemacht habe. Er sehe aber keinen direkten Zusammenhang zu den Morden.

Tag 140

18. September 2014

Manfred Götzl, Richter. Patrick R., 41, Kriminalbeamter der Kantonspolizei Bern. Albert V., Kriminalbeamter in Nürnberg und einer der leitenden Ermittler in der »Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Bosporus«, der großen Sonderkommission, die die Mordserie aufklären sollte. Eberhard Reinecke, Anwalt der Nebenklage.

(Die Befragung vom Vortag wird fortgesetzt.)

Götzl Ich wollte zur Vernehmung von Herrn Müller vom 13.2.2012 kommen. Bitte schildern Sie die Umstände.

Patrick R. Herr Müller wurde uns aus der U-Haft zugeführt. Über die Morde habe er mal mit Herrn G. gesprochen, das sei nach dem Fund der Waffe gewesen. Herr Müller wusste wohl nicht mehr genau, wann das war. Er gab an, keine Waffen von G. bekommen zu haben.

Götzl Ist denn angesprochen worden, warum Herr G. ihn zu Unrecht belasten sollte?

Patrick R. Ich habe ihm das vorgehalten. Er sagte, dass er sich das nicht erklären könne.

Götzl Sind auch die Beziehungen von Herrn Müller nach Deutschland angesprochen worden?

Patrick R. Es gab Informationen dazu aus Deutschland. Ihm wurden diverse Namen vorgehalten. Er gab von sich aus den Theile, Enrico an, den er kannte. Ich glaube, er kannte ihn geschäftsbedingt, dann aber auch privat. Er war auch einmal mit ihm in den Ferien. Dann gab er die Zwillinge E. (Sie waren am Tag 278 als Zeugen geladen.) an. Die anderen Namen sind mir nicht mehr präsent. Frau Zschäpe kannte er, wie er sagte, nur aus den Medien.

(Der Zeuge verlässt den Saal. Nun wird der Nürnberger Polizist Albert V. befragt, der bereits am Tag 31 im Gericht aussagte. Es geht um den Nagelbombenanschlag im Juni 2004 in Köln.)

Anwalt Reinecke Können Sie etwas dazu sagen, wie die Zusammenarbeit der BAO Bosporus mit Ihren Kölner Kollegen aussah?

Albert V. Den ersten Kontakt hatten wir im Juni 2005, zuvor war der Mord an Herrn Yaşar in Nürnberg passiert. Bei den Vernehmungen der Zeugen waren wir auf Personen gestoßen, die Fahrradfahrer beobachtet hatten, unter anderem die Zeugin K., mit ihrer Hilfe wurden Phantombilder gefertigt, die in ganz Deutschland gezeigt wurden. So wurde bekannt, dass beim Nagelbombenanschlag in Köln auch zwei Fahrradfahrer gesucht wurden. Wir haben uns mit den Kölner Kollegen ausgetauscht. Sie waren im September 2006 auch bei uns. Es wurde ein intensiver Abgleich geführt, um zu klären, ob es dieselben Täter waren. Wir haben Unterlagen bekommen, auch Videoaufnahmen, wo beide Täter mit Fahrrad durchs Bild liefen. (Gemeint sind die Aufnahmen aus Überwachungs kameras in Köln, auf denen die Bombenattentäter mit Fahrrädern zu sehen waren). Wir haben auch vereinbart, den Datenbestand zu vergleichen, auch die Massendaten, um mögliche Übereinstimmungen zu finden. Einige Funkzellentreffer sind auch in Köln aufgefunden worden, aber es waren alles unauffällige Telefonate. Ein weiterer Schwerpunkt war der Hinweis, dass Kenntnisse aus dem Modellbau bei den Tätern vorliegen müssten, insbesondere die Fernsteuerung bei der Bombe deutete darauf hin. Deshalb hatten die Kölner Kollegen bereits Modellbaugeschäfte besucht, Ähnliches haben wir in Nürnberg gemacht. Wir haben etwa zwanzig Geschäfte aufgesucht, aber leider konnte niemand etwas dazu sagen. Der Zeugin Frau K. haben wir die Videoaufnahmen gezeigt, sie hat eine Ähnlichkeit festgestellt. Sie hat gesagt, sie sei sich ziemlich sicher. Die Qualität der Aufnahmen war mäßig, deshalb haben wir versucht, eine Bildverbesserung durchzuführen, aber eine große Verbesserung war nicht möglich. Das Ergebnis ist noch einmal der Zeugin K. gezeigt worden und noch einer Zeugin, die auch eine gewisse Ähnlichkeit festgestellt hat. Im Weiteren haben wir Dortmund mit einbezogen und eine Zeugin, die die beiden Personen gesehen hatte. Sie hat auch die Filme aus Köln gesehen, hat aber keine Ähnlichkeit festgestellt. Letztendlich mussten wir die Tat in Köln im Raum stehen lassen. Es stand nicht fest zu 100 Prozent, dass es die Täter in Köln waren, aber es ließ sich auch nicht ausschließen.

Anwalt Reinecke Haben Sie auch über eine Fallanalyse gesprochen?

Albert V. Ja, das war beabsichtigt. Aber sie wurde nicht durchgeführt. Der Grund war, dass es bereits bei den Einzeltaten unserer Mordserie Fallanalysen gab. Und es ist auch durch das BKA im Februar 2005 eine umfassende Fallanalyse zu dem Nagelbombenanschlag durchgeführt worden. Wir hatten trotzdem die Absicht gehabt, eine zusammenfassende Fallanalyse zu machen, bekamen aber von den OFA-Dienststellen (Dienststellen von Beamten, die Operative Fallanalysen durchführen, landläufig bekannt als Profiler) die Auskunft, dass es nicht sinnvoll wäre aufgrund des unterschiedlichen Tatablaufs. Es sei eher nicht von einem politischen Motiv auszugehen, weil kein Bekennerschreiben gefunden wurde, hieß es in der BKA-Analyse.

(Im Gerichtssaal gehen plötzlich das Licht und die Mikrofone aus.)

Götzl Das war wohl ein Stromausfall. Ja, es ist ein Stromausfall. Dann machen wir jetzt erst mal eine Pause.

(Nach der Pause arbeitet das Gericht noch ein paar weitere Punkte ab. Die Verteidiger von Beate Zschäpe begründen, warum sie ein Verwertungsverbot zu dem Komplex Garagenfunde 1998 beantragt haben. Die Hinweise auf die Garage seien damals rechtsstaatswidrig unter Missachtung des Trennungsgebots zwischen Polizei und Verfassungsschutz erlangt worden.)

Tag 141

22. September 2014

Manfred Götzl, Richter. Thomas B., 37, Maler aus Jena.

(Der Zeuge Thomas B. sollte schon am 130. Verhandlungstag aussagen. Er brach seine Anreise damals ab. Nun kommt er direkt aus einer Suchtklinik angereist, wo er in Behandlung ist.)

Götzl Was können Sie zu Uwe Böhnhardt sagen?

Thomas B. Wir waren in den Neunzigerjahren eine Clique und haben gemeinsam verschiedene Straftaten begangen. Autodiebstähle, Einbrüche – für die ich dann ja auch bestraft wurde. Mit fünfzehn hatte ich einen Autounfall. Danach bin ich von Jena weggezogen, da hatte ich keinen Kontakt mehr zu Uwe Böhnhardt.

Götzl Wer zählte zu der Clique?

Thomas B. Wir waren eine Clique in Winzerla und eine in Lobeda, mit Uwe Böhnhardt und Enrico Theile, Ingo J. und zwei, drei, wo ich die Namen nicht mehr weiß. Der Ingo J. hatte schon Erfahrung mit Autos gehabt, der hat mich drauf gebracht, mir gezeigt, wie man Autos stiehlt. Der Uwe Böhnhardt hat so Sachen auch mehrfach mit dem Ingo J. betrieben. So hab ich den Uwe Böhnhardt kennengelernt, so ist es passiert, dass wir Autos geknackt haben oder Rennen gefahren sind, bis zu meinem Unfall eben. Das war ja auch so ne Fahrt praktisch.

Götzl Können Sie etwas zu dem Unfall sagen?

Thomas B. Ich weiß es nur aus Erzählungen, ich hatte einen Schädelbasisbruch. Wir waren in einem Waldstück oberhalb von Jena. Wir sind Rennen gefahren, einer sagt, ich bin durch die Frontscheibe geflogen, andere sagen, ich wurde neben der Tür gefunden. Ist bis heute ungeklärt, wer da überhaupt gefahren ist.

Götzl Wer hat Ihnen davon berichtet?

Thomas B. Meine Familie, mein Vater hat damals auch Einsicht in das Polizeiding bekommen, und der Kripobeamte, der mich vernommen hat, hat mir das noch mal geschildert. Ich war ja auch im Koma. Es war auch berichtet worden, dass Leute zu mir ins Krankenhaus wollten, dann war auch Polizeischutz da, das ist erzählt worden. Meine Familie hat rumerzählt, dass ich gestorben wäre.

Götzl Warum haben die das erzählt?

Thomas B. Ich war weder rechts noch links, mir war das egal, ich stand zwischen den Stühlen, da hab ich öfter Prügel bezogen. Sie hatten einfach Angst, dass die Leute nach mir suchen würden, dass mir irgendwas passiert.

Götzl Gab es da jetzt bestimmte Gründe, dass die Leute nach Ihnen suchen würden?

Thomas B. In erster Linie, dass ich zu viel wusste über die Autoklauereien. Dass ich da was erzählen könnte, was die belasten könnte. Ich hab ziemlich viel getrunken, bin einige Male von der Polizei kontrolliert und verhört worden, und da ist vermutet worden, ich könnte mal Leute verraten.

Götzl Gab es denn Drohungen gegen Sie oder dass etwas passiert wäre?

Thomas B. Linke Gruppen sind gekommen und wollten uns alle plattmachen. Es war schon eine harte Zeit. Ich bin von rechten Gruppierungen gejagt worden, ich hatte Todesangst, hab mich verstecken müssen, ich war dreizehn, vierzehn, das war schon relativ schwierig.

Götzl Können Sie mir mal Uwe Böhnhardt beschreiben?

Thomas B. Er war ein ziemlich lustiger Typ. Er wusste genau, was er wollte und wie er’s kriegt. Er war aber auch ganz schnell aggressiv, es hat schnell umgewechselt, von lustig und locker auf aggressiv und schwierig. Wenn man ihn richtig gekannt hat, hat man schon gemerkt, dass er gefährlich ist. Mir hat er Angst gemacht, ganz einfach. Deswegen hab ich mich auch vor dem Unfall schon abgesondert, soweit es ging. Dann war da noch ein anderer, der war ziemlich groß, der hat mich von jetzt auf gleich mal verdroschen. Drahtiger Typ.

Götzl Sie sagten, Uwe Böhnhardt sei ein lustiger Typ gewesen. Können Sie das näher beschreiben?

Thomas B. Er hatte halt immer so ein Lächeln im Gesicht und hat immer Sprüche gerissen, mehr so ein lockerer Typ. Er konnte aber ruckzuck umschalten.

Götzl Wie sah das dann aus?

Thomas B. Da ist er richtig losgegangen, hat entweder zugeschlagen oder rumgebrüllt.

Götzl Sie sagten, Uwe Böhnhardt habe genau gewusst, was er wollte und wie er es kriegt. Wie ist das gemeint?

Thomas B. Ich hatte das Gefühl, er hat nichts gemacht, ohne es vorher vernünftig geplant zu haben. Er war zu clever, das war schon immer alles gut durchdacht bei ihm.

Götzl Was meinen Sie damit?

Thomas B. Wenn ich damals nachts nach Lobeda bin und mir ein Auto gefiel, habe ich’s einfach genommen. Uwe hat erstmal genau geschaut, wann es da steht, wann nicht und wie das Zeitfenster ist, in dem er nicht überrascht werden kann.

Tag 142

23. September 2014

Manfred Götzl, Richter. André P., Kriminalhauptmeister aus Zwickau. Er sagte auch an den Tagen 17 und 365 aus. Stefan Noback, 58, Amtsrichter in Zwickau. Tino Brandt, 39, früherer V-Mann des Landesamts für Verfassungsschutz Thüringen. Er sagte bereits an den Tagen 127 und 128 aus. Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe. Michael Kaiser, Verteidiger von André Eminger. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenklage.

(Zunächst wird ein Beamter befragt, der Charlotte Erber, die Nachbarin von Beate Zschäpe in Zwickau, befragt hatte. Sie war damals 89 Jahre alt. Der Polizist hatte bereits an Tag 45 im Gericht ausgesagt.)

Götzl Heute geht es uns um die Befragung der Zeugin Erber am 11.11.2011. Bitte schön.

André P. Also, die Frau Zschäpe hat damals durch ihren Anwalt den Antrag gestellt, die Frau Erber als Entlastungszeugin zu vernehmen. Der Ort war ein Einfamilienhaus, wo sich Frau Erber aufgehalten hat, es war Verwandtschaft von ihr. Ich bin nachmittags hingefahren, und die Verwandte hat Frau Erber in den Raum begleitet. Sie lief am Gehstock und wurde geführt. Ich habe gedacht, dass sie in einem schlechten Gesundheitszustand ist. Frau Erber hat Platz genommen, wir saßen am Tisch in der Stube, mir wurde eine Tasse Kaffee angeboten, es war eine gute Vernehmungssituation. Ich habe ihr erklärt, wie ich vorhabe, die Vernehmung durchzuführen, dass sie selbst erzählt und dass ich das von ihr Gesprochene auf ein Diktiergerät aufnehme und es ihr nachher noch mal vorspiele. Die Frau Erber bekam auch mitgeteilt, dass die Vernehmung stattfindet wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung gegen die Frau Zschäpe. Sie hat auch durch die Medien mitbekommen, um wen es sich bei den Personen in dem Haus gehandelt hat. Frau Erber hat erzählt, dass sie eine defekte Herzklappe hat und dass sie ganz schlecht zu Fuß ist und kaum noch außer Haus geht und dass sie eben auch schwerhörig ist. Sie begann weiter zu schildern, wie der Freitag vor einer Woche abgelaufen ist. Am Nachmittag gegen 14 Uhr habe es an ihrer Wohnungstür geklingelt, sie habe in der Küche Radio gehört und sich dann zur Tür begeben, durch den Spion geschaut, niemanden stehen sehen, den Hörer der Wechselsprechanlage genommen, gefragt und keine Antwort bekommen. Sie habe nach unten durch das Fenster geschaut, habe dort auch niemanden stehen sehen. Sie ist zurück in die Küche gelaufen und hat dort Qualm wahrgenommen. Von da an, sagt sie, sei sie verwirrt gewesen. Sie hat das Küchenfenster geöffnet und das im Wohnzimmer, um Durchzug zu schaffen. Auf der Straße dann hat ihre Nichte ihr zugerufen, dass es brennt, und kurze Zeit darauf wurde sie von ihrer Nichte und einer weiteren Person herausgebracht. Das war das, was sie mir zu dem Geschehen angegeben hat.

Über ihre Nachbarn sagte sie, dass es sich um zwei junge Männer und eine Frau handelte. Dass sie die an dem Freitag nicht gesehen hat und die Männer nur sporadisch, und mit allen dreien hat sie noch kein Wort gewechselt, sagte sie. Frau Zschäpe hat sie oftmals beim Wäscheaufhängen gesehen, weil sie oft aus dem Fenster geschaut hat. Und dass in der Woche, als es gebrannt hat, dass da schönes Wetter herrschte und dass sie da niemand beim Wäscheaufhängen gesehen hat.

Götzl Wie war ihr Zustand bei der Vernehmung?

André P. Ich weiß ja, dass sie jetzt dement ist. Ich hatte da diesen Eindruck überhaupt noch nicht, sie hat meine Fragen ohne große Nachfragen beantwortet.

Götzl Kam zur Sprache, ob in ihrer Wohnung Geräte an waren, die Geräusche oder Lärm erzeugt haben?

André P. Das Radio habe sie in der Küche laufen gehabt.

Götzl Hat sie denn Zeitangaben gemacht?

André P. Sie sagte, nachmittags gegen 14 Uhr. Sie hat auch gesagt, dass es gut war, dass es nicht später passiert ist, weil die Verwandten, ihre Nichten, so gegen halb vier zum Kaffeeklatsch gekommen wären. Ich habe gefragt, wie viel Zeit vergangen ist, bis sie nach dem Klingeln an der Tür war. Sie sagte, dass ungefähr eine Viertelstunde, zwölf Minuten vergangen sind vom Klingeln, bis sie den Qualm festgestellt hat. Und sie sagte, dass ungefähr vier Minuten vergangen sind, bis sie nach dem Klingeln an der Wohnungstür angelangt ist.

Götzl Hat sie gesagt, ob sie den Brand wahrgenommen hat?

André P. Sie hat erwähnt, dass sie bis zu dem Klingeln überhaupt nichts wahrgenommen hat. Dann, als sie Durchzug gemacht hat und ihre Nichte gesehen hat, hat sie immer noch keinen Brand bemerkt. Sie war dann ziemlich verwirrt, sagte sie, wusste nicht, wo der Qualm herkommt. Sie hat den Brand erst wahrgenommen, als ihre Nichte von außen gerufen hat: »Es brennt.«

(Götzl beginnt, Angaben aus dem polizeilichen Protokoll abzufragen.)

Verteidiger Heer Darf ich Sie fragen, warum Sie das alles aus dem Protokoll vorhalten, wenn er es doch von selbst berichtet?

Götzl Das ist falsch. Wollen wir doch korrekt sein!

Verteidiger Heer Ja, wollen wir korrekt sein, dann werde ich das beanstanden.

Götzl Und reden Sie nicht dazwischen!

Verteidiger Heer Doch, wenn ich es für erforderlich halte.

Götzl Nein, auch dann nicht! Sie brauchen auch keine Hektik da reinbringen.

Verteidiger Heer Wie kommen Sie darauf, dass ich eine Hektik reinbringe. Sie halten sich nicht an die Vorschriften, das ist alles.

(Der Richter wendet sich wieder dem Zeugen zu.)

Götzl Jetzt geht es um die zeitlichen Angaben, auf Blatt 39 heißt es: Auf alle Fälle nach 14 Uhr klingelte es an der Wohnungstür.

André P. Genau so hat sie es gesagt.

Götzl Sie sagten, 12 bis 15 Minuten. Ich lese mal vor: Vom Klingeln bis zum Feststellen des Qualms werden so etwa 15 Minuten vergangen sein.

André P. Ja, das stimmt dann so, so hat sie es angegeben.

Verteidiger Stahl Nachdem Sie Frau Erber vernommen haben, haben Sie da eine Bewertung der Ermittlungsergebnisse angestellt?

André P. Ich habe für mich die Schlussfolgerung gezogen, dass es anders keinen Sinn macht, als dass Frau Zschäpe die Frau Erber warnen wollte und klingelte. Dagegen steht das Objektive: dass Frau Erber niemanden gesehen hat, der geklingelt hat.

Verteidiger Stahl Mir geht es darum, ob Sie Ihre Ergebnisse zusammengefasst haben und aktenkundig gemacht haben.

André P. Das weiß ich nicht.

Verteidiger Stahl Ja, aber in der Tat, es gibt da einen handschriftlichen Vermerk.

(Der Zeuge muss an den Richtertisch treten, der Vermerk wird ihm gezeigt.)

André P. Das ist meine Schrift, und das ist die von mir erwähnte Schlussfolgerung, die ich gezogen habe.

Verteidiger Stahl Ist es denn richtig, dass Sie zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sind, dass zwei Mal bei Frau Erber geklingelt wurde?

André P. Wenn mir die Vernehmung von Herrn K. (einer der Handwerker, der sich zum Zeitpunkt des Brands in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau befand) bekannt gewesen ist, dann werde ich das sicherlich mit bedacht haben, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Verteidiger Stahl Laut Vernehmungsprotokoll hat Herr K. geklingelt, kurz bevor Frau Erber herausgeholt wurde.

Anwalt Scharmer Ich beanstande das.

Götzl Zu Recht.

Verteidiger Stahl Das ärgert mich jetzt ungeheuerlich.

Götzl Sie haben so formuliert, dass Sie etwas ins Wissen des Zeugen stellen, was der Zeuge gar nicht wissen kann.

Verteidiger Stahl Ich wäre dankbar, wenn wir Herrn P. kurz vor die Tür bitten.

(Der Zeuge verlässt den Saal.)

Verteidiger Stahl Der Tatvorwurf ist unter anderem versuchter Mord, und ich glaube, dass es wichtig ist, dass man aufklärt, was noch aufklärbar ist. Wenn ich einen Vorhalt mache und mir das Gericht vorwirft, es würde zu Recht beanstandet, dann fühle ich mich gestört. Ich bin ja nicht der Hellste (er spricht ironisch), und ich bin jetzt auch gedanklich draußen.

Götzl Bitte jetzt keine Kommentierungen!

Verteidiger Stahl Das ist hier ja keine Kinderspielplatzbefragung, es geht um einen entscheidenden Punkt: ob man hier einen Mordvorsatz stützen kann, und da wird hier in eine Befragung reingegrätscht! Ich bitte, dass wir eine Unterbrechung machen, dass ich mich wieder konzentrieren kann.

(Der Zeuge wird wieder in den Gerichtssaal gerufen.)

Verteidiger Stahl Haben Sie nach der Befragung von Frau Erber rekapituliert, wann das geschilderte Klingeln gewesen ist?

André P. Es lässt ja die Schlussfolgerung zu, dass zu dem Zeitpunkt, als Frau Zschäpe Brandmittel ausgebracht hat, sie bei Frau Erber geklingelt hat und sagen wollte: Verlassen Sie das Haus! Das ist nur meine persönliche Schlussfolgerung.

(Der nächste Zeuge ist Amtsrichter in Zwickau. Er hat auf Ersuchen des Oberlandesgerichts München eine Vernehmung der Frau Erber durchgeführt, da diese nicht mehr transportfähig war.)

Götzl Uns geht es um die Vernehmung der Zeugin Erber, die Sie durchgeführt haben am 16.5.2014.

Noback Ich bin ins Pflegeheim gefahren, ich war etwa eine Stunde eher da. Ich hatte gefragt im Heim, wie die Frau Erber an diesem Tag drauf ist, sie sei recht gut beisammen, hieß es. Das war zunächst ein gutes Zeichen. Erschienen waren Frau Sturm, Herr Stahl, der Herr Heer. Frau Erber wurde hereingebracht. Die Heimleiterin blieb als Vertrauensperson da. Frau Erber wurde im Rollstuhl hineingefahren, sie war ansprechbar. Den Namen konnte sie uns sagen, beim Alter haperte es. Sie konnte keine richtige Antwort geben dazu, wo sie war. Es war recht schwierig. Auf die Frage, ob es ein Unglück gegeben hat, ein Feuer oder so etwas, konnte sie nichts sagen. Ich habe ihr die Frau gezeigt, die ihre Nachbarin gewesen sein sollte. Die kennt sie auch nicht, war die Antwort. Auch Herr Heer hat nichts aus der Zeugin herausbringen können. Es war zu merken, dass es nicht mehr ging, wir haben die Vernehmung abgebrochen.

(Nun wird die Vernehmung von Tino Brandt fortgesetzt, der bereits an Tag 127 und 128 im Gericht war. Tino Brandt ist Gründer des rechtsradikalen »Thüringer Heimatschutzes« und war V-Mann des Verfassungsschutzes. Zunächst werden ihm Fotos gezeigt.)

Brandt Das könnte in Neuhaus gewesen sein, Gedenkmarsch. Ich denke, rechts im Hintergrund ist Beate zu sehen.

(Auf weiteren Bildern erkennt Brandt wiederum Zschäpe sowie verschiedene Mitglieder der rechten Szene.)

Götzl Mir geht es um Ihre Aussagen vor der Schäfer-Kommission (eine Untersuchungskommission in Thüringen zum NSU-Komplex, geleitet von Gerhard Schäfer, einem ehemaligen BGH-Richter). Sie wurden gefragt, ob Sie Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt charakterisieren könnten. Da heißt es, Böhnhardt sei ein Waffennarr, er sei militärisch sehr interessiert gewesen, das stand bei ihm immer im Vordergrund. Was haben Sie damit gemeint?

Brandt Gute Frage. Dass das Politische bei ihm nicht so im Vordergrund war. Der Uwe Mundlos hat sich eben stärker politisch interessiert.

Götzl Was stand denn im Vordergrund bei Böhnhardt?

Brandt Diese militärische Geschichte. Mehr Uniform und Ähnliches.

Götzl Zu Mundlos heißt es: Er war eher so ein Schwiegermuttertyp. Was haben Sie damit gemeint?

Brandt Er konnte sich relativ schnell integrieren, ist in jeder Gruppe gut angekommen, war ein Schwiegermutter-Schwarm.

Götzl Hier heißt es, meiner Ansicht nach war der Wortführer Mundlos.

Brandt Sicher, er konnte am besten reden.

Götzl Wie war denn das Verhalten anderer Personen, zunächst von Herrn Wohlleben, nach Ihrer Enttarnung als V-Mann?

Brandt Der Kontakt nach Jena ist komplett abgerissen, das Verhältnis war total gestört. Man ist halt zur Unperson geworden, es hat dann keine gemeinsame Basis mehr gegeben, das hatte sich einfach erledigt.

Götzl Weswegen kam es überhaupt noch zu Kontakt zu Ralf Wohlleben?

Brandt Weiß ich nicht mehr.

Götzl Haben Sie mal versucht, ihm eine Versicherung zu verkaufen?

Brandt Das kann sein.

Verteidiger Stahl Als Sie Frau Zschäpe bei der Schäfer-Kommission charakterisiert haben: Waren Ihre Angaben da wahrheitsgemäß? Dass Sie sich nicht im Hintergrund hielt?

Brandt Ich denke schon. Mir fällt da nichts ein, was da gelogen ist.

Verteidiger Stahl Woran machen Sie das fest, dass Frau Zschäpe sich nicht im Hintergrund hielt?

Brandt Das war meine Meinung, woran sich das festgemacht hat, kann ich nicht mehr sagen.

Verteidiger Stahl Ich will aber Tatsachen hören.

Brandt Das mag sein, dass Sie das wissen wollen. Es ist zu lange her.

Verteidiger Stahl In Ihrer letzten Vernehmung haben Sie gesagt, dass Frau Zschäpe eher zurückhaltend war. Das beißt sich mit dem, was Sie bei der Schäfer-Kommission gesagt haben.

Brandt Sicher, Sie können jetzt aus jeder Wortsilbe was rausholen, aber …

Verteidiger Stahl Es geht mir darum, ob sie im Vordergrund stand oder nicht. Denken Sie nach!

Brandt Bei politischen Veranstaltungen oder Schulungen war sie jetzt nicht im Vordergrund, aber sie hat Wissen gehabt. Sie stand nicht vor der Menge und hat Reden gehalten. Sie war aber eben auch kein Mauerblümchen. Es war nicht so, dass sie gar nichts gemacht hat.