Kitabı oku: «Der christliche Sonntag», sayfa 5

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Einzelne Beiträge heben das lebenspraktische Potential des Sonntagsgottesdienstes in seiner Bedeutung für die christliche Spiritualität in grundsätzlicher Weise und am Beispiel etwa von neuen geistlichen Gemeinschaften hervor. Auch fehlt es nicht an Aufsätzen mit exemplarischen Erläuterungen zu den einzelnen Gestaltungselementen von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier40.

Medien kommt in der Vermittlung religiöser Inhalte eine wichtige Bedeutung zu. Zwei Formen kirchlicher Sonntagskultur im Fernsehen spielen hier eine besondere Rolle: die sonntäglichen Gottesdienstübertragungen und das „Wort zum Sonntag“. Den Gottesdienst betreffend werden hier v.a. liturgietheologisch die Möglichkeiten zur participatio actuosa – also die Frage, ob die Gottesdienstzuschauer als Mitfeiernde zu verstehen sind – diskutiert41. Das „Wort zum Sonntag“, das prominent im Samstagabendprogramm des öffentlichrechtlichen Fernsehens positioniert ist, ist als eine feste Größe etabliert und ermöglicht den beiden großen Kirchen in Deutschland, ein breites Publikum mit zentralen christliche Glaubensinhalte in Beziehung zum christlichen Festkalender und tagespolitisch aktuellen Fragestellungen bekannt zu machen 42.

Zwei neuere pastoraltheologische bzw. praktisch-theologische Arbeiten widmen sich der Analyse der Perspektive der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie versuchen, Verbindungslinien zwischen theologischen Konzeptionen und subjektivem Empfinden aufzuzeigen und Rückschlüsse für liturgisches Handeln zu ziehen43.

Kirchenrechtlich findet eine Diskussion über die „Heiligkeit“ des Tages und die „Sonntagspflicht“ statt. Außerdem werden die kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen der sog. Wort-Gottes-Feier diskutiert. Sie werden angeregt von aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, dem veränderten Teilnahmeverhalten und dem für die katholische Kirche drängenden Problem des Priestermangels, der dazu führt, dass vielerorts eine sonntägliche Eucharistiefeier nicht mehr gewährleistet werden kann44.

Ein Schwerpunkt neuerer Veröffentlichungen liegt im sozialethischen Bereich, hier geht es um die Funktion des Sonntags als „Humanum“. Die Arbeitsruhe und die Freiheit von gesellschaftlichen Zwängen stehen hier im Vordergrund45. Es wird erkennbar: Der mögliche Verlust des Sonntags als arbeitsfreier Tag erlangt offensichtlich größeres wissenschaftliches Interesse als eine Gefährdungssituation des Gottesdienstes.

Fragen nach der Bedeutung des Sonntags für die christliche Identität und ihre kulturelle Bedeutung unter den Voraussetzungen heutiger Glaubenspraxis sind in den aufgeführten Publikationen angestoßen und sollen im Folgenden noch vorangetrieben werden.

1.2 Der Ansatz der Kontextuellen Theologie: Kultur als Konstitutivum theologischer Reflexion

Formen des Glaubens haben sich in Europa verändert. Häufig ist von Säkularisierung die Rede. Ein solcher Formenwandel wirkt sich auch auf die Fragestellungen der Theologie aus. Das Konzept der sog. Kontextuellen Theologie stellt einen konstruktiven Ansatz dar, der solche Veränderungen grundsätzlich berücksichtigt. Für die Frage nach der theologischen und gesellschaftlichen Relevanz christlicher Glaubenspraxis in der Gegenwart ergeben sich daraus wichtige hermeneutische Impulse.

Die gesellschaftliche Debatte um den Sonntag als arbeitsfreien und damit zu schützenden Tag ist spezifisch europäisch. Die theologische Reflexion dieses Themas muss deshalb kontextuell erfolgen und die Bedingungen religiösen Lebens für dieses Territorium bedenken; das schließt Traditionen, gesellschaftspolitische Diskussionen und kulturelle wie religiöse Veränderungen ein. Theologiegeschichtlich ist die Bezeichnung „Kontextuelle Theologie“ im Zusammenhang der Befreiungstheologie entstanden, heute gilt sie auch für ein in weiten Teilen säkulares Europa46. Deswegen kann unter Berücksichtigung des europäischen Kontextes durchaus von einer „europäische[n; A.B.] Theologie47 gesprochen werden. Der pluralistische Charakter der religiösen Landschaft Europas ist dabei die methodische Grundlage für die Kontextuelle Theologie. Sie geht davon aus, dass erst die Pluralität der Aussagen über Gott den Zugang zu seinem wahren Wesen verschafft. Ihr Ansatz ermöglicht dabei einen fruchtbaren Umgang mit den Folgen religiöser Pluralität48. Theologisches Denken nimmt Gott als den Schöpfer des Menschen an und reflektiert das von ihm Geschaffene. Das bedeutet immer auch, die Bedingungen menschlicher Existenz in einem konkreten Kontext zu berücksichtigen49. Neben sozialen Faktoren spielen zunehmend religiös-weltanschauliche eine Rolle50.

Kontextuelle Theologie vereint dabei verschiedene Paradigmen, auf die sich das Zweite Vatikanische Konzil auch in Bezug auf die Fragen der Liturgie als Wege der Inkulturation – der Weitergabe der Botschaft des Evangeliums unter den jeweiligen Voraussetzungen – bezieht51. Sie ermöglicht es der Kirche, ihren Glauben öffentlich zu kommunizieren und dem Sendungsauftrag nachzukommen52. Sie entspricht zugleich dem ekklesiologischen wie dem missionarischen Grundzug der Kirche, Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen zu stiften. Die christliche Gemeinde ist dabei nicht auf sich selbst beschränkt, sondern bezieht die Mitglieder anderer Kommunikationssysteme ein. Die Art der Vermittlung der kommunizierten Botschaft kann sich dagegen unterscheiden. Kontextuelle Theologie versucht über die Grenzen der Theologie hinweg im Dialog mit anderen Disziplinen die Sendung der Kirche zu erfüllen und das Evangelium weiterzugeben53.

Ein wesentliches Merkmal der Kontextuellen Theologie besteht in ihrem Prozesscharakter und in ihrer Entwicklungsfähigkeit. So wie sich die kontextuellen Voraussetzungen verändern, ist auch die Kontextuelle Theologie in Bewegung. Theologie und Kontext befinden sich in einer Wechselbeziehung zueinander54. Es handelt sich hier also um einen dynamischen Ansatz, welcher der Berücksichtigung der Lebensumstände für den Entwurf einer Theologie einen hohen Stellenwert beimisst. Es geht darum, „wie der Vollzug von Glaube, Hoffnung und Liebe in den jeweiligen gesellschaftlichen und biographischen Kontexten von Menschen Gestalt gewinnt und wie jener Vollzug diese Kontexte verändert.“55 Nicht nur aus dem Kontext ist eine Veränderung der Theologie zu erwarten, sondern auch der Kontext verändert sich durch den Glaubensvollzug56. Methodisch arbeitet die Kontextuelle Theologie stark interdisziplinär57.

Aufgabe liturgiewissenschaftlicher Forschung der Gegenwart ist zunehmend die Bestimmung des Verhältnisses von Liturgie und Gottesdienst feiernder Gemeinde. Dabei sind theologische Kriterien wie auch die Lebensrealität der Gemeinde von Bedeutung58. Sich ausschließlich auf innertheologische Maßstäbe zu beziehen, kann nicht genügen, wenn man den Sonntagsgottesdienst in seinen vielen theologischen Facetten bedenken will59. Der Gottesdienst feiernde Mensch steht immer zugleich in einem außergottesdienstlichen Lebenskontext, der seinen Verstehens- und Sinndeutungshorizont beeinflusst. Kontextuelle, also soziologische und kulturwissenschaftliche Erkenntnisse über Individuum und Gesellschaft, sind von daher unverzichtbar. Sie ermöglichen, theologische Denkmuster auf ihre Realitätstauglichkeit hin zu überprüfen und gesellschaftliche Entwicklungen theologisch einzuordnen60. Gegenwartsbezogene Liturgiewissenschaft, die das negiert, verliert an Plausibilität. Veränderte gesellschaftliche Bedingungen stehen in einer Wechselbeziehung mit der Theologie des Sonntags. Die Bedeutung der Sonntagsliturgie für die christliche Gemeinschaft und darüber hinaus kann nur auf der Grundlage einer präzisen Beschreibung der Bedingungen des religiösen Lebens in der Gegenwart vermittelt werden. Ziel ist eine Theologie des Sonntags, die den gesellschaftlichen und religiösen Kontext als fundamental erachtet und ihre gesellschaftliche Vermittelbarkeit aus der liturgietheologischen Reflexion und der soziologischen Analyse ableitet, also aktiv kontextualisierend ist61. Aus der Gestaltung des Lebenshorizonts der Menschen leiten sich zentrale Fragen ab62. In diesem Fall sind sie zum einen um die Frage angeordnet, unter welchen Voraussetzungen Menschen in der Gegenwart religiös praktizierend sind und wie sich das religiöse Leben gestaltet. Zum anderen wirken sich insbesondere veränderte Zeitstrukturen auf die Gestaltung des persönlichen Lebens aus, Erholungskonstanten wie Wochenende und Urlaub sind Veränderungen unterworfen63. Das muss liturgiewissenschaftlich unter Bezugnahme der Erkenntnisse von Partnerdisziplinen aufgenommen und theologisch reflektiert werden. Im Kern geht es dabei um die Ermöglichung der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Dabei wird nicht nur nach der Bedeutung der christlichen Botschaft für das kulturelle Leben gefragt, sondern auch nach grundlegenden Voraussetzungen für die Weitergabe des Evangeliums in einer entsprechenden Kultur64.

Sowohl die kirchlichen als auch die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Feier der Liturgie haben sich in Europa grundlegend verändert. Dementsprechend rücken auch für die Liturgiewissenschaft veränderte und neue Akzente in den Vordergrund. Die Grundlagen religiöser Praxis, die Diskrepanzen zwischen der Glaubensrealität und kirchlichen Vorgaben und die Frage nach der kultur- und identitätsstiftenden Kraft der christlichen Liturgie müssen weiter thematisiert werden65. Für die Frage nach der Zukunft des Sonntagsgottesdienstes heißt das, darzustellen, unter welchen Voraussetzungen er gefeiert wird, welche Impulse aus seiner Theologie für die christliche Identität abzuleiten sind und welche Bedeutung ihm aufgrund der gegenseitigen Einflussnahme dieser beiden Größen in Zukunft zukommen kann.

1.3 Die Arbeitsschritte

Ziel der Arbeit ist es, den Beitrag der Sonntagsliturgie für die Identität der christlichen Gemeinschaft aufzuzeigen und ihre Bedeutung für das Zusammenleben von Menschen darzustellen. Dabei sollen Erkenntnisse aus nichttheologischen Partnerdisziplinen in die liturgiewissenschaftliche Diskussion einbezogen werden. Sie können dazu beitragen, die theologische und gesellschaftliche Bedeutung des Sonntagsgottesdienstes auf dem Hintergrund der Lebensbedingungen in die Gegenwart zu übersetzen und Perspektiven für die Gestaltung gottesdienstlicher Kultur in der Zukunft zu entwickeln. Am Ende soll sichtbar werden, welche Bedeutung der Sonntag für die christliche Spiritualität besitzt und welche Perspektiven für gelingendes Leben in pluraler Gesellschaft damit verbunden sind. Dahinter steht die These, dass die Feier der Sonntagsliturgie für die christliche Gemeinschaft existenziell ist und zum Gelingen menschlichen Zusammenlebens beiträgt.

Der erste Teil der Arbeit (A) geht deskriptiv-analytisch vor. Grundlegend für die Wahrnehmung der für den Sonntagsgottesdienst bestehenden Herausforderungen ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen religiöse Praxis und Zeitkultur in der Gesellschaft heute gestaltet werden müssen. Dafür sind soziologische Erkenntnisse von Interesse (Kapitel 2). Die Diskussion über Religion innerhalb der Soziologie beschäftigte sich in den letzten Jahren v.a. mit der Frage der Säkularisierung. Die Arbeit nimmt verschiedene Stränge der Diskussion des sog. Säkularisierungsparadigmas auf. Damit wird erkennbar, welche Bedingungen und Faktoren für Religionszugehörigkeit und -praxis heute entscheidend sind. Neuere religionssoziologische Forschungen diagnostizieren veränderte Formen religiöser Praxis. Insbesondere die Analysen der religiösen Praxis der Gegenwart, die die britische Religionssoziologin Grace Davie vorgelegt hat, sind für die Liturgiewissenschaft von Interesse. Ausgangspunkt der von ihr entwickelten Konzepte ist eine differenzierte Wahrnehmung von Säkularisierung in Europa. Sie sollen deswegen vertieft dargestellt werden.

Ein Blick auf Veränderungen kultureller und sozialer Zeitrhythmen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ebenso unverzichtbar. Das betrifft das Zueinander von Wochenende und Freizeit, weil der Sonntag oft als Teil des Wochenendes gedeutet wird; seine christliche Bedeutung wird nur von einem gewissen Teil der Bevölkerung geteilt. Das schließt eine kurze Darstellung der vielfältigen außerkirchlichen gesellschaftlichen Assoziationen, mit denen der Sonntag besetzt sein kann, ein. Sie sollen helfen, Entsprechungen außerkirchlichergesellschaftlicher Sonntagsbedeutungen mit kirchlichen Bedeutungsbesetzungen aufzuzeigen. Möglicherweise gibt es Übereinstimmungen, die kirchlicherseits deutlicher artikuliert werden müssen, um auch von Fernstehenden gesehen zu werden.

Ferner ist ein kritischer Umgang mit zeitstrukturellen Veränderungen notwendig. Hier liefern die präzisen Analysen des Soziologen Hartmut Rosa wichtige Erkenntnisse für die liturgiewissenschaftliche Reflexion, weil die Theorie der Beschleunigung aller Lebensbereiche große Herausforderungen für die Lebensgestaltung bedeutet, die sich auch auf den Gottesdienst auswirken.

Diesem ersten diagnostischen Teil schließt sich der Blick auf das kirchliche Verständnis des Sonntags an (B). Im Mittelpunkt des Kapitels steht die Frage, wie sich die katholische Kirche zum Sonntag im Spannungsfeld von kirchlicher Lehre, Theologie und Gesellschaft äußert. Exemplarisch wurden hier drei verschiedene Ebenen ausgewählt. Mehrere kirchliche Verlautbarungen haben sich in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Kontexten mit dem Thema Sonntag und Sonntagsgottesdienst beschäftigt. In ihnen wird auch nach dem Verständnis des darin dargestellten Zusammenhangs von Christentum und Kultur gefragt, um den Sonntag nicht losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungen zu betrachten. Die Verlautbarungen sind einerseits Medien binnenkirchlicher Kommunikation und dienen der Selbstvergewisserung, können aber andererseits als Versuch verstanden werden, auf drängende kirchliche und gesellschaftliche Probleme zu reagieren. Die darin erkennbaren Argumentationen folgen theologischen Prämissen und kirchlichen Interessen. Die in den Verlautbarungen formulierten Zuschreibungen sind in gewisser Weise normativ für die katholische Kirche.

Von dieser textanalytischen Ebene ausgehend werden zwei Beispiele kirchlichen Engagements für den Sonntag vorgestellt, die sich an unterschiedliche Adressaten richten und unterschiedliche Ziele verfolgen: die Aktionen des „Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken e.V.“, die auf eine innerkirchliche Stabilisierung der Sonntagskultur abzielen und die kirchliche Mitwirkung bei den „Allianzen für den freien Sonntag“, die sich für die politische Garantie des arbeitsfreien Sonntags in Europa einsetzen. Auf einer dritten Ebene wird dann schließlich das liturgische Phänomen der „Zwecksonntage“ untersucht, bei denen sich gesellschaftliche Umstände konkret auf die Feier der Liturgie auswirken. Diese Gottesdienste sind liturgiewissenschaftlich mehrheitlich negativ beurteilt worden. Diese Diskussion soll hier berücksichtigt werden. Das Interesse richtet sich hier aber auf den Zusammenhang von Lebenswelt und liturgischer Feier unter gegenwärtigen Voraussetzungen.

Der dritte Hauptteil (C) widmet sich dem theologischen Kern des Sonntags und setzt sich mithilfe verschiedener Zugangsweisen mit der Rolle des Sonntagsgottesdienstes für die christliche Identität auseinander. Zunächst wird ein liturgiegeschichtlicher Zugang gewählt (Kapitel 4). Es wird dargestellt, unter welchen Schwerpunktsetzungen die Vertreter der Liturgischen Bewegung den Sonntag liturgietheologisch neu zu fassen versuchten und welchen Beitrag des Sonntags für die christliche Spiritualität sie daraus ableiteten. Die von der Liturgischen Bewegung vorgenommenen Neuakzentuierungen wurden durch die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgenommen. Diese reformulierte den Sonntag als „Tag des Herrn“ und wies ihm damit wieder die zentrale Rolle im Kirchenjahr zu. Die entscheidenden Aussagen des Konzils werden in ihrer Bedeutung für den Sonntagsgottesdienst besprochen66.

Der zweite Zugang ist kulturtheoretischer Art. In den vergangen Jahren erfahren kulturwissenschaftliche Erkenntnisse breite theologische Rezeption. Ein besonders fruchtbares Konzept liegt mit der Theorie des kulturellen Gedächtnisses nach Jan Assmann vor. Hier soll dargestellt werden, inwiefern Sonntagsliturgie als Medium des kulturellen Gedächtnisses verstanden werden kann und welchen Beitrag sie damit zur Kultur von Gesellschaften leisten kann (Kapitel 5).

Der dritte Zugang erfolgt heortologisch (Kapitel 6). In der Arbeit wird davon ausgegangen, dass Feste Rahmen, Erzählungen und Orte symbolischer Kommunikation sind und Identität prägen. Das gilt auch, obwohl nur ein Teil der Europäer Christen ist oder diesem Kalender zur Gänze folgt67. Christliche Feste leben von der liturgischen Feier, für die Erinnerung eine zentrale Kategorie ist, in ihnen entsteht Gemeinschaft und wird gefeiert68. Christliche Festkultur in Westeuropa gestaltet sich heute dabei sehr komplex. Das Gottesdienstverhalten variiert in den Gesellschaften, in nahezu allen europäischen Ländern sind Traditionsumbrüche zu erkennen69. Hier werden klassische Zugänge zum Fest dargestellt und auf Entsprechungen im christlichen Fest am Beispiel des Sonntags hin überprüft. Zentral ist dabei die Frage, inwiefern der Sonntagsgottesdienst unter heutigen Voraussetzungen als sinn- und orientierungsstiftende Glaubensfeier zu verstehen ist.

Der vierte und letzte Teil der Arbeit (D) führt die Ergebnisse aus den ersten drei Teilen mit der Frage, welche Perspektiven die sonntägliche Liturgie für die christliche Spiritualität und das gesellschaftliche Leben in der Zukunft haben kann, zusammen (Kapitel 7). Die Erkenntnisse der einzelnen Kapitel sollen auf die Zukunft des christlichen Sonntagsgottesdienstes hin dargestellt werden. Das betrifft die gottesdienstliche Praxis, das kirchliche Handeln und gesellschaftliche Perspektiven. Schließlich geht es darum, auf die theologische Bedeutung des Sonntags unter den bestehenden Voraussetzungen hinzuweisen und zukünftige theologische Fragestellungen aufzuzeigen.

1 Vgl. Herrmann-Stojanov, Irmgard, Die Entwicklung des Sonntags. Ein Blick auf die sozialwissenschaftliche Diskussion um die Zeitinstitution Sonntag, Samstag und Wochenende als Bestandteile kollektiven Zeitwohlstands, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich. Zugänge zum Verständnis von Sonntag, Sonntagskultur und Sonntagspredigt (ÖSP 4), München 2003, 116-133; hier: 129. Literaturangaben werden in der Arbeit beim ersten Mal in voller Länge, im Anschluss daran mit Kurztitel genannt. Insofern in der Arbeit von der Gottesdienst feiernden Gemeinde und den Laien als Vorstehern von Wort-Gottes-Feiern die Rede ist, beziehen sich die Bezeichnungen jeweils auf beide Geschlechter.

2 Vgl. Gerhards, Albert, Deuten und Bedeuten. Zum Wechselspiel von Predigt und Sonntäglicher Eucharistiefeier, in: Roth, U. / Schöttler, H.-G. / Ulrich, G. (Hg.), Sonntäglich, 159-168; hier: 164.

3 Vgl. Altermatt, Urs / Metzger, Franziska, „Gedenke des Sabbats“. Erosion der kirchlichen Sonntagskultur, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Am siebten Tag. Geschichte des Sonntags. Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Bonn, 25. Oktober 2002 bis 21. April 2003 und im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, 17. Juni bis 12. Oktober 2003, St. Augustin 2002, 42-49.

4 Vgl. Hochschild, Michael, Die Sonntagsgesellschaft, in: Roth, U. / Schöttler, H.-G. / Ulrich, G. (Hg.), Sonntäglich, 93-106; hier: 94.

5 Vgl. Herrmann-Stojanov, I., Die Entwicklung des Sonntags, 119.

6 Vgl. Apostolisches Schreiben Dies Domini Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe, den Klerus, die Ordensleute und an die Gläubigen über die Heiligung des Sonntags. Hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (VApS 133), Bonn 1998.

7 Vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12. November 1996. - Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland gegen Rat der Europäischen Union. - Richtlinie 93/104/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung - Nichtigkeitsklage - Rechtssache C-84/94.

8 Vgl. Allianz für den freien Sonntag – 10 Jahre, in: Dossier. Nachrichten und Stellungnahmen der Katholischen Sozialakademie Österreichs 9 (2011), 33.

9 Zu erwähnen ist hier insbesondere die gemeinsame Klage der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und des Erzbistums Hamburg vor dem Bundesverfassungsgericht im Jahr 2009.

10 Vgl. Orth, Stefan, Einhalt. Bundesverfassungsgericht verteidigt Sonntagsschutz vor wirtschaftlichen Interessen, in: HerKorr 64 (2010), 4; Prantl, Heribert, Sonett für den Sonntag, in: Süddeutsche Zeitung vom 02.12.2009, 4; Heithecker, Marcus, Karlsruhe setzt Sonntagsverkauf enge Grenzen. Berlins Gesetz verfassungswidrig: Begründung für Öffnung im Advent fehlt – Beschwerde der Kirchen erfolgreich, in: Die Welt vom 02.12.2009, 1; Knapp, Ursula, Shopping-Lust reicht nicht. Sonntags-Öffnung braucht wichtigen Grund, in: Frankfurter Rundschau vom 02.12.2009, 2; Karlsruhe stärkt Sonntag im Advent, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.12.2009, 1f.; Kriener, Manfred, Ein Feiertag auch für Atheisten, in: Die Tageszeitung vom 02.12.2009, 1; Ladenschluss. Verkaufsoffene Sonntage: Das Bundesverfassungsgericht gibt Klagen der Kirchen teilweise recht. Berlin muss zurückstecken, in: Die Tageszeitung vom 02.12.2009, 1.

11 Vgl. Museum der Arbeit (Hg.), Sonntag! Kulturgeschichte eines besonderen Tages, Hamburg 2001; vgl. Am siebten Tag.

12 Vgl. Weiler, Rudolf, Der Tag des Herrn. Kulturgeschichte des Sonntags, Wien [u.a.] 1998; zu nennen sind hier bspw. Holly, Johannes, Sonntagsheiligung: „Tag des Herrn“, Gebot der Kirche, in: Weiler, Rudolf (Hg.), Der Tag des Herrn, 41-93; Schnarrer, Johannes Michael, Die Versuche, den Sonntag abzuschaffen: Gegenkalender und Freizeitindustrie, in: Weiler, Rudolf (Hg.), Der Tag des Herrn, 147-174; Schnarrer, Johannes Michael, Die Gewerkschaften und der Kampf um die Sonntagsruhe, in: Weiler, Rudolf (Hg.), Der Tag des Herrn, 225-244.

13 Aus der Fülle der Beiträge seien hier zwei Publikationen genannt: Altermatt, Urs, Von der kirchlichen zur pluralen Sonntagskultur, in: ders. (Hg.), Katholische Denk- und Lebenswelten. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte des Schweizer Katholizismus im 20. Jahrhundert, Freiburg 2003, 39-45; Altermatt, U. /Metzger, F., „Gedenke des Sabbats“.

14 Vgl. Langbein, Hannes, Der Klang des Sonntags – Ein akustischer Streifzug an einem besonderen Tag, in: MuK 78. 2008, 330-337; Garhammer, Erich, Der Sonntag – literarisch, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 148-155; Marschall, Susanne / Liptay, Fabienne, Die Unterbrechung. Sonntage im Film, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 25-31; Seip, Jörg, Zwischen Melancholia und Utopia. Von Günter Grass und auch vom Sonntag, in: Orien. 67. 2003, 137-141.

15 Vgl. Köhle-Hezinger, Christel, Gottesdienst und Sonntag. Zum Kontext religiösen Erlebens, in: Mildenberger, Irene / Ratzmann, Wolfgang (Hg.), Der wirkliche Gottesdienst. Historische Annäherungen (Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 22), Leipzig 2009, 87-101; Kubin, Sarah, Ritual der Individualisten. Eine ethnographische Studie zum Wandel des katholischen Gottesdienstes (Studien & Materialien des Ludwig-Uland-Instituts der Universität Tübingen 32), Tübingen 2009.

16 Vgl. Rinderspacher, Jürgen P., „Ohne Sonntage gibt es nur noch Werktage“. Die soziale und kulturelle Bedeutung des Wochenendes (Politik im Taschenbuch 28), Bonn 2000; Rinderspacher, Jürgen P., Der Sonntag. Anmerkungen zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und zur Bedeutung von Zeitwohlstand, in: Becker, Dieter / Höhmann, Peter (Hg.), Kirche zwischen Theorie, Praxis und Ethik. Festschrift zum 80. Geburtstag von Karl-Wilhelm Dahm, Frankfurt/a.M. 2011, 205-220; Herrmann-Stojanov, Irmgard, Samstag, Sonntag, Wochenende: Orientierungsmuster für das Verhalten zum Ende der Woche. Ergebnisse einer Befragung (SWI-Materialien 19), Bochum 2002; Herrmann-Stojanov, Irmgard, Wenn ein Tag wie alle ist … Zeitsoziologische Anmerkungen zur Bedeutung von Fest- und Feiertagen in der modernen Gesellschaft – am Beispiel des Sonntags, in: Bogensberger, H. / Zapotczyk, K. (Hg.), Menschengerechte Arbeitswelt. Empirische Ergebnisse und Reflexionen (Sozialpolitische Schriften 69), Berlin 1996.

17 Vgl. Haag, Ernst, Der Sonntag als Herrentag und die tausendjährige Christusherrschaft. Tradition und Interpretation in Off 20,1-10, in: TThZ 120. 2011, 26-45; Meßner, Reinhard, Der Sonntag als Zeitzeichen, in: BiLi, 82. 2009, 250-257; Krischer, Peter, Sabbat und Sonntag. Eine Betrachtung, in: LebZeug 63. 2008, 245-255; Fürst, Alfons, Die Liturgie der Alten Kirche. Geschichte und Theologie, Münster 2008, 54-56; Girardet, Klaus Martin, Vom Sonnen-Tag zum Sonntag: der „dies solis“ in Gesetzgebung und Politik Konstantin d. Gr., in: ZAC 11 (2007), 279-310; Metzger, Marcel, Le dimanche, Pâques et la résurrection dans les „Constitutions apostoliques“, in: RevSR 81. 2007, 205-227; Kinzig, Wolfram, „Auszeit“: Anmerkungen zu Ursprung und Sinn von Sonn- und Feiertagen aus kirchenhistorischer Sicht, in: Theologische Zeitschrift 62 (2006), 357-375; Bieberstein, Klaus, Vom Sabbat und Siebten Tag zum Sabbat am Siebten Tag. Zur Vorgeschichte des christlichen Sonntags, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 15-29; Hahn, Ferdinand, Die Anfänge der christlichen Sonntagsfeier, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 30-34; Meier, Dennis W., Sabbatrezeption in der deutschsprachigen protestantischen Theologie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Spes christiana 12. 2001, 83-120; Kranemann, Benedikt, „Der Tag des Herrn“. Geschichte des Sonntags bis zur frühen Neuzeit, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Am siebten Tag, 16-23; Kranemann, Benedikt, Wie neben dem Sabbat der Sonntag entstand. Ein Blick in die frühe Kirchengeschichte, in: BiHe37. 2001, 112f.; Schroven, Brigitte, Sabbatruhe und Sonntagsheiligung, in: RKZ 140. 1999, 393-395; Zeilinger, Franz, Vom Sabbat zum Sonntag, in: ThG 42. 1999, 82-91; Rouwhorst, Gerard A. M., Der Sonntag als originär christliche Schöpfung? Ein liturgiegeschichtlicher Blick in die Anfänge der Kirche, in: BiLi 86. 2013, 164-172.

18 Vgl. Wahle, Stephan, Gottes-Gedenken. Untersuchungen zum anamnetischen Gehalt jüdischer und christlicher Liturgie (IThS 73), Innsbruck 2006, 193-271.

19 Vgl. Poschmann, Andreas, Das Leipziger Oratorium. Liturgie als Mitte einer lebendigen Gemeinde (EThSt 81), Leipzig 2001, 54-61; 89-99.

20 Vgl. Emeis, Dieter, Die Sonntagsgemeinde als Glaubensort, in: Pastoralblatt 53. 2001, 10-15.

21 Vgl. Roth, U. / Schöttler, H.-G. / Ulrich, G. (Hg.), Sonntäglich; zu nennen sind hier bspw. Bieberstein, Klaus, Vom Sabbat und Siebten Tag zum Sabbat am Siebten Tag. Zur Vorgeschichte des christlichen Sonntags, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 15-29; Hochschild, Michael, Die Sonntagsgesellschaft, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 93-106; Meyer-Blanck, Michael, Unsere Sonntagspredigt – eine kulturelle Gelegenheit, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 262-282; Kalb, Ursula / Leineweber, Matthias, Die Gemeinschaft Sant’ Egidio und der Sonntag, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 309-323.

22 Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst? Gottesdienst und Sonntagskultur im Umbruch (PTHe 87), Stuttgart 2008.

23 Vgl. z.B. Meyer-Blanck, Michael, Der Sonntagsgottesdienst. Elemente einer praktisch-theologischen Theorie des „Normalfalls“, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 72-81; Lurz, Friedrich, Die Katholizität des Gottesdienstes und die Vervielfältigung der gottesdienstlichen Kultur. Beobachtungen zum Umbruch der Teilnahme am katholischen Sonntagsgottesdienst, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 101-109.

24 Vgl. z.B. Wagner-Rau, Ulrike, Immer wieder predigen. Zwischen Verschleiß und Erneuerung, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 156-166; Friedrichs, Lutz, Anders predigen. Beobachtungen zur Predigt in alternativen Gottesdiensten, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 167-177.

25 Vgl. z.B. Grethlein, Christian, Potenziale liturgischer Zeiten heute, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 180-189; Roth, Ursula, Gottesdienst in der Stadt. Innenstadtgottesdienste als Paradigma zeitgenössischer Gottesdienstkultur, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 200-206.

26 Vgl. Feulner, Hans-Jürgen, Das liturgische Sonntagslob in den östlichen Kirchen. Ökumenische Streiflichter, in: BiLi 86. 2013, 193-203.

27 Vgl. z.B. Hermelink, Jan, Der Sonntagsgottesdienst zwischen Individuum und Institution. Deutungen anhand der IV. Mitgliedschaftsstudie der EKD, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 32-48; Bader, Bruno / Harms, Silke / Kunz, Ralph, Sonntagsgottesdienst im Zwiespalt. Einsichten aus einer pastoralsoziologischen Studie zur Situation bei den Deutschschweizer Reformierten, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 60-69; Ebertz, Michael N., Wochenenddramaturgien in sozialen Milieus, in: Fechtner, Kristian / Friedrichs, Lutz (Hg.), Normalfall Sonntagsgottesdienst, 14-24; Hauschildt, Eberhard, Fünf Konstruktionen von Sonntag und Sonntagskirche, in: Roth, Ursula / Schöttler, Heinz-Günther / Ulrich, Gerhard (Hg.), Sonntäglich, 107-115.

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