Kitabı oku: «Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden», sayfa 11
11. Geschwindigkeit (§§ 3, 4 StVO)
a) Anhalteweg[153]
180
Der Anhalteweg bei betriebssicheren Bremsen und einwandfreien Reifen ist von der Fahrzeugart und Fahrbahnbeschaffenheit abhängig. Der Anhalteweg von Omnibussen und Lkws, insbesondere von Lastzügen, ist i.d.R. länger als von Pkws und Motorrädern. Die langen Anhaltewege bei hoher Geschwindigkeit – insbesondere bei nassen oder schneebedeckten Straßen – zeigen die erhebliche Betriebsgefahr eines schnellfahrenden Kfz auf, s. Rn. 183.
181
Der Anhalteweg setzt sich zusammen aus der Reaktionszeit (0,5 sec), der Bremsschwellzeit (Ansteigen der Bremsverzögerung von Null auf den Maximalwert = 0,2 sec) und dem Bremsweg.[154] Eine längere Reaktionszeit als 0,8 sec (einschließlich der Brems-Schwell-Phase von 0,2 sec) kommt unter dem Blickpunkt der sog. Schrecksekunde nur bei plötzlichem Auftreten einer unerwarteten Gefahr in Betracht, auf die der Fahrer nicht eingestellt sein muss.[155]
Die Bremsverzögerung bei sehr guten Fahrbahnverhältnissen dürfte 8 m/sec2 betragen, bei nasser Fahrbahn 4,5 m/sec2, bei vereister oder schneebedeckter um 2 m/sec2.
182
Bei einem konventionellen Bremssystem tritt bei Vollbremsung eine Blockierung der Vorderräder auf. Das Kfz wird lenkunfähig. Beim Antiblockiersystem (ABS)[156] ist das Kfz auch bei Vollbremsung lenkbar.
ABS garantiert nicht immer einen kürzeren Bremsweg.[157] Bei trockener Fahrbahn und einer Geschwindigkeit bis ca. 50 km/h erreichen diese Kfz keine, bei nasser Fahrbahn nur eine etwas höhere Bremsverzögerung (0,5 m/sec2). Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h und darüber ist die Bremsverzögerung bei trockener Fahrbahn nur um 0,5 bis 1,0 m/sec2, bei nasser Fahrbahn u.U. bis zu 3,5 m/sec2 höher als bei konventionellen Bremsen (s. untenstehende Tabelle, Rn. 183).
183
Pkw-Anhalteweg (konventionelles Bremssystem) | |||||
---|---|---|---|---|---|
Geschwindigkeit: | Anhalteweg m/Fahrbahn: | ||||
km/h | m/sec | sehr gut | trocken | nass | schneebedeckt |
8 m/sec2 | 7 m/sec2 | 4,5 m/sec2 | 2 m/sec2 | ||
30 | 8,33 | 11,0 | 11,6 | 14,4 | 24,8 |
35 | 9,72 | 13,7 | 14,5 | 18,3 | 31,4 |
40 | 11,11 | 16,6 | 17,7 | 22,6 | 39,8 |
45 | 12,50 | 19,8 | 21,2 | 27,4 | 49,1 |
50 | 13,89 | 23,2 | 24,9 | 32,5 | 59,3 |
60 | 16,67 | 30,7 | 33,2 | 44,2 | 82,8 |
70 | 19,44 | 39,2 | 42,6 | 57,6 | 110,1 |
80 | 22,22 | 48,6 | 53,1 | 72,6 | 141,2 |
90 | 25,00 | 59,1 | 64,6 | 89,4 | 176,3 |
100 | 27,78 | 70,4 | 77,3 | 100,0 | 215,1 |
110 | 30,55 | 82,8 | 91,1 | 128,2 | 257,9 |
120 | 33,33 | 96,1 | 106,0 | 150,1 | 304,4 |
130 | 36,11 | 110,4 | 122,0 | 173,8 | 354,9 |
140 | 38,89 | 125,6 | 139,1 | 199,1 | 409,2 |
150 | 41,67 | 141,8 | 157,3 | 226,2 | 467,4 |
160 | 44,44 | 159,0 | 176,6 | 250,0 | 529,4 |
170 | 47,22 | 177,1 | 197,1 | 285,5 | 593,3 |
180 | 50,00 | 196,3 | 218,6 | 317,8 | 665,0 |
190 | 52,78 | 216,3 | 241,2 | 351,7 | 738,6 |
200 | 55,56 | 237,3 | 264,9 | 387,4 | 816,0 |
184
Der Fahrer hat die Geschwindigkeit so einzurichten, dass der Anhalteweg nicht länger ist, als die Sichtweite reicht. Für die Sicherheit im Straßenverkehr ist Fahren auf Sicht ein besonders wesentliches Gebot.[158] Auf schmalen Straßen und Straßenverengungen ist Fahren auf halbe Sicht geboten.[159] Beim Vorbeifahren an einem Hindernis in einer Kurve oder beim Begegnungsverkehr in einer Engstelle ist eine noch langsamere Geschwindigkeit angebracht.[160] S. auch Rn. 206 – Autobahn.
b) Auffahren/Abstand
185
Fährt ein Fahrer auf ein sich vor ihm befindliches Hindernis auf, so ist davon auszugehen, dass er sich schuldhaft verhalten hat. Nach der Lebenserfahrung liegt beim Auffahren in aller Regel die Ursache darin, dass der Auffahrende unaufmerksam gewesen ist oder einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten hat.[161] Dieser Anscheinsbeweis kann jedoch erschüttert werden.[162] Gegen den Auffahrenden spricht z.B. kein Anschein seines Verschuldens, wenn er auf ein Fahrzeug auffährt, das sich in Querstellung befindet, weil es mit dem Wendevorgang begonnen hat.[163] Ebensowenig handelt es sich um eine typische Auffahrsituation, wenn der Vorausfahrende trotz durchgezogener Linie abbiegen will und deshalb abbremst.[164] Nach § 4 Abs. 1 S. 1 StVO hat i.d.R. jeder von einem Vorausfahrenden einen so großen Abstand einzuhalten, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn plötzlich gebremst wird, er braucht aber nicht damit zu rechnen, dass der Vorausfahrende ohne erkennbaren Anlass plötzlich stark abbremst oder gar anhält.[165] Die Haftung hier ist meistens verteilt[166]. Kann der Vorausfahrende rechtzeitig anhalten, lässt dies die Schlussfolgerung zu, dass der Nachfolger bei gehöriger Aufmerksamkeit ein Auffahren hätte vermeiden können.[167] Der Auffahrunfall reicht als solcher für eine volle Haftung nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen.[168] Bestreitet allerdings der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt - in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht.[169]
186
§ 4 Abs. 1 StVO dient nicht allein dem Schutz des Vorausfahrenden, sondern auch der Sicherheit des Straßenverkehrs allgemein, so soll z.B. die Übersicht des Kraftfahrers über die Fahrbahn verbessert werden und ihm eine ausreichende Reaktionszeit zur Begegnung von Gefahren ermöglicht werden. Aus diesem Grund ist der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile einzubeziehen, wenn er für den Unfall mitursächlich war. Fährt beispielsweise Verkehrsteilnehmer A unachtsam aus einer Grundstücksausfahrt (Verstoß gegen § 10 StVO), gelingt Verkehrsteilnehmer B noch ein Ausweichen und fährt der Unfallbeteiligte C dann wegen nicht ausreichendem Sicherheitsabstand zu B gegen dessen Fahrzeug, ist im Verhältnis C zu A eine hälftige Schadenteilung angemessen.[170]
187
Im Großstadtverkehr muss mit einem plötzlichen Anhalten des Vorausfahrenden gerechnet werden. Ein verkürzter Abstand kann aber zulässig sein, wenn der Nachfahrende die Fahrbahn überblicken kann und der verkürzte Abstand durch erhöhte Bremsbereitschaft kompensiert wird.[171] Beim Anfahren im geballten Großstadtverkehr nach einer auf Grün umspringenden Ampel muss der Abstand nicht sofort eingehalten werden. Während des Anfahrens bei Grünlicht darf ausnahmsweise so angefahren werden, wie die Fahrzeuge gestanden haben, weil anderenfalls die Grünphase nicht ausgenutzt und der Verkehr behindert würde.[172]
188
Wer wegen eines Tieres abbremst, kann bei einem Auffahrunfall oft nicht den Unabwendbarkeitsbeweis gemäß § 17 Abs. 3 StVG (s. Rn. 326) führen. Den Auffahrenden dürfte im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander i.d.R. die überwiegende Haftung treffen.[173] Nach Inkrafttreten des 2. SchadÄndG zum 1.8.2002 kann der wegen eines Tieres Abbremsende sich nicht auf höhere Gewalt berufen. Weil der Auffahrende durch Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes den Unfall überwiegend verursacht hat, dürfte ihm in der Mehrzahl der Fälle auch nach neuer Rechtslage eine Quote von über 50 % anzulasten sein.
189
Wird durch Hochschleudern eines auf der Straße liegenden Steines oder Gegenstandes ein nachfolgendes Kfz beschädigt, kommt es für die Frage des unabwendbaren Ereignisses gemäß § 17 Abs. 3 StVG darauf an, ob der Fahrer mit Steinen auf der Straße rechnen musste oder einen Gegenstand bei erforderlicher Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Dies dürfte z.B. im Baustellenbereich der Fall sein.[174] Der Nachfolgende hat sich bei schlechter Straßenbeschaffenheit auf die Gefahr durch entsprechenden Sicherheitsabstand einzustellen; dies insbesondere auch dann, wenn er Gegenstände auf der Fahrbahn liegen sieht.[175]
190
Kann der Vorausfahrende Unabwendbarkeit dagegen nicht beweisen, wohl aber der Halter des nachfolgenden beschädigten Kfz, haftet der Erstere zu 100 %. Wenn für beide das Ereignis nicht unabwendbar war – Haftungsverteilung gemäß § 17 StVG, da die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge zu berücksichtigen ist.
Schleudert dagegen ein Kfz einen Stein hoch und trifft dieser Stein einen nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer, haftet der Halter aus § 7 StVG, da keine höhere Gewalt i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG vorliegt und zwar regelmäßig zu 100 %. Denn ein über § 9 StVG, § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden ist in diesen Fällen kaum denkbar. Auf die Frage der Unabwendbarkeit kommt es in diesen Fällen nicht mehr an.
c) Abkommen von der Fahrbahn
191
Das Abkommen von der Fahrbahn bei normaler Verkehrslage oder das Überwechseln auf die Gegenfahrbahn spricht prima facie für ein Verschulden des Fahrers,[176] dies insbesondere bei überhöhter Geschwindigkeit.[177] Der Anscheinsbeweis kann z.B. durch die Behauptung des Fahrers, er sei durch das Verhalten des Beifahrers irritiert worden, erschüttert werden.[178] Kommt der Fahrer wegen plötzlichen Platzens des Reifens von der Fahrbahn ab, ist für den Anscheinsbeweis kein Raum.[179] Dann liegt aber StVG-Haftung vor (s. Rn. 25 ff.).
d) Dunkelheit/Nebel/Glatteis
192
Bei Dunkelheit muss der Fahrer damit rechnen, dass auf seiner Fahrbahn Hindernisse auftreten.[180] Er darf nicht darauf vertrauen, dass ein entgegenkommendes Kfz abblenden wird.[181] Bei nicht aufklärbarem Sachverhalt wird vielfach Haftungsteilung in Betracht kommen.
193
Wer bei dichtem Nebel in einer Kurve anhält, hat zumindest zur Hälfte für den Schaden aufzukommen.[182]
Bei Bodennebel und Glatteisgefahr ist ggf. im Schritttempo zu fahren.[183] Ein Fahrer, der wegen zu schnellen Einfahrens in eine Nebelbank mit Sichtweite unter 20 m auf der Überholspur ein Kfz streift, haftet nicht schon deshalb mit, weil er im Anschluss daran auf der BAB-Normalspur bei 12 km/h durch einen nachfolgenden Pkw in einen Auffahrunfall verwickelt wird.[184] Kommt es bei Dunst und Nebel (Sichtweite 50–100 m) im innerörtlichen Einmündungsbereich zu einem Unfall, erfolgt aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr hälftige Schadensteilung, wenn der Vorfahrtsberechtigte mit einer der Sichtweite nicht angepassten Geschwindigkeit (73 km/h) fuhr.[185]
194
Bei Vereisung und Glätte muss der Fahrer seine Geschwindigkeit so einrichten, dass er sein Fahrzeug gefahrlos lenken und erforderlichenfalls gefahrlos bremsen kann. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt bei trockener, schnee- und eisfreier Straße braucht der Fahrer sich nicht stets auf mögliche Glatteisbildung einzustellen.[186] Welche Geschwindigkeit im Einzelnen zulässig ist, wird unter Berücksichtigung des Grades der Glätte, der konkreten Verkehrslage und der Lichtverhältnisse entschieden werden können. Die rechtzeitige Vorhersehbarkeit der Straßenglätte gehört zu den Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises für ein Verschulden des Fahrers.[187] Seit dem 1.4.2013 gilt gemäß § 2 Abs. 3a StVO, dass Fahrzeuge bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- und Reifglätte mit M+S-Reifen ausgerüstet sein müssen.
Schleudern auf voraussehbar vereister Straße oder bei Schnee- und Wasserglätte begründet den Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Fahrers.[188] Bei spiegelglatter Straße muss er sich darauf einstellen, dass ein Vorausfahrender die Herrschaft über sein Kfz verliert.[189]
195
Die Betätigung der Bremsen beim ersten Auftreten von Glatteis und beim Rutschen des Fahrzeugs infolge der Fahrbahnglätte ist unsachgemäß.[190] Es ist eine Erfahrungstatsache, dass Bremsbetätigung auf vereister Fahrbahn zu einem Schleudern und damit zu einer Gefährdung des Straßenverkehrs führen kann.[191] Setzt ein auf der Straßenmitte fahrender Lastzugfahrer im Begegnungsverkehr auf vereister und gewölbter Straße die Geschwindigkeit ohne Notwendigkeit herab, so bedeutet dies infolge der damit verbundenen Gefahr des Abrutschens i.d.R. eine Sorgfaltspflichtverletzung.[192]
196
Wenn ein Fahrer auf regennasser Straße rutscht oder schleudert, so zeigt das, dass er es an der erforderlichen gesteigerten Sorgfaltspflicht hat fehlen lassen.[193] Bei einer infolge einsetzenden Regens entstehenden Schmierfilmbildung auf der Straße darf der Fahrer nicht warten, bis er eine Beeinträchtigung der Spurhaltung feststellen kann, sondern er muss rechtzeitig vorher seine Geschwindigkeit herabsetzen. Dies gilt insbesondere für Kradfahrer.[194]
Verliert der Fahrer bei Windböen die Herrschaft über sein Fahrzeug, so spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden.[195]
197
Bei Fahrbahnverschmutzungen ist der Vorwurf, eine Kurve mit unangepasster Geschwindigkeit durchfahren zu haben, nicht gerechtfertigt, wenn der Kurvenverlauf die gefahrene Geschwindigkeit ohne weiteres zuließ und die durch die Verschmutzung entstandene Fahrbahnglätte wegen Dunkelheit für den Fahrer möglicherweise nicht zu erkennen war.[196]
e) Kettenunfälle
198
Bei Serienunfällen[197], insbesondere auf der Autobahn, ist die Haftungsverteilung schwierig, insbesondere dann, wenn Fahrzeuge ineinander verkeilt und einige rundum beschädigt sind. Der Ansicht,[198] bei einem Kettenauffahrunfall könne der Schuldlose des vordersten Kfz von jedem Halter/Fahrer der nachfolgenden Unfallbeteiligten seinen vollen Schaden ersetzt verlangen, soweit sie nicht ein unabwendbares Ereignis bzw. höhere Gewalt nachweisen, kann nicht zugestimmt werden. Eine solche Zurechnung erscheint nur dann möglich, wenn der Verunglückte durch die nachfolgenden Unfallbeiträge betroffen wurde.[199] Nur dann wäre der Haftungs-/Zurechnungszusammenhang gegeben[200] (s. auch Rn. 109). Bei Kettenauffahrunfällen versagt jedenfalls hinsichtlich der Verursachung des Frontschadens an dem Fahrzeug, auf das das Fahrzeug des Hintermanns aufgefahren ist, der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis i.d.R., weil regelmäßig gerade kein ausreichend typischer Geschehensablauf feststellbar ist.[201]
199
Der Halter des Kfz, das auf einen Vorderwagen aufgefahren ist und auf das andererseits ein weiteres Kfz auffährt, hat i.d.R. seinen Schaden am Vorderwagen selbst zu tragen,[202] hinsichtlich des Heckschadens steht ihm gegen den Auffahrenden ein Anspruch zu.[203] Wegen Verkürzung des Sicherheitsabstandes infolge des eigenen Auffahrens muss er u.U. eine Kürzung seines Anspruchs hinnehmen.[204] Wegen seines Frontschadens kann er u.U. gegen den von ihm angefahrenen mit gleicher Begründung Teilersatz begehren. Bei Serienauffahrunfällen wird daher regelmäßig die Differenzierung zwischen Front- und Heckschaden zur substantiierten Darlegung des Anspruchs erforderlich sein.
200
Bleibt bei einem Kettenunfall ungewiss, ob der Vordermann selbst aufgefahren oder vom Nachfolgenden aufgeschoben worden ist, so bestehen hinsichtlich des Frontschadens drei Entscheidungsmöglichkeiten:
aa) | Wenn ursächliche Beteiligung des Nachfolgenden an dem Frontschaden zumindest deutlich wahrscheinlicher ist als das Gegenteil, haftet er für den Front- und Heckschaden. |
bb) | Wenn die Verursachung des Frontschadens durch den Nachfolgenden lediglich wahrscheinlicher ist als das Gegenteil, so haftet dieser nur für einen Teil des Gesamtschadens. Dabei wird der Haftungsbetrag nach dem Verhältnis der rechnerischen Reparaturkosten für den Heckschaden zu den übrigen Schäden bestimmt.[205] |
cc) | Ist die ursächliche Beteiligung des Nachfolgenden an dem Frontschaden weniger wahrscheinlich, so haftet der Nachfolgende nur für den ihm sicher zurechenbaren Heckschaden.[206] |
Sind drei Fahrzeuge an einer Aufschiebekollision beteiligt und behauptet der Aufgeschobene, er wäre rechtzeitig vor einer Kollision mit dem vorderen Fahrzeug zum Stehen gekommen, so muss er dies beweisen. I.d.R. ist eine Aufschiebekollision für den Fahrer des aufgeschobenen Fahrzeugs nur dann im Sine von § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar, wenn dieser den Beweis dafür führen kann, dass sein Fahrzeug ohne den Anstoß nicht auf das vordere Fahrzeug aufgefahren wäre.[207]
201
Für Massenunfälle haben die Autoversicherer ein Regulierungssystem entwickelt, s. Rn. 408.
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 12. Autobahn
12. Autobahn
202
Auf der BAB ist das Halten, Wenden und Rückwärtsfahren verboten, ebenso das Parken außerhalb der hierfür bestimmten Plätze, § 18 Abs. 7 und 8 StVO.
Wird ein Fahrer, der sich nach einem Auffahrunfall für kurze Zeit auf dem Grünstreifen aufhält, durch einen weiteren Unfall verletzt, braucht er sich insoweit ein Mitverschulden nicht anrechnen zu lassen.[208]
Halten und Aussteigen auf der Standspur ist nur in Notfällen, z.B. bei Pannenhilfe, gestattet.[209]
Beim Anhalten auf der BAB sind Folgeunfälle keine untypischen Folgen der Betriebsgefahr des anhaltenden Kfz.[210]
Mit Geisterfahrern und Anhaltern braucht der Fahrer nicht zu rechnen.[211]
203
Der in die BAB Einfahrende oder aus einem Parkplatz Ausfahrende hat die Vorfahrt des fließenden Verkehrs unbedingt zu beachten, § 18 Abs. 3 StVO. Er muss warten, bis das Einfädeln gefahrlos möglich ist. Er kann sich nicht darauf verlassen, dass der auf der BAB Fahrende auf die freie Überholspur ausweicht. Ereignet sich dann im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang ein Unfall, spricht der Anschein für ein Verschulden des auf die BAB Einfahrenden[212]. Das Reißverschlussverfahren gilt auch nicht bei zähfließendem Verkehr.[213]
204
Die Beschleunigungsspur dient ausschließlich dem zügigen Einfädeln in den fließenden Verkehr. Wer auf der Beschleunigungsspur fährt, darf nicht in „einem Zug“ auf die Überholspur wechseln, sondern muss sich erst dem Verkehrsfluss auf der Normalspur einfügen.[214] Herabsetzung der Geschwindigkeit, um den Auffahrenden dies zu erleichtern, ist nicht zu beanstanden. Ein plötzliches Bremsen bis zum Stillstand ist verboten, es sei denn, die Verkehrssituation (z.B. Stau) gebietet dies.[215]
205
Wechselt der Fahrer auf einer Autobahnabzweigung von der rechten auf die linke Fahrspur und fährt dann auf dieser mit geringer Geschwindigkeit, so verstößt er gegen das Rechtsfahrgebot.[216]
206
Auch bei Dunkelheit, Nebel, Schnee- und Eisglätte (s. Rn. 192 ff.) darf der Fahrer nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann. Auf Hindernisse, die, gemessen an den jeweiligen herrschenden Sichtbedingungen, erst außergewöhnlich spät erkennbar werden, braucht der Fahrer seine Geschwindigkeit nicht einzurichten.[217] Fährt er auf ein unbeleuchtetes, langsam fahrendes Kfz auf, trifft ihn eine Mithaftung. Ebenso, wenn er auf ein querstehendes Kfz auffährt.[218] Fährt auf einer Steigungsstrecke ein Lkw mit 25 km/h, so muss der Fahrer den nachfolgenden Verkehr warnen oder in sonstiger Weise unfallverhütend reagieren.[219]
Wer auf der BAB einem Vorausfahrenden nachfährt, dessen Schlusslichter erkennbar sind, braucht nicht mit plötzlichem Auftreten von Hindernissen zwischen eigenem und vorausfahrendem Kfz (z.B. Reifen, Splitthaufen) zu rechnen. Der Nachfolgende ist nicht verpflichtet, den Abstand zu dem vorausfahrenden Kfz so zu wählen, dass er rechtzeitig vor einem durch den Vorausfahrenden zunächst verdeckten Hindernis anhalten kann, wenn dieser unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur wechselt.[220]
Gerät ein Fahrer bei leichter Unebenheit der BAB ins Schleudern, spricht dies für sein Verschulden.[221]
207
Bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h kann sich ein Fahrer nur dann auf Unabwendbarkeit berufen, wenn er nachweist, dass es auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre.[222] Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Pkw auf der Autobahnzufahrt ins Schleudern gerät, nach links über die schraffierte Sperrfläche und sämtliche Fahrbahnen rutscht und auf der dritten Fahrbahn mit dem schnellfahrenden Kfz kollidiert.[223] Bei Unfällen im Hochgeschwindigkeitsbereich wird sich der Halter nach Ersetzung des Unabwendbarkeitsbeweises durch höhere Gewalt zwar nicht von der Haftung aus § 7 StVG entlasten können – er kann sich beim Innenausgleich jedoch in Ausnahmefällen – Nachweis der Unabwendbarkeit im oben beschriebenen Sinne – von der Ersatzpflicht befreien.
Eine erhebliche und unfallursächliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit führt zu einer erhöhten StVG-Haftung.[224] Wer durch eine an sich erlaubte Geschwindigkeit von 200 km/h einen Verkehrsunfall mitverursacht, hat allein wegen seiner Betriebsgefahr einen hohen Mithaftungsanteil zu tragen. Dies können 50 %[225] oder mehr[226] sein, wenn dem Unfallgegner ein Verschulden ebenfalls nicht nachzuweisen ist. Bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h kann trotz erheblichen Verschuldens des Unfallgegners – unachtsamer Spurwechsel wenige Sekunden nach Einfahren auf die Autobahn – eine Mithaftung aus Betriebsgefahr angemessen sein.[227]
208
Überholen ist mit großer Sorgfalt durchzuführen.[228] Wer ohne sorgfältige Rückschau auf die Überholspur fährt und dadurch ein von hinten nahendes Kfz gefährdet, handelt grob fahrlässig.[229] Den Auffahrenden kann, insbesondere bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit eine Mithaftung treffen.[230] Ein Fahrer, der einen Vorausfahren- den durch zu schnelles und dichtes Auffahren bedrängt und mit dem Überholen beginnt, während der Vorausfahrende die linke Fahrspur noch nicht vollständig geräumt hat, haftet u.U. zu 100 %.[231] Ebenso kann die Betriebsgefahr eines Pkw, der einen Lastzug vorschriftsmäßig überholt, völlig zurücktreten, wenn ein Motorradfahrer nicht rechtzeitig in zumutbarer Weise reagiert und auffährt.[232] Andererseits kommt eine erhebliche Mithaftung in Betracht, wenn ein Lastzug, der 70 km/h fährt, mit 80 km/h überholt wird.[233]
Schert ein Lkw mit 80 km/h zum Überholen aus, so ist einem sich mit 140 km/h nähernden Pkw/Fahrer zuzumuten, sein Kfz leicht abzubremsen.[234] Nach § 4 Abs. 3 StVO müssen Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t und Kraftomnibusse, wenn ihre Geschwindigkeit mehr als 50 km/h beträgt, stets von den Vorausfahrenden einen Mindestabstand von 50 m einhalten.
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 13. Abbiegen (§ 9 StVO)