Kitabı oku: «Die Weisheit des Traumas», sayfa 2
Der nächste Schritt besteht also darin, deinen Körper in diesen Heilungsprozess einzubeziehen. Wie arbeiten Gehirn, Herz und der Rest des Körpers zusammen? Was kannst du selbst tun, um Stress zu reduzieren, deinen Schmerz zu heilen und diese Heilung zu verkörpern? Wie verbindest du Denken und Fühlen und wie wirken deine selbstheilenden, selbstregulierenden Kräfte? Wie erschaffst du aus Herz und Gehirn ein starkes zusammenwirkendes System?
Im zweiten Bereich lernst du, selbst aktiv zu werden und deinen Körper, dein Herz und Gehirn zur Kooperation zu bewegen und neue, gesunde Muster zu entwickeln. Du lernst, neue neuronale Wege und Verbindungen anzulegen.
Der dritte Bereich: die externe Umgebung und unser Leben zurückfordern
Verlusterfahrungen und emotionale Verletzungen erschüttern nicht nur den direkt davon betroffenen Menschen, sondern oftmals auch sein soziales Umfeld. Wie wirkt sich das auf den Umgang miteinander aus?
Die Wirklichkeit, wie sie einmal war, existiert plötzlich nicht mehr für die Familie, die erweiterte Verwandtschaft oder den Freundeskreis. Ich nenne das ein existenzielles Erdbeben. Nichts bleibt stehen, alles liegt wirr durcheinander, im Inneren wie im Äußeren. Hier zeigt sich eine wichtige Ursache für kulturelle, soziale und individuelle Verletzung. Es bestehen allerdings große Unterschiede darin, wie Menschen mit diesen Traumata umgehen und einander beeinflussen.
Wenn du für deine Veränderung immer wieder die gleichen Gedanken und Gefühle benutzt, konditionierst du dich immer wieder auf dieselbe Art und Weise. Du machst dir oft nicht bewusst, wie die Umgebung (Menschen, Organisationen, Ereignisse) dich an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten negativ oder auch positiv beeinflusst. Insbesondere bei emotionalen Verletzungen suchst du nur allzu oft Bestätigung bei anderen und wiederholst immer wieder aufs Neue unbewusst dieselben Dinge.
In diesem Bereich untersuche ich, wie unsere externe Umgebung unsere Realität erschafft und unsere Persönlichkeit definiert. Du lernst, eine Bestandsaufnahme dieser externen Umgebung zu machen und dich darin zu behaupten.
Der vierte Bereich: Spiritualität und die Wiederherstellung der inneren Verbindung
Hier geht es um die Entscheidung für neue Werte und Normen im Rahmen des persönlichen und spirituellen Wachstums. »Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden«, sagte der dänische Philosoph Kierkegaard (1813-1855). Das gilt besonders, wenn es um traumatische Lebensereignisse geht. Wir verstehen erst viel später, was diese mit unserem Leben und uns selbst gemacht haben: wie sie unsere Perspektive auf das Leben verändert, welche Verschiebungen sie in unserer Psyche verursacht haben.
Was ich den spirituellen Bereich nenne, ist Teil einer Reihe von höherdimensionalen Energiesystemen, die direkt in unser Gehirn und unseren Körper führen. Die landläufige Wissenschaft erkennt die Wirkung dieser höheren energetischen Anatomie erst nach und nach. Sie steht in starkem Kontrast zu traditionellen und östlichen Weisheiten und Praktiken auf dem Gebiet der Heilung und Medizin, die diese multidimensionale Anatomie des Menschen ausführlich beschrieben haben.
In diesem vierten Bereich geht es um wirkliche Veränderung, um Transformation und Bewusstseinsentwicklung, sodass du dich bewusst aus dem Überlebensmodus in den Schöpfungsmodus begibst. Du lernst, verschiedene Wahlmöglichkeiten zu erkennen und neue Erfahrungen zu kreieren. Dies geschieht beispielsweise, indem du die Vergangenheit loslässt, dein Gehirn neu ›verdrahtest‹, Verantwortung für dich selbst übernimmst, den Körper emotional im Hinblick auf eine neue Zukunft instruierst, persönliche Führungsstärke entwickelst und deine Resilienz stärkst, um schließlich ein Leben voller Liebe und Inspiration führen zu können.
In der Darlegung dieser vier Bereiche dient mein persönlicher Lernprozess als roter Faden. Für mich ist die Heilung meines Traumas und meines emotionalen Schmerzes und Stresses ein Spiegel geworden, der den Sinn meines Lebens reflektiert.
Ich habe gelernt, dass ich keinen Einfluss auf Verlusterfahrungen, Traumata oder andere plötzliche Veränderungen meiner Wirklichkeit habe, wohl aber darauf, wie ich damit umgehe. Ich habe aber sehr wohl Einfluss auf meine innere Wirklichkeit und auf die Welt, die in meinem Gehirn, meinem Herzen und meinem Körper existiert. Dadurch bekomme ich meine emotionalen Verletzungen zu fassen. Ich wiederhole: Ich bin davon überzeugt, dass emotionaler Schmerz dauerhaft geheilt werden kann und dass die Kräfte der Liebe und des Bewusstseins diese Heilung ermöglichen.
Erster Bereich
Die Kraft deiner inneren Psychologie kennenlernen
Es ist notwendig, ein beobachtendes Bewusstsein zu
entwickeln, um die innere Psychologie kennenzulernen
und zu verstehen.
Deine innere Architektur aus Denken, Fühlen, Handeln
hat Auswirkungen. Wie du im Hier und Jetzt denkst, fühlst und handelst,
ist das Ergebnis früherer und heutiger
Erfahrungen.
Alle Lebenserfahrungen von unserer Geburt bis heute
haben Auswirkungen. Sie haben unsere innere
Architektur geformt.
Wer bist du?
Was ist deine Lebensgeschichte?
Wo willst du hin?
1. Im Trauma gefangen
Der buddhistischen Lehre zufolge bereitet uns
das Leben selbst auf Leben und Tod vor.
Sie besagt, dass wir nicht auf den schmerzhaften Tod
eines Menschen warten müssen, um unser eigenes
Leben zu betrachten.
Auch müssen wir nicht auf eine Krise oder ein
traumatisches Erlebnis warten.
Sie sagt außerdem, dass wir,
je bewusster wir leben, dem Schmerz des Verlustes
nicht mit leeren Händen gegenüberstehen müssen.1
Wir alle können hier und jetzt den Sinn des Lebens finden! Nach jenem Tag, an dem mein Liebster sich das Leben nahm, stand ich leider doch mit leeren Händen da. Ich verlor den Sinn meines Lebens ganz und gar und fand keinen Ansatz, um mit dieser überwältigenden Erfahrung, mit dem emotionalen Schmerz umgehen zu können. Das Erlebnis warf mich um und versetzte mich in eine vollkommen neue, entsetzliche und sehr schmerzhafte Realität.
Seit über 25 Jahren arbeite ich mit traumatisierten Menschen und Familien und weiß, dass viele geistige und körperliche Beschwerden aus traumatischen Erfahrungen entstehen. Die Spuren, die diese hinterlassen, liegen oft im Unbewussten verborgen. Im Kern eines jeden Traumas stecken Isolation und Angst. Beide verursachen starke Veränderungen in Gehirn und Körper.
Mein Leben lang war ich auf der Suche nach einem Ausweg aus einer mir unverständlichen Angst, einer Angst, die ich immer bei mir trug. Sie äußerte sich in Form von körperlicher und emotionaler Taubheit und dem Unvermögen, mich an Begebenheiten aus meiner Kindheit zu erinnern. Es fiel mir schwer, Vertrauensverhältnisse aufzubauen, mich in meinem Körper zu Hause zu fühlen und ein Gefühl der Kontrolle über mich selbst zu haben.
Weil ich meine eigenen inneren Kämpfe besser verstehen wollte, beschloss ich, nach meiner Pflegeausbildung Verhaltenswissenschaften und Psychologie zu studieren. Den Schlüssel zu meinen versteckten Kammern der Angst und Unsicherheit fand ich allerdings nicht während der verschiedenen Therapien, die ich im Zuge meiner Ausbildung machte, ich entdeckte ihn erst nach der traumatischsten Erfahrung meines Lebens. Nach dem Suizid meines zweiten Mannes lernte ich, mich aus dem Gefängnis meiner Vergangenheit zu befreien.
Als professionell arbeitende Therapeuten erzählen wir unsere eigene Geschichte meist nicht. Das sei unprofessionell, heißt es. Meiner Meinung nach ist das falsch. Ich wäre beruflich niemals zu dem Punkt gelangt, an dem ich jetzt stehe, wenn ich nicht selbst die zerstörerischen Auswirkungen traumatischer Erlebnisse kennengelernt hätte. Immer wieder suchte ich nach erhellenden Erkenntnissen über Ursachen und Folgen der Verletzungen, die ich selbst erlebt hatte. Als Mensch und als Therapeutin forschte ich solange, bis ich neue Spuren entdeckte, ihnen folgte und Wege zur Heilung fand. Meine Suche als Individuum verlief daher zu einem großen Teil parallel zu meiner Suche als Therapeutin und meine persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse trugen wesentlich zu meiner Entwicklung als Therapeutin bei. Darum nehme ich den Leser zunächst mit in meine eigene Geschichte, zu dem Augenblick, an dem für mich ein neuer Weg begann. So zeige ich, wie ich neue Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft mit körperorientierter Psychotherapie und Meditation verbunden habe und wie ich das Ganze in mein persönliches Leben und in meine therapeutische Praxis integriert habe. Ich sehe mich in erster Linie als (Mit-)Mensch und erst danach als Therapeutin.
Es ist Sonntag, der 10. Juni 2007. Ein sonniger, warmer Tag. Ich sitze in meinem roten Ledersessel im Wohnzimmer und versuche, einen Artikel zur Weiterbildung zu lesen. Ich bin nicht wirklich bei der Sache.
Die Terrassentüren stehen offen, die Gardinen wehen leise im Wind. Draußen zwitschern die Vögel, Kinder spielen und lachen. Ich höre das spritzende Wasser in einem Pool im Nachbargarten. Fröhliche, entspannte Geräusche eines schönen Frühlingstages. Mein zwölfjähriger Sohn liegt auf dem Sofa und liest ein Buch, während meine elfjährige Tochter oben spielt und singt.
Ich frage mich, wo mein Mann ist. Ich habe ihn schon mehrfach auf dem Handy angerufen. Heute Morgen um 9:00 Uhr hat er das Haus verlassen, ohne zu sagen, wo er hinwollte. Als er ging, stand ich unter der Dusche, die Kinder schauten im Wohnzimmer einen Film. Er hatte sich aus dem Haus geschlichen, obwohl wir abgesprochen hatten, dass er warten würde, bis ich im Bad fertig bin. Wir hatten eigentlich vor, gemeinsam mit den Kindern und dem Hund im Wald spazieren zu gehen, damit der ruhelose, sich ständig drehende Geist meines Mannes in der Natur zur Ruhe kommen konnte. Das half ihm immer.
Während ich duschte, hörte ich, wie sich die Haustür schloss. Das Badfenster liegt direkt über dem Eingang und ich schaute umgehend nach draußen. Ich sah ihn mit seinem schwarzen Lederrucksack in der Hand zum Auto gehen. Er öffnete die hintere Autotür und legte den Rucksack auf die Rückbank. Ich öffnete das Badfenster und rief ihn, doch er drehte sich nicht um. Ich rief noch einmal, lauter. Er schaute nicht auf, blickte sich nicht um. Als er die Fahrertür öffnete, schrie ich regelrecht seinen Namen. Bewusst vermied er meinen Blick und ignorierte meine Rufe, als er einstieg. Er legte den Rückwärtsgang ein und wendete – jetzt schaute er mich im Wegfahren kurz an. Ich sah ein aschgraues Gesicht und einen leeren Blick. Voller Unruhe darüber, was gerade passiert war, zog ich mich an und lief, so schnell ich konnte, nach unten zu den Kindern. Sie erzählten mir, er habe ihnen gesagt, dass er nach Amsterdam zu einer Lesung fahren wollte. Sie wussten weiter nichts und ich wurde immer nervöser.
Um 11.00 Uhr rief ich dann vom Schlafzimmer aus in Panik meine Mutter an, weil ich meinen Mann nicht am Handy erreichen konnte. Ich schilderte ihr meine sorgenvollen Gedanken über die seltsame Situation, über sein plötzliches Wegfahren, sein Nicht-Beachten meiner Rufe. Ich erzählte ihr auch von meiner beängstigenden Vorahnung und meinen Gefühlen des Verlassen-Seins und der Einsamkeit. Die Angst fraß sich durch meinen Körper. Meine Mutter versuchte vergeblich, mich zu beruhigen. Im Anschluss rief ich meine Schwägerin an, die in Haamstede auf einer Familienfeier war, und dann noch eine Freundin.
Ich esse mit den Kindern zu Mittag. Immer wieder rufe ich meinen Mann an. Keine Reaktion! Die Zeit vergeht und es wird 15.00 Uhr. Er war seit morgens um 9.00 Uhr weg und hatte seit Stunden nichts von sich hören lassen.
Um 15.30 Uhr klingelt es. Ich gehe zur Haustür und sehe zwei Polizeibeamte davor stehen, einen Mann und eine Frau. Sehr höflich fragen sie, ob sie hereinkommen dürfen. Ich sehe an ihren Gesichtern, dass sie keine guten Nachrichten dabeihaben. Ich lasse sie ins Haus. In der Tat bringen sie sehr schlechte Neuigkeiten für mich und meine Kinder. Sie teilen uns mit, dass mein Mann, ihr Vater, um etwa 10.00 Uhr an diesem Vormittag Suizid begangen hatte, indem er vom Dach des Parkhauses am Bijenkorf sprang. Er war tatsächlich nach Amsterdam gefahren … aber nicht zu einer Lesung!
Die grausame Realität
Bis heute spüre ich den Augenblick, in dem ich die Nachricht erhielt. Ich habe die Bilder sofort vor Augen, wenn ich meine Gedanken zurückhole. Die Erinnerung ist so stark, dass ich immer noch spüre, wie mir der Atem in der Kehle stecken bleibt.
Als ich vom Tod meines Mannes erfuhr, begann ich zu zittern und fühlte eine riesige Stresslawine durch meinen Körper fließen. Ich versuchte, dies vor meinen Kindern zu verbergen. Auf der Stelle bekam ich pochende Kopfschmerzen, mein Hals und meine Schultern wurden steif. Meine Gedanken begannen zu rasen und wurden chaotisch. Die Kinder erlebten ähnliche Reaktionen im Körper, wie ich später von ihnen erfuhr.
Jetzt, da ich ›rückwärts verstehe‹, kann ich sagen, dass dies die Stressreaktion war, die uns in den Überlebensmodus versetzte. Mit allen Tricks nahm ich mich, um meiner Kinder willen, zusammen. Ich fühlte mich machtlos und zugleich in meinem innersten Kern irreparabel beschädigt, verlassen und verraten. Das Schlimmste war meine Furcht, dass es den Kindern genauso gehen könnte.
Neun Monate später, es war Karfreitag, der 21. März 2008: Ich liege mit gelähmten Beinen in einem Krankenhausbett, neben mir steht ein Rollstuhl. Eine Autoimmunreaktion hat mein Nervensystem angegriffen, im sogenannten Caudabereich, von der Mitte meines Körpers aus abwärts – in der Fachsprache wird dies Neuritis genannt. »Ursache unbekannt«, sagen die Neurologen und behandeln die Symptome intravenös mit einer hohen Dosis Corticosteroide. Das ist offensichtlich die Behandlungsleitlinie für dieses Krankheitsbild.
Kurze Zeit später ergreift ein unangenehmes Bakterium Besitz von meinem Körper und ich muss über einen langen Zeitraum erneut intravenös behandelt werden, diesmal mit Antibiotika. Als ich nach mehreren Wochen das Krankenhaus verlasse, ist das Gefühl in eins meiner Beine zurückgekehrt, in das andere noch nicht ganz. Ohne Krücken kann ich mich nicht fortbewegen. Ich fühle mich in jeder Hinsicht wie ein Wrack – emotional, geistig und körperlich.
Über ein Jahr werde ich mit Corticosteroiden und Antibiotika behandelt. An mehreren Stellen in meinem Beckenboden habe ich kein Gefühl mehr und kann daher den Urin nicht gut einhalten. Ich bin nicht in der Lage zu arbeiten, da ich keine Energie dazu habe. Das Konzentrieren fällt mir schwer, vergesse bestimmte Dinge ständig – ich leide an einer kognitiven Störung. Trotz Behandlung mit den besten Medikamenten wird es nicht besser. Anfang 2009 beschließe ich, einen Psychiater hinzuzuziehen und eine Therapie zu beginnen. Er diagnostiziert eine Depression infolge einer ›aufgeschobenen Trauerreaktion‹ und gibt mir ein weiteres Medikament, ein Antidepressivum.
Die ganze Zeit über bleibt mein Denken negativ und kreist immer in denselben Gedankenspuren:
»Er hätte sich nicht umbringen dürfen.«
»Er hätte seine Kinder nicht einfach ohne Vater zurücklassen dürfen.«
»Er hätte mich nicht mit diesem finanziellen Durcheinander sitzen lassen dürfen.«
»Wie konnte er einfach so gehen und mich und die Kinder ohne eine Nachricht zurücklassen?«
»Was für ein Schuft, mich einfach so zu verlassen, sodass ich die Kinder alleine erziehen muss.«
»Ich hasse ihn, weil er keine Nachricht zurückgelassen hat.«
»Ich vermisse ihn.«
»Ich fühle mich einsam ohne ihn.«
»Ich will mit ihm sprechen und ich will eine Erklärung. So kann es nicht weitergehen.«
Das Antidepressivum macht mich schlapp und lustlos und ich verliere noch mehr von mir.
Erkennst du dich wieder?
Es erfordert extrem viel Energie, nach einer solchen überwältigenden Erfahrung weiter zu funktionieren. Mir war nicht klar, dass ich die Erinnerung an diesen Schmerz immer so weit wie möglich aus meinen Gedanken halten wollte. Das war eine große Anstrengung, vergleichbar mit einem Vollzeitjob.
Lange Zeit tat ich so, als ob nichts geschehen wäre. Ich nahm mein Leben kurz nach der Beerdigung wieder auf und ging bald wieder arbeiten. Während ich innerlich immer noch sehr erregt, verwundbar und vor allem vollkommen wehrlos war, fand ich mitten in meinem Krankheitsprozess eine neue Beziehung, verkaufte mein Haus und zog ans andere Ende des Landes. Ich gab alles auf, um mit diesem neuen Mann zusammenzuleben!
Es ist bekannt, dass traumatisierte Menschen oft Schwierigkeiten haben, intime Beziehungen einzugehen, und dass es ihnen sehr schwerfällt, wieder zu vertrauen. Ironischerweise geraten sie oft in eine neue traumatische Beziehung. Das war auch bei mir der Fall. Die Dynamik in meiner neuen Beziehung sah so aus, dass meine Angst vor dem Verlassenwerden, vor Verrat und intensiven Einsamkeitsgefühlen immer wieder getriggert wurde. Dadurch wurden in meinem Gehirn immer wieder dieselben Schaltkreise aktiviert und riesige Mengen von Stresshormonen ausgeschüttet. Die Folge waren unangenehme Gefühle und intensive körperliche Empfindungen, die mich überwältigten, sodass meine Gesundheit sich nicht verbesserte. Mit einem Fachbegriff ausgedrückt: Ich geriet in einen Kreislauf der Retraumatisierung.
Meine Emotionen schossen zwischen Scham, Schuld, Wut, Angst, Trauer, Hoffnungslosigkeit, tiefer Verlassenheit und Einsamkeit hin und her. Mein Verhalten war von Wut geprägt. Ich kämpfte gegen alle, die mir lieb waren und das Beste für mich wollten, stieß Menschen zurück. Dazu steckte ich in einer Beziehung mit einem Mann, der sich genauso verhielt und der – wie sich später herausstellte – selbst schwer traumatisiert war.
Im Lauf des Jahres 2009 bekam ich noch mehr körperliche Probleme. Meine Mundschleimhäute entzündeten sich und es bildeten sich Geschwüre in meinem Mund. Eine weitere Autoimmunerkrankung wurde festgestellt: erosiver Lichen planus, eine Plattenepithelkrankheit. Dagegen bekam ich noch mehr Corticosteroide in Form von Salben und Pillen. Diese Medikamente störten meine Speichelproduktion. Eine schmerzhafte Erfahrung.
2010 steigerten sich meine Gesundheits- und Beziehungsprobleme weiter. Allmählich wurde mir bewusst, dass ich in einer Abhängigkeitsbeziehung zu einem Mann steckte, der mich und meine Kinder weiter traumatisierte. Er verstand sich nicht mit den Kindern und gab ihnen ständig das Gefühl, dass es sie nicht geben sollte. Wir waren schließlich in sein Haus gezogen! Es wurde nie unser Zuhause. Im Mai jenes Jahres verlor ich meinen Arbeitsplatz, meinen einzigen noch sicheren, wiedererkennbaren Ort. Ein weiterer Verlust.
Im Verlauf des Jahres litt ich immer stärker unter der Erosion der Schleimhäute in meinem Körper (Mund, Vagina, Anus, Speiseröhre). Mein Immunsystem war mittlerweile fast zusammengebrochen und neben Hautproblemen bekam ich es auch mit allerlei Allergien zu tun.
Infolge der Spannungen in meiner Beziehung und meiner gesundheitlichen Probleme war ich emotional sehr angeschlagen und lebte in ständigem Stress. Es blieb mir immer weniger Vitalität und Energie zum Leben. Ich ging durch die dunkelste Nacht meiner Seele. Damals konnte ich es nachvollziehen, warum jemand seinem Leben ein Ende setzen wollte. Ich ertappte mich bei Gedanken, die in diese Richtung gingen.
Das Antidepressivum half mir in diesem Kampf mit mir selbst nicht. Ich trank mehr, als mir lieb war, nahm regelmäßig Drogen (Cannabis) und verlor die Kontrolle über meine Kinder und die Verbindung zu ihnen. Nach außen hin hielt ich mich aufrecht. Meine mentale Flexibilität nahm jedoch drastisch ab, ebenso meine Hoffnung auf eine bessere Zukunft.