Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 26
2. Inlandstaten
a) § 3 StGB: Territorialitätsprinzip
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§ 3 StGB leitet den Normenkomplex zum Strafanwendungsrecht mit der Regelung ein, dass das deutsche Strafrecht für Taten gilt, die im Inland begangen werden. Damit wird das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip als maßgebliches Kriterium für die Reichweite der deutschen Strafgewalt herangezogen. Was zum „Inland“ im Sinne der Vorschrift gehört, wird ebenso unter Heranziehung der völkerrechtlichen Überlegungen zur Ausdehnung des Staatsgebiets ermittelt.[79] Inzwischen[80] ergeben sich somit keine Unterschiede zwischen der deutschen Rechtslage und dem völker- und staatsrechtlichen Inlandsbegriff.[81]
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Unter Tat im Sinne des § 3 StGB soll nach herrschender Meinung – ebenso wie bei § 4 und § 7 StGB – die Tat im prozessualen Sinne zu verstehen sein.[82] Ob es sich bei einer Tat um eine Auslands- oder um eine Inlandstat handelt, wird somit stets für das gesamte Verhalten des Täters entscheiden, das mit den in der Anklage umschriebenen Vorkommnissen nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt.[83] Schließlich gelte es gerade solche Lebenssachverhalte strafrechtlich (nach deutschem Recht) zu bewerten.[84] Dem wird entgegengehalten, dass die Bestimmung des Begehungsortes gemäß § 9 Abs. 1 StGB und somit auch die Einordnung eines Geschehens als Inlandstat stets den jeweiligen Straftatbestand in den Blick nehmen muss und demzufolge für jeden einzelnen Straftatbestand getrennt zu erfolgen hat.[85]
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Unstreitig bleibt hingegen im Rahmen der §§ 5, 6 StGB auf die Tat im materiellrechtlichen Sinne abzustellen. Bei diesen Vorschriften orientiert sich der Umfang des räumlichen Geltungsbereichs gerade an einzelnen Straftatbeständen.[86] Die Erstreckung der nationalen Strafgewalt knüpft hier an die jeweiligen Schutzgüter der einzelnen Vorschriften und nicht an einen Lebenssachverhalt in seiner Gesamtheit an.[87]
b) § 9 StGB: Ubiquitätsprinzip
aa) Grundlagen
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Welche Taten als Inlandstaten einzuordnen sind, richtet sich nach deren Begehungsort. § 9 StGB greift hierbei auf das Ubiquitätsprinzip zurück und zieht als Begehungsort sowohl den Handlungs- als auch den Erfolgsort heran. In Anlehnung an die deutsche Beteiligungsdogmatik enthält § 9 Abs. 1 StGB eine Regelung für Täter (Rn. 43 ff.) und § 9 Abs. 2 StGB eine ähnlich aufgebaute Regelung für Teilnehmer (Rn. 46 ff.). Für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts genügt es, dass nur einer der ggf. zahlreichen Tatorte sich im Inland befindet.[88]
bb) Begehungsort der Tat (§ 9 Abs. 1 StGB)
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Nach § 9 Abs. 1 StGB ist eine Tat zunächst „an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen.“ Mit diesen beiden ersten Varianten wird das Tätigkeitsprinzip aufgegriffen und zugleich die deutsche Unterscheidung zwischen den beiden Begehungsmodalitäten des aktiven Tuns und des Unterlassens (zum Begehungsort bei Unterlassungstaten Rn. 73) berücksichtigt. Zur Zurechnung von Begehungsorten bei Mittäterschaft und bei mittelbarer Täterschaft Rn. 81 f.
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Ein weiterer Begehungsort liegt gemäß § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB an jedem Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist. Diese Regelung greift das Erfolgsprinzip auf, aus dessen Zusammenspiel mit dem Tätigkeitsprinzip das Ubiquitätsprinzip erwächst. Umstritten ist nicht zuletzt die Anwendbarkeit der Vorschrift bei abstrakten Gefährdungsdelikten (Rn. 74 f.).
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§ 9 Abs. 1 Var. 4 StGB bestimmt einen Begehungsort der Tat schließlich an jedem Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg „nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte“. Diese Regelung erscheint allerdings dann als kritikwürdig, wenn der Täter einem Irrtum über den Erfolgsort unterliegt und sein Verhalten entgegen seiner Vorstellung überhaupt keine Auswirkungen auf dem Territorium des betreffenden Staates entfalten kann. Allein die Absicht, einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg im Inland zu bewirken, erscheint nicht als ausreichender Anknüpfungspunkt.[89]
cc) Begehungsort der Teilnahme (§ 9 Abs. 2 StGB)
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§ 9 Abs. 2 StGB bestimmt den Begehungsort für die Teilnahme. Die eigenständige Regelung lehnt sich in ihrem Satz 1 an § 9 Abs. 1 StGB an, indem ebenso diejenigen Orte herangezogen werden, an denen der Teilnehmer gehandelt hat (vgl. § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB) oder im Fall des Unterlassens hätte handeln müssen (vgl. § 9 Abs. 1 Var. 2 StGB) oder an denen nach der Vorstellung des Teilnehmers die Tat begangen werden sollte (vgl. § 9 Abs. 1 Var. 4 StGB). An die Stelle des Erfolgsorts gemäß § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB tritt der – in § 9 Abs. 2 StGB zuerst genannte – Ort, an dem die Tat begangen ist; der Begehungsort der Tat bildet somit gewissermaßen den Erfolgsort der Teilnahme.[90] Dies hat jedoch zur Folge, sämtliche vier möglichen Begehungsorte des § 9 Abs. 1 StGB ebenso als Begehungsorte der Teilnahme anzusehen. Mitunter werden daher bis zu zehn verschiedene Begehungsorte der Teilnahme gezählt.[91]
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Die nicht unerhebliche Vielzahl von Begehungsorten des Teilnehmers und die damit einhergehende Reichweite der nationalen Strafgewalt erfährt keine weitere Einschränkung. Dies wäre vor allem dann zu erwägen, wenn die Begehungsorte in verschiedenen Staaten liegen und daher mehrere nationale Rechtsordnungen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen und ggf. sogar Strafbarkeiten anwendbar sind. Stattdessen sieht § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausdrücklich vor, dass das Tatortrecht selbst bei Straflosigkeit der Tat keine Berücksichtigung findet, wenn der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt hat. Für diese weite Regelung werden unter anderem generalpräventive Gesichtspunkte und der Gedanke der Gleichbehandlung angeführt; schließlich sollen sämtliche Teilnahmehandlungen im Inland dieselben strafrechtlichen Folgen nach sich ziehen.[92] Ob solche Überlegungen es indessen rechtfertigen, die Teilnahme an einem im Ausland straflosen Verhalten unter Strafe zu stellen, erscheint fraglich, wird die strafrechtliche Beurteilung des Tatortstaats dadurch jedenfalls bewusst nicht beachtet.[93]
3. Auslandstaten
a) § 4 StGB: Flaggenprinzip
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§ 4 StGB setzt das Flaggenprinzip in deutsches Recht um. Danach gilt auch für Taten, die auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, deutsches Strafrecht, sofern das jeweilige Fortbewegungsmittel berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Wer sich auf ein solches Fahrzeug begibt, soll durch das deutsche Strafrecht geschützt werden, unabhängig sowohl von dem Standort des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Tat als auch von dem Verfolgungswillen des Territorialstaats.[94] Unerheblich ist, ob sich das Fahrzeug bereits fortbewegt oder noch bzw. schon wieder zum Halt gekommen ist.[95] Ebenso wenig kommt es auf die Staatsangehörigkeit von Täter und Opfer an.
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Dass mit § 4 StGB keine Erweiterung des Staatsgebiets einhergeht, sondern lediglich ein inländischer Tatort fingiert wird („gilt“),[96] verdeutlicht der Verweis auf die Unbeachtlichkeit des Tatortrechts. Befindet sich der Tatort ohnehin nach den §§ 3, 9 StGB im Inland, kommt § 4 StGB keine gesonderte Bedeutung zu und wird überwiegend § 3 StGB als vorrangige Regelung angesehen.[97]
b) § 5 StGB: Realprinzip und sonstige legitimierende Anknüpfungspunkte
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§ 5 StGB nennt in einem abschließenden Katalog zahlreiche Straftatbestände, die – zum Teil unter bestimmten Voraussetzungen – auch bei Auslandstaten gelten sollen. Als Zweck der Vorschrift wird angesehen, eine Bestrafung als strafwürdig angesehener Verhaltensweisen auch dann zu gewährleisten, wenn diese nach dem – ausdrücklich unbeachtlichen – Recht des Tatortes entweder nicht strafbar sind oder eine Verfolgung im Tatortstaat aus sonstigen Gründen nicht gesichert ist.[98]
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Die meisten Nummern aus dem Katalog des § 5 StGB sind zumindest in erster Linie dem Realprinzip (Rn. 26 f.) geschuldet und postulieren somit ein besonderes Schutzbedürfnis der jeweiligen inländischen Rechtsgüter.[99] Allerdings rekurriert § 5 StGB – wie die durch das 49. StrÄndG vom 21. Januar 2015[100] geänderte Überschrift („Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug“) seitdem klarstellt – darüber hinaus auf weitere Prinzipien.[101] So wird unter anderem vorausgesetzt, dass „der Täter [zur Zeit der Tat] Deutscher ist“ (so Nr. 3 lit. a, Nr. 5 lit. b, Nr. 6 lit. c, Nr. 8, Nr. 9 lit. a und lit. b, Nr. 9a lit. a und lit. b, Nr. 11a, Nr. 15 lit. a und Nr. 16 lit. a; aktives Personalitätsprinzip) oder „seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat“ (so Nr. 3 lit. a, Nr. 5 lit. b und Nr. 9 lit. b; Domizilprinzip). Mitunter werden auch verschiedene Prinzipien kombiniert. So muss sich exemplarisch nach Nr. 6 lit. a die Tat „gegen eine Person richten, die zur Zeit der Tat Deutsche ist“ (passives Personalitätsprinzip; vgl. auch Nr. 15 lit. d und Nr. 16 lit. b)[102] und muss diese Person darüber hinaus „ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland“ haben (Wohnsitzprinzip; vgl. insoweit auch Nr. 6 lit. b und lit. c sowie Nr. 9a lit. b).
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Keine einzelnen Straftatbestände nennen die Nrn. 12 bis 14. Abgestellt wird hier auf die Stellung von Täter bzw. Opfer insbesondere als „Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter“. So gilt nach Nr. 12 das deutsche Strafrecht für sämtliche „Taten, die ein deutscher Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst begeht“. Bei ausländischen Amtsträgern oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten soll dies gemäß Nr. 13 sogar ohne entsprechenden dienstlichen Bezug gelten. Nr. 14 erfasst schließlich „Taten, die jemand gegen einen [deutschen wie ausländischen] Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf ihren Dienst begeht“. Diese Regelungen beruhen auf der Überlegung, dass zwischen dem Staat und seinen Beamten eine noch engere Beziehung besteht als zu den sonstigen Bürgern, der Amtsträger jedenfalls bei Ausübung seines Amtes einer besonderen Pflicht unterliegt.[103] Nicht zu Unrecht kritisiert wird insoweit, dass nach Nr. 12 sämtliche Straftaten während eines dienstlichen Auslandsaufenthalts erfasst werden, auch wenn diese nicht in einem Zusammenhang mit der Dienstausübung stehen.[104] Dem wird entgegengehalten, dass ein Beamter aufgrund der besonderen personalen Bindung zum Staat auch im Ausland verpflichtet sei, unabhängig von dem Tatortrecht die deutsche Rechtsordnung zu respektieren.[105]
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Es ist hier nicht der Platz, auf die Berechtigung jeder Nummer des § 5 StGB näher einzugehen.[106] Festhalten lässt sich aber jedenfalls die nicht unbedenkliche Tendenz, dass der Gesetzgeber dazu übergeht, bei Neuregelungen im Besonderen Teil des StGB reflexartig auch den Katalog des § 5 StGB anpassen bzw. erweitern zu wollen. So wurden allein seit 2014 die Straftatbestände des § 237 (Nr. 6 lit. c), der § 226 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2, § 226a (Nr. 9a), der §§ 265c, 265d (Nr. 10a) und der §§ 331 bis 337 (Nr. 15) in § 5 StGB aufgenommen. Dies erfolgt nicht zuletzt mit dem Ziel, Umgehungshandlungen im Ausland vorzubeugen.[107]
c) § 6 StGB: Weltrechtsprinzip
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§ 6 StGB dehnt den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts auf bestimmte, abschließend aufgezählte Auslandstaten unter Berufung auf das Weltrechtsprinzip (Rn. 28 f.) aus. Zu den Straftaten gegen international geschützte Rechtsgüter zählen im Einzelnen bestimmte Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen (Nr. 2), Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr (Nr. 3), Menschenhandel (Nr. 4), unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln (Nr. 5), bestimmte Formen der Verbreitung gewalt-, tier-, kinder- und jugendpornographischer Schriften (Nr. 6), bestimmte Geld- und Wertpapierdelikte (Nr. 7), Subventionsbetrug (Nr. 8) sowie schließlich Taten, die aufgrund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens auch dann zu verfolgen sind, wenn sie im Ausland begangen werden (Nr. 9). Für die in den §§ 6 bis 12 VStGB sanktionierten Straftaten gegen das Völkerrecht, namentlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und aufgezählte Kriegsverbrechen, findet sich eine spezielle Regelung in § 1 VStGB. Das Recht des Tatorts ist jeweils unbeachtlich, liegt die Verfolgung der dem Weltrechtsprinzip unterfallenden Straftaten doch im gemeinsamen Staateninteresse.
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Kritisch zu untersuchen bleibt bei den in § 6 StGB genannten Straftaten, ob den dadurch geschützten Sicherheitsinteressen und Rechtsgütern die notwendige internationale allgemeine Akzeptanz zuteilwird, so dass der Verfolgerstaat seine Strafgewalt auch bei Auslandstaten beanspruchen darf.[108] Problematisch erscheint vor allem § 6 Nr. 6 StGB, der unter anderem die Verbreitung der Erscheinungsformen der Gewalt- und Tierpornographie erfasst und insoweit auf Taten weltweit das deutsche Strafrecht anwenden will.[109] Fraglich ist außerdem, ob der Subventionsbetrug in § 6 Nr. 8 StGB wegen seines primären Schutzes (nur) nationaler finanzieller Interessen oder der Europäischen Union dem Weltrechtsprinzip unterstellt werden kann.[110]
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Bei dem Rückgriff auf § 6 StGB zeigt sich die Rechtsprechung mitunter zurückhaltend, um einer Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten vorzubeugen. So verlangte der BGH wiederholt für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf den bis zum 29. Juni 2002 in § 220a StGB normierten Völkermord nach § 6 Nr. 1 StGB einschränkend einen legitimierenden Anknüpfungspunkt, der im Einzelfall einen unmittelbaren Bezug der Strafverfolgung zum Inland herstellt. Ansonsten verstoße die Strafverfolgung gegen den völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz.[111] Dem wurde entgegengehalten, dass sich eine solche zusätzliche Voraussetzung nicht mit dem Charakter weltweit allgemein anerkannter Rechtsgüter vereinbaren lasse, deren Schutz eine originäre Aufgabe eines jeden Rechtsstaates darstellt.[112] § 1 VStGB hält nunmehr indessen ausdrücklich fest, dass das VStGB für alle darin bezeichneten Verbrechen (wie nicht zuletzt den Völkermord gemäß § 6 VStGB) auch dann gilt, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist. In einem Anfragebeschluss erwog der Zweite Strafsenat vorübergehend, auch für § 6 Nr. 5 StGB (unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln) einen hinreichenden Inlandsbezug zu verlangen, aus dem sich ein inländisches Interesse an der Verfolgung der Auslandstat ergibt.[113] Auf die Erwiderung des Ersten Strafsenats[114] entschied der Zweite Strafsenat sodann aber – jedenfalls für die seinem Urteil zugrunde liegende Fallkonstellation –, dass weder nach Wortlaut und Sinn und Zweck des § 6 Nr. 5 StGB noch wegen der notwendigen Beachtung höherrangigen Rechts oder aus völkerrechtlicher Sicht eine solche einschränkende Auslegung erforderlich sei.[115]
d) § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB: Personalitätsprinzipien
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§ 7 Abs. 1 StGB knüpft an die Staatsangehörigkeit des Opfers als „genuine link“ an. Handelt es sich hierbei um einen Deutschen, steht die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auch bei Auslandstaten im Raum. Dieser Rückgriff auf das passive Personalitätsprinzip scheidet aber aus, wenn sich die konkrete Tat nicht gegen eine natürliche Person im Sinne eines bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren deutschen Staatsangehörigen richtet[116] oder wenn eine Straftat ausschließlich Universalrechtsgüter schützt und damit von vornherein kein Individuum als Opfer haben kann.[117]
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Wer Deutscher im Sinne des § 7 StGB ist, bestimmt sich nach Art. 116 Abs. 1 GG.[118] Danach ist jede natürliche Person Deutscher, welche (auch) „die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat“. Juristische Personen sind selbst bei Sitz im Inland nach herrschender Meinung nicht erfasst.[119] Hiervon abweichenden Überlegungen steht nicht zuletzt der Wortlaut des § 7 StGB entgegen, der gerade nicht – anders als etwa § 5 Nr. 7 StGB, der offenbart, dass dem Gesetzgeber die Problematik des Schutzes von Interessen juristischer Personen bekannt ist – auf die Belegenheit des Sitzes eines Unternehmens verweist, sondern von Straftaten gegen einen Deutschen spricht.[120] Nach zunehmender Ansicht soll auch das ungeborene Leben unter den Deutschenbegriff fallen.[121] Dies bleibt jedoch abzulehnen, da die Staatsangehörigkeit erst mit der Geburt verliehen wird und ein Embryo somit zur maßgeblichen Zeit der Tat von vornherein kein Deutscher sein kann.[122]
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Auf das aktive Personalitätsprinzip verweist § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Danach bildet die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters einen legitimierenden Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts. Notwendig ist der Rückgriff auf das aktive Personalitätsprinzip vor allem deswegen, weil Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG es untersagt, einen Deutschen an das Ausland auszuliefern.[123]
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Das aktive Personalitätsprinzip wird nach der ausdrücklichen Regelung in Nr. 1 nicht nur dann bemüht, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war, sondern auch wenn er es (erst) nach der Tat geworden ist. Diese sog. Neubürgerklausel wird damit begründet, dass ab dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit das zwischenstaatliche Auslieferungsverbot nach Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG zu beachten ist und daher der Staat selbst die Bestrafung übernehmen muss.[124] Deswegen wird die Neubürgerklausel zutreffend als Ausformung des Prinzips der stellvertretenden Strafrechtspflege angesehen.[125] Die nachträgliche Begründung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts erscheint zwar im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht unbedenklich.[126] Dem soll aber dadurch abgeholfen werden können, den Täter jedenfalls nicht härter zu bestrafen als nach dem Recht des Tatorts.[127] Verliert der Täter nach der Tat die deutsche Staatsangehörigkeit, schließt dies die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts hingegen nicht nachträglich aus.[128]
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Einschränkend wird jeweils vorausgesetzt, dass entweder die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt, z.B. wenn die Tat auf hoher See auf einem flaggenlosen Schiff begangen wird.[129] Sollten mehrere ausländische Tatortstaaten existieren, ist das „lex loci“-Erfordernis gewahrt, wenn einer der Staaten die Tat mit Strafe bedroht.[130] Jedenfalls durch die Beachtung der lex loci bleibt der völkerrechtliche Nichteinmischungsgrundsatz bei den Personalitätsprinzipien gewahrt (Rn. 25).[131] Von der notwendigen identischen Tatortnorm kann nur gesprochen werden, wenn die jeweilige Tat (im prozessualen Sinne) zum Zeitpunkt ihrer Begehung mit Kriminalstrafe oder einer vergleichbaren Rechtsfolge bedroht ist.[132] Außerstrafrechtliche Sanktionen wie z.B. Geldbußen genügen nicht, soll die Berücksichtigung des Tatortrechts doch gerade dem Sinn und Zweck dienen, die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu bestimmen.[133]
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Für die erforderliche Tatidentität genügt es nach herrschender Meinung, wenn das Verhalten des Täters nach konkreter Betrachtungsweise am Tatort nach irgendeiner beliebigen Norm strafbar ist. Ausländischer und nationaler Straftatbestand müssen indessen weder inhaltlich im Konkreten noch in ihrem geschützten Rechtsgut im Allgemeinen übereinstimmen.[134] Sofern die Tat am Tatort gerechtfertigt, entschuldigt oder aus einem sonstigen Grund trotz verwirklichten Tatbestands materiellrechtlich nicht strafbar ist, schließt dies die Ausdehnung der nationalen Strafgewalt aus.[135] Grenzen im Sinne eines allgemeinen internationalen „ordre public“-Vorbehalt existieren insoweit nur, wenn das ausländische Recht universal anerkannten rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht.[136] Verfolgungshindernisse nach Tatortrecht (z.B. Verjährung oder fehlender Strafantrag) sind hingegen nach wohl herrschender Ansicht unbeachtlich, wenn die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts über das aktive oder passive Personalitätsprinzip begründet wird. In diesen Fällen wird schließlich – anders als bei dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege – originäre Strafgewalt ausgeübt.[137]