Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 29
4. Strafanwendungsrecht als Kollisionsrecht?
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In anderen Rechtsgebieten ist ein weitaus größeres Bemühen zu verzeichnen, internationale Sachverhalte nach einer einzigen Rechtsordnung zu regeln. So dient vor allem das Internationale Privatrecht dem Zweck, bei privatrechtlichen Sachverhalten mit Auslandsbezug aus mehreren denkbaren einschlägigen Rechtsordnungen diejenige auszuwählen, die allein anzuwenden bleibt.[240] Bei den entsprechenden Regelungen, die in Deutschland etwa in den Art. 3 ff. EGBGB zu finden sind, handelt es sich somit um echtes Kollisionsrecht.[241] Insoweit ist allerdings zu beachten, dass im Privatrecht bereits zahlreiche unionsrechtliche und staatsvertragliche Kollisionsnormen existieren, die – wie Art. 3 EGBGB ausdrücklich festhält – vorrangig heranzuziehen sind.[242]
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Ebenso sind dem Öffentlichen Recht Regelungen nicht fremd, die Kollisionen der einzelnen Hoheitsgewalten auflösen wollen, indem bei grenzüberschreitenden Sachverhalten das Verhältnis der eigenen zu anderen staatlichen Rechtsordnungen bestimmt wird.[243] Jedoch scheint eine intensivere Diskussion über ein „internationales öffentliches Recht“ – freilich nicht verstanden als Völkerrecht, sondern als nationales Kollisionsrecht – bislang kaum geführt zu werden.[244]
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Im Strafrecht beschränken sich die nationalen Gesetzgeber im Wesentlichen gleichfalls darauf, die Reichweite der Strafgewalt auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte einseitig zu bestimmen anstatt von vornherein Kollisionen durch entsprechende Regelungen zu vermeiden. Je weiter ein nationaler Gesetzgeber hierbei den Anwendungsbereich seiner Strafrechtsordnung im Allgemeinen zieht, desto wahrscheinlicher entstehen bei einer konkreten Tat Jurisdiktionskonflikte mit anderen Staaten. Allerdings muss ein extensives Strafanwendungsrecht nicht stets einem Bedürfnis des nationalen Gesetzgebers entspringen, sondern kann auch entsprechenden Vorgaben in völkerrechtlichen Regelungen geschuldet sein,[245] die (positive) Jurisdiktionskonflikte durch ein engmaschiges Netz nationaler Strafgewalten mehren wollen, damit gerade die Strafverfolgung von grenzüberschreitender Kriminalität gewährleistet wird.[246] Freilich ist die Ausgangslage bei Jurisdiktionskonflikten im Strafrecht gerade gegenüber dem Privatrecht zum einen insofern eine andere, als konkurrierende ausländische Regelungen ein Rechtsverhältnis widersprüchlich zu klären drohen, während bei konkurrierenden Strafgewalten in der Regel „nur“ eine Mehrfachsanktion droht, die ggf. noch auf anderem Wege vermieden werden könnte. Völlig ausgeschlossen scheint es allerdings nicht, dass widerstreitende nationale Rechtsordnungen den Normunterworfenen auch in ein Dilemma stürzen können, in dem sowohl ein aktives Tun nach der einen als auch dessen Unterlassen nach der anderen Rechtsordnung strafbar ist.[247] Zum anderen bliebe zu beachten, dass strafrechtliche Kollisionsregelungen nur die Voraussetzungen zum Gegenstand haben dürften, unter denen das eigene Recht angewendet werden kann; der unmittelbare Rückgriff nationaler Gerichte auf ausländische Strafvorschriften wird hingegen – anders als im Internationalen Privatrecht – bislang nicht diskutiert.[248]
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Eine Ursache für die bisher gezeigte Zurückhaltung gegenüber strafrechtlichen Kollisionsregelungen mag darin liegen, dass gerade die nationale Strafgewalt eines Staates als ein Ausdruck der hoheitlichen Macht angesehen wird[249] und in diesem Bereich daher nur ungern Kompetenzen abgegeben werden. Ein ähnliches Bild lässt sich bei der Diskussion um ein Europäisches Strafrecht bemerken, bei der – losgelöst von sämtlichen Bedenken an der konkreten Entwicklung und an der unzureichenden Berücksichtigung zentraler Rechtsprinzipien bei den europäischen Einflüssen auf die nationale Strafrechtsordnung – im Allgemeinen Zurückhaltung bei der Übertragung von Zuständigkeiten an den Tag gelegt wird.
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Solche durchaus nicht unberechtigten Bedenken einmal außer Acht gelassen, erweist sich im Strafrecht angesichts der wachsenden Zahl an Sachverhalten, in denen für ein und dasselbe Geschehen mehrere Staaten ihre Strafgewalt beanspruchen können, eine Abstimmung der Kompetenzbereiche indessen als zunehmend überlegenswert. Insoweit wird auch vermehrt auf das sog. Kompetenzverteilungsprinzip verwiesen, wonach die Staaten durch völkerrechtliche Vereinbarungen (insbesondere positive) Jurisdiktionskonflikte möglichst vermeiden und Doppelbestrafungen verhindern sollen.[250] Ob es sich hierbei allerdings um ein völkerrechtliches Prinzip und nicht nur um die Beschreibung eines berechtigten Anliegens und wünschenswerten Ziels handelt, erscheint fraglich. Zum einen vermag die Feststellung der fraglosen Notwendigkeit einer Konfliktlösung bei konkurrierenden Strafgewalten nicht die Diskussion um die hierfür erforderlichen Abgrenzungskriterien zu ersetzen.[251] Diese Kriterien dürfen zudem den völkerrechtlichen Charakter des Strafanwendungsrechts nicht außer Acht lassen.[252] Bereits geschlossene völkerrechtliche Verträge als Quelle heranzuziehen, drohte zum anderen bloße Zweckmäßigkeitsüberlegungen, auf denen Kompetenzabgrenzungen in den getroffenen Vereinbarungen beruhen, zu einem originären Prinzip zu überhöhen.[253]
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In nach wie vor häufiger Ermangelung völkerrechtlicher Vereinbarungen[254] erscheint auch eine Rangfolge der Anknüpfungspunkte für die nationalen Strafgewalten diskussionswürdig. So schlägt Ambos – grob skizziert[255] – vor, grundsätzlich dem Territorialitätsprinzip den generellen Vorrang einzuräumen, wobei die Anknüpfung an den Handlungsort gegenüber dem Erfolgsort vorgehe.[256] Gleichrangig sei aber grundsätzlich das Realprinzip einzustufen, während subsidiär in absteigender Reihenfolge das aktive Personalitätsprinzip, das passive Personalitätsprinzip und schließlich allenfalls ergänzend der Grundsatz stellvertretender Strafrechtspflege einzuordnen seien.[257] Das Weltrechtsprinzip sei gegenüber Territorialitäts- und Personalitätsprinzipien subsidiär, wenn der Territorialstaat zur Strafverfolgung willens und fähig sei.[258] Nicht von der Hand zu weisen sind freilich Bedenken im Hinblick auf die Relativität und die Interdependenz der einzelnen Anknüpfungspunkte. Es erscheint daher bei jedem Versuch einer Hierarchisierung der völkerrechtlichen Prinzipien zum Strafanwendungsrecht fraglich, ob ihm mehr als lediglich ein Programmcharakter zukommt.[259]
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Sollte es nicht zu einer Abstimmung der nationalen Strafgewalten kommen, wäre es zumindest wünschenswert, eine mehrfache Strafverfolgung in verschiedenen Staaten wegen ein und derselben Tat zu verhindern. Allerdings ist im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr der „ne bis in idem“-Grundsatz nicht anerkannt,[260] wenngleich immerhin erste Regelungen (z.B. in Art. 54 SDÜ sowie in Art. 50 EuGrCh)[261] existieren. Auch Art. 103 Abs. 3 GG kann insoweit kein Verbot einer Mehrfachbestrafung entnommen werden, da die Norm nur für Entscheidungen deutscher Gerichte gilt.[262] In Deutschland wird lediglich eine im Ausland verhängte und vollstreckte Strafe gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 StGB auf die von einem inländischen Gericht ausgesprochene Strafe angerechnet.[263] Außerdem steht der Staatsanwaltschaft gemäß § 153c Abs. 2 StPO die verfahrensrechtliche Möglichkeit offen, von der Verfolgung einer Tat unter bestimmten Umständen abzusehen (Rn. 122).
7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts › § 31 Räumlicher Geltungsbereich › D. Rechtsvergleich
D. Rechtsvergleich
I. Das Strafanwendungsrecht in Österreich
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Das österreichische Strafanwendungsrecht in den §§ 62 ff. öStGB ist mit seiner deutschen Entsprechung in den §§ 3 ff. StGB weitgehend vergleichbar. Gemeinsam ist beiden Regelungskomplexen zunächst, dass es sich hierbei jeweils nicht um Kollisionsrecht handelt.[264] Außerdem werden die gleichen völkerrechtlichen Prinzipien bemüht, um die Reichweite der nationalen Strafgewalt zu bestimmen und bei Sachverhalten mit Auslandsberührung den notwendigen legitimierenden Anknüpfungspunkt zu bezeichnen.[265] Wiederum wird schließlich die inländische Gerichtsbarkeit als objektive Bedingung der Strafbarkeit angesehen.[266]
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Das primäre völkerrechtliche Prinzip stellt auch im österreichischen Strafanwendungsrecht das Territorialitätsprinzip dar (§ 62 öStGB), das – wie in Deutschland – durch das Flaggenprinzip (§ 63 öStGB) ergänzt wird. Weitere völkerrechtliche Prinzipien, namentlich das Realprinzip (siehe z.B. § 64 Abs. 1 Z. 1 und 3 öStGB), das aktive (§ 64 Abs. 1 Z. 2a, Z. 4a, Z. 4b, Z. 9 und Z. 10 öStGB) wie passive Personalitätsprinzip (§ 64 Abs. 1 Z. 4a lit. a und Z. 7 öStGB), das Weltrechtsprinzip (§ 64 Abs. 1 Z. 1, Z. 5 und 6) sowie das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege (§ 64 Z. 5 lit. d, Z. 9 lit. f und Z. 10, § 65 Abs. 1 Z. 2 öStGB) werden in § 64 und § 65 öStGB aufgegriffen. Diese Vorschriften unterscheiden sich dadurch, dass § 64 öStGB anders als § 65 öStGB keine Strafbarkeit nach dem Recht des Tatorts voraussetzt. Im Groben lassen sich diese Regelungen und die darin zum Ausdruck kommenden Prinzipien mit den §§ 5, 6 StGB einerseits und mit § 7 StGB andererseits vergleichen. Stets setzt die Anwendbarkeit des nationalen Strafrechts – ebenso wie nach deutscher Rechtslage – zudem voraus, dass der jeweilige Straftatbestand nicht allein innerstaatliche Interessen schützt, was sich im Wege seiner Auslegung ergibt.[267]
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Ähnlich wie in § 5 StGB werden auch in § 64 öStGB die einzelnen völkerrechtlichen Prinzipien mitunter scheinbar nach Belieben kombiniert.[268] Insoweit darf vor allem auf § 64 Abs. 1 Z. 7 öStGB verwiesen werden, der sämtliche Auslandstaten eines Österreichers gegenüber einem Österreicher, sofern beide zum Zeitpunkt der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten, der inländischen Gerichtsbarkeit unterwirft und somit eine Kombination aus passivem und aktivem Personalitätsprinzip wie Wohnsitz- und Domizilprinzip darstellt.[269] Generell lässt sich bei § 64 öStGB ein andauernder Wandel und eine stete Erweiterung beobachten, der internationalen Verpflichtungen Österreichs und deren Umsetzung geschuldet ist; hiermit gehen allerdings ein zunehmender Mangel an Systematisierung der Vorschrift und sich überschneidende Anwendungsbereiche einzelner Ziffern einher.[270]
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Sofern eine Auslandstat nicht von §§ 63, 64 öStGB erfasst ist, kommt – subsidiär[271] – eine Anwendung des österreichischen Strafrechts noch nach § 65 öStGB in Betracht. Während dessen Abs. 1 Z. 1 an die österreichische Staatsbürgerschaft des Täters anknüpft und sich daher auch als Ausprägung des aktiven Personalitätsprinzips begreifen lässt, liegt Abs. 1 Z. 2 das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege zugrunde.[272] Das passive Personalitätsprinzip greift § 65 öStGB – anders als § 7 Abs. 1 StGB – nicht auf. § 65 Abs. 1 öStGB setzt eine Strafbarkeit auch nach dem Recht des Tatorts voraus, d.h. die Tat muss im Ausland strafbar sein, ohne dass Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe eingreifen.[273] Eine Ausnahme von diesem Prinzip der „identen Norm“[274] gilt gemäß § 65 Abs. 3 öStGB, wenn an dem Tatort keine Strafgewalt besteht; dann genügt allein die Strafbarkeit der Tat nach österreichischem Recht.
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Der Begehungsort einer Tat ergibt sich aus § 67 Abs. 2 öStGB. Danach ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter handelt oder hätte handeln sollen oder an dem der dem Tatbild entsprechende Erfolg eintritt oder nach Tätervorstellung hätte eintreten sollen. Ebenso wie durch § 9 Abs. 1 StGB werden somit Handlungs- und Erfolgstheorie kombiniert und bestimmt sich der Tatort demzufolge nach der Ubiquitätstheorie.[275] Für die Anwendbarkeit des österreichischen Strafrechts genügt hierbei die Belegenheit eines der beiden Orte im Inland, so dass auch grenzüberschreitende Distanzdelikte dem österreichischen Recht unterfallen.[276] Bei Transitdelikten wird hingegen ein Begehungsort nach § 67 Abs. 2 öStGB wegen des zu geringen Inlandsbezugs abgelehnt.[277]
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Um einen inländischen Handlungsort zu begründen, genügt es, nur einen Teil des deliktischen Verhaltens im Inland vorzunehmen, z.B. bei mehraktigen Delikten einen einzelne Teilakt oder bei Dauerdelikten eine einzelne Phase im Inland zu begehen.[278] Für den Erfolgsort reicht der Eintritt eines Teil- oder Zwischenerfolgs ebenso aus wie die Realisierung einer schweren Folge bei einer Erfolgsqualifikation nach § 7 Abs. 2 öStGB oder einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit.[279] Erfolg wird ähnlich wie in Deutschland als jedes von der Tathandlung abtrennbare, vom Tatbestand vorausgesetzte Ereignis in der Außenwelt verstanden, das zur Vollendung des gesamten Unrechts notwendig ist.[280]
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Einen Erfolgsort weisen neben Verletzungsdelikten auch konkrete Gefährdungsdelikte auf, bei denen der Erfolg in dem Eintritt der tatbestandlichen konkreten Gefahr besteht.[281] Demgegenüber stellt eine lediglich abstrakte Gefahr für das jeweils geschützte Rechtsgut nach wohl herrschender Ansicht in Österreich keinen Erfolg im Sinne des § 67 Abs. 2 öStGB dar.[282] Folglich bildet bei abstrakten (ebenso wie bei potentiellen) Gefährdungsdelikten der Handlungsort den einzigen Anknüpfungspunkt, um einen inländischen Tatort zu begründen.[283] Gleiches gilt für schlichte Tätigkeitsdelikte.[284]
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Bei mehreren Tatbeteiligten bestimmt sich der Tatort zunächst nach dem Ort der eigenen Handlung oder Unterlassung des jeweiligen Beteiligten, die demzufolge bei ein und derselben Tat unterschiedliche Tatorte aufweisen können.[285] Insoweit bleibt vorab zu bemerken, dass das österreichische Strafrecht in § 12 öStGB dem Einheitstätersystem folgt, so dass jeder Beteiligte an einer Tat, sei es der unmittelbare Ausführungstäter, der Bestimmungs- oder der Beitragstäter, als Täter anzusehen ist. Da § 67 öStGB auf den Täter abstellt, ist für jeden Beteiligten der Tatort gesondert zu bestimmen. Insbesondere kann nicht etwa der Tatort des unmittelbaren Ausführungstäters den anderen Beteiligten zugerechnet werden.[286] Bei einer Auslandstat des unmittelbaren Täters unterfällt daher jeder inländische Tatbeitrag eines sonstigen Täters, auch wenn er lediglich Bestimmungs- oder Beitragstäter ist, dem österreichischen Strafrecht,[287] und zwar unabhängig von dem ausländischen Tatortrecht.[288] Andererseits gilt für jeden im Ausland handelnden Beteiligten das österreichische Strafrecht, wenn der tatbestandliche Erfolg im Inland eintritt oder hätte eintreten sollen.[289]
II. Das Strafanwendungsrecht in der Schweiz
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In der Schweiz ist das Strafanwendungsrecht in den Art. 3 bis 8 schwStGB normiert. Auch hier gilt das eigene Staatsgebiet als primärer Anknüpfungspunkt für die nationale Strafgewalt und wird demzufolge dem Territorialitätsprinzip (Art. 3 schwStGB) der Vorrang vor allen anderen Prinzipien eingeräumt.[290] Das Flaggenprinzip wurde zwar nicht ausdrücklich im schwStGB aufgegriffen. Jedoch werden auch ohne explizite Normierung alle Taten als in der Schweiz ausgeübt angesehen, die auf schweizerischen Schiffen und Luftfahrzeugen begangen werden.[291]
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Außer dem Territorialitätsprinzip bemüht das schwStGB in seinem Art. 4 Abs. 1 das Staatsschutzprinzip, wonach abschließend genannte inländische Strafnormen auch auf Auslandstaten angewendet werden, die sich gegen den Staat oder die Landesverteidigung richten. Ebenso ist gemäß Art. 5 schwStGB das Schweizer Strafrecht anwendbar auf einen abschließenden Katalog von Auslandstaten, die gegen Kinder oder Jugendliche verübt werden und überwiegend deren sexuelles Selbstbestimmungsrecht schützen. Auf das Recht des Tatorts kommt es hierbei nicht an. Allerdings muss sich der Täter in der Schweiz befinden und darf nicht ausgeliefert werden. Auf das Weltrechtsprinzip wird insbesondere in Art. 6 schwStGB zurückgegriffen,[292] beschränkt auf Auslandstaten, zu deren Verfolgung die Schweiz infolge eines internationalen Übereinkommens verpflichtet ist. Allerdings muss die jeweilige Tat auch an ihrem Begehungsort strafbar sein bzw. darf dieser keiner Strafgewalt unterliegen. Zudem muss sich der Täter wiederum in der Schweiz befinden, ohne allerdings ausgeliefert zu werden. Das aktive und das passive Personalitätsprinzip finden sich in dem – gegenüber Art. 4 bis 6 subsidiären – Art. 7 schwStGB wieder.[293] Bei der jeweiligen Straftat muss es sich um ein Auslieferungsdelikt handeln, das sowohl in der Schweiz als auch nach dem Recht des Tatorts strafbar ist, sofern dieser einer Strafgewalt unterliegt. Außerdem muss sich der Täter wiederum in der Schweiz befinden oder ihr wegen der ihm vorgeworfenen Straftat ausgeliefert werden, und er muss trotz zulässiger Auslieferung nach schweizerischem Recht aus irgendeinem Grund (z.B. mangels Auslieferungsbegehren) nicht ausgeliefert werden dürfen.[294]
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Der Begehungsort einer Tat wird auch im schwStGB nach dem Ubiquitätsprinzip bestimmt (Art. 3 i.V.m. Art. 8 schwStGB).[295] Eine Tat gilt danach an jedem Ort als begangen, an dem der Täter sie ausführt bzw. an dem der Erfolg tatsächlich eintritt (Art. 8 Abs. 1 schwStGB) bzw. an dem der Täter den Versuch ausführt bzw. der Erfolg nach seiner Vorstellung eintreten sollte (Art. 8 Abs. 2 schwStGB). Bei Unterlassungsdelikten ist derjenige Ort maßgeblich, an dem der Täter pflichtwidrig untätig bleibt (Art. 8 Abs. 1 schwStGB). Bei Distanzdelikten genügt es somit für die Anwendbarkeit des Schweizer Strafrechts, dass der Ausführungs- oder der Erfolgsort in der Schweiz liegt.[296]
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Bei Mittätern begründet jede Handlung, die auch nur einer der Mittäter im Inland vorgenommen hat, die Anwendbarkeit des Schweizer Strafrechts auf sämtliche Mittäter.[297] Ähnlich gilt bei der mittelbaren Täterschaft als Ausführungsort sowohl der Ort, an dem der Hintermann handelt, als auch der Handlungsort des Tatmittlers.[298] Bei der Teilnahme liegt der Begehungsort – mangels einer dem § 9 Abs. 2 StGB vergleichbaren Regelung – nach den allgemeinen Akzessorietätsregeln hingegen allein an dem (ausländischen) Ort, an dem die Tat selbst verübt wird.[299]
7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts › § 31 Räumlicher Geltungsbereich › E. Bezüge zum Strafverfahrensrecht
E. Bezüge zum Strafverfahrensrecht
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Die Erwägungen im Hauptteil, nicht zuletzt zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen, haben aufgezeigt, dass sich eine rechtliche befriedigende Lösung zur Bestimmung wie Begrenzung der Reichweite der nationalen Strafgewalt mitunter nur schwer finden lässt. Demzufolge wären Plädoyers für „praxisorientierte“ Wege denkbar, die eine sinnvolle Beschränkung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts gewährleisten sollen. Solche Ansätze könnten entweder auf die generell bestehenden Entscheidungsspielräume der Staatsanwaltschaften und der Gerichte über die Vorschriften zur Einstellung nicht zuletzt der §§ 153 ff. StPO oder auf die speziell hierfür geschaffenen Regelungen wie insbesondere § 153c oder auch § 153f StPO für Straftatbestände des Völkerstrafgesetzbuches verweisen.
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So gestattet vor allem § 153c Abs. 1 S. 1 StPO der Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung einer Straftat abzusehen, die nicht im Inland begangen wurde bzw. an der im Inland lediglich eine Teilnahme erfolgte (Nr. 1) bzw. die ein Ausländer im Inland auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug begangen hat (Nr. 2). Nach § 153c Abs. 2 StPO kann die Staatsanwaltschaft außerdem von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn wegen der Tat im Ausland schon eine Strafe gegen den Beschuldigten vollstreckt worden ist und die im Inland zu erwartende Strafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Gewicht fiele oder der Beschuldigte wegen der Tat im Ausland rechtskräftig freigesprochen worden ist. Schließlich ermöglicht § 153c Abs. 3 StPO bei Distanztaten ein Absehen von der Verfolgung von Straftaten, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.[300]
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Die Entscheidung steht jeweils im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft.[301] Eine Einstellung nach § 153c Abs. 1 StPO kommt nach RiStBV Nr. 94 Abs. 1 S. 2 insbesondere dann in Betracht, wenn die in § 153c Abs. 2 StPO bezeichneten Gründe vorliegen können, wenn eine Strafverfolgung zu unbilligen Härten führen würde oder ein öffentliches Interesse an der strafrechtlichen Ahndung nicht oder nicht mehr besteht. Umgekehrt kann sich das Verfolgungsermessen im Sinne einer Verfolgungspflicht auf Null reduzieren, wenn dies in völkerrechtlichen Abkommen entsprechend vorgesehen ist.[302]
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§ 153f StPO ermöglicht es außerdem der Staatsanwaltschaft, unter bestimmten Voraussetzungen von der Verfolgung von Straftaten gemäß §§ 6 bis 14 VStGB in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO abzusehen. Ein entsprechendes Ermessen ist unter anderem eröffnet, wenn sich der Beschuldigte nicht im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist (Abs. 1 S. 1) bzw. wenn kein Tatverdacht gegen einen Deutschen besteht, die Tat nicht gegen einen Deutschen begangen wurde, kein Tatverdächtiger sich im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist und die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder durch einen Staat, auf dessen Gebiet die Tat begangen wurde, dessen Angehöriger der Tat verdächtig ist oder dessen Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt wird (Abs. 2 S. 1).[303]
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Solche Einstellungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft erlauben zwar im Einzelfall eine sinnvolle Selbstbegrenzung des staatlichen Strafanspruchs. Sie vermögen aber nicht die notwendige Diskussion zu ersetzen, wie weit in bestimmten Fallgruppen im Allgemeinen die nationale Strafgewalt unter Beachtung völkerrechtlicher Grundsätze reicht. Zum einen bleibt zu bedenken, dass der Ermessensspielraum der Staatsanwaltschaft weit und gerichtlich nicht überprüfbar ist.[304] Zum anderen kann den Strafverfolgungsbehörden ein Ermessen ohnehin nur eingeräumt werden, soweit die Anwendung des nationalen Strafrechts im jeweiligen Fall überhaupt zulässig bleibt. Sogleich auf die Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden zu verweisen, bedeutet, diese entscheidende Vorfrage nicht zu stellen und somit grundsätzlich von einer (mitunter zu) weiten Beanspruchung nationaler Strafgewalt auszugehen, deren notwendige Korrektur dann den Strafverfolgungsbehörden anvertraut würde. Zumal die Entscheidung, welche Staatsgewalt sich der Gesetzgeber bei grenzüberschreitenden Delikten zugestehen will, in seiner eigenen Verantwortung liegt, ist insoweit einer Lösung über die Auslegung der „materiell-strafanwendungsrechtlichen“ Regelungen insbesondere der §§ 3 ff. StGB der Vorzug gegenüber einem „prozessualen Weg“ über Einstellungsvorschriften der StPO zu geben.
7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts › § 31 Räumlicher Geltungsbereich › F. Fazit