Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 9

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[130]

Diese Entwicklung lässt sich übrigens gerade im von Liszt’schen Lehrbuch selbst ablesen.

[131]

Man stelle sich als Gedankenexperiment eine Situation vor, in welcher der „Erz-Naturalist“ Franz von Liszt mit dieser Aussage konfrontiert würde – es spricht sehr wenig dafür, dass er sie ablehnen würde.

[132]

Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Strafrechts → AT Bd. 1: Schmahl, § 2.

[133]

Welzel, JuS 1966, S. 421.

[134]

Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT, § 8 Rn. 7; Kindhäuser, AT, § 6 Rn. 10 ff.

[135]

Siehe nur Roxin, AT Bd. 1, § 1 Rn. 7 f. Zur internationalen Diskussion vgl. die Beiträge in Eser/Fletcher (Hrsg.), Rechtfertigung und Entschuldigung I und II, 1987 und 1988; Eser/Perron (Hrsg.), Rechtfertigung und Entschuldigung III, 1991; Eser/Nishihara (Hrsg.), Rechtfertigung und Entschuldigung IV, 1995, vertiefend Ida, Die heutige japanische Diskussion über das Straftatsystem, S. 85 f. und passim.; Mir Puig, Das Strafrechtssystem im heutigen Europa, in: Bausteine des europäischen Strafrechts. Coimbra-Symposium für Claus Roxin, hrsg. von Schünemann/de Figueiredo Dias, 1995, S. 35 ff.

[136]

Zur Dogmengeschichte Lampe, Das personale Unrecht, S. 13 ff.; Mezger, GS 89 (1924), S. 207 ff.

[137]

Jescheck/Weigend, AT, § 39 I 1, S. 425.

[138]

Dazu zählen etwa Lesch, Der Verbrechensbegriff. Grundlinien einer funktionalen Revision, 1999, S. 1 ff., 276 ff.; Pawlik, Das Unrecht des Bürgers. Grundlinien der allgemeinen Verbrechenslehre, 2012, S. 257 ff.; Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, S. 102 ff. und Walter, Der Kern des Strafrechts. Die allgemeine Lehre vom Verbrechen und die Lehre vom Irrtum, 2006, S. 81 ff.; 108 ff.; Überzeugende Kritik bei Greco, GA 2009, 636 ff.

[139]

Pawlik, Otto-FS, S. 133, 149.

[140]

Etwa in dem Sinne, dass Notwehr gegen eine schuldloses Verhalten zulässig bleibt, gegen ein gerechtfertigtes Verhalten aber nicht.

[141]

Wie etwa bei Zabel, Die Ordnung des Strafrechts. Zum Funktionswandel von Normen, Zurechnung und Verfahren, S. 572 ff.

[142]

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 95 (Zitat i.O.). In der Werkausgabe Bd, 7, 1970, findet sich die zitierte Passage auf S. 181.

[143]

Pawlik, Otto-FS, S. 133, 142.

[144]

Pawlik, Otto-FS, S. 133, 141. Siehe auch o. Rn. 8 ff. zum „ideellen Verbrechensbegriff“.

[145]

Ein Hauptproblem stellt das Postulat der Willensfreiheit dar. Die andauernden Schwierigkeiten, dieses Postulat auch nur in eine prüfbare Form zu bringen, deuten darauf hin, dass schon Fragestellungen wie „Kann der Mensch frei entscheiden?“ falsch formuliert sind.

[146]

Roxin, AT, Bd. 1, § 19 Rn. 1 ff. (Erweiterung des Schuldkonzepts um Gesichtsunkte der Prävention); weitergehend Jakobs, Schuld und Prävention, 1976.

[147]

Pawlik, Otto-FS, S. 133, 143.

[148]

Der vielleicht bekannteste Ausdruck dieser Kollektivierung von Individualinteressen ist das in der NS-Zeit weit verbreitete Motto „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, dazu Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974; siehe auch Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, 1975, S. 28 ff. zur Kritik der Vertreter der damaligen „antiliberalen“ Strafrechtswissenschaft an der klassischen und an der modernen Schule.

[149]

Hegels Apotheose des (preußischen) Staats wurde im 20. Jahrhundert vor allem im Kontext einer Vorgeschichte des Dritten Reichs thematisiert, vgl. etwa Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (1945), Bd. 2, 7. Aufl. 1992, Kap. 12; Russel, History of Western Philosophy (1946), 1984, S. 709 ff., vgl. auch Kiesewetter, Von Hegel zu Hitler. Die politische Verwirklichung einer totalitären Machtstaatstheorie in Deutschland (1815 – 1945), 2. Aufl. 1995 (S. 278 ff.; 290 ff.; 294 ff.; 313 ff. zur Rechtswissenschaft). Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, 1975, S. 75 verweist auf die enge Verbindung der Staatstheorie Hegels zur „organischen Machtstaatsideologie der antiliberalen Strafrechtswissenschaft“.

[150]

So Pawlik, Otto-FS, S. 133, 143.

[151]

Frisch, GA 2019, 181 ff., 196 ff.

[152]

Frisch, GA 2019, 197.

[153]

Frisch, GA 2019, 198.

[154]

Frisch, GA 2019, 199.

[155]

Frisch, GA 2919, 201.

[156]

Es ist auffällig (und erklärungsbedürftig), dass in der Strafrechtsdogmatik und ihrer Grundlagenforschung (anders als in der Kriminologie) immer noch das alte Bindingsche Konzept der „Verhaltensnorm“ verwendet und fortentwickelt wird, ohne den Schulterschluss mit den modernen Sozialwissenschaften und deren Konzept der „sozialen Norm“ zu suchen, dazu → AT Bd. 1: Hilgendorf, § 1 Rn. 6 ff. Ein wenig mehr Interdisziplinarität könnte der Debatte gut tun. Zur Theorie der Verhaltensnorm zuletzt Schneider/Wagner (Hrsg.), Normentheorie und Strafrecht, 2018.

[157]

Zumal die einschlägigen sozialen Normen in aller Regel auf Moral und Religion gestützt werden, dazu → AT Bd. 1: Hilgendorf, § 1 Rn. 25 ff.; 86 ff.

[158]

A.A. Frisch, GA 2019, 201.

[159]

SK-Jäger, § 1 Rn. 34.

[160]

Frisch, GA 2019, 185, 202.

[161]

Frisch, GA 2019, 185, 202.

[162]

Frisch, GA 2019, 185, 203. Siehe auch Roxin, AT, Bd. 1, § 19, Rn. 1 ff., 37 ff. zur Kategorie der „Strafbedürftigkeit“.

[163]

S.o. Rn. 17 zur Entwicklung des postsowjetischen Strafrechts am Beispiel Chinas.

[164]

Das gilt etwa für die Stellung der Prüfung der Zumutbarkeit bei unechten Unterlassungsdelikten im objektiven Tatbestand oder in der Schuld.

[165]

Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, 3. Aufl. 2014, S. 35.

[166]

Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 59.

[167]

Rottleuthner, Rechtstheorie und Rechtssoziologie, 1981, S. 13 f.

[168]

Vgl. nur Hare, Die Sprache der Moral (1952), dt. 1972, S. 21, der Imperative und Werturteile als die beiden Kernelemente der vorschreibenden Sprache bezeichnet.

[169]

Einschlägige Texte sind gesammelt in: Grewendorf/Meggle (Hrsg.), Seminar. Sprache und Ethik. Zur Entwicklung der Metaethik, 1974; Heinrichs/Heinrichs (Hrsg.), Metaethik. Klassische Texte, 2016.

[170]

G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1928, S. 338 ff.

[171]

Diese Begriffsverwendung sollte vom Erfordernis einer Eigenwertung unterschieden werden, vgl. u. Rn. 95.

[172]

Die Rede von der Rechtswissenschaft als einer normativen Disziplin ist allerdings nicht unproblematisch, denn es wird selten geklärt, aus welchem Grund diese Bezeichnung gewählt werden soll. Man könnte argumentieren, dass im Gegenstandsbereich der Rechtswissenschaft Normen vorkommen. Aber die empirische Soziologie hat es ebenfalls mit Normen zu tun, etwa Normen kultureller oder individueller Art, daneben durchaus auch mit Rechtsnormen. Auf diese Weise lässt sich der spezifisch „normative“ Charakter der Rechtswissenschaft also kaum begründen. Man beachte, dass die Rechtswissenschaft auch dann deskriptiv arbeiten könnte, wenn sie Normen zu ihrem Gegenstand macht. Näher → AT Bd. 1: Hilgendorf, § 1 Rn. 77 f. und unten Rn. 98.

[173]

Statt aller Roxin, AT, Bd. 1, § 11 Rn. 44 ff.

[174]

Hilgendorf, GA 1995, 515, 533 (zum „Erfolg in seiner konkreten Gestalt“).

[175]

Sie beruhen also auf Entscheidungen, die nicht wahr oder falsch sind, sondern nur mehr oder weniger adäquat (oder zweckmäßig).

[176]

Lenckner, JuS 1968, 304 ff.

[177]

Jescheck/Weigend, AT, § 25 II; Kindhäuser, AT, § 8 Rn. 3; anders die „Lehre von den offenen Tatbeständen“, Welzel, AT, § 14 I 2b.

[178]

Kindhäuser, AT, § 9 Rn. 10 f. unter Verweis auf Kühl, AT, § 5 Rn. 92; Roxin, AT, Bd. 1, § 10 Rn. 60. Weiterführend Kuhli, Normative Tatbestandsmerkmale in der strafrichterlichen Rechtsanwendung: Institutionelle, rechtsverweisende und dichte Elemente im Strafrecht, 2018.

[179]

Böckenförde, Artikel „Normativismus“, in: Gründer/Ritter (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 6, 1984, Spalte 932.

[180]

Näher Rüthers, Entartetes Recht. Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten Reich, 2. Aufl. 1989/1994, S. 54 ff.

[181]

Wobei gewisse Ähnlichkeiten in der durchaus schillernden Sprachverwendung nicht abgestritten werden sollen.

[182]

S.o. Rn. 24 zu den Adäquatheitsbedingungen von Definitionen.

[183]

S.o. Rn. 23 zum ,Konventionalismus‘ als sprachphilosophischer Position.

[184]

Bekannt ist die gegen Welzel gerichtete Aussage von Günther Jakobs im Vorwort zur 1. Aufl. seines Lehrbuchs zum Allgemeinen Teil: Die „ontologisierende Strafrechtsdogmatik zerbricht, und zwar gründlicher, als sie je bewusst etabliert worden ist“, Jakobs, AT, 2. Aufl. 1991, S. VII.

[185]

S.o. Rn. 4 f.

6. Abschnitt: Die Straftat › § 28 Handlung

Claus Roxin

§ 28 Handlung

A.Die Funktionen des Handlungsbegriffs1 – 3

B.Die systematische Funktion des Handlungsbegriffs4 – 23

I.Die kausale Handlungslehre4, 5

II.Der finale Handlungsbegriff6 – 8

III.Stellungnahme9 – 20

IV.Handlung als Straftat oder als normwidriges Verhalten21 – 23

C.Die Anknüpfungsfunktion des Handlungsbegriffs24 – 100

I.Der Streit um die Notwendigkeit eines Handlungsbegriffs als Gegenstand strafrechtlicher Bewertungen24 – 29

II.Handlung als menschliches Verhalten30 – 32

III.Der natürliche Handlungsbegriff33 – 45

IV.Der negative Handlungsbegriff46 – 55

V.Der soziale Handlungsbegriff56 – 69

VI.Der personale Handlungsbegriff70 – 93

1.Die Entwicklung der Konzeption70 – 80

2.Vertreter einer personalen Handlungslehre81, 82

3.Kritik am personalen Handlungsbegriff83 – 93

VII.Die systematische Verortung des Handlungsbegriffs94 – 100

D.Die Filterfunktion des Handlungsbegriffs101 – 128

I.Gedanken, Gesinnungen, Einstellungen106 – 108

II.Akte von Verbänden und juristischen Personen109 – 111

III.Wirkungen bloßer Körperlichkeit oder körperlicher Handlungsunfähigkeit112 – 114

IV.Geschehnisse im Zustand der Bewusstlosigkeit115 – 120

V.Reflex- und Schockreaktionen, Automatismen, Affekttaten121 – 126

VI.Besitzdelikte127, 128

E.Fazit129, 130

Ausgewählte Literatur

6. Abschnitt: Die Straftat › § 28 Handlung › A. Die Funktionen des Handlungsbegriffs

A. Die Funktionen des Handlungsbegriffs

1

Dem Handlungsbegriff sind in der deutschen Strafrechtsdogmatik im Wesentlichen drei Funktionen zugewiesen worden. Erstens haben die „kausale“ und die „finale“ Handlungslehre dem Handlungsbegriff eine für den Aufbau des Verbrechenssystems (und damit auch für den Inhalt von Unrecht und Schuld) zentrale Rolle beigemessen. Der Umstand, dass die finale Handlungslehre aus ihrer Konzeption auch weitreichende praktische Folgerungen im Bereich des Irrtums und der Teilnahme abgeleitet hat, hat die Handlungslehre zeitweilig (besonders um die Mitte des 20. Jahrhunderts) in das Zentrum der strafrechtlichen Grundlagendiskussion gerückt.

2

Neben diese systematische Funktion tritt zweitens die Anknüpfungsfunktion des Handlungsbegriffs. Er soll ein allen Erscheinungsformen strafbaren Verhaltens gemeinsames Kriterium liefern, an das die stufenweise zu prüfenden Bewertungen der Handlung (Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld) angeschlossen werden können.

3

Aus der Anknüpfungsfunktion der Handlung ergibt sich drittens ihre Filterfunktion, durch die alle von Menschen ausgehenden Wirkungen, die dem Anknüpfungskriterium nicht entsprechen, aus dem Bereich strafrechtlicher Prüfung von vornherein ausgeschieden werden.

6. Abschnitt: Die Straftat › § 28 Handlung › B. Die systematische Funktion des Handlungsbegriffs

B. Die systematische Funktion des Handlungsbegriffs

I. Die kausale Handlungslehre

4

Nach dem kausalen Handlungsbegriff, der vor allem auf Franz von Liszt (1851–1919), Ernst von Beling (1866–1932) und Gustav Radbruch (1878–1949) zurückgeht, ist Handlung „die auf menschliches Wollen zurückführbare Bewirkung einer Veränderung in der Außenwelt“[1]. Das „Wollen“, das auch als „Willkürakt“ oder als „willkürliches Verhalten“ bezeichnet wurde, wird dabei vom Willensinhalt gelöst, der als für das Vorliegen einer Handlung gleichgültig beurteilt wird. Das von diesem Handlungsbegriff verlangte Wollen setzt nur voraus, dass das Verhalten „frei von mechanischem oder physiologischen Zwang durch Vorstellungen motiviert wird“[2]. In entsprechender Weise verstand Beling[3] die Handlung als „eine vom Willen überhaupt getragene Körperbewegung oder Regungslosigkeit“.

5

Auf diesen Grundgedanken beruht das sog. klassische Verbrechenssystem, das den Tatbestand als eine „gewillkürte“ objektive und wertfreie Erfolgsverursachung verstand und alle subjektiven Elemente des Deliktsgeschehens, vor allem den Vorsatz, der Schuld zuwies. Auch Radbruch[4] votierte für einen Handlungsbegriff, „der lediglich Kausalität des Willens für die Tat fordert und die Frage, welches der Inhalt des Wollens war, gänzlich der Schuldfrage zuweist“. Die Unterscheidung der zentralen Verbrechenskategorien „Unrecht“ und „Schuld“ nach objektiven und subjektiven Deliktselementen, die das klassische System kennzeichnet, ist also unmittelbar aus dem kausalen Handlungsbegriff abgeleitet.

II. Der finale Handlungsbegriff

6

Dem trat die von Hans Welzel (1904–1977) begründete finale Handlungslehre entgegen, die um die Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland und international erhebliche Resonanz gefunden hat. Für Welzel ist die menschliche Handlung „Ausübung der Zwecktätigkeit. Handlung ist darum ‚finales‘, nicht lediglich ‚kausales‘ Geschehen.“[5] Die Finalität oder Zweckhaftigkeit der Handlung beruhe darauf, dass der Mensch sich „verschiedenartige Ziele setzen und sein Tätigwerden auf diese Zielerreichung hin planvoll lenken kann“. Es genügt daher dieser Konzeption für die Annahme einer Handlung nicht, dass das Geschehen überhaupt auf einem irgendwie gearteten Wollen beruht. Die Handlung umfasst vielmehr auch den konkreten Erfolg und die zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel. Der Vorsatz ist also schon Bestandteil der Handlung.

7

Unrecht und Schuld unterscheiden sich danach nicht mehr nach den Merkmalen des Objektiven und Subjektiven. Vielmehr setzt das Unrecht neben der Verursachung des Erfolges immer auch die fehlerhafte Willensbildung (Vorsatz oder Sorgfaltswidrigkeit) voraus, während die Schuld durch die Vorwerfbarkeit gekennzeichnet wird.

8

Aus der dadurch bedingten Verschiebung des Vorsatzes von der Schuld in den Tatbestand hat die finale Handlungslehre erhebliche praktische Konsequenzen abgeleitet. Da das Unrechtsbewusstsein kein Bestandteil der Finalsteuerung ist, ist es keine Voraussetzung des Vorsatzes. Sein Fehlen kann also – anders als die sog. Vorsatztheorie angenommen hatte – nicht den Vorsatz, sondern lediglich im Falle fehlender Vorwerfbarkeit die Schuld ausschließen. Diese sog. Schuldtheorie ist vom BGH[6] und vom Gesetzgeber des Allgemeinen Teils (1975) übernommen worden (§ 17 StGB). Auch das vom Gesetzgeber aufgestellte Erfordernis, dass jede Teilnahme eine vorsätzliche Haupttat voraussetzt (§§ 26, 27 StGB), ist aus der Zugehörigkeit des Vorsatzes zum Tatbestand abgeleitet worden.

III. Stellungnahme

9

Nach heutigem Verständnis ist die Bedeutung des Handlungsbegriffs durch die Befürworter seiner systematischen Funktion überschätzt worden. Richtigerweise kann der Handlungsbegriff den Aufbau des Strafrechtssystems und konkrete Problemlösungen nicht präjudizieren.

10

Das gilt zunächst für den kausalen Handlungsbegriff. Eine „gewillkürte Außenweltveränderung oder -nichtveränderung“ bietet keine Grundlage für die Annahme einer Tatbestandserfüllung. Denn die Tatbestandshandlung ist ohne ihre subjektiven Elemente und ohne ihre soziale Sinndimension nicht sachgerecht erfassbar.

11

Es gibt – um dies an zwei zentralen Tatbeständen zu verdeutlichen – keine „objektive“ Diebstahls- oder Betrugshandlung. Vielmehr sind Zueignungsabsicht, Täuschung und Bereicherungsabsicht wie auch der Wegnahme- und Schädigungsvorsatz Bestandteile des tatbestandlichen Handlungsgeschehens, die von ihrer objektiven Wirkung in der Außenwelt nicht zu trennen sind.

12

Entsprechendes gilt für den sozialen Sinn des Handelns. Wer nicht erkennt, dass die von ihm weggenommene Sache „fremd“ ist oder wer einen fälligen Rechtsanspruch auf den erlangten Vermögensvorteil zu haben glaubt, begeht keine Tatbestandshandlung im Sinne der §§ 242, 263 StGB.

13

Eine Tatbestandshandlung ist also weit mehr als eine objektiv-kausale Gewahrsams- oder Vermögensverschiebung. Die Folgerungen, die aus der kausalen Handlungslehre für den Aufbau des „klassischen“ Strafrechtssystems gezogen worden sind, waren also falsch.

14

Die finale Handlungslehre hat daher mit Recht den Vorsatz als Bestandteil des Tatbestandes anerkannt und sich mit dieser Auffassung durchgesetzt. Aber damit liefert sie keinen allgemeingültigen Handlungsbegriff, sondern nur die Kennzeichnung der ontischen Elemente einer vorsätzlichen Begehungshandlung. Das Verständnis der Handlung als zweckgeleitete (finale) Überdetermination von Kausalverläufen passt nicht auf Fahrlässigkeits- und Unterlassungstatbestände und kann selbst bei Vorsatzdelikten den normativen Sinngehalt der Tatbestände nicht zum Ausdruck bringen.

15

Zunächst ist eine fahrlässige Tatbestandsverwirklichung gerade nicht final herbeigeführt. Wenn sich beim Gewehrreinigen ein tödlicher Schuss löst und die Finalisten darauf hinweisen, dass hier zwar keine finale Tötung, aber doch eine finale Reinigungshandlung vorliege, so bedeutet das der Sache nach eine Rückkehr zum kausalen Handlungsbegriff. Denn es wird dem Inhalt des Wollens gerade keine Bedeutung beigemessen.[7]

16

Schließlich ist auch der Sinngehalt vieler Handlungen durch die Finalstruktur allein nicht erfassbar. So unangemessen es ist, wenn die kausale Handlungslehre nach einem alten Beispiel[8] die Beleidigungshandlung als Erregung von Schallwellen und als Verursachung von Sinnesreizungen im Gehör des Betroffenen deutet, so verfehlt wäre es auch, sie als eine auf Trommelfellerschütterungen abzielende finale Überdetermination von Schallwellen verstehen zu wollen.[9]

17

Die finale Handlungslehre kann auch die praktischen Ergebnisse, die aus ihr abgeleitet wurden, nicht tragen. Die von ihr zur Behandlung des Verbotsirrtums propagierte Schuldtheorie folgt keineswegs daraus, dass der Vorsatz zum Tatbestand gehört. Es steht vielmehr allein beim Gesetzgeber zu entscheiden, wie viele Kenntnisse der Täter haben muss, um die Vorsatzstrafe zu verdienen. Er kann sich, wie es § 16 Abs. 1 StGB tut, mit der Kenntnis der Tatumstände begnügen. Er hätte aber auch die Kenntnis der Sozialschädlichkeit oder das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit verlangen und bei ihrem Fehlen den Ausschluss der Vorsatzschuld gesetzlich anordnen können.

18

Die Finalisten haben sogar die strenge Schuldtheorie befürwortet und aus ihrem Handlungsbegriff abgeleitet. Danach soll die vermeidbar irrige Annahme von Rechtfertigungsvoraussetzungen (z.B. die Putativnotwehr) eine Vorsatzstrafe begründen, weil der Irrende ein tatbestandlich geschütztes Rechtsgut (etwa den Körper des Angreifers) durch eine zielgerichtete Handlung verletzt hat. Demgegenüber ist heute weitgehend anerkannt, dass der Rechtfertigungsirrtum den Vorsatz ausschließt, weil die Vorstellung des Täters auf die Begehung einer auch bei objektiver Betrachtung rechtmäßigen Handlung gerichtet war. Der finale Handlungsbegriff erzwingt also nicht nur keine konkreten Problemlösungen, er führt sogar in die Irre.

19

Dass die Teilnahme nach §§ 26, 27 StGB eine vorsätzliche Haupttat voraussetzt, ist zwar eine Entscheidung, die der Gesetzgeber unter dem Einfluss der finalistischen Lehre getroffen hat und die natürlich zu respektieren ist. Aber sachlich zwingend ist diese aus der Zugehörigkeit des Vorsatzes zum Tatbestand abgeleitete Lösung keineswegs. Unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten wäre es vernünftiger gewesen, bei Sonderdelikten eine Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat zuzulassen und beispielsweise denjenigen wegen Anstiftung zur (unvorsätzlichen) Unfallflucht zu bestrafen, der als Unbeteiligter den Fahrer durch die Vorspiegelung, dass nichts passiert sei, zur Weiterfahrt veranlasst. Die nach geltendem Recht eintretende Straflosigkeit ist dem Unrechtsgehalt dieser Handlungsweise nicht angemessen.

20

Aus alledem ergibt sich das Fazit, dass dem Handlungsbegriff – vorbehaltlich seiner Anknüpfungs- und Filterfunktion – keine systematische Bedeutung zukommt und dass er auch die Lösung praktischer Rechtsprobleme nicht präjudizieren kann. Diese Ansicht ist heute im deutschen Strafrecht herrschend. Daraus wird verständlich, dass dem Handlungsbegriff gegenwärtig in der strafrechtlichen Grundlagendiskussion weit geringe Bedeutung beigemessen wird als in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten.

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