Kitabı oku: «Therapie in Aktion», sayfa 3
A | A | Aktionstherapie II |
Aktives Zuhören nach John Krop |
Hier ein Beispiel wie John Krop die Methode der Klientenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers für sich umgesetzt hat.
„Wenn ich dir zuhöre, kann ich das passiv tun, mit dem Kopf nicken und ,mmh‘ und ,aha‘ sagen. Wenigstens gebe ich damit zu erkennen, dass ich da bin. Und ich unterbreche dich nicht. Du wirst dich trotzdem fragen, ob ich wirklich höre, was du sagst, und ich werde mich gelegentlich fragen, ob ich wirklich weiß, was du meinst.
Um sicher zu gehen, dass ich dich verstehe und auch um dich wissen zu lassen, was ich verstanden habe, kann ich formulieren, was ich glaube, von dir gehört zu haben. Wenn du z.B. ein Mitglied meiner Gruppe bist und dich bei mir beklagst:
Du: ,Und das ist zum wiederholten Male geschehen. Ich bin dabei, die Gruppe zu verlassen.‘
Ich: ,Du erwägst, die Gruppe zu verlassen?‘
Du: ,Nun, ich bin nah davor. Ich möchte nicht mehr die ganze Zeit kritisiert werden.‘
Ich: ,Du hast es völlig satt, kritisiert zu werden.‘
Du: ,Ja, ich will, dass sie aufhören, mich zu kritisieren und ich werde ihnen das auch sagen. Die Menschen machen das ständig mit mir. Sie denken, ich hätte keine Gefühle und machen mich fertig.‘
Ich: ,Das passiert auch anderswo, aber dieses Mal sorgst du dafür, dass sie damit aufhören.‘
Du: ,Das werde ich ganz sicher.‘
Mein aktives Zuhören hat dich ermutigt, weiter zu machen und zu einer eigenen Schlussfolgerung zu kommen.
Beim aktiven Zuhören gibt es verschiedene Ebenen.
a. Ich kann den Inhalt genau wiedergeben (‚Du wirst kritisiert.‘).
b. Eine bessere Art, zuzuhören, ist es, wenn ich auf Tendenzen oder Muster achte (,Und das scheint dir immer so zu ergehen.‘). Eine Tendenz ist die Bereitschaft, auf bestimmte Situationen in einer bestimmten typischen Weise zu reagieren. Das basiert auf einem fast überall vorhandenen, ständigen Gefühl eines Menschen, das er überall herumträgt: ,Niemand kümmert sich darum, was ich meine. Ich mache es immer falsch. Ich verliere immer. Sie scheinen nie Notiz von mir zu nehmen.‘ Und so weiter. Diese Tendenzen bestimmen in einem hohen Grad, wie jemand in einer bestimmten Situation reagieren wird. Wenn wir diese Neigungen ansprechen können, bekommt unser Kontakt viel mehr Bedeutung. Wenn ich dir wiedergebe, was du gesagt hast und es neu formuliere, dann ist es wichtig, dieses in einem Tonfall zu tun, der zu verstehen gibt, dass ich das von dir Gesagte als für dich wahr akzeptiere. Wenn ich deine Darstellungen auf provokante Weise wiedergebe, werde ich höchst wahrscheinlich Abwehr hervorrufen und deinen Gedankenfluss stoppen.
Zum Beispiel:
Ich: „Glaubst du wirklich, dass sie dich kritisieren?“
Du: „Natürlich tun sie das. Sogar gestern …“
Und deine ganze Energie geht in die Verteidigung und Unterstützung deiner Darstellung.
Aktives Zuhören ist eine sehr wirksame Fertigkeit; besonders, wenn du über die Stufe des bloßen Nachplapperns plus der damit verbundenen Gefühle hinausgehst und stattdessen die Bedeutung des von deinem Klienten Gesagten zurück gibst.
Aktives Zuhören lernen
Am Anfang benutzt du vielleicht ein paar hilfreiche Redewendungen, um dein Feedback einzuleiten, wie: ,Moment mal, habe ich dich richtig verstanden …‘ Oder: ,Ich höre, dass du sagst …‘ Oder: ,So weit es dich betrifft …‘ Oder: ,Du verspürst …‘.
Später wirst du weniger mechanisch werden, das Wesentliche des Gesagten erfassen und dein Feedback so geben, dass der Fluss des Menschen, dem du zuhörst nur minimal unterbrochen wird. Etwa so: ,Das bestürzt dich‘, ‚Das sollten sie dir nicht angetan haben‘, ‚Im Nachhinein würdest du es lieber anders gemacht haben‘. Ein Feedback ist immer ein Versuch. Es ist immer fragend gemeint ,Geht es dir so damit?‘, anstatt zu sagen: ,So geht es dir damit!‘ Wenn du unsicher bist, kannst du fragen: ,Ist das richtig?‘ Oder: ,Ist das so stimmig für dich?‘ Wenn dein Feedback von dem Menschen, dem du zuhörst, nicht akzeptiert wird, stecke keine Energie rein, um zu beweisen, dass du Recht hast. Erkläre auch nicht, warum du gedacht hast, dass dies oder jenes so gemeint war; selbst dann nicht, wenn du glaubst, dass du Recht hast. Frage stattdessen nach, was wirklich gemeint war.
Verfeinertes Zuhören
Beim verfeinerten Zuhören richtest du deine Aufmerksamkeit auf das, was dem Gesagten zugrunde liegt, z. B. die damit verbundene Absicht.
Du: ,Das passiert mir immer.‘
Ich: ,Du würdest das gerne ändern.‘
Neuformulierung einer unangenehmen Situation in eine wünschenswertere aber noch nicht geschaffene.
Du: ,Ich kann den Kleinen nicht ausstehen.‘
Ich: ,Du würdest gerne anders für ihn empfinden.‘
Wenn du mit mir über Andere, und was sie mit dir machen, sprichst, habe ich die Wahl, ob ich die Anderen oder deinen Anteil dabei aufnehme, z.B.:
Du: ,Meine Eltern haben mich immer von vielen Sachen abgehalten. Sie hatten immer Angst, ich könnte in Schwierigkeiten kommen.“
Ich: ,Deine Eltern waren überbehütend.‘ (,Sie‘ in den Blick genommen)
Im Gegensatz dazu:
Ich: ,Du hast nie gelernt, etwas selbstständig zu machen.‘ (‚Dich‘ in den Blick genommen)
Die erste Herangehensweise könnte dich einladen, zu deinen Eltern zu gehen und daraus eine ,Ich Armer‘ - Geschichte zu machen. Das rückt deine Hilflosigkeit in den Vordergrund. Die zweite Version nimmt mehr auf, was du jetzt machst und spricht mehr deine Kraft und Stärke an.
Natürlich kann ich auch beides aufgreifen: ,Deine Eltern waren überbehütend und das führte dazu, dass du glaubst, du hättest noch nicht gelernt, genügend für dich selbst zu tun.‘ Das gibt dir dann Gelegenheit, das für dich in diesem Augenblick Wichtigste aufzugreifen und weiter zu verfolgen.“
Body Architecture (Darstellung mittels des Körpers)
„Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein Bruder, steht ein mächtiger Gebieter, ein unbekannter Weiser - der heißt Selbst. In deinem Leibe wohnt er, dein Leib ist er.“
Friedrich Nietzsche, „Also sprach Zaratustra“
Das obige Zitat lädt uns zu zwei Anmerkungen ein. Einmal betont hier Nietzche die Weisheit des Leibes und zum Anderen macht er auf eine sprachliche Feinheit aufmerksam: die Unterscheidung zwischen Leib und Körper. Im deutschen Sprachraum benutzen wir umgangssprachlich meistens den Begriff Körper. In der Gestalttherapie unterscheiden wir den Begriff Leib im Sinne des beseelten oder zuständlichen Daseinsmodus vom Begriff Körper als gegenständlichen Daseinsmodus. Diese Unterscheidung gibt es im angloamerikanischen Sprachbereich nicht. Da sich aber der folgende Text zu einem großen Teil auf englische Quellen Krops stützt, möge der Leser hier „Body“ und „Körper“ immer im Sinne von „Leib“ verstehen (Zur Vertiefung dieses Themas: F.-M. Staemmler 2003)
Body Architecture bzw. Body Sculpting ist eine von John P. Krop entwickelte spezielle Form, den Körper als Metapher in der Begleitung von Menschen einzusetzen. Zunächst stellen wir die Verwendung dieses Ansatzes in der Einzeltherapie vor. In einem späteren Kapitel wird dargestellt, wie besonders effektiv diese Technik in der Paartherapie ist.
1. | Was ist Body Architecture / Body Sculpting? |
Mit Body Architecture (Körperdarstellen) wird der ganze psychotherapeutische Prozess bezeichnet: zunächst das Problem oder Anliegen zu benennen, dann das Problem/Anliegen als eine Skulptur bzw. Statue aufzubauen (Sculpting), diese zu besprechen, zu verändern und der ganze ,Tanz‘, der sich aus solch einer Initialskulptur entwickeln kann. Wenn man Body Architecture als einen Film betrachtet, ist Body Sculpting (Körpermodellieren) nur ein Einzelbild in diesem Film.
2. | Warum Body Architecture? |
Wenn wir nur sitzen und reden, können wir eher vermeiden, eine Position zu vertreten. Wenn wir aufstehen, wird es schwieriger, keine Stellung zu beziehen. Die Körpersprache ist nicht zu leugnen und macht das Erkennen und den Ausdruck von Gefühlen und Impulsen prägnanter, als die verbale Sprache es vermag. Was aber noch wichtiger für Veränderungsprozesse ist: Bei den meisten Menschen wirken Interventionen, die auch den Körper mit einbeziehen, viel stärker als die nur verbalen. Das Tun greift tiefer und wirkt ganzheitlicher als das bloße Reden. Gabriel Marcel: „Das Wohlgefühl, die Ruhe sind sprachlos; Liebenden versagt die Sprache; Worte sind für die eigentliche Verfassung der Existenz stets unzureichend.“ (zit. in F.-M. Staemmler, S. 43)
Neuere Theorien (Bandler & Grinder, „The Structure of Magic II; dt. „Kommunikation und Veränderung: Die Struktur der Magie II“) weisen auf, dass wir auf bestimmte bevorzugte Weise die Welt um uns erfahren und verarbeiten. Einige Menschen nehmen die Umwelt bevorzugt über ihre Ohren (auditiv), andere über ihre Augen (visuell) und wieder andere über ihren ganzen Körper (kinästhetisch) wahr. Wir erreichen den Anderen am besten, wenn wir von dessen bevorzugter Weise, die Welt wahrzunehmen, Gebrauch machen. Body Architecture spricht sowohl kinästhetische als auch visuelle Vorlieben an. Und wir können auch miteinander reden und einander zuhören.
3. | Diagnostische und therapeutische Anwendung |
Body Architecture kann als diagnostisches Instrument angewandt werden: Der Therapeut/Berater bittet seinen Klienten, eine Körperhaltung einzunehmen, die sein Problem/Anliegen darstellt. So bekommen Klient und Therapeut einen klareren und umfassenderen Eindruck - ein Bild, eine Metapher - vom Thema. Das geht über die mehr rationale Verbalisierung hinaus. Sie finden etwas heraus.
Im nächsten Schritt wird Body Architecture dann zum therapeutischen Werkzeug: Wenn z.B. ein Paar mit dem, was die Skulptur ihnen über ihre Beziehung mitteilt, unzufrieden ist, kann der Therapeut beide bitten, sie so zu verändern, dass etwas Angenehmeres dargestellt wird. Sie verändern. Die Veränderungen, durch die sie sich von der alten Form in eine neue, wünschenswertere Form bewegen, machen erlebbar, was in Gang kommen muss, um diese neue Situation zu erreichen.
4. | Didaktische Anwendung |
Die dargestellten Methoden sind auch im Lehrbereich anwendbar. In einem Paar-Workshop kann der Leiter ein Paar bitten, die in diesem Artikel beschriebenen Positionen einzunehmen, um dann den Prozess zu verfolgen, den die beiden miteinander aushandeln.
Man könnte auch in einem allgemeinen Workshop zum Thema Kommunikation einzelne Teilnehmer bitten, diese Übungen zu machen, damit sie gewahr werden, wie sie tendenziell Kontakt aufnehmen, sich durchsetzen, etwas in Bewegung bringen usw. Body Architecture ist nicht auf die Arbeit mit Problemen begrenzt. Sie kann auch dem Bewusstmachen offensichtlich eingespielter Mustern dienen. Fordern Sie z. B. in einer Gruppe die Teilnehmer auf, eine Faust zu machen und schauen sich dann die vielen dargestellten Möglichkeiten an. Könnten da verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Aggression sichtbar und erlebbar werden?
Jeweils etwas abgewandelt kann Body Architecture sowohl im sozialtherapeutischen (z.B. in der Paartherapie und Supervision) als auch im tiefenpsychologischen Bereich in der Einzel- und Gruppentherapie angewandt werden.
5. | Typen von Body Architecture: |
Man kann zwei verschiedene Arten der Körperdarstellung unterscheiden: a) aus dem Klienten heraus entstandene oder b) vom Therapeuten vorgeschlagene/kreierte.
a) Der Therapeut bittet den Klienten, sich auf einen für ihn angenehmen Platz im Raum mit einer solchen Haltung, Mimik und Geste zu stellen, wie es in etwa seinem Thema entspricht. Evtl. kann der Therapeut sich selbst zuerst als ,Material‘ zum Modellieren zur Verfügung stellen.
b) Im Therapeuten taucht ein Bild auf, welches das Thema des Klienten repräsentieren könnte. Dann kann er dieses Bild seinem Klienten mitteilen und ihn fragen, ob er ausprobieren möchte, ob dieses Bild mit seinem Thema übereinstimmen könnte, und ob er es so körperlich darstellen möchte.
6. | Zusammenfassung: |
Virginia Satir, John Krops langjährige Lehrerin, Supervisorin und Mentorin, beschreibt in ihrem Buch „Peoplemaking“ (dt. Titel „Selbstwert und Kommunikation“) verschiedene Körperhaltungen, die spezielle Verhaltensmuster ausdrücken: der Ankläger (mit ausgestrecktem Arm zielend), der Beschwichtiger (flehend auf den Knien), der Rationalisierer (steif, nur im Kopf aktiv), der Ablenker (ungeordnet und zugleich in alle Richtungen agierend).
Bioenergetik-Therapeuten richten ihre Aufmerksamkeit auf gewisse Farbwechsel, Versteifungen, Vibrationen, Körperhaltungen, Stimmfärbungen, Energiefluss und Atmung und ziehen daraus Folgerungen, was diese Beobachtungen ihnen über die Gefühle und die Verfassung der Person vor ihnen sagen.
Im Psychodrama werden z. B. traumatische Szenen im Leben eines Menschen dargestellt, so dass der Protagonist realisieren kann, was damals genau stattgefunden haben kann. Das Darstellen liefert eine viel stärkere Erfahrung als eine bloße Beschreibung.
Al Pesso beachtet in der Psychomotorischen Therapie Bewegungen, Gestik und andere Körperausdrücke und sieht sie als Ausdruck von Gefühlen, die eine interaktionale Antwort erwarten.
Gestalttherapeuten bitten die Leute u.a., ihre Gesten zu verstärken, um sich ihrer unausgedrückten Gefühle gewahr zu werden, fordern auf, zu Teilen ihres Körpers zu werden und ihnen eine Stimme zu geben.
All diese therapeutischen Ansätze stützen sich auf die Grundannahme der Humanistischen Psychologie, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden. Alle drei Ebenen sind nicht voneinander zu trennen, jede wirkt auf die anderen ein. Daraus folgert, dass wir über jede dieser drei Ebenen Zugang zum ganzen Menschen bekommen können. Wir, als Therapeuten, können unseren Klienten helfen, sich ihrer Körperhaltungen und Gesten bewusster zu werden, damit prägnanter wird, was offensichtlich in ihnen vorgeht und noch mehr gelebt werden will.
Aus den langjährigen Erfahrungen mit verschiedensten ganzheitlichen Therapieformen heraus, die den psychodynamischen Zugang zum Klienten u.a. auch über den Körper suchten, entwickelte John Krop mit Body Architecture seine spezielle Form der Körperarbeit in der Begleitung von Menschen.
B | B | Biographie II |
1. | Familienbilder - Tante Ka und Ome Huub |
Tante Ka ist die älteste Schwester von Joops Mutter. Der kleine Joop liebt diese Tante sehr. Er beschreibt eine Besuchsszene: „Mutter hat Geburtstag. Die Familie kommt zu Besuch. Mutter ist besorgt: ,Ich hoffe Ka kommt nicht, sie sieht so komisch aus und dann ihr lautes ,Jordaans`.‘ Die Türklingel läutet. Ich öffne die Tür von oben, indem ich an einem Strick ziehe, der mit dem Riegel der Tür zur Straße verbunden ist. Rate mal, wer es ist? Es ist Tante Ka. Ich laufe nach drinnen und ruf laut: ,Tante Ka!‘ ‚Jesus, es ist Ka‘, sagt meine Mutter zu den anderen.
Ich liebe es. Ich mag Tante Ka. Sie ist ein ,Charakter‘, eine Lebenskünstlerin. Und sie hat ein Herz aus Gold. Ich bin auch einen Schritt in der Verwandtschaftsbeziehung entfernt und kann mich von der Scham und der Aufregung distanzieren.
Tante Ka stolpert die Stufen herauf: ,He, netter Pimmel!‘ Ich wusste nie, wie ich das verstehen sollte, bis ich hörte, wie sie zu meiner Schwester Willy sagte: ,He, nette Möse‘. Ich konnte nicht glauben, dass sie das so meinte, aber sie meinte es als Kompliment. Erdverbunden waren die Leute im Jordaan. Tante Ka steht jetzt oben an der Treppe. Ihr Haar ist schwarz und glänzend, sie hat es schön gekämmt. Sie benutzt Asche, um es so aussehen zu lassen, das erzählt sie ganz stolz. Sie hat ihre besten Kleider an. Monströs: Perlen, Ornamente. Ka kauft ihre Kleider auf dem Waterloo Plein Flohmarkt. Heute trägt sie auch ihre Strümpfe. Sie hält die Strümpfe mit Gummibändern. Aber die Bänder sind ihr zu eng, so trägt sie die Gummis unter ihren Knien, was bedeutet, dass ihre Strümpfe zu den Knöcheln herunterfallen. ,Ja, sie taten weh, so hab ich sie runter gemacht.‘
Tante Ka verbringt die Hälfte ihres Lebens auf dem Waterloo Plein. An Sonntagen geht sie zur jüdischen Ecke, die nur zwei Blocks von ihrer Wohnung entfernt ist. Dann kommt sie mit Secondhand-Kleidung und beschädigten Nippesfiguren, die ihre Wohnung füllen, zurück.
Heute gibt sie meiner Mutter etwas, das in Papier eingewickelt ist. Es ist eine Nippesfigur. Meine Mutter hasst Nippes, das weiß ich. Sie sagt: ,Aber Ka, ich hab doch schon so viel von dem Mist!‘ Meine Mutter schießt scharf aus der Hüfte.
,Es ist ein Schäfermädchen‘, sagt Ka. ,Sie hat einen Arm verloren, aber wenn du sie zur anderen Seite drehst, sieht es ja niemand.‘ Ka stellt es auf die Anrichte. Meine Mutter schäumt, beißt sich aber auf die Zunge.
Willst du etwas zu trinken, Ka?‘ Ka sagt nie Nein. Manchmal will sie Zitronenlikör, manchmal Oranje bitter, heute ist es Genever. ,Mit Zucker.‘ Als meine Mutter fragt, warum ihr Mann - mein Onkel Huub - nicht mitgekommen ist, knurrt Ka: ,Ich wollte nicht, dass der Bastard mitkommt.‘ Meistens streiten die beiden miteinander.
Ich liebe die raue Energie meiner Onkel und Tanten. Nichts Schlechtes über sie. Sie sagen, was sie denken. Ehrlichkeit zählt mehr als Nettigkeit. Das ist ein typischer holländischer Wesenszug, aber es wird im Jordaans intensiv praktiziert, gern mit viel Humor. Du musst immer mit einer Entgegnung rechnen, die witzig aber auch verletzend sein kann. Ich habe es aufgesaugt.“
Joops Augen glänzen, als er uns die alten Geschichten erzählt. Der Mann, der die „Geleitete Phantasie“ bekannt gemacht hat, taucht jetzt in seine inneren Bilder ein. Er ist wieder der kleine Junge und erzählt die folgende Geschichte von Onkel Huub mit einem kernigen Lachen:
„Onkel Huub hatte den Spitznamen ,Menschenretter‘. Er wohnte an einem der vielen Kanäle (Grachten), die Amsterdam durchziehen wie Adern den Körper des Menschen. Viele der Grachten haben zum Bürgersteig keine Absperrung, und deshalb fallen häufiger Betrunkene oder Kinder hinein. Dann riefen die Leute nach Huub. Und der kam angerannt in seinen Turnschuhen, die er ,für alle Fälle‘ immer trug. Ohne zu zögern sprang Huub dann in das schmutzige Wasser der Gracht und tauchte bald mit dem Ertrinkenden wieder auf. Dann zogen ihn die anderen mit einem langen Haken an Land.“ Jetzt kommt Joop glucksend richtig in Fahrt: „Einmal rettete Huub ein Kind. Er kam aus dem Wasser und tastete mit fragendem Gesicht alle seine Taschen ab. Nichts. Er rief: ,Meine Uhr, wo ist meine Uhr‘. Und die Eltern des Kindes konnten nichts anderes tun, als ihm eine neue Uhr zu kaufen.“
Wir schauen Joop irritiert an. Wo ist der Witz? „Das alte Schlitzohr hatte in seinem ganzen Leben keine Uhr“, lacht Joop.
2. | Kinderbilder einer versunkenen Zeit |
Bis zu seinem zwölften Lebensjahr lebt Joop mit seiner Familie ganz in der Nähe des Jordaans. Joop spielt in seinem Viertel gern mit seinen Freunden auf der Straße. Man spielt Räuber und Gendarm oder Fußball mit einem Tennisball. Für einen richtigen Fußball fehlt das Geld. In der „Knickerzeit“ wird mit Murmeln gespielt. Ein besonderes Vergnügen ist es, am Samstag sechs Wochen nach Ostern den „Faulpelz zu wecken“. „Luilak“ heißt der Tag. Ab morgens um 5 Uhr ziehen Jungs durch die Straßen des Jordaans und pochen mit ihren Stöcken an die Türen. Dabei singen sie: „Faulpelz, bist ein Bettsack, stehst erst um 9 oder 10 auf. Hat jemand den Faulpelz gesehen?“ Natürlich ist der Spaß groß, wenn jemand Tür oder Fenster öffnet und die Jungs mit einem Eimer Wasser vertreiben will. Anschließend gibt es um 7 die „Faulpelz-Brötchen“ beim Bäcker.
Die Tradition des Luilak stammt aus der Zeit, als junge Männer früh zum „Tau treten“ gingen, um Blumen für ihre Liebste zu pflücken.
„Ich hatte eine gute Kindheit“, beschreibt Joop diese Zeit. „Die Umstände waren schwer, aber trotzdem stellten meine Eltern unsere Armut niemals besonders heraus.“ Als die Familie ein WC mit fließendem Wasser bekommt, ist das ein großes Ereignis. Die Gasbeleuchtung der Wohnung war damals selbstverständlich. Als der kleine Joop losgeschickt wird, um einen neuen Glühstrumpf für die Lampe zu kaufen, können ihm die Eltern kein Geld mitgeben, und so bittet er darum, dass „angeschrieben“ wird. Das ist eine auch in Deutschland zu der damaligen Zeit in Arbeiterkreisen verbreitete Methode, das knappe Familieneinkommen etwas zu strecken.
Nach kurzer Zeit werden elektrische Kabel durch die Gasrohre verlegt, und die Familie hat elektrisches Licht. Wenn man ein „Kwartje“ (niederländische 25 Cent-Münze) einwarf, schien das Licht. Immer musste ein Kwartje auf dem Zähler liegen. Die Wohnung der Krops hat ein sonniges Wohnzimmer, ein Schlafzimmer für die Eltern und einen Alkoven ohne Fenster, in dem Joop schläft. Lebendig ist die Erinnerung in Joop, wie er seinem Vater beim Schreinern zuschaut, denn auch die kleine Werkstatt findet in einer Mansarde über der Wohnung noch Platz. Joop fühlt sich sicher und geborgen in seiner kleinen Welt. Nur wenn er Kohlen von der Mansarde holen muss, pfeift er vor Angst, sammelt die Kohlen und rennt wieder runter.
Jede Woche wird die Miete von einem Mann kassiert, der klingelt und ruft: „Die Miete, Frau Krop.“
Die Mutter von Joop geht weiterhin putzen, und weil der Vater häufig arbeitslos ist, schreinert er zu Hause oder kümmert sich um den kleinen Joop. Zusammen gehen sie zur öffentlichen Bücherei, wo der Vater populärwissenschaftliche Sciencefiction-Bücher ausleiht. Joop schaut sich begeistert die Bilder der „Reisen durch das Universum“ an. Der Vater erfindet bei diesen Gängen zur Bücherei viele Spiele für Joop.
„Siehst du die Spielkarte dort auf dem Bürgersteig? Berühr sie nicht mit deinen Fingern. Dreh sie vorsichtig mit einem Streichholz um. Das ist eine Botschaft. Was ist es?“ „Sieben Spaten.“ (Pik Sieben) „Gut. Das heißt, wir werden sieben Dinge finden. Pass gut auf.“ Wenn sie „Dinge“ finden, beginnt die Diskussion, ob eine leere Zigarettenschachtel ein „Ding“ ist. Unweigerlich geht Joop irgendwann an einem Cent vorbei. „Hey, pass auf, was da liegt.“
„Ich brauchte sehr lange, um zu begreifen, dass mein Vater immer wieder einen Cent deponiert hatte, damit ich ihn fand. Er war wunderbar kreativ.“ Diese Art, mit wacher Aufmerksamkeit durchs Leben zu gehen, hat sich Joop bis heute bewahrt. Sie ist auch bezeichnend für sein Verständnis von Therapie.
3. | „Die Essenz des Lebens ist die Suche“, |
wird er später formulieren. Vielleicht wurden Spuren zu dieser Haltung in eine Kinderseele auf den Straßen von Amsterdam durch einen liebevollen Vater gelegt.
Der kleine Joop verdient sein „erstes Geld“, als er bei einem seiner Spaziergänge mit dem Vater von einem Mechaniker gebeten wird, mit seiner kleinen Hand eine Schraube aus einem Gastank zu holen. Er findet Schraube und Mutter und ist so stolz, als er zwei „Kwartjes“ als Lohn bekommt. Umso mehr schmerzt es, als er einige Zeit später eben diesen Lohn abgeben muss, weil er beim Fußballspielen eine Scheibe zerschossen hat. „Dabei hat sich der Mann noch nicht einmal eine neue Scheibe gekauft“, empört sich Joop noch nach 80 Jahren mit blitzenden Augen über diese Ungerechtigkeit. Auch solche Erlebnisse hinterlassen Spuren in unserer Seele.
Manchmal, wenn der Vater genug Geld hat, kaufen die zwei auf dem Markt in Scheiben geschnittene Stücke Rinderherz. „Ein paar Stücke mit Salz und scharfem Senf direkt von einem Pappteller gegessen, treiben dir das Wasser in die Augen,“ erinnert sich Joop.
Joop wächst im Kreis seiner Verwandten auf. Die Tanten kümmern sich um ihn, denn seine Mutter ist das jüngste von neun Kindern der Familie, sein Vater das 7. von ebenfalls neun Kindern. Oma Krop wohnt auf der anderen Straßenseite. Opa Krop, nach dem Joop benannt ist, ist bereits verstorben, als Vater Rinus neun Jahre alt war.
Joop erinnert sich heute noch mit einem Gefühl der Dankbarkeit an seine Kindheit. Obwohl die Familie zeitweise von der „Fürsorge“ leben muss, empfindet Joop durch die Armut keine Belastung. „Nur einmal, als ich schwarze Strümpfe mit roten Zehen anziehen musste, die wir vom Sozialamt bekommen hatten, dachte ich, jeder müsste mir ansehen, dass sie vom Sozialamt wären. Die meisten meiner Erinnerungen sind von einem sicheren Gefühl geprägt, die Unterstützung der engeren und weiteren Familie war tragend für mich.“
„Zu Nikolaus“, erinnert sich Joop, „gab es einmal eine besondere „Überraschung“: „Ich bin zu Besuch bei Oma Krop, Tante Nel und Tante Riek. Mitten in der Feier plötzlich ein heftiges Klopfen an der Tür. Tante Nel öffnet und ruft in gespieltem Entsetzen: ,Oh, schau dir das an‘. Sie trägt eine lebensgroße Puppe herein. Einen Mann mit einer schrecklichen Maske. Ich bin total erschrocken und schreie mir die Seele aus dem Leib. Jetzt bin ich der Mittelpunkt: ,Gib ihm ein Glas Wasser. Bring das Ding in die Küche. Jopie, es ist doch nur eine Puppe. Nichts vor dem du Angst zu haben brauchst.‘ Alle haben ihre Ratschläge und Lösungen. Meine Mutter bringt mich ins Schlafzimmer. Als ich ruhiger geworden bin, kann ich zusehen, wie die Puppe auseinander genommen wird. Sie enthält Geschenkpakete. Jeder Empfänger muss das Gedicht vorlesen, das er mit seinem Päckchen bekommt. Das Gedicht beschreibt in humorvoller Form die Eigenarten des Beschenkten.“
Joop ist fünfeinhalb Jahre alt, als er für einige Tage zu Oma Krop gebracht wird. Auf dem Rückweg zu den Eltern erzählt ihm die Oma, dass er eine Schwester bekommen habe. Joops erste Frage ist: „Wo kommt die her?“ Jetzt muss seine Tante Riek helfen. Sie erzählt ihm die Geschichte vom Storch. „Aber warum muss meine Mutter dann im Bett bleiben?“ - „Der Storch hat sie gebissen, deshalb muss sie ein paar Tage im Bett bleiben.“ - „Wo hat er sie gebissen?“ - „Ins Bein.“ - „Darf ich das mal sehen?“ - „Nein, das ist nicht erlaubt.“ - „Wohin hat der Storch dich gebissen, Tante Riek?“ Sie hatte vor 14 Tagen seinen Cousin Guido zur Welt gebracht. Sofort beginnt Tante Riek zu hinken, um zu demonstrieren, dass der komische Vogel sie auch nicht verschont habe. „Erst wirft er ein Baby auf dich und anschließend beißt er dich.“
Joop braucht einige Zeit, um sich an die Schwester Willy zu gewöhnen. Den Rest seiner Jugend wird er dann ihr Beschützer. Mit ihr verbindet ihn bis heute ein herzliches Verhältnis. Sie lebt in Zaandam in den Niederlanden und hat ihn im Oktober 2010 in Los Gatos besucht.
Tante Riek liebt Geschichten, am liebsten sind ihr magische Bilder und Mythen. Von ihr lernt Joop: „Wenn du Salz verschüttest, musst du sofort eine Prise über die linke Schulter werfen, um das Unglück abzuhalten, das dich sonst unweigerlich befällt.“
Es gibt auch andere Gründe, das Unglück anzuziehen: einen Regenschirm in der Wohnung öffnen, unter einer Leiter durchgehen, an der Ecke des Tisches sitzen (du wirst 7 Jahre nicht heiraten), die Schuhe auf den Tisch legen (Armut). Wenn ein Spiegel zerbricht, bringt das den Tod in die Familie. („Erinnerst du dich, eine Woche bevor Opa Krop starb, fiel der große Spiegel mit dem goldenen Rahmen in unserem Wohnzimmer herunter. Ehrlich.“)
Das Waschen der Hände nach dem Toilettenbesuch lernt Joop mit dem Hinweis auf die Cholera, die ihn sonst qualvoll dahinrafft. Tante Riek weiß aber auch, was Glück bringt: verschütteter Zucker zum Beispiel oder wenn die Katze sich leckt, kommt Besuch. Wenn deine Ohren jucken, wird über dich gesprochen: linkes Ohr gut - rechtes Ohr schlecht. So wird Tante Riek zum beschützenden Engel seiner Kindheit.
Während seiner Grundschulzeit beginnt Joop mit seinem Freund Ton Oud durch Amsterdam zu stromern. Da gibt es für zwei kleine Jungen eine Menge zu entdecken. Sie besuchen die Märkte: Albert Cuyp, den Waterloo Plein und den jüdischen Markt. Am liebsten sehen sie den Markthändlern zu, die ihr Geschäft ankurbeln, indem sie eine große Szene mit dem Publikum spielen. Joop erzählt: „Einmal wurde ich der unfreiwillige Teil einer solchen Szene. Ein Käsehändler verteilte Probierstücke seines Käses. Ich fing eins auf, steckte es schnell in den Mund, um ein anderes zu ergattern. Er kam auf mich zu, gab mir ein drittes Stück und sagte ganz laut: Hier sehen wir einen kleinen Kapitalisten - er hat schon viel und will immer mehr. Mir war das sehr peinlich, und ich grinste verlegen.“
Manchmal setzen die beiden Jungen mit der Fähre über den Fluss Y und streifen durch die Werften. Auf dem Friedhof in Sloterdijk faszinieren sie besonders die Kindergräber. Es ist eine sorglose Zeit des Entdeckens und meistens völlig ungefährlich. „Nur einmal“, erinnert sich Joop, „da hätte es böse enden können. In Kanälen wurden oft Flöße von Holzstämmen aufbewahrt. Sie wurden so gewässert, um dann als Pfähle benutzt zu werden. Die meisten Häuser in Amsterdam stehen auf solchen Pfählen. Mein Freund Ton und ich - ich war vielleicht 7 Jahre alt - sprangen von der Kade auf ein solches Floß. Ich sah einen Stock im Wasser treiben, den ich unbedingt haben wollte. So rannte ich ans Ende des Floßes beugte mich über den Rand und … fiel ins Wasser. Das Holz der Stämme war glitschig, und ich rutschte ab. Ich hatte noch nicht Schwimmen gelernt. Ton rannte die Kade auf und ab und schrie sich die Lunge aus dem Leib. Schließlich erregte er die Aufmerksamkeit eines Mannes. Der nahm sich eine Holzstange, sprang auf das Floß und versuchte mir die Stange zu reichen. Zu kurz. Ich war schon zweimal untergegangen, und es gab die Mär: Wenn du dreimal untergehst, ertrinkst du. Wir glaubten das. Dann sah ich plötzlich die weiße Stange vor mir, griff zu und war gerettet. Der Mann war selbst in den Kanal gesprungen, um mich zu retten. Jetzt mussten wir nach Hause gehen. Mein Freund Ton, der Mann und ich - klatschnass. Das blieb natürlich nicht unbemerkt, und bald liefen mir die anderen Kinder mit Spottliedern hinterher. Glücklicherweise war meine Mutter zu Hause. Sie zog mir die nassen Kleider aus, trocknete mich ab, währenddessen verschwand der Mann. So konnte ich meinem Retter nicht einmal richtig danken. Ich bekam Salzwasser zu trinken, gegen die Keime des Kanalwassers. Tante Riek wusste sofort, dass ich andernfalls an der Ruhr sterben würde.“