Kitabı oku: «Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung», sayfa 6
2.2.3 Formen von symbiotischen Einladungen
Wir unterscheiden vier Formen der Einladung zu dysfunktionalen Symbiosen. Es sind unterschiedliche Formen der Nicht-Übernahme einer Verantwortung, die alle die Wirkung haben, dass andere in unangemessene Verantwortungen gedrängt werden (siehe Abb. 6).
Abb. 6: Formen von symbiotischen Einladungen
2.3 Der Verantwortungsdialog
Angesichts der beschriebenen Zusammenhänge wird plausibel, dass Verantwortungsklärung einen komplexen Vorgang darstellt. Für die sorgfältige und wirksame Gestaltung der Verantwortungsbeziehungen in einem Verantwortungssystem ist ein Verantwortungsdialog erforderlich, welcher weniger als einzelner Akt, sondern als kontinuierlicher Prozess der Entwicklung einer Gesprächskultur rund um Verantwortung verstanden werden sollte.
Wir unterscheiden zwei Ausgangspunkte für den Verantwortungsdialog (siehe dazu 2.3.3).
• Präventive Pflege des Verantwortungssystems
• Situative Korrektur von Verantwortungsstörungen durch Konfrontation
2.3.1 Präventive Pflege des Verantwortungssystems
Verantwortung zu übernehmen ist eigentlich ein natürliches Verhalten aller Menschen, unter der Voraussetzung, dass alles zusammenpasst. Wenn – wie in den aktuellen Veränderungsprozessen in Organisationen – gewohnte Ordnungen sich auflösen und sich neue herausbilden, ist es jedoch sinnvoll, davon auszugehen, dass Verantwortungen zunächst nicht mehr zueinander passen.
Präventive Pflege bedeutet dann beispielsweise:
• Schlüsselfiguren der Unternehmenskultur verpflichten sich und andere zu einem aktiven und engagierten Umgang mit Verantwortung bis hin zur Konfrontation. Fehler beim Lernen bezüglich Verantwortungskultur sind erlaubt. Lernen wird am besten durch vorbildhaftes Verhalten gefördert.
• Entsprechende »Routinen« des Verantwortungsdialogs werden entwickelt und bei Veränderungen (Neueinstellungen, Prozessveränderungen, Beauftragungen etc.) aktiviert. Verantwortlichkeiten werden sorgfältig abgestimmt, sowohl bezogen auf die Schlüssigkeit des Verantwortungssystems in den vier Dimensionen als auch bezogen auf Komplementarität und Integrierbarkeit der Verantwortlichkeiten im Gesamtsystem.
• Beispielhafte beraterische Interventionen können den Beteiligten helfen, die Verantwortungsdimension in Veränderungsprozessen zum Thema zu machen.
• In Workshops können sich Einzelne mit ihrem Verständnis von Verantwortungskultur sowie Kompetenzen bezüglich des Verantwortungsdialogs auseinander setzen. Dem Erlernen von Kommunikationsfiguren des Verantwortungsdialogs sowie rollen- und kontextgemäßen Konfrontationen symbiotischer Verhaltensweisen kommt hier besondere Bedeutung zu.
2.3.2 Korrektur von Verantwortungsstörungen durch Konfrontation
Damit Verantwortungsstörungen und Symbiosen korrigiert werden können, müssen diese deutlich konfrontiert werden. Unter Konfrontation verstehen wir dabei keine Form des Kampfes, sondern ein von Interesse, Respekt und oft auch Mut getragenes Benennen von persönlichen Wahrnehmungen, um einen konstruktiven Umgang mit Unterschiedlichkeiten zu finden. Unterschiedliche Wirklichkeiten sollen einander gegenübergestellt und dabei wechselseitige Erwartungen und Verantwortungen herausgearbeitet werden, damit eine kraftvolle Gemeinschaft und ein effektives Zusammenspiel entstehen kann (siehe auch den Selbstcheck in 2.4.3).
2.3.3 Einladungen in Verantwortung
Einem Ansatz aus der Transaktionsanalyse folgend (SCHIFF u.a. 1975) können folgende Logiken im Umgang mit symbiotischen Einladungen beschrieben werden:
Abb. 7: Einladungen in Verantwortung
2.4 Konfrontation von Verantwortungsstörungen
2.4.1 Vorgesetzte gegenüber ihren Mitarbeitern
Ein Vorgesetzter kann einen sich fehlanpassenden Mitarbeiter oft wirksam in verantwortliches Handeln einladen, indem er ihm eindeutige Anweisungen gibt und ihm klare Erwartungen mitteilt.
Hindernisse:
• Manchmal verweigern die Vorgesetzten selbst die angemessene Formulierung ihrer Erwartungen, weil solche fehlen (Qualifikation) oder sie glauben, ein autonomer und kompetenter Mitarbeiter müsse selbst wissen, was erwartet wird (Werteorientierung).
• Oft ist in der Leitungsfunktion nicht genügend Kapazität für die Führungsarbeit vorgesehen (Ausstattung) oder sie kann ohne negative Konsequenzen vernachlässigt werden (Zuständigkeit).
• Manchmal wird Klarheit vermieden, um für die Folgen der Anweisung nicht verantwortlich gemacht werden zu können.
• Das Opfer von unguten Beziehungsmanövern kann durchaus auch der Vorgesetzte werden. Beispiele dafür: Der Mitarbeiter setzt die Anweisungen nur oberflächlich um, aber der Geist der Sache wird nicht bedient; der Mitarbeiter berücksichtigt Umstände, die das Vorhaben beeinträchtigen, nicht flexibel und informiert den Vorgesetzten nicht; der Mitarbeiter bestätigt sich und anderen, dass er Recht hatte, gegen eine Sache zu sein; er muss sich nicht eines Besseren belehren lassen.
Die Kompetenz, solche Manöver bei sich selbst und anderen zu durchschauen und zu konfrontieren, hilft Missstände in der Verantwortungskultur zu beseitigen.
2.4.2 Mitarbeiter gegenüber Vorgesetzten
Auch Vorgesetzten gegenüber braucht es Formen, diese in ihre Verantwortung einzuladen. Vorgesetzten gegenüber braucht es manchmal subtile Formen, das Unbehagen zurückzugeben, da sie mit Macht ausgestattet sind und berechtigte Rückdelegation von Verantwortung evtl. nicht akzeptieren. Mitarbeiter resignieren dann leicht und/oder stellen sich besserwisserisch über den Vorgesetzten. Beides ist wenig hilfreich. Hingegen sind hier durch geschicktes Verhalten vielfach Verbesserungen möglich.
Als Mitarbeiter kann es z.B. gegenüber einem Vorgesetzten nützlich sein,
• freundlich vieles im Kleinen zu tun, anstatt den großen Konflikt zu provozieren;
• sich nicht zu weigern, einer unsinnigen Anweisung Folge zu leisten, sondern das Weisungsrecht zu respektieren, dabei aber deutlich zu machen, dass man nicht selbst, sondern der Anweisende die Folgen zu verantworten hat. Das hindert viele Vorgesetzte daran, etwas, was sie selbst nicht verantworten wollen, einem anderen zuzumuten. Hier spielt oft eine für Organisationen ungeeignete Vorstellung von Beziehungstreue mit. Statt Loyalität auf Personen unabhängig von ihrem Verhalten zu richten, sollte Loyalität einer bestimmten Verantwortungskultur gelten und jeden einbeziehen, der sich an ihr orientiert.
Man könnte also in der Konfrontation der Vorgesetzten eine Loyalität gegenüber der Führungsbeziehung und dem ganzen Unternehmen sehen, und nicht zuletzt eine Motivationshilfe, die Verantwortliche manchmal brauchen. Angesichts anderer Prioritäten fällt es ihnen oft schwer, aus Einsicht und Selbstdisziplin alle Verantwortlichkeiten zu pflegen oder Verantwortungsdialoge wichtig zu nehmen. Da kann es hilfreich sein, wenn es wegen wiederholter Konfrontationen bequemer wird, sich zu kümmern, als Verantwortung zu vermeiden. Nicht selten stärkt dies im Nachhinein die Würde der Verantwortlichen und die Zufriedenheit in den Beziehungen.
2.4.3 Selbstcheck zur Klärung von Verantwortungsstörungen
• Anerkennen des Unbehagens: Zuallererst stellt sich die Frage: Wohin gehört das Unbehagen?
• Verorten des Unbehagens: Worin besteht das Unbehagen? Auf welche Unklarheiten und Fragen verweist das Unbehagen? Hat es mit Verantwortungsstörungen zu tun?
• Verbindung mit Verantwortung herstellen: Wer hat welche Verantwortung bezogen auf das, was Unbehagen erzeugt? Wer müsste auf ungeklärte Fragen Antworten geben? Das Unbehagen muss in Verantwortungsdefinitionen umgewandelt werden. Um welche Dimensionen von Verantwortung geht es?
• Reflektieren der Beweggründe: Was sind möglich Beweggründe für Verantwortungsvermeidung? Worüber sollte mit wem gesprochen werden?
• Selbsthilfestrategie definieren: Notfalls müssen auch einseitige Maßnahmen zum Selbstschutz ergriffen werden, damit das Unbehagen nicht bei den Falschen hängen bleibt. Gibt es diese Möglichkeit? Zu welchem Preis?
• Die Übertragung von Unbehagen zu Verantwortlichen planen: Dies klingt ein bisschen vermessen, insbesondere, wenn die Verantwortlichen schwer erreichbar sind und viel mehr Macht haben. Dennoch ist es wichtig, zumindest Drehbücher für solche Inszenierungen schreiben zu können.
2.5 Die Arbeit an einer Verantwortungskultur
Es gilt in Unternehmen letztendlich die Fähigkeit zu entwickeln, durch geeignete Kommunikation angemessen in Verantwortung einzuladen. Dabei kann es in vielen Fällen schon sehr hilfreich sein, einzufordern, dass ein unklarer Auftrag genau definiert wird, resp. bei Fehlverhalten eines Mitarbeiters nachzuprüfen, wie dieser seinen Auftrag verstanden hat. Wie Einladungen, in die Verantwortung zu gehen, wirkungsvoll gestaltet werden können, hängt einerseits von der Form der symbiotischen Einladung und andererseits von der Organisationsbeziehung zwischen den beteiligten Personen ab.
Je nach Organisationsbeziehung muss die Verantwortungsübernahme unterschiedlich inszeniert werden. Verantwortungsdialog ist oft kein herrschaftsfreier Diskurs, sondern findet auch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern statt. Hier ist dem Unterschied Rechnung zu tragen, dass der Vorgesetzte im Organisationsrahmen Definitionsrecht und -pflicht hat und seine Definitionen auch verantworten muss. Dann geht es nicht um eine gleichberechtigte Konkurrenz der Ideen, sondern um Lenkung und auch um den Schutz eines Mitarbeiters vor Folgen, für die er keine Verantwortung übernehmen kann und will. Dies beinhaltet natürlich wiederum das Recht des Vorgesetzten, einen Mitarbeiter aus der Verantwortung und eben auch aus der Funktion zu nehmen, wenn dieser sich seinen Verantwortungsvorstellungen nicht anschließen kann.
8.1.2 Machtdimensionen und die Wirkungsweisen von Macht erkennen
2.6 (Berater-) Haltungen zur Förderung einer Verantwortungskultur
Man kann letztlich auch in Sachen Verantwortungskultur nichts erzwingen. Jede Konfrontation sollte von den systemischen Haltungen der Bescheidenheit, der Würdigung anderer sowie der Ressourcen- und Lösungsorientierung getragen werden. Insbesondere für Berater ist es bedeutsam, sich in diesen Dimensionen gut wahrzunehmen. Berater neigen oft dazu, in »Retterpositionen« zu gehen und damit Unbehagen, das bei ihren Klienten vorhanden ist, unbewusst zu ihrem eigenen zu machen.
Die Wahrnehmung von Unbehagen im Beratungsprozess sollte deshalb immer als Indiz dafür geprüft werden,
• ob eigentlich klar ist, worum es gerade geht und
• in welcher Verantwortung Klient und Berater darauf bezogen stehen.
Damit können unterschiedliche Formen der Verantwortungsvermeidung oder Fehlübernahme bei sich und anderen wahrgenommen sowie Rollen und Inszenierungen im Sinne verantwortlichen Handelns gestaltet werden.
Manchmal leben auch Unbehagensträger und Verantwortliche in getrennten Welten (z.B. Treibhausgasproduzenten und Hochwasseropfer). Hier braucht es systemisches Bewusstsein und den Mut, für Nicht-Handlungsfähige einzutreten und in die Sphären derer, die in Verantwortung zu nehmen sind, Einlass zu suchen. Und gelegentlich sind drastische Maßnahmen wie Kündigung, öffentliche Distanzierung, Klage auf Schadenersatz u.ä. notwendig, um Maßstäben zur Durchsetzung zu verhelfen.
3. Phasen der Krisenentwicklung in Organisationen
Stabile Entwicklungen von Organisationen zeichnen sich durch Gefügtheit (Integration) und Stimmigkeit der Prozesse (Integrität) aus. In krisenhaften Situationen verändern sich Integration und Integrität typischerweise in einem Verlauf, in dem wir vier Phasen unterscheiden können. Das Modell dient Managementverantwortlichen, Fachleuten aus dem Bereich Humanressourcen sowie internen und externen Beratern dazu, die Situation einschätzen und eigene Beiträge zum konstruktiven Bewältigen dieser Prozesse überprüfen zu können. Es gibt Antworten auf die Frage, welche Dienstleistungen in den verschiedenen Phasen anschlussfähig sind, und hilft, sich vor unnötigem Verschleiß zu schützen.
3.1 Eine Kulturperspektive von Organisationen
Für die ökonomische und kulturelle Gesundheit von Organisationen ist das Nachdenken über Entwicklungen ihrer Integration und Integrität bedeutsam.
Im Vordergrund steht der Aspekt der Integration, die Frage, wie weit es einer Organisation gelingt, die verschiedenen Aspekte der Organisation (z.B. Strukturen, Prozesse, Rollen der Beteiligten, Systeme) zueinander zu fügen.
In der Theatermetapher gesprochen geht es darum, das Stück mit allem, was dazu gehört, auf die Bühne zu bringen. Erst bei der Gesamtprobe merkt man, ob die Teilaspekte der Inszenierung ineinander greifen.
Im Hintergrund geht es jedoch auch um Integrität, um die Frage, ob identitätsstiftende und damit wiederum integrierende Wirkungen entstehen.
Es geht darum, ob das Stück für die beteiligten Schauspieler und die Zuschauer stimmig erscheint, ob der Geist und das Kraftfeld transportiert wird.
Ohne Integration ist Stimmigkeit nicht leicht zu vermitteln und ohne Integrität ist Integration schlecht herstellbar, weil sich wenig Sinnvolles auch nicht fügen lässt.
Für »Unternehmensgesundheit« könnte man formulieren:
Gesundheit = Integration x Integrität.
In Zeiten schnellen Wachstums schien es weniger entscheidend und angesichts relativ überschaubarer und abgegrenzter Märkte einfacher, Integration und Integrität herzustellen. Demgegenüber gibt es heute wachsenden Bedarf, diesbezüglich bewusst zu steuern. Das aktuelle Interesse an Leitbildern, an Corporate Identity, an der Rückbesinnung auf Kerngeschäfte und -prozesse etc. sind Ausdruck der verstärkten Notwendigkeit, Organisierbarkeit und Sinnhaftigkeit zu erzeugen. Nur wenn Integration und Integrität zusammenkommen, gibt es überzeugende Auftritte resp. eine vitale Organisation. Ähnlich wie bei der Persönlichkeit kommt Stimmigkeit in Organisationen nicht richtig zum Tragen, wenn die Lebensorganisation so ist, dass die verschiedenen Lebensvollzüge auf verschiedenen Lebensbühnen nicht in ein Zeit-Raum-Gefüge zusammenfügbar sind (Integration). Auch wenn man die richtigen Dinge tut, fühlt man sich nicht gut, weil man sie nicht auf die richtige Weise organisiert und daher nicht zusammenbekommt. Umgekehrt hilft optimale Lebensorganisation (Integration) wenig, wenn man nicht die richtigen, zu einem selbst passenden Dinge lebt oder sie für die relevanten Partner nicht stimmig und für Gemeinsamkeit tauglich sind (Integrität).
3.2 Entwicklungs-Phasen-Modell
Wir unterscheiden vier Phasen der Entwicklung von »Unternehmensfitness« und ihrer Krise als Multiplikation von Integration und Integrität.
Das folgende Schaubild ist eine Illustration und soll keine mögliche Exaktheit signalisieren. Die Größe, die durch den Pfeil dargestellt wird, ist eher ein Ausdruck von »Gesundheit« der Organisation, von Leistungsfähigkeit und nachhaltiger Arbeitskultur als von messbaren Zahlen.
Abb. 8: Vier Entwicklungsphasen
3.2.1 Verdeckte Desintegration
Aufgrund von kontinuierlichen Veränderungen von Innenwelten, Umwelten und Märkten können sich Anforderungen schleichend verändern, was zur Folge haben kann, dass die Dinge auseinander zu driften beginnen und bisherige Vernetzungen und das Ineinandergreifen der Prozesse, aber auch das Gefühl von Identität zunehmend verloren gehen.
Beispiel: Trotz insgesamt guter Ergebnisse mehren sich in einem Detailhandelskonzern die Zeichen, dass der Textilbereich nicht mehr gut positioniert ist. Das Unternehmen war Marktleader in den meisten Angebotsbereichen, geprägt durch eine effiziente Macherkultur und eine enorme Angebotsentwicklung nach dem Prinzip »alles anbieten was der Kunde verlangt«. Die Mitbewerbersituation ist im Textilbereich durch neue Anbieter geprägt, die auf klare Kundensegmente fokussieren und damit wachsenden Erfolg haben. Das unklare Profil und stagnierende Umsätze machen dem Unternehmensbereich zu schaffen. Die hohe Dezentralität, verbunden mit klassischer Funktionsteilung – die Erfolgsfaktoren der Vergangenheit – werden schleichend zu Misserfolgsfaktoren. In einer ersten Phase versucht der zentrale Einkauf vermehrt zu fokussieren und ein schlüssiges jugendliches Sortiment neu zu positionieren und mit einer entsprechenden Werbekampagne zu begleiten. Strukturen und Prozesse werden nicht angetastet (da sie 30 Jahre gut funktioniert haben). In der Folge finden traditionelle Kunden einiges nicht mehr und die beworbenen Artikel sind schon am dritten Tag ausverkauft, da die Logistik nicht entsprechend angepasst wurde. Probleme werden erkannt. In Form bewährter Arbeitsgruppen werden diese angegangen, mit dem Effekt, dass Teilprobleme zwar gelöst werden, jedoch zusätzliche neue Probleme aus der Problemlösung heraus entstehen. Das bewährte Bewirtschaftungskonzept ist durch die neue Logik in Schieflage geraten, während die gewohnten Problemlösungsprozesse angesichts wachsender Komplexität durch neue Geschäftslogiken die Desintegration verstärken. Der wachsende Unmut bei Mitarbeitern der Basis, die mit zunehmendem Problembewältigungsaufwand konfrontiert sind, führt zum zunehmenden Verlust des Gefühls von Stimmigkeit, von Identifikation und Motivation.
In einer ersten Phase der verdeckten Desintegration werden Abweichungen als Funktionsmängel und nicht als Systemmängel interpretiert. Im Selbstbild der Organisation (resp. des Bereiches) ist das Ganze nach wie vor schlüssig. Aus Sicht der Führungskräfte weisen Unstimmigkeiten und Probleme darauf hin, dass das bestehende System aufpoliert werden müsse. Probleme werden als lokale Funktionsstörungen verstanden, die mit gezielten lokalen Problemlösungen behoben werden können. Berater werden geholt für KVP-Prozesse, Teamentwicklungen, Weiterbildungen im Bereich »Führungsverhalten« und Projektmanagement. Das Management versteht die Probleme nicht als Herausforderung an sich, die Geschäftsstrategie und -prozesse sowie Führung und Hierarchie auf neue Erfordernisse auszurichten, sondern lanciert Projekte etc. Diese Phase ist von ersten subtilen Desintegrationserscheinungen geprägt. Motivation und Identifikation gehen schleichend verloren. In den Gängen und hinter vorgehaltener Hand wird über Dinge gesprochen, die nicht mehr funktionieren, während auf der offiziellen Tagesordnung gewohnte Zuversicht die Szene beherrscht.
3.2.2 Offene Desintegration
Wenn dann Probleme in Kennzahlen verschärft zum Ausdruck kommen, die für das Unternehmen relevant sind (steigende Kosten, Umsatzprobleme, Personalfluktuation, etc.), wird unübersehbar, dass die Dinge nicht mehr richtig zusammenkommen. Gemeinsame Vorstellungen von Stimmigkeit beginnen zu verschwinden, ohne dass man in Richtung Lösungen zweiter Ordnung ginge und Probleme neu definiert. Auch werden Verantwortungen nicht neu geklärt und übernommen. Es entsteht zunehmend ein Klima der Verunsicherung und Angst. Zunächst wird nur für Außenstehende deutlich, dass ein grundlegender Handlungsbedarf im Bereich Neuausrichtung von Geschäften und Prozessen besteht. Zunehmend wird offen bis inflationär über alles geklagt. Jeder spricht und urteilt über alles, ohne dass dies mit Substanz gefüllt würde. Die Energie von Problemlösungsmaßnahmen geht ganz auf die Oberflächenebene. So werden Abteilungen zusammengelegt und andere Etikettierungen vergeben (Personalentwicklung statt Ausbildung), ohne dass eine wirkliche Integration von Strukturen und Prozessen stattfinden würde. Für die Führungs- und Leistungsprobleme wird niemand in die Verantwortung genommen (und evtl. entlassen), sondern es werden spektakuläre Projekte als Bypasslösungen an der Linie vorbei initiiert. Man lässt kulturfremde Interventionen zu, wenn sie nur Lösungen versprechen, die nicht die eigene Verantwortung herausfordern. In wachsender Hektik werden mit unterschiedlichsten Erneuerungsansätzen viele verschiedene Projekte (Zentralisierungsprojekte etc.) gleichzeitig beauftragt. Dabei fehlen realistische Zeit- und Machbarkeitsüberlegungen weitgehend – mit der Folge, dass insbesondere das mittlere Management und die Basis völlig überfordert werden. Es erscheint einfacher, viel Geld für Projekte und Berater in die Hand zu nehmen, als sich auf Wesentliches und Machbares zurück zu besinnen. Die Aufmerksamkeit für die Kerngeschäfte und Kernzuständigkeiten geht zunehmend verloren. Die Flucht in Fusionen und radikale Umorganisationen verstärkt die Desintegrationsspirale. Gegen Ende dieser Phase wird erkannt, dass so die Probleme nicht gelöst, sondern oft noch potenziert werden. Es wird klar, dass es Programme braucht, welche die verschiedenen Prozesse zusammenbringen und auf für alle verdaubare Formen reduzieren. Das Bewusstsein wächst, dass Top-down-Beschlüsse und Geld allein nicht genügen, und dass die Führungskräfte und Führungsketten gefordert sind, aktive Verantwortung für Gestaltung und sinnvolle Integration zu übernehmen.