Kitabı oku: «Es war ein reiches Leben», sayfa 4

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Damit möchte ich gar nicht gesagt haben, dass diese spartanische Erziehung nie fehlschlug. Es gibt Menschen, die unreformierbar sind, und solche gab es auch bei uns im Internat. Es gab bei uns im Taunton viel Unsittlichkeit. Die älteren Schüler brachten oft lose Mädchen ins Internat – sie gaben sie als Kusinen oder andere Verwandte aus. Die Gesprächsthemen in den Schlafzimmern waren meist sexueller Art. Schmutzige Witze waren oft die Regel, obwohl es edle Schüler gab, die nicht mitmachten. Solche galten oft als prüde.

Ich kenne christliche Internate, für die diese negativen Aussagen kaum gelten. Aber in den rein säkularen Schulen ist Unsittlichkeit oft die Regel. Solche kann ich deshalb nicht empfehlen. Wir haben unsere Kinder auf christliche Internate geschickt, da war die Atmosphäre besser. Die Gefahr in solchen christlichen Internaten ist die einer Treibhausatmosphäre: Gesetzlichkeit und auch Heuchelei können in solchen Internaten, die wohl einen christlichen Direktor hatten, wo aber auch nichtchristliche Lehrer mitwirkten, auftreten. Da konnten die Kinder selber die Unterschiede zwischen Christen und Nichtchristen sehen und sich selbst ihre eigene Meinung bilden. Da waren die christlichen Lehrer oft wirkliche Lichter in einer Welt, die zum großen Teil nicht christlich war. Auf diese Weise wurden sie auf die wirkliche Welt, wo Christen in einer nichtchristlichen Welt leuchten müssen, vorbereitet.

7. Einige Vorteile des Internats

Das Internat hatte, neben all diesen zum Teil negativen Überlegungen, doch große Vorteile. Obwohl das Internat meine lieben Eltern sehr teuer zu stehen kam – und das in der Zeit (1930–1934) der großen Depression – wurde man dort viel weniger als zu Hause von der Schularbeit abgelenkt. Man fing um 7.00 Uhr morgens mit dem Waschen und Aufstehen an. Kapelle 7.30-8.00 Uhr. Frühstück 8.00–8.30 Uhr. Unterricht 9.00–13.00 Uhr. Mittagessen 13.15–13.45 Uhr. Pause bis 14.00 Uhr, dann Unterricht bis 16.30 Uhr. Danach Spiele – Fußball, Rugby, Football, Hockey (im Winter), Cricket (im Sommer). Dies war alles obligatorisch. Leistung in Sport galt vielleicht noch mehr als akademische Leistung. Danach folgten die Hausaufgaben, die unter Aufsicht in einem großen Saal von 19.30–21.30 Uhr zu erledigen waren. Während wir die Hausaufgaben erledigten, bekamen wir das Abendessen: Butterbrote mit ein wenig Käse, Marmelade oder Marmite (ein Hefeextrakt) plus eine Tasse Kakao – ein undefinierbares Gemisch von Wasser, Milchpulver, Zucker und Kakao. Um 22.00 Uhr ging es ins Bett für die Älteren, für die Jüngeren eine halbe Stunde früher. Um Punkt 22.30 Uhr war Licht aus. Alle Lichter in den Schlafzimmern mussten dann gelöscht werden, alle Gespräche verstummten – und wehe dem Jungen, der mit Radiokopfhörern unter den Bettdecken heimlich Radiomusik oder sonst etwas hörte. Ein Junge in jedem Schlafzimmer war für die Einhaltung dieser Verordnung verantwortlich, und man durfte ihn nie verraten!

Kapitel V
ATHEISTISCHE AUSSAAT

1. Der Kirchenstreit in England

Während mein Bruder und ich im Internat lebten, tobte der Kirchenstreit in England. Zur Zeit der Reformation unter Heinrich VIII. sagte die anglikanische Kirche dem Katholizismus ab. Der englische König Heinrich VIII. wollte dem Papst von Rom nicht untertan sein, denn der Papst machte Heinrich mit seinen vielen Frauen (mit Recht) Mühe.

Nun, Heinrich war kein besonders frommer Mann, im Gegenteil. Er wollte die Doktrin der Kirche in England nicht ändern, sondern nur ihre politische Struktur und Hierarchie. Die römische Hierarchie passte nicht in sein Konzept, obwohl ihm theoretisch ihre Doktrin recht war. Die Machtpolitik des Papstes ärgerte den stolzen englischen König. Deshalb machte er sich zum Papst, indem er den anglikanischen Erzbischof von Canterbury einsetzte. In der Lehre jedoch blieb fast alles beim Alten. So lehrt heute noch die anglikanische Kirche – zumindest nach ihrem Gebetsbuch zu urteilen – zum Beispiel die römisch-katholische Doktrin der Kindertaufe. Die anglikanische Kindertaufe bringt den Täufling angeblich ins Himmelreich, er wird dadurch von neuem geboren. Die römisch-katholischen Doktrinen der Kirche blieben unter Heinrich VIII. fast beim Alten. Auch wenn die Evangelikalen innerhalb der anglikanischen Kirche Englands es bestreiten, dass ihre Kirche eine katholische Säuglingstaufe lehrt, steht diese unbiblische Doktrin heute noch in jedem Gebetsbuch. Die kontinentale lutherische Landeskirche steckte in ähnlicher Lage.

Nun, der Kirchenstreit hatte mit all diesen Problemen nichts zu tun. Diese wurden durch die wirkliche Reformation Englands durch die späteren Reformatoren Charles und John Wesley, George Whitfield und später Spurgeon angegriffen. Der Kirchenstreit von 1925–1935 ging einzig und allein ums Geld – ein Problem, das auch die heutige Kirche – besonders auf dem europäischen Kontinent – plagt. Die anglikanische Staatskirche, deren Oberhaupt der König (bzw. die Königin) ist, kennt keine Kirchensteuern. Das Land wurde mit einem so genannten Zehnten belegt. Jeder Landbesitzer hatte mit dem Kauf seines Landes der Kirche alljährlich einen Barbetrag zu entrichten. Früher wurde dieser Zehnte in natura eingezogen – der Pfarrer hatte seine eigene Scheune, wo er seinen Weizen, die Kartoffeln, das Stroh etc. unterbrachte. In späteren Jahren wollte der Pfarrer nichts mehr in Naturalien annehmen und verlangte den Gegenwert in Bargeld. So wurde des Pfarrers Arbeit erleichtert. Aber es gibt immer noch überall in England alte Scheunen bei dem Pfarrhaus, die heute für andere Zwecke benutzt werden – als Tanzhallen zum Beispiel.

Ganz gleich ob der Landbesitzer sich zur anglikanischen Kirche bekannte oder nicht: Die Tatsache, dass er ein gewisses Stück Land besaß, verpflichtete ihn zur Entrichtung des Zehnten an die anglikanische Kirche.

Oft besaßen Methodisten, Freikirchler und sogar Atheisten Land, das sie dann verpflichtete, den Zehnten an die anglikanische Kirche zu entrichten. Dadurch gab es sehr viel Ärger. Die anglikanische Kirche ist enorm reich und besitzt oder besaß viele Bergwerke und große Elendsviertel in London und anderen Städten.

Solange man Geld leicht verdient, zahlen die meisten Leute – auch wenn es sich um ungerechte Angelegenheiten handelt. Als aber die große Depression 1929 heranrückte, wodurch die Farmer und andere Landbesitzer „knapp bei Kasse“ waren, fing man an, diese kirchliche Steuer nicht mehr entrichten zu wollen. Die Farmer mussten Landknechte entlassen, weil sie nicht über das Geld verfügten, ihre Löhne nebst dem Zehnten zu bezahlen. Wenn es hieß, entweder „John“ und „Harry“ zu entlassen oder den Zehnten abzugeben, weigerten sich viele Farmer, das Geld an die Kirche zu bezahlen.

Die anglikanischen Kirchen waren sowieso überall fast leer – Gottesdienstbesucher bestanden oft aus dem guten Pfarrer, dem Organisten und dem Kirchendiener. Die Predigten dauerten höchstens zehn Minuten der Pfarrer war meist liberal – dafür hatten die theologischen Fakultäten der Universitäten, vornehmlich Oxford und Cambridge, gesorgt. Die Kirchen liberaler Pfarrer waren und sind noch meist leer, und das war auch in unserer Gegend der Fall.

2. Die große Depression 19291932

Jeden Tag zogen arbeitslose, vom britischen Heer entlassene junge Männer an unserer Farm vorbei. Oft liefen täglich durch unsere Ortschaft 100–200 junge heruntergekommene Männer und bettelten uns an. Sie liefen von einem „Workhouse“ zum anderen, um ein Bett für die Nacht zu finden. Ein „Workhouse“ war ein Heim für arbeitslose Menschen, die obdachlos waren. Sie mussten ein Pensum an Arbeit leisten – Garten umgraben oder Unkraut jäten; dafür bekamen sie ein Essen und ein Bett für die Nacht. Alles war sehr primitiv, aber besser, als im Straßengraben zu schlafen. Vater hatte kein Geld zum Verschenken – wenn man ihnen Geld gab, verschwendeten sie es oft für Alkohol, was verständlich war, denn sie wollten ihr Elend eine Zeit lang vergessen. Es handelte sich meist um junge Männer, die im Ersten Weltkrieg für England gekämpft und ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten. Solche entlassenen Soldaten waren oft bitter gegen den Staat und die Gesellschaft im Allgemeinen, weil sie so schlecht behandelt wurden. So gab ihnen mein Vater, wo er nur konnte, kurzfristige Arbeit, Essen und ein Bett für die Nacht, wofür die meisten dankbar waren.

Mein Vater stand auf dem Standpunkt, dass die anglikanische Kirche eine tote Organisation sei, die für ihren Leerlauf viel zu viel Geld schluckte. Er hatte bestimmt nicht Unrecht, und als er aufgefordert wurde, den Zehnten zu bezahlen, erklärte Vater, dass er lieber diesen armen Arbeitslosen als der Kirche helfen würde. Meine Mutter als gläubige Frau, die eine praktizierende Christin war, schwebte also zwischen zwei Loyalitäten. Sie war aber gerecht, sah, dass die Kirche für den wahren Glauben ein direktes Hindernis darstellte – und unterstützte Vater. Wir Kinder waren natürlich gleicher Meinung, denn wie sollte ein Pfarrer, der oft das nicht glaubte und auch nicht vorlebte, was er bloß um des Geldes willen predigte, armen Arbeitslosen das Essen aus dem Mund nehmen? Nun, Vater und viele andere benachbarte Farmer bezahlten den Zehnten einfach nicht. Die Konsequenz war vorauszusehen.

Die Kirche musste für die Gehälter der Pfarrer aufkommen, sonst mussten sie und ihre Familien auch hungern! Die reichste und begütertste Kirche des Landes brauchte also Geld und schickte prompt den örtlichen Versteigerer (Betreibungsbeamten) mit der kirchlichen Behörde in jedes Haus, um den Zehnten mit der Gewalt des Gesetzes zu holen. Sie bekamen aber kein Geld, nichts war vorhanden. Daraufhin wurden die Möbel, die Betten, die Tische, das Besteck – kurzum alles, was die Familie besaß – öffentlich versteigert.

3. Versteigerungen

Am festgelegten Tag kamen die Farmer und das Publikum in unser Haus, um zu erkunden, was diese inzwischen verhasst gewordene Kirche im Namen Christi unternehmen würde. Der Versteigerer pries zuerst etwa den Küchentisch an und sagte, dass er etwa 30 DM wert sei. Er bat dann um feste Angebote. Es folgte eine tödliche Stille. Niemand machte irgendein Angebot, denn die anwesenden Farmer waren unsere Freunde aus benachbarten Gütern, die später am gleichen Tag an die Reihe kommen würden, weil auch sie ihren Zehnten nicht bezahlt hatten. Daraufhin drängte der Versteigerer auf Angebote. Ein Farmer bemerkte dann spöttisch, dass der Tisch einen Kratzer in der Mitte aufwies, der Preis sei zu hoch!

„Was bieten Sie mir dafür?“, fragte der Versteigerer verärgert. „Höchstens einen Pfennig“, antwortete der Farmer mit sehr ernster Miene.

„Aber der Tisch ist doch gut“, antwortete der Beamte, „weitere, aber bitte seriöse Angebote?“

Wieder trat tödliche Stille ein. Einige Gesichter wiesen ein leichtes Grinsen auf.

„Ja“, äußerte sich nach einer Weile ein anderer Farmer, „der Kratzer ist doch schwerwiegend, ich biete zwei Pfennige. Ich verdoppele das Angebot, was Sie als seriös anerkennen müssen, Herr Versteigerer.“

Letzten Endes erhielt der arme, aber harte Versteigerer drei Pfennige für den Küchentisch. Der Farmer bezahlte feierlich auf der Stelle den Betrag, bestand auf eine amtliche Quittung, dass der Tisch ihm jetzt zur freien Verfügung gehöre. Dann schritt er feierlich zu meiner Mutter und schenkte ihr zur freien Verfügung ihren schönen Küchentisch.

So ging die ganze Truppe durch das Haus und versteigerte alles, was wir im Haus hatten – Stühle, Besteck, Vorhänge, Teppiche, Tassen, Teller und Uhren. Auch Betten und Bettleinen wurden nicht verschont. Im Laufe dieser Arbeit wurden die Gesichter immer fröhlicher – aber das Gesicht des Versteigerers wurde immer dunkler. Mit solcher Solidarität hatten er und die Kirche nicht gerechnet – dass die Farmer die Quittung den ursprünglichen Besitzern zurückgeben und voneinander in der Notlage nicht profitieren wollten. Er kassierte an diesem Nachmittag vielleicht zwei oder drei Reichsmark für unseren ganzen Haushalt.

Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten, sagt ein Sprichwort. Und so war es an diesem Nachmittag. Als die ganze Truppe des Versteigerers aus dem Haus über den Hof ging, um Vaters Auto zu versteigern, entstand plötzlich ein riesiger Tumult. Die jungen Männer sprangen entsetzt über die Zäune, die Damen schrien laut auf, und der Versteigerer flüchtete mit einem Sprung in die obere Scheune – vier bis fünf Sprossen auf einmal die Leiter hinauf. Warum aber dieser Tumult, das plötzliche Geschrei und diese Hast? Solche Agilität sieht man doch recht selten bei einem Beamten, der sich seiner Würde immer sehr bewusst ist! Es dauerte gar nicht lange, bis man die Ursache dieses buchstäblich sprunghaften Benehmens des Staatsbeamten und seiner Gefolgschaft erkannte; denn der Bulle aus dem Stall, Kopf nach unten und Schwanz wie eine Fahnenstange nach oben, raste auf die Gruppe zu! Ein Farmer, ein guter Freund von uns, hatte einen starken Sinn für groben Humor und war unbemerkt in den Stall geschlichen. Dort hatte er unseren bösen, wilden Bullen losgebunden. Nie war das unserem Bullen je passiert, dass er frei herumlaufen durfte! Man führte ihn immer an einer Kette und einem Stab durch den Nasenring umher. Sich seiner neu gefundenen Freiheit freuend, raste er auf den Versteigerer und seine Gruppe zu. Im Bruchteil einer Sekunde verschwanden alle Menschen; und der Farmer, der sich diesen Spaß erlaubt hatte, zeigte sich grinsend auf der anderen Seite des Hoftores – selbst in absoluter Sicherheit.

Der Versteigerer konnte aus seinem Versteck im Heuboden der Scheune nicht herunterkommen, um Vaters Auto zu versteigern. Er musste kläglich dort oben warten, bis wir den Schweizer gefunden hatten, den der Bulle kannte und dem er auch gehorchte. Eine Zeit lang ließ sich aber dieser Schweizer nicht finden. Merkwürdig! Dann kam er ganz gelassen aus einer anderen Scheune herausgeschlendert, ging langsam auf den Bullen zu und legte den Stab an seinen Nasenring, während er beruhigend zu diesem gefährlichen Tier sprach. Er führte ihn zurück zum Stall und befestigte ihn. Erst dann wagte es der Versteigerer, vom Heuboden herunterzukommen. Irgendetwas von seiner Autorität schien verdunstet zu sein. All die Farmer waren jetzt allerbester Laune und gratulierten meinem Vater, und er bedankte sich bei ihnen und streichelte seine Quittungen.

Aber die Arbeit des Nachmittags war noch nicht zu Ende, denn der Versteigerer entschied, dass es bereits zu spät sei, mit der Versteigerung des Autos fortzufahren. Er schritt auf die Scheune zu, in der sein schönes Auto untergestellt war. Aber oh weh, oh weh! Er erkannte sein Auto gar nicht mehr. Irgendjemand war offenbar in die Hühnerhäuser gegangen, um dort Federn und Mist zu sammeln. Und irgendjemand hatte zur gleichen Zeit flüssigen, warmen Teer, womit man gerade zu der Zeit die Straße vor dem Gut geteert hatte, über das ganze Auto gegossen und oben darauf die Federn gestreut, die hartnäckig festklebten. Man nannte dieses spezielle Verfahren, Autos zu verzieren, teeren und federn, eine Ehre, die jederzeit denen widerfahren konnte, die einer besonderen Ehre wert betrachtet wurden.

Merkwürdigerweise war die Polizei, die von Ferne zugeschaut hatte, auch nicht mehr zu sehen. Die Armen, sie mussten in einer Ortschaft arbeiten, die aus lauter Farmern bestand. Es wäre sicher für ihre polizeiliche Gesundheit nicht gerade günstig gewesen, sich hier einzumischen, wo man sich gelungene Späße erlaubte und niemand ernstlich zu Schaden gekommen war. Die ganze Grafschaft lachte über diesen „aktiv-passiven“ Widerstand gegen die Ungerechtigkeit der Kirche. Alles entwickelte sich mit äußerst gutem Humor – ohne tierischen Ernst aufkommen zu lassen! Englischer Humor spielt sich oft so ab!

4. Konsequenzen der Versteigerung

Nun, was macht man in solchen Fällen? Die Kirche war eine staatliche Einrichtung. Der Staat setzte die Bischöfe ein, sammelte für die Kirche den Zehnten ein und war eins mit der Staatskirche. Wenn die Staatskirche Bankrott geht, muss der Staat dafür aufkommen. Das Geld, das die Kirche als Zehnten nicht eintreiben konnte, musste also von Vater Staat aufgetrieben werden. Vater Staat fühlte sich direkt betroffen, hatte aber Angst, die bedrängten Farmer unnötig zugunsten einer toten Kirche zu verärgern. Was konnte er tun? Ganz einfach! Man musste die Kirche sicherer finanzieren. So wurde schnell ein neues Gesetz verfasst und mit Blitzgeschwindigkeit durchs Parlament geschleust, um die Frage des Zehnten für alle Zeiten zu regeln. Der Zehnte wurde zu einer Staatssteuer für die Staatskirche gemacht und diese Steuer wurde mit polizeilicher Staatsmacht – wie die Einkommenssteuer – bar eingetrieben. Die Landbesitzer, die es so wollten, konnten ihren Zehnten mit einer Kapitalabfindung ein für alle Male abzahlen. Wer diese Regelung nicht anerkennen wollte, der leistete der Staatsmacht Widerstand und wurde als Steuerverweigerer für schuldig erklärt. So gewann der Staat diese Auseinandersetzung, indem sich die Kirche mit der Staatsmacht identifizierte. Und die Staatskirche verlor für immer in England die Berechtigung, zu behaupten: „Mein Reich nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Diese Handlungsweise in einem finanziell bedrängten Lande blieb natürlich nicht ohne Konsequenzen bei uns. Schon bevor wir ins Internat kamen, hatten wir beschlossen, dass diese Kirche zum größten Teil ein Humbug ist und dass kein Mensch, der denkt, religiös sein kann. Wir verwechselten Christsein mit Religiosität – oder Frommsein und Staatsmacht mit moralischer Autorität. So bildeten wir uns ein, dass wir Atheisten seien, denn diese Kirche war für uns eine Heuchelei und nur ein Deckmantel für Unrecht. Es ist eine besondere Güte Gottes, dass wir später Christen wurden, trotz all dieser negativen Erfahrungen.

Im Internat entschied ich mich, weil ich mich dort in der Schule gut entwickelte, in Oxford oder Cambridge zu studieren. Aber damals stand Oxford direkt unter dem Einfluss der Kirche. Die meisten Stipendien stammten aus kirchlich gebundenen Quellen. Es war deshalb vorteilhaft für mich, wenn ich mich kirchlich konfirmieren ließ. Ich war als Säugling in der anglikanischen Kirche getauft worden, sodass ich konfirmiert werden konnte. Ich ließ mich im Internat konfirmieren! Der arme Pfarrer, der uns konfirmierte, war etwas schwerhörig, aber ein Gentleman in jeder Hinsicht. Wir erzählten ihm während des Unterrichts unpassende Witze, die er erst zu spät erkannte, um uns rechtzeitig unterbrechen zu können. Ich lernte aber nichts vom Christsein. Als ich von dem Bischof von Taunton konfirmiert wurde, konnte ich nicht einmal die Zehn Gebote aufsagen. So beging ich den Frevel, zum ersten Mal in Taunton als Atheist das Abendmahl zu feiern, und zwar um akademischer Vorteile willen. Ich stand vollkommen im Unglauben – und wurde ohne ernsthafte Prüfung konfirmiert. Welche Verantwortungslosigkeit seitens einer Kirche, die eine offene Bibel besitzt und doch nicht benutzt!

5. Der Herr Pfarrer bekommt eine höhere Berufung

Um diesen Abschnitt über Kirche und Zehnten abzuschließen, müssen wir noch eine kleine Begebenheit, die mit der Kirche zu tun hat, beschreiben. Wir hatten im Pfarrhaus in Cholsey einen sehr lieben, milden Pfarrer. Er war kränklich, er litt an einer Art Darmkrebs.

Er predigte einmal die Woche etwa zehn Minuten (selten länger) und gehörte der „Middle Church“ (zwischen den Evangelikalen und Anglokatholiken) an. Sein Kirchenbesuch war äußerst schwach – zehn bis 15 Menschen an einem Sonntag –, denn seine Predigten waren langweilig und irrelevant. Er führte fast keine Hausbesuche durch. Da die meisten Bewohner seiner Pfarrei auf dem Land arbeiteten und die Kirche mit ihrer Politik der Zwangseintreibung des Zehnten sehr unpopulär war, wurde die Situation des armen Pfarrers im Dorf sehr bedenklich.

Eines Tages meldete sich der Pfarrer überraschend zum ersten Besuch bei uns. Der Grund dieses Besuches war nicht seelsorgerlich – das geschah wohl nie und wäre auch bei uns unerwünscht gewesen. Nein, er wollte sich bei uns verabschieden! Wir luden ihn um 17.00 Uhr zum Teetrinken. Der arme kranke Mann tauchte pünktlich bei uns auf und wurde von meiner Mutter willkommen geheißen. Die Lage war geladen, denn auch mein Vater gesellte sich dazu, um den Pfarrer zu verabschieden.

Nach einiger Zeit fragte mein Vater, wo der Pfarrer hingehen wollte. Der Pfarrer antwortete überfromm er habe eine höhere Berufung erhalten. Mein Vater wollte wissen, wo diese Berufung läge. Aber der Pfarrer wollte nicht mit der Sprache herausrücken. Mein Vater ließ nicht locker, bis der Pfarrer die neue Ortschaft, wo er tätig sein würde, beim Namen nannte. Die Ortschaft lag nicht weit von uns. Vater, als Mitglied des Gemeinderats, war gut orientiert und wusste, dass die neue Pfarrei doppelt so hoch dotiert war wie die Pfarrei unserer Ortschaft. Es entstand in der Familie eine peinliche Stille, denn der Ort war wegen der reichen Pfarrei allgemein bekannt. Schließlich bemerkte mein Vater sehr laut und deutlich, er nehme an, der Herr habe den Pfarrer sicher dorthin berufen. Da würde er, der Herr, diese Berufung sicherlich reichlich segnen. Aber, sagte mein Vater sarkastisch, er vermute, der Herr hätte lange und laut rufen müssen, wenn die Dotierung dort nicht doppelt so hoch gewesen wäre wie in Cholsey.

Daraufhin stand der Pfarrer auf und verabschiedete sich höflich. Er tat mir wirklich leid, denn er war ein lieber, aber leidender Mann, der sich in einer äußerst peinlichen Situation befand.

Als konfirmiertes Mitglied der anglikanischen Kirche mit guten schulischen Noten stand mir die Universität Oxford offen. Damals mussten die Eltern die Studien ihrer Kinder finanzieren, was eine starke Familienzugehörigkeit förderte. Man wusste, dass die Eltern finanziell Opfer auf sich nahmen, um den Kindern eine gute Ausbildung zu sichern. Viele Studenten waren ihren Eltern dafür von Herzen dankbar. Noch dazu nutzten sie jede Sekunde des Semesters, um vom Geld der Eltern im Studium zu profitieren.