Kitabı oku: «Die Welt unter Strom», sayfa 11
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In den frühen 1970er-Jahren waren sich die Atmosphärenphysiker schließlich im Klaren darüber, dass das Erdmagnetfeld stark gestört war. Nicht alle Whistler, Zischlaute, Chöre und andere auffallenden Geräusche wie zum Beispiel das Löwengebrüll, die sie seit einem halben Jahrhundert gehört hatten, wurden von der Natur verursacht! Zu Gehör kamen sie nur, weil es Bemühungen gab, die elektromagnetische Umwelt der Erde absichtlich zu verändern – Bemühungen, die ihren Höhepunkt gegenwärtig im HAARP-Projekt (High Frequency Active Auroral Research Program, ein militärisches und ziviles US-Forschungsprogramm) in Gakona, Alaska erreichen (siehe KAPITEL 16).
Im Auftrag des US-Marineforschungsamtes, des Office of Naval Research, hatten Wissenschaftler des Radioscience Laboratory der Stanford University einen 100-Kilowatt-VLF-Sender an der Siple-Station in der Antarktis gebaut, der im Bereich von 1,5 bis 16 kHz sendet. Die 20 Kilometer lange Antenne, die sich über das gefrorene Eis erstreckt, dient laut Robert Helliwell, einem Mitglied des Stanford-Teams, unter anderem zur „Kontrolle der Ionosphäre, Kontrolle der Strahlungsgürtel und neuer Methoden der v.l.f.- und u.l.f.-Kommunikation“.16 1958 wurde rein zufällig entdeckt, dass von der Erde stammende VLF-Übertragungen mit Partikeln in der Magnetosphäre interagieren und sie dazu anregen, neue VLF-Wellen zu emittieren, die dann am anderen Ende der Erde empfangen werden können. Der Zweck des Stanford-Projekts war, dies absichtlich zu tun – nämlich ausreichende Mengen sehr niederfrequenter Energie in die Magnetosphäre zu injizieren. Allerdings nicht nur, um neue Wellen zu erzeugen. Diese neuen Wellen sollten nämlich wiederum dazu führen, dass Elektronen aus dem Strahlungsgürtel der Erde in die Atmosphäre regnen, um damit die Eigenschaften der Ionosphäre für militärische Zwecke zu verändern. Ein Hauptziel des Verteidigungsministeriums war dabei, eine Methode zur Stimulierung der Ionosphäre zu entwickeln, um VLF- (sehr niederfrequente), ELF- (extra-niederfrequente) oder sogar ULF- (ultra-niederfrequente) Wellen zu emittieren, um mit U-Booten unter dem Meer zu kommunizieren.17 Der VLF-Sender in Siple und ein VLF-Empfänger in Nordquebec in Roberval gehörten zu dieser frühen Forschungsarbeit.
Die von ihnen gesammelten Daten waren überraschend. Erstens war das in Quebec unmittelbar nach der Übertragung aus der Antarktis empfangene Signal größer als erwartet. Die von der Antarktis ausgestrahlten Wellen lösten nicht nur neue Emissionen von Partikeln in der Magnetosphäre aus, sondern wurden in der Magnetosphäre mehr als tausendfach verstärkt, bevor sie zur Erde zurückkehrten und in Quebec empfangen wurden. Nachdem das Signal von der Magnetosphäre weitergeleitet wurde, war nur ein halbes Watt Sendeleistung erforderlich, um in der Nähe des gegenüberliegenden Erdpols empfangen zu werden.18 Die zweite Überraschung war, dass Roberval Frequenzen empfing, die nichts mit den Frequenzen von Siple zu tun hatten, sondern stattdessen Vielfache des in Amerika verwendeten 60 Hz-Stromnetzes waren. Das Siple-Signal wurde auf seiner Reise durch das Weltall geändert und war nunmehr vom Stromnetz geprägt.
Seit diesen ersten Erkenntnissen haben Wissenschaftler viel über diese Form der Verschmutzung gelernt, die heute als „Abstrahlung von Harmonischen von Starkstromleitungen“ (power line harmonic radiation, PLHR) bekannt ist. Es scheint, dass Harmonische aus allen Stromnetzen der Welt kontinuierlich in die Magnetosphäre gelangen, wo sie beim Hin und Her zwischen der nördlichen und südlichen Hemisphäre enorm verstärkt werden und ihre eigenen steigenden und fallenden Whistler erzeugen, genau wie das auch bei der Strahlung von Blitzen der Fall ist.
Aber es gibt einen grundlegenden Unterschied. Vor 1889 spielten Whistler und andere vom Blitz ausgelösten Geräusche kontinuierlich über die gesamte Klangbreite des irdischen Instruments. Heute ist die Musik gestelzt, gedämpft und oft auf ein Vielfaches von 50 oder 60 Hz beschränkt. Jede Komponente der natürlichen Symphonie wurde radikal verändert. Der „Morgenchor“ ist sonntags leiser als an anderen Wochentagen und die Startfrequenzen der meisten Chorusemissionen sind Oberwellen der Stromleitungen.19 „Es ist anzunehmen, dass die gesamte Bandbreite, die Zischlaute hat, durch die Strahlung der Stromleitungen verursacht wird“, schrieb Helliwell 1975. Und die natürlichen, langsamen Pulsationen des Erdmagnetfeldes unter 1 Hz, die auch für alles Leben wichtig sind, sind an Wochenenden am stärksten, offensichtlich weil sie durch Strahlung aus dem Stromnetz unterdrückt werden und diese Strahlung an Wochentagen stärker ist.20 Antony Fraser-Smith, ebenfalls an der Stanford University, hat durch die Analyse der seit 1868 gesammelten geomagnetischen Aktivitätsdaten gezeigt, dass dies kein neues Phänomen ist. Dies wurde bereits seit der ersten Verwendung von Wechselstrom in zunehmendem Maß beobachtet.21 Die zwischen 1958 und 1992 gesammelten Daten zeigten, dass die Pc 1-Aktivität, die die geomagnetischen Pulsationen zwischen 0,2 und 5 Hz darstellt, an Wochenenden um 15 bis 20 Prozent höher war als in der Mitte der Woche.22
Die Struktur der Van-Allen-Strahlungsgürtel scheint ebenfalls verändert worden zu sein. Was das Verteidigungsministerium absichtlich erreichen wollte, wurde anscheinend bereits massiv durch die weltweiten Stromnetze verursacht. Warum, so hatten sich Physiker lange gefragt, gibt es zwei elektronengefüllte Strahlungsgürtel um die Erde, einen inneren und einen äußeren, die durch eine Schicht getrennt sind, die praktisch keine Elektronen enthält? Einige denken, dass diese „Elektronenleerstelle“ durch ihre Wechselwirkung mit Strahlungen von Stromleitungen kontinuierlich von ihren Elektronen befreit wird.23 Diese Elektronen regnen wiederum auf die Erde ab und verändern die elektrischen Eigenschaften der Atmosphäre.24 Das kann nicht nur die Häufigkeit von Gewittern erhöhen,25 sondern auch die Werte der Schumann-Resonanzen verschieben, auf die alle Lebewesen abgestimmt sind.26
Kurz gesagt, die elektromagnetische Umgebung der gesamten Erde unterscheidet sich heute radikal von der vor 1889. Satellitenbeobachtungen zeigen, dass die Strahlung, die aus Stromleitungen stammt, die natürliche Strahlung von Blitzen häufig übersteigt.27 Die Strahlung von Stromleitungen ist so intensiv, dass sich Atmosphärenforscher darüber beklagen, nicht in der Lage zu sein, Grundlagenforschung zu betreiben: Es gibt sowohl auf der Erde als auch im Weltraum kaum mehr einen Ort, wo ein VLF-Empfänger zur Untersuchung natürlicher Phänomene verwendet werden kann.28
Unter natürlichen Bedingungen, wie sie vor 1889 existierten, trat eine intensive VLF-Aktivität, die zu Elektronenregen und zur Verschiebung der Schumann-Resonanzen führte, nur während geomagnetischer Stürme auf. Heutzutage wütet der magnetische Sturm ohne Unterlass.
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Influenza
Wenn die Atmosphäre zuweilen über das übliche Maß hinaus elektrifiziert wird, das notwendig ist, um den Körper in einem angemessenen Spannungszustand zu halten, werden die Nerven zu stark angeregt. Bei andauernder übermäßiger Reizung werden sie dann äußerst nervös und schwächeanfällig.
Noah Webster,
A Brief History of Epidemic and Pestilential Diseases, 1799, S. 38
Eine große, schnelle, qualitative Veränderung der elektromagnetischen Umgebung der Erde ist in der Geschichte der Menschheit bisher sechsmal aufgetreten.
Im Jahr 1889 begannen die harmonischen Strahlungen der Stromleitungen. Von diesem Jahr an war das Erdmagnetfeld geprägt von den Frequenzen der Starkstromleitungen und ihren Oberwellen. Genau in diesem Jahr begann die natürliche magnetische Aktivität der Erde unterdrückt zu werden. Alles Leben auf der Erde wurde davon beeinflusst. Das Zeitalter der Stromleitung wurde durch die Influenzapandemie von 1889 eingeläutet.
1918 begann das Radiozeitalter. Es begann mit dem Bau von Hunderten von leistungsstarken Radiosendern mit LF- und VLF-Frequenzen, wobei diese Frequenzen die Magnetosphäre garantiert am meisten verändern. Das Radiozeitalter wurde durch die spanische Influenzapandemie von 1918 eingeläutet.
1957 begann die Radar-Ära. Sie begann mit dem Bau von Hunderten von leistungsstarken Frühwarnradarstationen, die die hohen Breiten der nördlichen Hemisphäre bedeckten und Mikrowellenenergie in Höhe von Millionen von Watt in den Himmel katapultierten. Niederfrequenzkomponenten dieser Wellen gelangten entlang der Magnetfeldlinien zur südlichen Hemisphäre und verschmutzen diese auch. Die Radar-Ära wurde durch die asiatische Grippepandemie von 1957 eingeläutet.
1968 begann das Satellitenzeitalter. Es begann mit dem Start von Dutzenden von Satelliten, deren Sendeleistung relativ schwach war. Aber sie befanden sich bereits in der Magnetosphäre – und so wirkten sie sich genauso stark darauf aus wie die geringe Menge an Strahlung, die von Quellen am Boden in sie eindringen konnte. Das Satellitenzeitalter wurde durch die Grippepandemie in Hongkong von 1968 eingeläutet.
Die beiden anderen Meilensteine der Technologie – der Beginn des drahtlosen Zeitalters und die Aktivierung des hochfrequenten aktiven Auroralforschungsprogramms (HAARP) – ereigneten sich erst vor Kurzem und werden später in diesem Buch erörtert.
KAPITEL 10
Porphyrine und die Grundlage des Lebens
Ich sehe wenig Hoffnung, den subtilen Unterschied zwischen einer normalen und einer kranken Zelle erklären zu können, solange wir den grundlegenden Unterschied zwischen einer Katze und einem Stein nicht verstehen.
Albert Szent-Györgyi
Es ist eigentlich seltsam, dass „Porphyrin“, worunter Pigmente aus vier Pyrrol-Molekülen zu verstehen sind, kein Alltagsbegriff ist. Es ist weder ein Zucker, Fett oder Protein noch ein Vitamin, Mineral oder Hormon. Aber es ist grundlegender für das Leben als alle anderen Bestandteile der organischen Welt, denn ohne Porphyrin könnten wir nicht atmen. Pflanzen könnten nicht wachsen. Es würde keinen Sauerstoff in der Atmosphäre geben. Überall dort, wo Energie umgesetzt wird, wo immer Elektronen fließen, kann man Porphyrine finden. Wenn Elektrizität die Nervenleitung verändert oder den Stoffwechsel unserer Zellen stört, betrifft das ganz zentral die Porphyrine.
Während ich dieses Kapitel schreibe, ist gerade eine gute Freundin gestorben. In den letzten sieben Jahren hatte sie ohne Strom leben müssen und kaum jemals die Sonne gesehen. Sie wagte sich tagsüber selten hinaus. Wenn doch, bedeckte sie sich von Kopf bis Fuß mit dicker Lederkleidung, einem breitkrempigen Lederhut, der ihr Gesicht verbarg, und einer Brille mit zwei Schichten dunkler Gläser, die ihre Augen verdeckten. Bethany war eine ehemalige Tänzerin, die Musik und Natur mochte, und die es liebte, in der freien Luft zu sein. Sie verließ praktisch eine Welt, in die sie längst nicht mehr gehörte.
Ihre Beschwerden wurden wahrscheinlich durch ihre jahrelange Arbeit bei einer Computerfirma verursacht und waren ein klassisches Beispiel für eine Krankheit, die in der Medizin erst seit 1891 bekannt ist. Seinerzeit wurde sie als eine Nebenwirkung der plötzlichen weltweiten Expansion der Elektrotechnologie aufgefasst. Der Zusammenhang mit der Elektrizität wurde ein Jahrhundert später entdeckt. Obwohl sie heute als äußerst seltene genetische Stoffwechselerkrankung gilt, von der nur eine von 50.000 Personen betroffen ist, wurde ursprünglich angenommen, dass Porphyrie bis zu zehn Prozent der Bevölkerung in Mitleidenschaft zog. Ihre vermeintliche Seltenheit ist größtenteils auf das Vogel-Strauß-Verhalten der Ärzteschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen.
In den späten 1940er-Jahren wurden Ärzte mit einem äußerst schwierigen Widerspruch konfrontiert. Die meisten synthetischen Chemikalien waren bekannte Gifte. Eines der Vermächtnisse des Krieges war jedoch die Fähigkeit, nahezu alle erdenklichen Konsumartikel mit Produkten aus Mineralöl leicht und kostengünstig zu ersetzen. Dank der aufstrebenden petrochemischen Industrie, die uns ein „Besseres Leben durch Chemie“ brachte, waren synthetische Chemikalien jetzt buchstäblich überall zu finden. Wir trugen sie, schliefen darauf, wuschen unsere Kleidung, unsere Haare, unser Geschirr und unsere Häuser mit ihnen, badeten darin, isolierten unsere Häuser mit ihnen, legten unsere Fußböden mit Teppichboden aus, besprühten unsere Ernten, unsere Rasenflächen und unsere Haustiere mit ihnen, konservierten unsere Nahrungsmittel und beschichteten unser Kochgeschirr damit, verpackten unsere Lebensmittel darin, verwendeten sie als Feuchtigkeitsspender für unsere Haut und parfümierten unseren Körper mit ihnen.
Die Ärzteschaft hatte zwei Alternativen. Sie hätte versuchen können, die gesundheitlichen Auswirkungen der Hunderttausenden von neuen Chemikalien, die überall auf der Welt bunt durcheinandergewürfelt sind, einzeln oder in Kombination zu untersuchen – eine praktisch unmögliche Aufgabe. Der Versuch selbst hätte den Berufsstand auf einen Kollisionskurs mit der explosionsartig expandierenden petrochemischen Industrie gebracht, denn damit drohte ein Verbot der meisten neuen Chemikalien, was den wirtschaftlichen Aufschwung der nächsten zwei Jahrzehnte stark gedrosselt hätte.
Die andere Alternative für die Mediziner war, ihre Köpfe kollektiv in den Sand zu stecken und so zu tun, als würde die Bevölkerung der Welt ja gar nicht wirklich vergiftet.
Die Umweltmedizin wurde 1951 von Dr. Theron Randolph als medizinisches Fachgebiet ins Leben gerufen.1 Man kam nicht umhin, dies zu tun – das Ausmaß der Vergiftung war einfach zu groß, um es unter den Teppich zu kehren. Die schiere Anzahl der Kranken, die von der Schulmedizin im Stich gelassen wurden, führte zu einem dringenden Bedarf an geschulten Praktikern, um zumindest einige der Auswirkungen der neuen Chemikalien zu erkennen und die daraus resultierenden Krankheiten zu behandeln. Aber dieses Fachgebiet wurde vom Mainstream völlig ignoriert, und ihre Praktiker wurden vom US-Medizinerverband, der American Medical Association, geächtet. Als ich von 1978 bis 1982 die medizinische Fakultät besuchte, stand die Umweltmedizin nicht einmal auf dem Lehrplan. Chemische Empfindlichkeit – das bedauernswerte Etikett, mit dem Millionen vergifteter Patienten versehen wurden – wurde im Studium nie erwähnt. Genauso wenig wie die Porphyrie – obwohl das ein passenderer Name gewesen wäre. An den medizinischen Fakultäten in den Vereinigten Staaten ist sie nach wie vor ein Tabu.
Wie bereits zuvor besprochen, wurde die erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien erstmals vom New Yorker Arzt George Miller Beard beschrieben, der sie als Symptom einer neuen Krankheit betrachtete. Zu Beginn der Elektrifizierung durch Telegrafendrähte entwickelte sich eine Konstellation von Gesundheitsbeschwerden in der Bevölkerung, die als Neurasthenie bekannt ist. Hierzu gehören die Tendenz zur Entwicklung von Allergien sowie eine drastisch verringerte Toleranz gegenüber Alkohol und Drogen – um nur zwei zu erwähnen.
In den späten 1880er-Jahren war Schlaflosigkeit ein weiteres ins Auge fallendes Symptom der Neurasthenie. In der westlichen Zivilisation war sie so weit verbreitet, dass der Verkauf von Schlaftabletten oder einem Schlummertrunk ein großes Geschäft wurde und fast jedes Jahr neue Präparate auf den Markt kamen. Bromide, Paraldehyd, Chloral, Amylhydrat, Urethan, Hypnol, Somnal, Cannabinon und andere Hypnotika, die von den Apothekern angeboten wurden, um den so heiß ersehnten Drang nach Schlaf zu befriedigen, verkauften sich wie von selbst – was nach langfristigem Gebrauch dieser Medikamente häufig zu Abhängigkeit führte.
Im Jahr 1888 wurde ein weiteres Medikament in die Liste aufgenommen. Sulfonal war ein Schlafmittel, das für seine schnelle Wirkung, seine nicht süchtig machenden Eigenschaften und seinen relativen Mangel an Nebenwirkungen bekannt war. Es gab nur ein Problem, das erst nach drei Jahren seiner Popularität allgemein bekannt wurde: Für manche war es tödlich.
Die Reaktionen auf dieses Medikament waren eigenartig und unerwartet. Neun Personen konnten Sulfonal auch in großen Dosen und für lange Zeit ohne nachteilige Auswirkungen einnehmen, während eine zehnte Person manchmal bereits nach wenigen Dosen – oder sogar nur einer kleinen – schwer krank wurde. Patienten waren typischerweise verwirrt und so schwach, dass es ihnen unmöglich war, zu gehen. Sie litten an Verstopfung, klagten über Schmerzen im Bauch, hatten manchmal einen Hautausschlag und rötlichen Urin, der oft mit der Farbe von Portwein beschrieben wurde. Die Reaktionen waren idiosynkratisch und konnten fast jedes Organ betreffen. Oft starben die Patienten auch ohne Vorwarnung an Herzinsuffizienz. Es wurde berichtet, dass zwischen vier und 20 Prozent der Allgemeinbevölkerung aufgrund der Einnahme von Sulfonal an solchen Nebenwirkungen litten.2
In den folgenden Jahrzehnten wurden die mit dieser unerwarteten Krankheit verbundenen chemischen Zusammenhänge erkannt.
Porphyrine sind lichtempfindliche Pigmente, die nicht nur eine zentrale Rolle im Stoffwechsel von Pflanzen und Tieren spielen, sondern auch in der Wechselbeziehung zwischen den Organismen auf unserer Erde. In Pflanzen ist das an Magnesium gebundene Porphyrin das Pigment Chlorophyll, das die Pflanzen grün macht und für die Fotosynthese verantwortlich ist. Bei Tieren ist ein fast identisches Molekül, das an Eisen gebunden ist – nämlich das Pigment Häm – der wesentliche Teil des Hämoglobins, das dem Blut seine rote Farbe verleiht und ihm den Transport von Sauerstoff ermöglicht. Es ist auch ein wesentlicher Bestandteil von Myoglobin, dem Protein, das die Muskeln rot färbt und unsere Muskelzellen mit Sauerstoff aus unserem Blut versorgt. Häm ist außerdem eine bedeutende Komponente von Cytochrom C und Cytochromoxidase, Enzymen, die in allen Zellen jeder Pflanze, jedes Tieres und jedes Bakteriums enthalten sind. Sie versorgen den Sauerstoff mit Elektronen aus Nährstoffen, damit sie von unseren Zellen in Energie umgesetzt werden können. Und Häm ist der Hauptbestandteil der Cytochrom P-450-Enzyme in unserer Leber, in der sie die Umweltchemikalien durch Oxidation entgiften.
Mit anderen Worten: Porphyrine sind ganz besondere Moleküle, die eine Schnittstelle zwischen Sauerstoff und Leben bilden. Sie sind für die Erzeugung, Aufrechterhaltung und das Recycling des gesamten Sauerstoffs in unserer Atmosphäre verantwortlich. Sie ermöglichen es, dass Pflanzen den Sauerstoff aus Kohlendioxid freisetzen, und dass sowohl Pflanzen als auch Tiere diesen Sauerstoff der Luft wieder entziehen können. Darüber hinaus ermöglichen sie, dass lebende Organismen diesen Sauerstoff zur Verbrennung von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen verwenden, um sie in Energie umzusetzen. Aufgrund der hohen Reaktionsfähigkeit dieser Moleküle, die dadurch zu Energietransformatoren werden, sowie ihrer Affinität zu Schwermetallen, sind sie auch toxisch, wenn sie sich im Körper übermäßig ansammeln. Das ist bei der Porphyrie der Fall – einer Krankheit, die eigentlich überhaupt keine Krankheit ist, sondern ein genetisches Merkmal in Form einer angeborenen Empfindlichkeit gegenüber der Umweltverschmutzung.
Unsere Zellen stellen Häm aus einer Reihe anderer Porphyrine und Porphyrinvorläufer in einem Vorgang her, der aus acht Schritten besteht, die durch acht verschiedene Enzyme katalysiert werden. Wie ein Arbeiter am Fließband muss jedes Enzym mit der gleichen Geschwindigkeit arbeiten wie alle anderen, um mit dem Bedarf am Endprodukt, dem Häm, Schritt zu halten. Wenn eines der Enzyme seinen Prozess verlangsamt, so führt das zu einem Engpass. Die Porphyrine und ihre Vorläufer, die sich hinter dem Engpass ansammeln, lagern sich dann im ganzen Körper ab und verursachen Krankheiten. Im umgekehrten Fall, wenn das erste Enzym schwerer arbeitet als die anderen, produziert es die Vorläufer schneller, als sie von den nachfolgenden Enzymen verarbeitet werden können. Das Endergebnis ist das gleiche. Ihre Ansammlung in der Haut kann zu leichten bis zu entstellenden Hautläsionen und zu leichter bis zu starker Lichtempfindlichkeit führen. Wenn sie sich im Nervensystem anhäufen, verursachen sie eine neurologische Erkrankung und in anderen Organen lösen sie die dazugehörigen Beschwerden aus. Und wenn überschüssige Porphyrine in den Urin gelangen, nimmt er die Farbe von Portwein an.
Da angenommen wird, dass die Porphyrie so selten auftritt, wird sie fast immer fälschlicherweise als eine andere Krankheit diagnostiziert. Sie wird mit Recht „die kleine Imitatorin“ genannt, weil sie so viele Organe beeinflussen und so viele andere Zustände nachahmen kann. Da sich Patienten normalerweise sehr viel kränker fühlen, als sie aussehen, wird manchmal fälschlicherweise angenommen, dass sie an psychischen Störungen leiden. Zu oft landen sie deshalb in psychiatrischer Behandlung. Und da die meisten Menschen ihren eigenen Urin nicht sorgfältig untersuchen, bemerken sie normalerweise nicht den rötlichen Farbton, zumal die Farbe möglicherweise nur bei sehr starken Anfällen zu beobachten ist.
Die Enzyme des Häm-Weges gehören zu den empfindlichsten Elementen des Körpers gegenüber Umweltgiften. Die Porphyrie ist daher eine Reaktion auf Umweltverschmutzung und war in einer nicht verschmutzten Welt in der Tat äußerst selten. Mit Ausnahme einer schweren, entstellenden angeborenen Form, von der weltweit nur wenige Hundert Fälle bekannt sind, lösen Porphyrin-Enzymmängel normalerweise keine Krankheit aus. Der Mensch ist genetisch vielfältig, und in der Vergangenheit waren die meisten Menschen mit einem relativ niedrigen Spiegel eines oder mehrerer Porphyrinenzyme ihrer Umwelt gegenüber einfach empfindlicher. In einer nicht verschmutzten Welt war dies ein Überlebensvorteil, der es den von diesem Merkmal gekennzeichneten Personen ermöglichte, leicht Orte und Dinge, die schädlich für sie sein könnten, zu vermeiden. Aber in einer Welt, in der giftige Chemikalien allgegenwärtig sind, wird der Porphyrin-Pfad zu einem gewissen Grad ständig strapaziert. Dann vertragen nur diejenigen mit einem ausreichend hohen Enzymspiegel die Verschmutzung gut. Damit wird diese Sensibilität zu einem Fluch.
Die Porphyrie wurde als seltene Krankheit bekannt. Das lag an der Art und Weise, wie sie entdeckt wurde, und auch weil es damals keine synthetischen Chemikalien in der Umwelt gab. Sie wurde bei genetisch anfälligen Menschen durch bestimmte Medikamente wie Sulfonal und Barbiturate ausgelöst, die diese Patienten vermeiden mussten. Erst Anfang der Neunzigerjahre – ein Jahrhundert später – erkannte Dr. William E. Morton, Professor für Arbeits- und Umweltmedizin an der Oregon Health Sciences University, dass gewöhnliche synthetische Chemikalien in der modernen Umwelt weitaus stärker verbreitet waren als Arzneimittel und deshalb als die häufigsten Auslöser für porphyrische Anfälle gelten mussten. Morton stellte fest, dass die umstrittene Krankheit, die als multiple chemische Empfindlichkeit (multiple chemical sensitivity, MCS) bezeichnet wird, in den meisten Fällen mit einer oder mehreren Formen der Porphyrie identisch ist. Und als er anfing, seine MCS-Patienten zu testen, stellte er tatsächlich bei 90 Prozent von ihnen einen Mangel an einem oder mehreren Porphyrinenzymen fest. Anschließend recherchierte er eine ganze Reihe ihrer Stammbäume auf der Suche nach einem übereinstimmenden Merkmal und konnte eine genetische Basis für MCS nachweisen – da MCS noch nie zuvor mit einem testbaren biologischen Marker in Verbindung gebracht worden war, hatte dies bislang niemand in Erwägung gezogen.3 Morton fand auch heraus, dass die meisten Menschen mit elektrischer Empfindlichkeit einen Mangel an Porphyrinenzymen aufwiesen und dass elektrische und chemische Empfindlichkeiten Manifestationen derselben Krankheit zu sein schienen. Morton zeigte, dass die Porphyrie keinesfalls – wie derzeit angenommen wird – eine äußerst seltene Krankheit ist; vielmehr sind mindestens fünf bis zehn Prozent der Weltbevölkerung davon betroffen.4
Morton war mutig, denn eine Handvoll Kliniker dominierte das Geschehen mit der Ansicht, dass die Porphyrie eine seltene Krankheit sei, und kontrollierte praktisch alle Forschungen und Stipendien von ihrem Sitz im Elfenbeinturm aus. Sie neigten dazu, Porphyrie nur bei akuten Anfällen mit schweren neurologischen Symptomen zu diagnostizieren und die milderen, wenn auch chronischen Erkrankungen, auszuschließen. Sie würden die Diagnose im Allgemeinen nur stellen, wenn die Porphyrinausscheidung im Urin oder Stuhlgang die normalen Werte mindestens fünf- bis zehnmal überstieg. „Das macht keinen Sinn“, schrieb Morton 1995, „und es wäre vergleichbar damit, die Diagnose von Diabetes mellitus auf diejenigen mit Ketoazidose oder die Diagnose von Herzkranzgefäßerkrankungen auf diejenigen mit Myokardinfarkt zu beschränken.“5
Die von Morton gemeldeten höheren Zahlen stimmen mit denen überein, die vor über einem Jahrhundert gemeldet wurden – nämlich mit dem Anteil der Bevölkerung, der krank wurde, als sie das Schlafmittel Sulfonal einnahmen. Sie entsprechen auch einer Erkenntnis aus den 1960er-Jahren, dass der „Lila-Faktor“, eine lavendelblau färbende Chemikalie, nicht nur im Urin von Patienten zu finden war, bei denen Porphyrie diagnostiziert wurde, sondern tatsächlich im Urin von fünf bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.6 Der Lila-Faktor wurde schließlich als Abbauprodukt von Porphobilinogen, einem der Porphyrin-Vorläufer, identifiziert.7 In Übereinstimmung mit jüngsten Berichten aus England, den Niederlanden, Deutschland und Russland stellte Morton außerdem fest, dass fortdauernde neurologische Probleme während der chronischen, anhaltenden Phase jeder Form von Porphyrie auftreten – auch in jenen Fällen, von denen zuvor angenommen wurde, dass sie nur Hautläsionen verursachten.8
Hans Günther, der deutsche Arzt, der der Porphyrie 1911 ihren Namen gab, erklärte: „Solche Personen sind neuropathisch und leiden unter Schlaflosigkeit und nervöser Reizbarkeit.“9 Morton hat uns zu dem ursprünglichen Verständnis der Porphyrie zurückgeführt: Es handelt sich hier nicht nur um eine ziemlich häufige Krankheit, sie tritt auch meistens in chronischer Form mit vergleichsweise milden Symptomen auf. Die Hauptursache sind die synthetischen Chemikalien und elektromagnetischen Felder, die unsere heutige Umwelt verschmutzen.
Porphyrine nehmen in unserer Geschichte einen zentralen Platz ein; nicht nur wegen einer Krankheit namens Porphyrie, von der nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung betroffen ist, sondern auch wegen der Rolle, die Porphyrine bei den modernen Epidemien wie zum Beispiel Herzinsuffizienz, Krebs und Diabetes spielen, von denen die halbe Welt betroffen ist. Außerdem sollte uns ihre Existenz alleine wieder ins Gedächtnis rufen, wie relevant die Elektrizität im Leben allgemein ist. Einige mutige Wissenschaftler haben bereits begonnen, sich damit zu befassen.
Als Kind hasste Albert Szent-Györgyi (sein Name wird ungefähr wie „Saint Georgie“ ausgesprochen) Bücher und brauchte einen Nachhilfelehrer, um seine Prüfungen zu bestehen. Später, nach seinem Abschluss an der Budapester Medizinischen Fakultät im Jahr 1917, wurde er zu einem der größten Genies der Welt auf dem Gebiet der Biochemie. 1929 entdeckte er das Vitamin C und klärte in den anschließenden Jahren die meisten Schritte der Zellatmung, ein System, das heute als Krebs-Zyklus bekannt ist. Für diese beiden Entdeckungen wurde ihm 1937 der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen. Anschließend verbrachte er die nächsten zwei Jahrzehnte damit, zu ergründen, wie die Muskulatur funktioniert. Nachdem er in die USA ausgewandert war und sich in Woods Hole, Massachusetts, niedergelassen hatte, erhielt er im Jahr 1954 den Albert Lasker Award der amerikanischen Herzgesellschaft AHA für seine Beiträge zur Muskulatur.
Aber seine bedeutendste Erkenntnis ist vielleicht eine, für die er am wenigsten bekannt ist, obwohl er fast die Hälfte seines Lebens diesem Thema gewidmet hatte. Denn am 12. März 1941 – anlässlich eines Vortrags in Budapest – schlug er seinen Kollegen mutig vor, dass die Disziplin der Biochemie überholt sei und in das 20. Jahrhundert gebracht werden müsste. Bei lebenden Organismen, sagte er ihnen, ginge es nicht lediglich um Wasserbeutel, in denen Moleküle wie winzige Billardkugeln schwebten und chemische Verbindungen mit anderen Billardkugeln eingingen, mit denen sie zufällig kollidierten. Die Quantentheorie, sagte er, habe solche alten Ideen ungültig gemacht; Biologen sollten sich mit der Festkörperphysik befassen und diese studieren.
Auf seinem eigenen Fachgebiet konnte er – obwohl er die Strukturen der an Muskelkontraktionen beteiligten Moleküle erforscht hatte – nicht einmal ansatzweise verstehen, warum sie diese bestimmten Strukturen hatten oder wie diese Moleküle miteinander kommunizierten, um ihre Aktivitäten zu koordinieren. Er sah solche ungelösten Probleme überall in der Biologie. „In der Proteinchemie“, teilte er seinen Kollegen unverblümt mit, „fiel es mir schwer, mir vorzustellen, wie ein solches Proteinmolekül eigentlich ‚leben‘ kann. Selbst die komplizierteste Proteinstrukturformel sieht – wenn ich das mal so sagen darf – ‚dumm‘ aus.“
Die Phänomene, die Szent-Györgyi dazu brachten, sich diesen Fragen zu stellen, waren die auf Porphyrin basierenden Lebenssysteme. Er wies darauf hin, dass in Pflanzen 2.500 Chlorophyllmoleküle eine einzige funktionsfähige Einheit bilden und dass bei schwachem Licht mindestens 1.000 Chlorophyllmoleküle gleichzeitig zusammenarbeiten müssen, um ein Kohlendioxidmolekül zu spalten und ein Sauerstoffmolekül zu erzeugen.
Er sprach über die „Oxidationsenzyme“ – die Cytochrome in unseren Zellen – und fragte sich erneut, wie das vorherrschende Modell korrekt sein könnte. Wie könnte eine ganze Serie von großen Proteinmolekülen geometrisch so angeordnet werden, dass die Elektronen in genauer Reihenfolge direkt von einem zum anderen wandern könnten? „Selbst wenn wir eine solche Anordnung entwickeln könnten“, sagte er, „wäre es immer noch unverständlich, wie die Energie, die durch den Übergang eines Elektrons von einer Substanz zur anderen – nämlich von einem Eisenatom zum anderen – freigesetzt wird, irgendwie nützlich sein könnte.“
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