Kitabı oku: «Die neue Gesellschaft», sayfa 14
»I was! – Übrigens, da fällt mir ein. – Natürlich! Das wird es sein!« – Sie preßte boshaft die Lippen aufeinander und ballte die Fäuste.
»Haben Sie eine Vermutung?«
»Ja! – Na, das Frauenzimmer kann sich freuen! – Im eigenen Hause haben wirʼs großgepäppelt. Es konnte gar nicht genug kosten. Bis aus dem Domestikenkinde eines Tages eine Operettendiva wurde! Aber solchʼ Volk verleugnet sich nicht. Es bleibt, was es ist. Selbst die Kunst veredelt da nicht.«
»Sie meinen doch nicht etwa die Tochter von Franz Linke?« fragte Frau Röhren.
»Doch! doch! Sie werden es erleben, die ist es! Sie sollten nur sehen, wie die sich aufspielt! Ich habe schon einmal zu Leo gesagt: Die Person muß aus dem Haus. Die hat Allüren wie eine Dame«
»Darf ich wissen, worauf Sie Ihre Vermutung begründen?«
Cäcilie dachte nach.
»Sehr einfach! Er als Dichter fühlt sich natürlich zu ihr, die seine Gedanken kreiert, hingezogen.«
»Aber Ihr Sohn hat die Autorschaft an den Operetten doch abgeleugnet.«
Cäcilie schmunzelte.
»Haben Sie das geglaubt?« fragte sie.
»Ja, gewiß! Durchaus! Umso mehr, als diese, . . nun, nennen wirʼs mal Arbeiten, so ganz und gar nicht zu dem Bilde passen, das mein Mann und ich mir von Ihrem Sohne gemacht haben.«
»Da unterschätzen Sie ihn aber gewaltig. Das war noch gar nichts. In dem steckt noch viel mehr! Das mit dem Widerruf ist eine Marotte. Nichts weiter. Glauben Sie mir, für die Berühmtheit Günther Berndt-Röhrens ist gesorgt. Wenn wir uns erst verwandtschaftlich näher sind, dann verrate ich Ihnen auch: wie.«
»Ich habe doch Bedenken,« sagte Frau Röhren.
»Wieso Bedenken?«
»Falls Ihr Sohn diesem Fräulein Linke wirklich ein bindendes Versprechen gegeben hat, dann darf man ihn nicht zu einem Wortbruch veranlassen. Auch dann nicht, wenn er mein Kind liebt – und das geht ja wohl aus seinen Briefen unzweideutig hervor. Was aus meinem Kinde wird, daran darf ich dabei freilich nicht denken.«
»Was? was?« rief Cäcilie kurz hintereinander. »Mein Sohn, ein bindendes Versprechen dieser Frida Linke? Ja, was denken Sie von uns? Was soll er ihr denn versprochen haben? Die Treue? Erlauben Sie, ich werde dulden, daß die ihr Leben lang zusammenhocken? Und wer erbt dann unsere Millionen? Vielleicht Frida Linke? – Oder denken Sie gar an eine Ehe? Das wäre das Richtige!« – Sie wies auf das offene Fenster. – »Sehen Sie da hinaus! Die Besitzung hat sich, seitdem wir sie von Ihnen übernahmen, verdreifacht. Was das in Zahlen ausgedrückt bedeutet, können Sie sich denken. Glauben Sie, das alles stecken wir da hinein, damit sich, wenn wir eines Tages tot sind, Domestikenkinder auf unserm Grund und Boden breit machen? – Frida Linke meine Schwiegertochter! Das wäre das Richtige! Ich glaube, ich versänke vor Scham unter die Erde. Tollhaus ist das! – Stellt sich heraus, daß Günther je daran gedacht hat, darauf verlassen Sie sich: entweder er sagt sich auf der Stelle los und verlobt sich mit Ihrer Tochter, oder wir stecken ihn in ein Sanatorium, so lange bis er nachgibt.«
Frau Röhren war außerstande, das Gespräch mit Cäcilie fortzusetzen. Es war ein schwerer Gang für sie gewesen. Sie hatte Schlimmes erwartet. Das nicht.
»Ich möchte den Frieden Ihres Hauses nicht stören,« sagte sie kalt. »Ich habe mich überzeugt, es geht wohl doch nicht.«
»Was heißt das?« rief Cäcilie entsetzt.
»Daß ich Sie bitte, meinen Besuch als nicht geschehen zu betrachten.«
»Ausgeschlossen! Die Sache zwischen uns ist klipp und klar! Ich habe Ihr Anerbieten akzeptiert, gern akzeptiert. Sie sind so gut gebunden wie ich.«
»Ich aber erkläre Ihnen, und zwar zugleich im Namen meines Mannes: wir waren in einem Irrtum befangen. Mein Kind wird dies Haus nie betreten. – Ich bedaure, Ihnen diese Ungelegenheit gemacht zu haben.«
Sie verbeugte sich kurz, ging zur Tür und verließ das Haus.
Cäcilie stand, den Mund weit aufgerissen, da und starrte ihr nach.
Einundzwanzigstes Kapitel
Wie Cäcilie an Frida ihrem Manne verwandte Züge entdeckte
Frau Röhren war schon aus dem Hause, als Cäcilie an das Haustelephon stürzte und hineinrief:
»Frida Linke soll sofort zu mir heraufkommen!«
»Sehr wohl, gnädige Frau!« war die Antwort.
»Ich werde sofort sehen, ob Fräulein Ury zu Hause ist. Ich glaube, sie ist zur Probe.«
»Dann rufen Sie im Theater an. Sie hat sofort die Probe zu unterbrechen! Verstanden!«
»Sehr wohl! gnädige Frau!«
Frida Linke war nicht zur Probe. Vielmehr lag Viccy Ury in seidenem Pyjama auf der Chaiselongue, rauchte eine Zigarette und trillerte ein Schlagercouplet aus Victor Grüns letzter Operette. In der gepflegten Hand hielt sie den neuen Roman von Heinz Tovote.
Als der Diener den Befehl der Gnädigen überbrachte, verzog sie das Gesicht und sagte:
»Zu der Alten auf nüchternen Magen? Danke!«
Der Diener lachte.
»Im übrigen: wenn sie ʼwas von mir will, weshalb kommt sie nicht zu mir?«
»Soll ich das ausrichten?«
Frida setzte sich auf und sagte:
»Ne! Das geht nicht. Ich muß Rücksicht auf meinen Vater nehmen.« – Sie betrachtete sich: »In dem Aufzuge? Was meinen Sie, ob das geht?«
Der Diener nahm gerade eine nähere Besichtigung vor, als die Tür aufging und Cäcilie ins Zimmer stürzte.
»Wo bleiben Sie?« rief sie. »Was ist das für eine Art, mich so lange warten zu lassen?«
Während der Diener sich ängstlich an die Wand drückte, war Frida keinen Augenblick verlegen. Nicht einmal die Zigarette legte sie aus der Hand.
»Wir beratschlagten gerade, ob ich in diesem Aufzuge . . .«
»Sie haben ja Hosen an!« rief Cäcilie entsetzt.
»Allerdings! Sogar seidne. Akt zwei, dritte Szene der neuen Operette!« log sie.
Cäcilie legte die Lorgnette an und meinte:
»Sehr fesch!«
»Danke!« quittierte Frida.
Cäcilie wandte sich an den Diener und sagte:
»Lassen Sie uns allein! – Ich bin für niemanden da. Auch am Telephon nicht.«
»Sehr wohl!« erwiderte der Diener, verbeugte sich und ging.
Als er draußen war, trat Cäcilie dicht vor Frida, die jetzt neben der Chaiselongue stand, hin und sagte:
»Sie sind mir ja eine nette Person!«
»Darf ich fragen, wieso?«
»Verstellen Sie sich nicht! Ich weiß alles.«
»Was meinen Sie?«
»Ihre Beziehungen zu meinem Sohne.«
»Ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
»Aber ich habe Ihnen vorzuwerfen, daß Sie an Größenwahn leiden! Wer sind Sie eigentlich, daß Sie sich einreden, mein Sohn wird Ihretwegen auf die Ehe mit Suse Röhren verzichten? Fällt ihm nicht ein. Morgen kommt er zurück. Übermorgen verlobt er sich. In vier Wochen ist die Hochzeit.«
»Nein!« rief Frida empört und trampfte mit dem Fuße auf. »Das wollen wir erst einmal sehen! Ich habe mir seinetwegen alles vom Halse gehalten. Darunter die aussichtsreichsten Sachen, bei denen eine Ehe durchaus nicht ausgeschlossen war. Nur weil ich sein Wort hatte.«
Cäcilie wankte ein paar Schritte zurück. Es stimmte also! Frida hatte sich bluffen lassen und war gleich mit der ganzen Wahrheit herausgeplatzt.
»Und was besagt dies Wort?« fragte Cäcilie.
»Daß, wenn er einmal heiratet, er nur mich heiratet.«
Cäcilie lachte laut auf. Aber man spürte, wie gequält das war.
»Und das haben Sie ihm geglaubt?« rief sie höhnisch.
»Regen Sie sich nicht auf!« erwiderte Frida. »Ich kenne Ihren Sohn besser, als Sie ihn kennen. Wenn einer auf ihn Einfluß hat, bin ichʼs. Lassen Sie ihn ruhig kommen. Er wird Suse Röhren nicht heiraten. Und wenn ich mit ihm nicht fertig werde, dann gehe ich zu Röhrens selbst. Da respektiert man ein gegebenes Wort mehr als hier.«
»Ich werde dafür sorgen, daß man Sie nicht empfängt.«
»Uns, Frau Berndt, hat man den Zutritt bei Röhrens noch nie verweigert,« lautete Fridas nicht mißzuverstehende Antwort.
»Sie sind von Sinnen! Was ist das für ein Ton, in dem Sie mit mir sprechen?«
»Ich gebe zu, ich bin gereizt. Aber wenn Sie derart aufs ganze gehen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn ich mich meiner Haut wehre, so gut ich kann.«
Cäcilie sah sich vor eine vollendete Tatsache gestellt. Sie wußte, wie renitent Günther von klein an ihr gegenüber war. Sie sah auch, wie sicher Frida ihrer Sache war. Und schließlich dachte sie an die Äußerung Frau Röhrens, in der sie es ablehnte, einen Zwang auf Günther auszuüben.
Alles das wirkte zusammen. Andere Taktik! sagte sie sich, schlug im Ton um und lenkte ein:
»Ich sehe das ein.«
Frida beruhigte sich und sagte: »Nun also.«
»Schließlich ist es für Sie ja keine Kleinigkeit, auf Günther zu verzichten.«
»Ich denkʼ nicht dran!« erwiderte Frida.
»Wir müssen das in Ruhe bereden,« sagte Cäcilie und nahm Frida bei der Hand. Dann setzten sie sich nebeneinander auf die Chaiselongue.
»Geben Sie zu, daß das eine Mesalliance wäre?« fragte Cäcilie.
»Für mich nicht.«
»Aber für ihn.«
»Wenn schon! – Wenn es sich herausstellt, daß wir nicht zueinander passen, gut, so lassen mir uns eben scheiden.«
»Und wozu war dann das ganze?«
»Sehr einfach! Ich bin Frau Berndt, und er muß für mich sorgen.«
»Das könnte auch so geschehen.«
»Was?«
»Daß er für Sie sorgt.«
»Aber wie! Das kennt man. Und vor allem: ich bliebe dann, was ich bin, Frida Linke.«
»Sie bleiben Viccy Ury. Auch wenn Sie seine Frau würden. Sie würden doch die Kunst nicht an den Nagel hängen.«
»Und ob ich das täte! An den festesten und höchsten, von dem man sie nie mehr herunterbekäme. – Oder glauben Sie, diese ganze sogenannte Soubrettenkunst ist etwas anderes als eine bessere Männerfalle? Mit der Stenotypistin Frida Linke hätte sich Günther Berndt im Bestfalle auf eine Liaison auf Tage, Wochen oder Monate eingelassen. Bei Viccy Ury, der ersten Soubrette der Residenzbühne, lag der Fall schon anders. Da war ich wer! Man las von mir, bewunderte mich, sprach von mir, sah meine Bilder – alles das wirkte zusammen und gab mir, wenn ich mich nur hielt und keiner sich meines Besitzes rühmen konnte, das Recht, Ansprüche zu stellen, die man bei Frida Linke für Tollheit erklärt hätte. – Sie sehen, ich decouvriere mich Ihnen vollkommen. Ich habe nichts zu verbergen. Sie können mir nachspüren, soweit Sie wollen. Ich handle ganz zielbewußt. Ich lebe nicht ins Blaue hinein. – Aber genau, wie Sie sich einmal aus Ihren kleinen Verhältnissen herausgesehnt haben und nicht Ihr Lebenlang hinter einem Ladentisch sitzen und Butter verkaufen wollten« – Cäcilie hielt sich die Ohren zu und schnappte nach Luft – »genau so liegt mir daran, nicht Zeit meines Lebens das Dasein eines ›Domestiken‹ zu führen.«
Dieser Logik vermochte Cäcilie sich nicht zu entziehen. Und ihr Entschluß, statt zu lärmen und zu befehlen, diplomatisch vorzugehen, verstärkte sich.
»Ich bringe Ihrem Streben durchaus Verständnis entgegen. Nur, ich sehe nicht ein, warum ausgerechnet mein Sohn das Opfer sein muß.«
»Gnädige Frau, das würde mir in solchem Fall vermutlich jede Mutter sagen.«
»Es wäre demnach klüger, wenn Sie sich an jemanden gewandt hätten, der nicht, wie Günther, auf seine Mutter angewiesen ist.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Frida.
»Das ist doch sehr einfach. In demselben Augenblick, in dem Günther Sie heiratet, sperren wir ihm die Gelder. Das steht fest! Günther ist zwar ein gesunder und kräftiger Mensch, aber sehr unpraktisch. Und ich glaube, für den Lebensunterhalt der Familie müßten schon Sie sorgen.«
»Was?« rief Frida empört. »Ich soll Ihren Sohn ernähren?«
»Ihren Mann!« verbesserte Cäcilie.
»Das sollte mir einfallen!«
»Wir würden ihn selbstredend auch enterben. Es hätte daher auch wenig Zweck, daß Sie meinen und meines Mannes Tod abwarten. Ich bin heute erst fünfundvierzig und bis auf ein wenig Gicht im linken Bein kerngesund. Es tut mir leid Ihretwegen. Aber ich werde Ihnen zuliebe nichts tun, um meinen Tod zu beschleunigen. Im Gegenteil: ich werde mir den Alkohol ganz abgewöhnen. Also, auch auf das Pflichtteil zu warten, wäre eine harte Geduldsprobe.«
»Sie werden Ihren Sohn nicht hungern lassen.« sagte Frida verzweifelt.
»Gewiß nicht. Ich würde Ihnen voraussichtlich gestatten, daß Sie abends aus dem Leutehaus Essen für ihn holen. Bei der Zahl unserer Domestiken kommt es auf einen oder schließlich auch auf zwei Mitesser mehr nicht an.«
»Und Sie glauben, dazu gebe ich mich her?«
»Nein! Denn für so dumm halte ich Sie nicht.«
»Was soll also geschehen?«
»Sie werden auf meinen Sohn verzichten.«
»Und was weiter?«
»Das bleibt Ihnen überlassen. Ich denke mir, Sie werden die ›bessere Männerfalle‹ wieder in Tätigkeit setzen. Auf Grund der gemachten Erfahrung mit mehr Vorsicht. Und vor allem: Sie werden von hier fortziehen und mir versprechen, nie wieder mit Günther in Verbindung zu treten.«
»Ja, wie käme ich denn dazu? Sie stellen da Forderungen an mich und denken nicht daran . . .«
»Doch! doch!« unterbrach sie Cäcilie. »Ich denkʼ schon dran. Wir verstehen uns ausgezeichnet. Ich weiß gottlob, was sich schickt, und lasse mich nicht lumpen. Aber vor allem muß ich wissen, daß ich mich auf Sie verlassen kann.«
»In welcher Beziehung?«
»Sie müssen mir helfen, daß diese Ehe zustande kommt.«
»Günthers? Mit dieser Suse?«
»Ja!«
Und nun erzählte Cäcilie alles, was sich soeben zwischen ihr und Frau Röhren zugetragen hatte. Frida kannte die Zusammenhänge besser als irgendwer. Aber den Ausschlag gab für sie doch immer das eigene Interesse.
»Ich kenne Ihren Sohn,« sagte sie bedächtig, »und weiß, daß er ehrenhaft bis zum Fanatismus ist. So viel steht fest: die Vorbedingung für das Zustandekommen dieser Ehe ist eine andere Ehe.«
»Nanu?« rief Cäcilie, und Frida fuhr fort:
»Nämlich meine!«
»Wa . . .?«
»Nur das wird Günther überzeugen. Nur dadurch wird er sich seines Wortes entbunden fühlen.«
Cäcilie begann zu begreifen.
»Das ist so dumm nicht, was Sie da sagen.«
Frida setzte noch einen Trumpf darauf.
»Natürlich dürfte das nicht die erste, beste Ehe sein,« sagte sie. »Ihr Sohn würde sonst Verdacht schöpfen und womöglich annehmen, daß man einen Zwang auf mich ausgeübt hat. Das aber würde sein Verantwortungsgefühl nur bestärken. Es müßte eine Ehe sein, die glauben läßt, daß es mein freier Wille war. Eine sehr verlockende Ehe also Verlockender womöglich, als die mit ihm.«
»Als wenn ich Leo sprechen höre!« rief Cäcilie.
»An Ihnen ist ein Geschäftsgenie verloren gegangen. Schade, daß Sie nicht sein Junge sind!«
»Haben Sie so eine Partie für mich?« fragte Frida.
»Ich muß sie finden,« erwiderte Cäcilie. »Leicht ist das nicht. Und ein Vermögen kostet das wieder. – Ich werde mit dem Maestro reden.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Wie Fridas Hochzeit die Wahrheit ans Licht brachte
Der Maestro kannte eine ganze Reihe von Leuten, die von Frida Linke nichts wußten und Viccy Ury verehrten. Sie waren auch sämtlich zu Opfern bereit. Nur das der Ehe wollte keiner bringen.
Linke, dessen Wunsch es längst war, daß sein Sorgenkind Frida eine verständige Ehe einging, die vor allem ihrer Soubrettenlaufbahn ein Ende setzte, unterstützte Cäcilie in ihrem Bemühen, einen Mann zu finden.
Da man, bis das erledigt war, an dem Fall Röhren nicht rühren durfte – der schleunig zusammenberufene Familienrat hatte diesen Beschluß gefaßt – so tat Eile not. Und als der Maestro eines Tages einen jungen Mann, namens Menotti, anbrachte, der über einen wohlklingenden Tenor verfügte und auch feierlichen Beteuerungen des Maestro die Zukunft eines Caruso hatte, sagten alle Beteiligten »ja«, und aus Viccy Ury wurde, nachdem sie sich in Frida Linke zurückverwandelt hatte, in aller Eile und Stille Frida Menotti.
Das heißt: bedingungslos opferte Frida weder ihren Beruf noch Günther. Signor Menotti, der äußerlich allen Ansprüchen genügte, mußte erst eine gesangliche Probe bestehen. Frida entwarf das Programm, und da sie an seine Leistungen den Operettenmaßstab anlegte, so war sie von seiner Stimme überrascht, hingerissen, fiel ihm um den Hals und rief:
»Ja, Menotti, ja, ich liebe Sie!«
Daß er mit Vornamen Enrico hieß, erfuhr sie erst später.
Und als er aus seinem Repertoire noch ein Lied zugab, rief sie:
»Armer Caruso, deine Stunde hat geschlagen! – Aber,« erklärte sie gleich darauf, »das allein genügt nicht. Denn eine Ehe stellt nicht nur Anforderungen an das Herz, sondern auch an den Magen. Wie also stehtʼs mit der finanziellen Grundlage?«
Es stellte sich heraus, daß Leo Berndt eine stattliche Mitgift zahlte. Selbst nach den Abzügen, die der Maestro machte, blieb es noch immer eine Summe, auf die hin sich manchʼ Rechtsanwalt in Frida verliebt hätte. Und sie erklärte:
»Sehr schön – aber sehr unsicher.«
Menotti verstand nicht.
»Was fange ich an,« sagte Frida. »wenn ich eines Morgens aufwache, das Bett neben mir ist leer, und auf dem Nachttisch liegt ein Zettel: Die Sonne Italiens zündet doch mehr als du. Verzeihʼ! Auf Nimmerwiedersehen! Enrico.«
Enrico sank auf die Knie und leistete alle Schwüre der Welt.
Frida, die viel Sinn für theatralische Wirkungen hatte, klatschte in die Hände und rief:
»Sehr schön! Aber das wirkt lediglich auf das Herz, und darüber waren wir uns bereits einig. Jetzt handelt es sich um den Magen.«
Menotti verstand. Im Gefühl des Besitzes, das die Mitgift ihm gab, sah er zu Frida auf und sagte:
»Fordre!«
Frida überlegte; nicht lange, dann rief sie bestimmt:
»Die Hälfte!«
»Das ist sehr viel.«
»Gott sei Dank! Aber unter dem ist es nicht zu machen.«
Und Enrico, der für beide Hälften fürchtete, sagte: »Ja.«
Den Worten folgte die Tat.
Und am Vormittag des nächsten Tages wurde Frida Menottis Frau.
* * *
An der Trauung nahmen auch Berndts teil. Daran schloß sich im Splendid, einem mittleren Hotel der Friedrichstadt, das Hochzeitsmahl. Auch dessen Kosten bestritt Leo. Und da Cäciliens Devise: Noblesse oblige sich auch hier zeigte, so gab es gutes Essen und schwere Weine. Die Gesellschaft war gemischt. Von der Berndtschen Dienerschaft fehlte niemand. Aber auch Kollegen und Kolleginnen Viccy Urys nahmen teil.
Linkes schlichtem Sinn entsprach das alles nicht. Aber er fand sich mit alledem in dem Gedanken ab, daß sein Kind aus dem Milieu des Theaters in das jedenfalls solidere einer Ehe kam. Wenn diese Ehe auch nicht nach seinem Sinn war.
Die schweren Weine und Viccys ehemalige Kollegen sorgten für die richtige Hochzeitsstimmung. Es wurde bis in den Morgen hinein gesungen, getrunken und getanzt.
Auch die Gärtnersfrau. Luise Möhle, der der Berndtsche Hausarzt seit Tagen jede starke Bewegung untersagt hatte, tanzte wie ein Backfisch. Nach einer stürmischen Polka ereilte sie das Geschick. Man trug sie, ohne daß es Aufsehen machte, in eins der Hotelzimmer. Linke telephonierte, in Erinnerung an Fridas und Günthers Geburt, auf gut Glück an Frau Helbing. Die Dame übte noch immer ihren menschenfreundlichen Beruf aus. Sie kam in einem Auto herbei, verhalf einem jungen Möhle männlichen Geschlechts zum Leben und wandte sich dann auf eine Einladung Linkes hin der Hochzeitsfeier zu, die gerade den Gipfel der Lustigkeit erreichte. Außer Linke und dem neuen Gaste standen jetzt alle unter der Wirkung des Alkohols.
»Und welches ist nun der glückliche Bräutigam?« fragte Frau Helbing.
Linke wies auf Enrico, der fest an seine junge Frau geschmiegt, durch den Saal walzte.
»Ein stattlicher Mann! Ganz Ihre Figur! Auch sonst Ihnen ähnlich. Das heißt, im Profil, da gleicht er mehr Ihrer Frau.«
»Wie? – Was?« fragte Linke. »Meiner Frau – Enrico?«
»Ja! Nur finde ich, er hat etwas Fremdländisches.«
»Ja, ja! Er ist Italiener.«
»Wa. . . wa . . . was ist er?« fragte Frau Helbing.
»Er stammt aus dem Neapolitanischen. Sein Vater ist Sizilianer.«
Frau Helbing führte die Hand an die Stirn, als wenn sie ihre Gedanken sammeln wollte.
»Sein Vater? – Ja, was heißt denn das? Er ist doch ein . . . eheliches . . . ich meine, Ihre Frau – das ist ja nicht möglich.«
»Doch! doch! Es ist so!«
»Entsetzlich!« rief Frau Helbing, die dachte, daß es der Wein sei, der Linke die Zunge löste und sie so zur Mitwisserin dieses furchtbaren Geheimnisses machte. Sie ergriff teilnahmsvoll seine Hand:
»Furchtbar ist das! Was müssen Sie armer Mann da durchgemacht haben!«
»Ich bittʼ Sie, wenn er nur sonst ein anständiger Mensch ist.«
»Das ist edel! Fast zu edel ist das! – Wer hätte das damals gedacht, als ich bei Ihrer Frau war und das Kind holte.«
»Freilich! – So wachsen sie heran. Da merkt man erst, wie alt man wird«
»Oder wußten Sieʼs damals schon?« fragte sie ganz erregt.
»Was?«
»Von dem Sizilianer.«
Linke sah sie an
»Ich verstehʼ Sie nicht,« sagte er erstaunt.
»Ich meine, ob Ihre Frau Ihnen damals schon das Geständnis abgelegt hatte.«
»Was fürʼn Geständnis?«
»Ja, herrschen denn bei Ihnen derartige Zustände, daß es Sie kalt läßt, ob das Kind Ihrer Frau von Ihnen oder von einem Sizilianer stammt?«
»Sie sind verrückt!«
»Man kann es werden, wenn man so etwas erlebt.«
»Sie werfen ja alles durcheinander! Weil meine Tochter einen Italiener heiratet, darum braucht doch ihr Vater kein Italiener zu sein.«
»Ihre Tochter – einen Italiener? – Warten Sie, da muß ich mich erst herausfinden. – Wer ist Ihre Tochter?«
Linke wies auf Frida und sagte:
»Die Braut.«
»Die Braut,« wiederholte Frau Helbing. »Und der Mann, der mit ihr tanzt, wer ist das?«
»Ihr Bräutigam. Das heißt: seit heute ihr Mann. Mein Schwiegersohn.«
»Ja, bin ich denn?« fragte Frau Helbing ganz verwirrt. »Wie alt ist Ihre Tochter?«
»Einundzwanzig.«
»Am 2. Mai ist sieʼs geworden.«
»Stimmt! Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
»Eben! Darauf verlaßʼ ich mich.« – Sie sah noch einmal ganz ängstlich Enrico an und fragte, indem sie auf ihn wies: »Ja, wie kommen Sie denn dann zu dem Kinde?«
»Frau Helbing, jetzt fange ich an, an Ihrem Verstand zu zweifeln.«
»Ich fürchte, ich werde sehr bald an Ihrem zweifeln müssen.« – Sie zog aus ihrer Tasche ein dickes Buch heraus und blätterte hastig darin herum. —
»Da!« rief sie laut. »Da haben wirʼs! Da steht es groß und breit.«
»Was ist das für ein Buch?«
»Mein Kassabuch. – Hier, lesen Sie! Am 2. Mai, vormittags neun Uhr, ein Kind männlichen Geschlechts dem Hausverwalter-Ehepaar Linke, Königin Augustastraße 6. – Neun Pfund. Gebühren: Mark Zehn. – Vormittags neun Uhr zwanzig, ein Kind weiblichen Geschlechts dem Kaufmann-Ehepaar Berndt, ebenda. Siebeneinhalb Pfund. Gebühren Mark fünfzig.«
Linke wankte und hielt sich an Frau Helbing.
Dann glitt er auf den nächsten Stuhl.
»Zeigen Sie her!« stammelte er und las noch einmal die ganze Bescherung. – »Wie ist das möglich?« fragte er tonlos.
Frau Helbing, an der fest aneinandergeschmiegt eben das junge Paar vorübertanzte, brach in ein Höllengelächter aus. Bei der Stimmung, die überall herrschte, fiel das nicht auf.
Linke saß apathisch in seinem Sessel.
»Ich kann nicht mehr!« brüllte Frau Helbing und hielt sich den Bauch.
»Sie werden sich irren!« hauchte Linke.
Aber Frau Helbing schüttelte den Kopf.
»Ausgeschlossen! Ich irre mich nie! Ich sehe die ganze Parade noch vor mir, als wenn es heute wäre. . . Erst Ihre Frau. Sehr schwer. Ein kapitaler Bengel! – Ich legte ihn auf den Wickeltisch und stürzte zu Frau Berndt. Verhältnismäßig leicht. Ein Mädchen. Ich wickelte es schnell ein und lief damit ins Zimmer Ihrer Frau zurück. Irgendwo stieß ich dabei mit Ihnen zusammen. Ich hielt die neugeborne Berndt im Arm. – »Was ist es?« fragten Sie. Ich erwiderte: »Ein Mädchen«, ging weiter und legte es auf den Wickeltisch, auf dem vergnügt Ihr Junge strampelte.«
»Kein Zweifel. Sie haben recht!«
»Ich beschwörʼs, wennʼs sein muß.«
Linke drehte sich alles im Kopfe herum. Frau Helbing verfiel wieder in krampfhaftes Lachen.
»Was machʼ ich nur? Was machʼ ich nur?« sagte Linke ein über das andre Mal vor sich hin, ohne sich was besonderes dabei zu denken. Vor ihm drehten sich die Paare und er schloß die Augen, so oft Enrico und Frida an ihm vorübertanzten.
»Sehr einfach!« erwiderte Frau Helbing. »Sie nehmen Ihre Frau unter den Arm und gehen mit ihr nach Haus. Wir rufen inzwischen bei Berndts an und sagen, sie sollen schnell kommen, ihre Tochter feiert Hochzeit.«
Linke, der tief in Gedanken saß, hörte nicht, was Frau Helbing sprach.
»Nun begreife ich manches,« flüsterte er vor sich hin. – »Also Günther!« – Er dachte um und lächelte vor sich hin, und es schien, als wenn sein Ausdruck, der erst hilflos und verzweifelt war, sich aufhellte. – Eine ganze Weile saß er so in Gedanken, während Frau Helbing mit Tränen in den Augen die zwanzigjährige Komödie durchlachte.
Dann verfiel Linke wieder in tiefen Ernst.
»Was wird nun aus meinem Jungen?« war der Gedanke, der ihn nicht mehr verließ.
Er rief seine Frau und ging mit ihr und Frau Helbing aus dem Saal.
Frau Linke, die ihre Pflicht tat und nicht viel dachte, traf die Nachricht so stark, daß sie einen Nervenchock davontrug. Man trug sie in eins der Hotelzimmer und rief den Arzt.
Linke ging in den Saal zurück.
Frida und Enrico tanzten noch immer. Er rief ihnen zu:
»Einen Augenblick!«
Sie blieben stehen, ohne sich loszulassen.
»Mama ist nicht wohl. Wir gehen nach Haus. Laßt euch nicht stören. Gute Reise! Lebt wohl!«
»Grüßʼ sie!« erwiderte Frida, und Enrico wünschte gute Besserung. Dann zog er Frida wieder an sich und sie tanzten schon wieder, ehe Linke noch aus dem Saale war.
»Was geschieht nun?« fragte Frau Helbing.
»Was ich tue, weiß ich.« erwiderte Linke.
»Übernehmen Sieʼs, Berndts das beizubringen?« fragte Frau Helbing.
»Nein!«
»Sondern?«
»Ich fahre nach Tübingen zu meinem Sohne.«
Er ließ Frau Helbing stehen, schrieb noch ein paar Zeilen für den Arzt auf, die seine Frau betrafen, und verließ mit schnellen Schritten die Hochzeitsfeier Frida Berndts.