Kitabı oku: «Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln», sayfa 11
Eine Frau für eine Kuh
Auch einen meiner früheren Boys traf ich wieder. Er bat mich um eine kleine Beihilfe zum ratenweisen Ankauf einer Frau.
Frauen sind in Liberia je nach Alter, Aussehen und Erhaltungszustand preislich gestaffelt. Statt Geld werden auch Sachwerte in Zahlung genommen. Je reicher der Freier, desto mehr Bräute kann er sich leisten.
Der Frauenkauf ist eines der natürlichsten Dinge in Westafrika. Man kann die Damen überall erwerben: in Städten, Dörfern und im Urwald. Allerdings sprechen die Eltern das entscheidende Wort und nicht die Tochter. Meist erhält der die „Ware“, der am meisten bietet. Daher haben Häuptlinge im Hinterland einen ganzen Harem. Von einem weiß ich, daß er über hundert Frauen besaß.
Die zum Kauf nötige Summe nennt man dowry, Mitgift. Es ist also der Mann, der eine Mitgift besitzen muß. Manche Afrikaner sparen jahrelang, um die durchschnittliche Mitgift von etwa 40 Dollar – das entspricht ungefähr dem Preis einer Kuh – zusammenzubekommen.
Die Christen unter den Afrikanern, die vorwiegend in den Küstengegenden wohnen, besitzen zwar nur eine Frau, haben aber häufig noch Freundinnen, mit denen sie Kinder haben. Ein Senator pflegte seinen Freundinnen einen Zettel zu schreiben, den sie mir wortlos gaben: „Doktor, das ist meine Freundin, behandeln Sie sie recht sorgfältig“! Niemand stört sich daran, der Senator ging eifrig in die Kirche und verstand es, seine Unterhaltung mit den treffendsten Bibelsprüchen zu würzen.
Moral wird in Westafrika mit anderen Maßstäben gemessen als in unseren Breiten. Während bei manchen Stämmen im Hinterland Ehebruch mit mittelalterlich anmutenden Foltern bestraft wird und die Mädchen in streng abgeschlossenen Urwaldschulen auf ihre spätere Aufgabe als Frau und Mutter vorbereitet werden, legt man in Küstenstädten auf Tugenden wie Keuschheit und Jungfräulichkeit keinen besonderen Wert. Kindern, die außerhalb des Ehebettes gezeugt werden, haftet kein Makel an. Prostitution ist kein anrüchiges Gewerbe; sie erweckt auch längst keinen so häßlichen und ausschließlich merkantilen Eindruck wie in Europa. Vielleicht liegt das am heißen, fruchtbaren Klima, der üppigen Pflanzenwelt, in der die natürlichen Triebe besser gedeihen als im Norden. Es gibt Ministerfrauen, die sich vor ihrer Heirat dem gewerblichen Minnedienst verschrieben hatten. Und es gibt sogar Schulmädchen, die mit ganz bestimmten Absichten im Krausköpfchen die Straßen flanieren.
Während meines früheren Aufenthaltes in Liberia kam einmal ein älterer Häuptling, Panagoga, jammernd zu mir gelaufen und beklagte sich, daß er den Freuden der Liebe in letzter Zeit entsagen müsse – seine Frauen hätten sich darob beschwert. Wie viele er denn habe? „Ungefähr zwanzig“ war seine entschuldigende Antwort, und die meisten davon seien jung, zu jung, um die Nächte allein zu verbringen.
Ich verschrieb ihm eine mehrmonatige Kur, an deren Ende er mir eine Buschschildkröte schenkte. Obschon ich mich als Tierliebhaber sehr darüber freute, war ich doch etwas beunruhigt: Schildkröten sind bekanntlich Kaltblütler – sollte dieses Tier eine diskrete Anspielung auf den Erfolg meiner Behandlung sein?
Ich verlor ihn bald aus den Augen, und die Buschschildkröte wurde mir schon in der ersten Woche gestohlen – wahrscheinlich landete sie in der Suppe eines Liebhabers. Als ich aber jetzt wieder in Monrovia war, hörte ich von Pangoga, daß er inzwischen nochmals Vater geworden sei – mit rund achtzig Jahren!
Selbstverständlich können auch Europäer junge Afrikanerinnen kaufen und mit ihnen zusammenleben, und ebenso selbstverständlich können sie sich auch trauen lassen. Ehen zwischen Europäern und schwarzen Frauen sind seltener als zwischen Afrikanern und weißen Frauen, verlaufen aber meist glücklicher, da die Europäer mit dem Lande vertraut waren und die Sitten der Schwarzen kannten, als sie heirateten. Weiße Frauen hingegen machen sich oft völlig falsche Vorstellungen von dem Leben, das sie an der Seite eines Afrikaners erwartet. Von vielen Afrikanern, die im Westen studiert haben, bröckelt die europäische Erziehung in der alten, vertrauten Umgebung wie schlechter Mörtel wieder ab.
Die Verzweiflung einer jungen Europäerin klingt mir noch in den Ohren. Sie war 18 Jahre alt, zart, blond und hübsch und wuchs als Tochter eines höheren Beamten in einer romantischen Universitätsstadt auf, als sie einen schwarzen Medizinstudenten kennenlernte und heiratete. Nach Beendigung seines Studiums ging der Afrikaner mit ihr nach Westafrika zurück. Und dann geschah es: mit einem Schlage rückte die Sippschaft an, Tanten und Basen, Vettern zweiten und dritten Grades, Verwandte, die nicht einmal blutsverwandt waren. Sie nisteten sich im neugegründeten Heim des jungen Ehepaares ein und wollten am Wohlstand und Wohlergehen der beiden teilhaben – nach afrikanischer Sitte. Durch nichts waren sie zu vertreiben. Die junge Frau hatte kaum noch Gelegenheit, mit ihrem Mann, der ihr unter dem Einfluß der Verwandten immer fremder wurde, allein zu sein. Selbst ins Schlafzimmer drang die Verwandtschaft zu Tages- und Nachtzeiten ein.
Während die junge Europäerin, die ihren Mann immer noch liebte, von Tag zu Tag blasser und elender wurde, ging der Ehemann erneut auf „Brautschau“ aus und besuchte schwarze Freundinnen. „Was soll ich tun?“ jammerte sie. Weil ich im tropischen Afrika gearbeitet und die schwarze Oberschicht ganz gut kennengelernt hatte, gab ich ihr den Rat, lieber heute als morgen nach Europa zurückzukehren. Leider nahm sie meinen Rat nicht an, sondern blieb in Afrika. Wenige Jahre später erfuhr ich, daß sie sich das Leben genommen hatte.
Rachsüchtige Büffel und schwarze Mambas
Auf der Plantage wurde indessen ein Sieg gefeiert: ein Pflanzer hatte einen Büffel geschossen, und das ist ein Ereignis, das alle paar Jahre nur einmal vorkommt. Sämtliche Angehörige seiner division, seines Plantagenbezirkes, standen bewundernd um das Tier herum und lobten den Mut des Jägers. Der Pflanzer erzählte, er habe es in seinem Bezirk gestellt. Ein Schuß ging vorbei, das Tier griff an, jedoch der Pflanzer hatte offensichtlich spanisches Blut in den Adern: er sprang geschickt zur Seite, und der Büffel erwischte nur sein Hemd, verwundete aber seinen Boy, der ihn begleitet hatte, am Hals. Der nächste Schuß war ein Blattschuß; der Büffel stürzte tödlich getroffen nieder. Er besaß ein dunkelbraunes Fell und war somit ein älteres Tier, denn junge Büffel sind meist rotbraun.
Erfahrene Großwildjäger behaupten, in ganz Afrika gäbe es für den Fachmann keine wirklich gefährlichen Tiere – die einzige Ausnahme sei der Büffel. Etwas Wahres ist daran: ich habe mehrfach Eingeborene behandelt, die von Büffeln angefallen und zum Teil ganz übel zugerichtet worden waren, aber Verletzungen durch Leoparden oder andere Tiere habe ich nie gesehen. Alle zwei Monate hatten wir auch einen Schlangenbiß zu behandeln, der fast immer geheilt werden konnte.
Büffel greifen erst dann an, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen oder wenn sie verwundet sind. Ein Berufsjäger wurde einmal von einem Büffel aus dem Hinterhalt angefallen, zu Boden geschleudert und zu Tode getrampelt. Er hatte das Tier fünf Tage zuvor angeschossen, es war geflüchtet, hatte einen großen Bogen geschlagen und in der Nähe der Schußstelle auf seinen Feind gewartet. Büffel fühlen instinktiv, daß sie sich an diesem Ort am sichersten verbergen können. Als dann der Jäger fünf Tage später wieder dort vorbeikam, fiel der Büffel so unerwartet über ihn her, daß er sich nicht mehr zur Wehr setzen konnte. Nahm das Tier Rache, oder fühlte es sich erneut bedroht?
Die Hottentotten führen manchmal eine Art Stierkampf auf, bevor sie einen Büffel töten; sie reizen ihn solange, bis er angreift, und sobald er schnaubend den mächtigen Kopf zum Stoß senkt, werfen sie ihm eine Decke über den Kopf, springen zur Seite und jagen ihm ihre Speere in den Leib.
Am nächsten Tag saß ich mit einem Freund, mit dem ich im Hospital zusammengearbeitet hatte, beim Cocktail, als sein Hausboy aufgeregt hineingestürzt kam: „Boss, a black Mamba!“ Wir hatten nichts gegen die schwarze Mamba, sie sicherlich auch nichts gegen uns, aber wir beschlossen trotzdem, ihr den Garaus zu machen. In den Jahren meines Afrikaaufenthaltes hatte ich mich zwar nie durch besonders große Jagdleidenschaft ausgezeichnet, doch Schlangen und Skorpione hatte ich gejagt, wo ich nur konnte, das gehörte sozusagen zu meinem Beruf – als Vorbeugungsmaßnahme.
Ich hatte Glück – beim ersten Steinwurf schon starb die mittelgroße, 1,50 Meter lange Giftschlange.
Es ist keine große Kunst, im Freien eine Schlange zu erledigen, jedoch in engen Räumen oder unterm Haus – in den Tropen sind die Bungalows meist auf Pfeilern erbaut – muß man sich immer einen Rückzugsweg freihalten. Schwarze Mambas können sehr gefährlich sein. Ohm Krüger berichtet von einer, die sich im Burenfeldzug wütend auf eine Patrouille stürzte und drei Männern und zwei Hunden tödliche Bisse versetzte.
Die Yancys und der Sklavenhandel
In einigen westafrikanischen Ländern wuchert die Korruption wie Unkraut. Die Verwechslung von mein und dein ist in manchen Gegenden ein wahrer Nationalsport. Das galt einst auch für Liberia.
Viel Sympathie verlor das Land 1931, als eine internationale Kommission feststellen mußte, daß dort noch immer mit Sklaven gehandelt wurde! Ausgerechnet die Nachkommen von freien Sklaven versklavten ihre Brüder aus dem Hinterland!
Die spanischen Pflanzer auf der Insel Fernando Poo suchten händeringend nach Arbeitskräften. Für jeden Afrikaner bezahlten sie 45 Dollar, darüber hinaus gab es noch Extravergütungen. Das war für den damaligen Vizepräsidenten von Liberia, Allen N. Yaney aus Maryland, dem südlichsten Teil des Landes, ein gutes Geschäft. Er rekrutierte die „Ware“ für die Spanier kostenlos aus dem Busch; konnten die Häuptlinge das „Soll“ nicht erfüllen, setzten Repressalien ein, erst Auspeitschung, dann „Pfändung“ der nächsten Angehörigen der Häuptlinge und schließlich Mord.
Selbst 1935 noch, nach dem Einspruch der internationalen Kommission, ging ein Sklaventransport von Grand Bassa nach Fernando Poo!
Inzwischen ist das alles vergessen. Präsident Tubman versucht wie keiner seiner Amtsvorgänger, die Bewohner des Hinterlandes mit zur Regierung heranzuziehen. Doch wie schwer es ist, unsere westliche Begriffe auf Afrika zu übertragen, zeigt die Fortsetzung der Yancy-Geschichte. Einer der Söhne des ehemaligen Vizepräsidenten, ein Major Yaney, höchster Polizeibeamter im Bezirk Maryland, hatte sich von ein paar Gummizapfern der dortigen Firestone-Zweigstelle längere Zeit hindurch viele Eimer voll Latex an einen verabredeten Ort bringen lassen. Er holte sie später mit seinem Auto ab und verkaufte sie als eigenes Erzeugnis an die – Firestone-Gesellschaft. Natürlich kam der Schwindel bald heraus, die Anwälte von Firestone, meist Liberianer, erhoben Anklage. Es wäre ein Prozeß mit sonnenklarem Ausgang geworden. Doch was geschah? Nichts! Das Urteil fiel unter den Tisch. Und heute ist Yancy – Rechtsberater bei Firestone!
Will man seine Widersacher unschädlich machen, spannt man sie am besten in die eigene Sache ein. Zusätzlich ist Yancy noch immer Major der dortigen Polizeikräfte, besitzt wie alle Americo-Liberianer eine Farm, hat sein eigenes Rechtsanwaltsbüro, ist verantwortlich für den Verkehr im Süden des Landes und leitet ein eigenes Fuhrunternehmen.
Besuch beim Präsidenten
Natürlich stand auch diesmal auf meinem Programm ein Besuch bei Präsident Tubman, den ich von früher her gut kenne. Da ich ihn das letzte Mal wegen der großen Hitze in Hemdsärmeln besucht hatte – das Recht eines Fahrensmannes für mich beanspruchend –, trug ich diesmal meinen besten Anzug –, und er erschien im Schlafrock. Aber nächstes Mal wollen wir beide vorschriftsmäßig gekleidet sein!
Liberia verdankt seinen Aufschwung zum größten Teil der Aufgeschlossenheit seines Präsidenten. Tubman stammt von Americo-Liberianern aus Kap Palmas ab, jedoch ist der Unterschied zwischen dieser Gruppe und den Eingeborenen weniger groß als bei uns oft geglaubt wird. Er wurde liberisch erzogen, und das ist so oder so bescheiden. Aber Tubman ist von Natur aus intelligent, witzig, großzügig, schlagfertig und hilfsbereit. Er hat selbst Weißen geholfen, die von ihren eigenen Landsleuten keine Unterstützung erhielten. Heute ist er mehrfacher Dollarmillionär, jedoch durch eigene – kaufmännische – Verdienste und nicht durch einen Griff in die Staatskasse. Noch heute unterschreibt er persönlich alle entscheidenden Geldausgaben seiner Regierung – denn er kennt seine Landsleute!
Tubman hielt damals nichts vom Panafrikanismus, wie Touré und Nkrumah ihn propagieren, weil er das Beispiel Europas vor Augen hat: Wenn die Europäer sich nicht einmal verständigen und einigen könnten, wie sollte man das von den Afrikanern erwarten, meinte er. Inzwischen scheint er allerdings seine Ansicht geändert zu haben.
Wie in anderen westafrikanischen Ländern gibt es in Liberia ein Einparteiensystem; die anderen Parteien werden nur dem Namen nach geduldet, zum Teil sogar öffentlich bekämpft und ihre Führer eingekerkert oder verbannt. Offensichtlich sind Entwicklungsländer – wie man heute die unterentwickelten Länder nennt – für demokratische Staatsgefüge wenig geeignet, hinzu kommt, daß die große Mehrzahl der Bevölkerung beim Wählen gar nicht erfaßt werden kann.
Bei Landsleuten im Urwald
Liberia hat besonders enge und freundschaftliche Verbindungen mit Hamburg. Man trifft dort mehr Hamburger als in den meisten anderen westafrikanischen Ländern.
Schon wenige Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung Liberias sandte der Hamburger Carl Wörmann den Dreimastschoner „Liberia“ nach Westafrika und errichtete in Liberia 1854 die erste Faktorei südlich der Sahara. Weitere Hamburger Reedereien gründeten dort Niederlassungen und sind zum Teil – wenigstens dem Namen nach – noch heute dort vertreten.
Gerade diese Kaufleute haben sehr viel für das gute Ansehen, das die Deutschen in Liberia genießen, getan. Leider wurde das gute Verhältnis zwischen ihnen und den Liberianern verschiedentlich durch taktlose Reisende gestört.
Auch die Ketsch, die im Hafen von Monrovia neben mir lag, gehörte einem Hamburger, einem ehemaligen Kapitän, der in Monrovia ohne einen Pfennig Geld in der Tasche angekommen war und sich dort seine ersten Cents verdient hatte, indem er auf Fischfang auszog. Das war anfangs kein schlechtes Geschäft, jedoch als sich einige italienische Fischereigesellschaften in Westafrika niederließen, deren Methoden weitaus rationeller waren, ging es weniger gut, und so mußte auch die Frau des Hamburgers die täglichen Brötchen mitverchenen helfen. Sie tat also das, was in Westafrika in der Regel den einheimischen Frauen vorbehalten ist: sie wurde Hökerin und „machte“ mit allem möglichen Kleinkram „Markt“. Anfangs in einer winzigen Hütte, jetzt bereits in einem annehmbaren Laden.
Zwischen Hafen und Stadt Monrovia liegt die Mündung eines kleinen Flusses, an dessen Ufer ich vor fünf Jahren einen Hamburger Tischler kennengelernt hatte, der – wie viele andere Handwerker auch – für die liberianische Regierung arbeitete. Beschattet von gewaltigen Mangobäumen grenzten sein Bungalow und seine große Werkstatt direkt an die Flußmündung. Als ich diesmal gleich nach meiner Ankunft in Monrovia zu ihm fuhr, wohnte er noch immer da; wie vor fünf Jahren war er beim Bau eines Bootes. Zehn Gleitboote hatte er in der Zwischenzeit schon selbst hergestellt, gefahren und wieder verkauft, dazu noch zwei Stufenboote. Motorbootfahren – weniger Segeln – und Jagen sind nun einmal die Hauptsportarten der Europäer in Westafrika.
Dieser Hamburger Bootsbauer war schon einmal in der Brandung vor Monrovias Küsten gekentert und hatte sich schwimmend an Land gerettet. Doch er baut weiter – Wasser und Meer stecken ihm im Blut.
In Monrovia hatte ich mich verschiedentlich nach der deutschen Gesellschaft erkundigt, die im Süden des Landes eine Konzession (240.000 ha) zur Errichtung einer Bananenplantage besitzt. Man konnte mir darüber keine nähere Auskunft geben. Schließlich lernte ich zufällig den Herrn kennen, der die Interessen der Firma in Monrovia vertritt. Aber er verwies mich nur an den Manager, den er von meiner Ankunft unterrichten wollte. So machte ich mich also auf den Weg.
Das Meer war wie immer in dieser Jahrezeit ruhig, so daß ich täglich nicht mehr als 80 – 90 Seemeilen schaffte. Der ganzen Küste sind Felsenriffe vorgelagert, die teils über, teils unter Wasser nur darauf lauern, sich einem nicht genau navigierenden Boot in den Leib rammen zu können.
Auf der Ozeanseite zieht sich der Dampfertrack parallel zur Küste hin, und zwischen beiden suchte sich die LIBERIA IV ihren Weg nach Südosten. Für mich hieß das, in der Nacht scharf zu wachen und am Tage hin und wieder ein Auge zuzudrücken.
An einem Sonntagmorgen traf ich in dem noch nicht ganz fertiggestellten Hafen von Sinoe ein. Da die Dünung längs der Mole hoch vorbeisauste, ankerte ich im Hafenbecken.
Deutsche Stimmen hallten zu mir herüber, man bot mir ein Ruderboot an, und schon stand ich mitten unter Deutschen. Einige Handwerker aus Hamburg waren damit beschäftigt, die Molenoberfläche einzuebnen, ein Lübecker Diplomlandwirt lud mich zum Frühstück in die Eßhalle ein, der ölpalmen und Mangobäume Schatten spenden.
Der Hafen von Sinoe liegt bei dem ein wenig ins Meer vorspringenden Blubarra Point auf der Südseite des Sinoe-Flusses, der für Brandungsboote leicht zu befahren ist. Auf der Nordseite des Flusses erstreckt sich ein müdes Städtchen von einigen tausend Einwohnern, deren Neugierde die Deutschen auf der Südseite wenig anficht.
Der Lübecker machte mich sofort mit dem „Kapitän“ der Plantagenboote bekannt, der uns durch Sekundär- und Regenwald 24 km flußaufwärts zum Landeplatz der Gesellschaft brachte. Vorläufig konnte man nur mit einem Boot dorthin gelangen; eine Straße sollte demnächst fertiggestellt werden.
Hübsch über dem Fluß gelegen erheben sich die ersten Häuser der Firma, die noch aus den Jahren stammen, da die Plantage in ihren Kinderschuhen steckte. Diese Jahre liegen gar nicht so weit zurück: erst 1953 schickte die Firma eine kleine Gruppe von Fachleuten ins Land; sie waren anfangs noch in Zelten untergebracht, später in diesen afrikanischen Hütten über dem Fluß, und heute hat man bereits inmitten eines gerodeten und kultivierten Gebietes moderne Bungalows errichtet.
Mit einem Jeep fuhr man mich zum Manager der Plantage. Herr Cassel empfing mich in seinem schönen, modern eingerichteten Haus, von dem aus der Blick weit über das Land schweifen kann. Cassel ist alter „Liberianer“; er war einer der Firestone-Pioniere, die schon 1926 ins Land kamen und aus dem Nichts eine Musterplantage schufen. Selbst in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise hatten die Amerikaner ihm nicht gekündigt, erst 1941 mußte er infolge der Kriegswirren das Land verlassen.
Als dann die deutsche Firma 1952 bei Firestone anfragte, ob sie mit einer Unterstützung ihrer Pläne zur Errichtung einer neuen Plantage rechnen könnte, antworteten Cassels alte Freunde: wenn Sie Cassel zum Direktor machen, geben wir Ihnen alle Hilfe, die Sie brauchen. So holte man Cassel zurück nach Liberia.
Die Schwierigkeiten, mit denen die Deutschen hier zu kämpfen haben, sind gewaltig. Das Hauptproblem stellt auch hier der Mangel an Arbeitskräften dar. Alle Regenwaldgebiete sind dünn bevölkert von rückständigen und sehr bedürfnislosen Menschen, die, sobald sie einen kleinen Sack voll Reis auf der Schulter haben, wieder in den Urwald verschwinden.
900 bis 2000 Afrikaner beschäftigt die Plantage. Genau wie bei Firestone haben hier schon kleinere Streiks Unruhe geschaffen, kurze Streiks, die von Nichtliberianern angezettelt wurden. Da die Regierung die Löhne festsetzt, hat sie natürlich großes Interesse daran, die Streiks zu unterbinden und die Anstifter außer Landes zu schicken. Einmal sollen sogar Streikfanatiker von Soldaten nackend in Einbäume verfrachtet und in ihr Heimatland zurückgebracht worden sein, nachdem sie vorher mit der Nagaika, der Lederpeitsche, Bekanntschaft geschlossen hatten.
Die Plantage ist ähnlich angelegt wie die von Firestone; die einzelnen, von je einem Pflanzer beaufsichtigten divisions werden hier „Vorwerke“ genannt, und jedem Vorwerk ist ein Dorf für die Arbeiter angegliedert, das sogar einen Fußballplatz besitzt – Ball und Dreß werden geliefert.
Als ich am anderen Morgen im Gästehaus auf dem Zentralhügel aufwachte, ertönte das morgendliche Geschrei der Arbeiter, das mir noch von früher her in den Ohren klang. Auf den gepflegten Rasenflächen stolzierten anmutig kleine weiße Reiher einher, aus einem Hibiskusbusch ließ ein Spornkuckuck sein „Du-Du“ ertönen.
Die Gesellschaft hat auf ihrem Gelände ein kleines, modernes Hospital gebaut, eine Gärtnerei mit einer Versuchsstation angelegt, eine Fabrik zum Trocknen der Bananen und einen Laden gegründet, in dem auch die etwa zwanzig deutschen Angestellten ihre Einkäufe machen. Sie beschäftigt ihre eigenen Lehrer, Friedensrichter und Polizisten für die schwarzen Arbeiter.
Rund 1000 ha Land sind bepflanzt, doch hat die Panama-Krankheit auf den Bananenfeldern nicht unerheblichen Schaden angerichtet. Zwei Fünftel des kultivierten Landes werden von Bananenstauden eingenommen und etwa drei Fünftel von Gummibäumen. Ausgeführt wurden bis jetzt nur getrocknete Bananen.
Wie immer versuchte ich die Gastfreundschaft meiner Gastgeber durch einen Lichtbildervortrag zu entlohnen. In ganz Afrika hatte ich nie wieder so begeisterte und andächtig lauschende Zuhörer wie diese kleine Schar von Landsleuten im Urwald von Liberia.