Kitabı oku: «Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln», sayfa 3

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Don Juan und die Pfannkuchen

Als wir von Bayona abfuhren, herrschte Flaute, so daß wir durch die Riffe tuckerten, während die Segel schlapp hin und her flappten. Das Meer lag spiegelglatt, nur die gewaltige Nordwestdünung jagte geisterhaft unter unserem Boot dahin. Flaute zehrt mehr an den Nerven als ein Sturm, wenn man in einer seetüchtigen Yacht sitzt. Und unsere LIBERIA IV war eine Hochseeyacht, ein Spitzgatter, ein moderner Colin-Archer-Kutter, der schon einen ganzen Sack voll Wind braucht, um in Schwung zu kommen. Da aber jetzt die Windgötter Urlaub feierten, ließen wir den Motor laufen und schauten auf die Seekarte, ob da nicht ein kleiner Hafen war, der uns für die Nacht aufnehmen konnte.

Wir fanden tatsächlich einen; mit untergehender Sonne liefen wir in das malerisch am Bergabhang gelegene La Guardia ein, warfen Anker und begrüßten gleich darauf den Hafenkommandanten an Bord, dessen blitzsaubere Kleidung in einem auffallenden Gegensatz zu dem alten verfallenen Hafen stand.

Während der ganzen Nacht sauste die Dünung unaufhörlich in den ungeschützten Hafen hinein, so daß ich mehrfach nach dem Anker schauen mußte, weil ich befürchtete, die LIBERIA könnte sich losreißen und gegen die Berge klatschen. Der Anker aber hielt; wir setzten morgens bei kümmerlichen Windverhältnissen unsere Fahrt fort.

Um uns herum dümpelten portugiesische Fischerboote, die ihre Netze einholten. Der Kapitän eines der Boote empfand offenbar Mitleid, als er uns so mühselig dahinschleichen sah. Er hielt auf uns zu, kam längsseits und – schenkte uns einen Eimer Sardinen.

Genau genommen heißen Sardinen ja erst Sardinen, wenn sie in Reih’ und Glied in der Blechbüchse liegen. Was wir geschenkt bekamen, das waren junge Fischbrüder aus der Heringsfamilie. Wir gaben den Portugiesen als Gegengeschenk Zigaretten, und sie dampften und qualmten hochbeglückt davon. Ich aber nahm die Fische aus, warf den vielen Seeschwalben und Wellenläufern die Innereien zu, und dann brutzelten sie, die Sardinen, denn jetzt lagen sie in einer Reihe, wenn auch in der Bratpfanne.

Niña hatte wie immer die erste Nachtwache. Um ein Uhr löste ich sie ab, um bis zum Morgen zu wachen. Als meine Sinne an der frischen Luft langsam zu neuem Leben erwachten, stieg in meine noch halb schlafende Nase bester Kölnisch-Wasser-Geruch. Ich schnüffelte und schnupperte verwundert herum, um die Quelle dieses unerwarteten Genusses aufzuspüren. Schließlich fragte ich Niña, ob sie eine Flasche zerbrochen hätte. Ich wurde beruhigt: sie habe lediglich das Cockpit3 mit Parfüm bespritzt, um den Fischgeruch zu vertreiben.

In den folgenden 24 Stunden schafften wir bei frischem achterlichen Wind 137 Seemeilen. Niña sprach von Sturm, jedoch der Seemann, der von Bord eines größeren Schiffes herunterschaut, nennt das nur eine steife Brise. Als wir das westlichste Kap des europäischen Festlandes, Cabo da Roca, auf der Höhe von Lissabon passierten, bekam ich plötzlich Appetit auf Pfannkuchen.

„Die könnten wir uns schön zum Abendbrot in Cascais machen“, meinte ich zu Niña und überredete sie, zu diesem Zwecke nach Portugal zu fahren.

Aus den Pfannkuchen wurde nichts – der Wind schlug um, erst nach Mitternacht rasselte unser Anker in der Bucht von Cascais, dem bekannten Fischerdorf vor den Toren Lissabons, in die Tiefe. Todmüde fielen wir in die Kojen und ließen Pfannkuchen Pfannkuchen sein.

Wir kannten beide Lissabon und die portugiesische Riviera von früher her, aber das tat unserer Begeisterung beim Wiedersehen keinen Abbruch. Von Cascais fuhren wir nach Estoril. Hier wimmelte es von Königen, Prinzen, Großfürsten und anderen Exzellenzen, etwa drei Dutzend kommen auf den Quadratkilometer, und als wir vom Yachtclub auf unser Boot zurückpullten, hörten wir, daß unsere Nachbaryacht dem Thronprätendenten von Spanien, Don Juan, gehöre. Als ich die Ankerkette unter den Augen der weiblichen Prinzengarde doppelt so schnell wie gewöhnlich einhievte, merkte ich nicht, daß der Wind die bürgerliche LIBERIA IV mit unerwartetem Schwung auf die königliche Yacht zutrieb. Niña zog sich in der Kabine gerade um und konnte mich nicht warnen. Plötzlich sah ich die Gefahr. Der neue Klüverbaum,.den mir ein früherer Mitsegler schon einmal zerbrochen hatte, näherte sich unheimlich schnell Don Juans Yacht, auf deren Deck die Damen gerade Cocktails serviert bekamen. Gebannten Blickes erwarteten sie die Attacke der roten LIBERIA. Entsetzt griff ich nach dem Bootshaken, setzte ihn, so behutsam es ging, gegen das königliche Schanzkleid, stemmte mich mit aller Kraft dagegen und dann krachte es – der Bootshaken brach! Was tat’s! Mein neuer Klüverbaum verschrammte nichts vorn Lack der noblen Yacht, das war die Hauptsache.

Auf dem Boot hatte man sich wieder vorn Schreck erholt, und als ich mich ob dieser peinlichen Bedrohung bei der Prinzenmutter auf Spanisch entschuldigte, freute sie sich über die nicht erwarteten Sprachkenntnisse und lobte den Mut der Niña, die inzwischen, halb angezogen, aufgetaucht war und ihr erzählte, daß wir nach Las Palmas auf den Kanarischen Inseln segeln wollten, die immerhin über 1200 Kilometer entfernt waren.

Am Winde segelte die LIBERIA allein aus der Mündung des Tejo heraus. Was würden die nächsten sieben Tage uns bescheren? Flauten? Stürme? Oder gar Unfälle?

„Mann über Bord“

Der Wind ließ einen Tag auf sich warten, zwei Tage, am dritten Tag schließlich machten wir Ferien vom Boot, so konnten wir unsere Rettungsmanöver im Schlauchboot auch nennen. Die LIBERIA schaukelte wie ein Stehaufmännchen und dümpelte wie ein Betrunkener, so daß die kurze Fahrt im Schlauchboot eine Erholung und willkommene Abwechslung war.

Einige Stunden später – der Wind hatte sich wieder eingestellt – meldete Radio Lissabon einen Zyklon, mit dessen Ausläufern wir rechnen mußten. In der Nacht begann es zu stürmen, die See rohrte und tobte, der Wind pfiff und heulte.

Für Niña kam die Bewährungsprobe. Bei ihrer Abfahrt aus Deutschland hatten die meisten ihrer Freunde die Hände überm Kopf zusammengeschlagen, als sie ihnen eröffnete, sie wolle in einer kleinen Yacht aufs Meer. Es ist wenig bekannt, daß man in einer gut ausgerüsteten Hochseeyacht – und die LIBERIA IV war es – bei vernünftiger Führung ebenso sicher ist, wie auf einem großen Passagierdampfer. Vielleicht sogar sicherer: auf unserer Rückreise von New York nach Cuxhaven erlebten wir auf einem solchen Dampfer einen harmlosen Sturm, in dem es über 25 Verletzte gab!

Auf meiner 14.000-Seemeilen-Fahrt mußte ich mich mindestens einmal im Monat mit einem solchen Sturm auseinandersetzen, und unter solchen Bedingungen habe ich die meisten Seemeilen zurückgelegt, ohne, wie es unser Luxusdampfer tat, beidrehen zu müssen. Nicht einmal blaue Flecken habe ich bekommen! Gefahren für seetüchtige Yachten gibt es fast ausschließlich an den Küsten, nicht auf hoher See.

Für den Fall jedoch, daß Niña im Sturm von einer überkommenden See aus dem Cockpit gerissen werden sollte (was bei Yachten seltener vorkommt als bei größeren Booten), hatte ich ihr gesagt, wie sie sich dann verhalten müsse.

„Was tust du, wenn du über Bord gehst?“ fragte ich sie.

„Ich schreie.“

„Aber nur solange das Boot in unmittelbarer Nähe ist. Wenn ich aber deine Hilferufe nicht mehr hören kann, was machst du dann?“

„Dann schwimme ich dir nach!“

„No, Señora! Du bleibst, wo du bist, und du bewegst dich so wenig wie möglich. Keine Panikstimmung aufkommen lassen! Spare deine Kräfte, wie du nur kannst, du wirst sie brauchen! Leg dich auf den Rücken und spiele toter Mann! Selbst wenn du nicht schwimmen könntest, vermag das Salzwasser dich zu tragen … Und wenn ich dann bemerke, daß du verschwunden bist, muß ich dich auf dem entgegengesetzten Kurs wieder suchen. Finde ich dich nicht und hast du das Boot aus den Augen verloren, dann kannst du dich nur noch nach den Gestirnen oder dem Wind orientieren – aber das hat natürlich nur Sinn, wenn Land in der Nähe ist.“

„Aber Hannes, das ist doch alles graue Theorie!“

„Es gibt Beispiele.“

„Und wenn ein Hai sich für mich interessiert?“ fragte Niña schaudernd.

„Von den rund 350 Haiarten greifen nur sechs oder sieben den Menschen an.“

„Wie beruhigend!“

„Einige Taucher haben schon Hai-Attacken abgewehrt, indem sie den Fischen ihre Kamera auf die Nase stießen; mit einem Schuh kann man es auch versuchen, im Notfall muß die Faust herhalten. Perlenfischer schreien unter Wasser, wenn ein Hai angreift, und sie haben auf diese Weise schon manchen in die Flucht geschlagen.“

„Und die Schwimmweste, die ich auf deinen Befehl hin im Sturm immer anziehen muß, hält die mich wirklich über Wasser?“

„Nicht nur das, sie hält dich zusätzlich noch warm. Auch die Kleidung soll ein Schiffbrüchiger im Wasser nach Möglichkeit immer anbehalten; sie schützt ihn vor Unterkühlung, egal, ob er in nördlichen oder in tropischen Gewässern treibt. Übrigens rettete sich der amerikanische Flieger Carroum auf eine pazifische Insel, nachdem er über drei Tage in seiner Schwimmweste gehangen hatte.“

Viele Segler plädieren für eine Sicherheitsleine, durch die sie während ihrer Wache mit der Yacht verbunden sind. Ich kenne keinen Einhandsegler, der sie auf seiner Ozeanüberquerung benutzt hätte, weiß aber von einem Fall, in dem ein deutscher Arzt trotz der Sicherheitsleine in der Nordsee über Bord gerissen wurde, und seine beiden Kameraden brachten es nicht fertig, ihn aus seiner furchtbaren Lage zu befreien.

Wir hatten uns auf der LIBERIA um das Cockpit eine Griffleiste anbringen lassen, an der wir uns bei Sturm mit einer Hand festhielten, während wir mit der anderen die Pinne4 bedienten. Daher auch der Name „Einhandsegler“; ein Alleinsegler kann nur mit einer Hand das Boot bedienen, weil er mit der anderen für seine Sicherheit sorgen muß.

„Mann über Bord“ wird immer ein Schreckensruf bleiben, doch sollte man sich daran erinnern, daß viele Seeleute noch aus den verzweifeltsten Situationen gerettet worden sind.

Werden Fische seekrank?

Bei diesem scheußlichen Seegang sorgte ich mich, Niña könnte seekrank werden, denn es hat sich immer wieder gezeigt, daß die meisten Menschen zu irgendeiner Zeit ihres Lebens einmal von der Seekrankheit gepackt werden, selbst wenn sie sich für seefest halten. Ich habe einmal in einem Biskayasturm einen Kapitän gesehen, dem fürchterlich übel war, während es mir ganz gut ging. Vier Wochen später aber wurde mir in einem Fischerboot in der Straße von Gibraltar schlecht, obwohl es nicht einmal stürmte.

In meinem eigenen Boot litt ich niemals unter Seekrankheit, mußte jedoch in bestimmten Körperstellungen, besonders beim Ausschöpfen des Bootes, höllisch aufpassen, daß ich nicht doch die Fische fütterte.

In der LIBERIA IV war es mir bei diesem Wetter auch nicht möglich, längere Zeit gefahrlos an der Kochnische zu arbeiten; alle paar Minuten mußte ich den Kopf in die frische Luft stecken. Niña erging es ebenso.

Selbst im Kino kann man „seekrank“ werden, wenn man zum Beispiel in einem dreidimensionalen Film eine Berg- und Talbahnfahrt intensiv miterlebt; der Terminus technicus dafür ist „bewegungskrank“. Auch auf einer Kaimauer sind schon Menschen „seekrank“ geworden, weil sie ein dümpelndes Boot zu lange betrachtet hatten.

Wenn ich im Autobus ganz hinten sitze, werde ich zuweilen noch heute „reisekrank“, in Flugzeugen dagegen bin ich niemals „luftkrank“ gewesen, auch nicht in den schwersten Stürmen. Babys werden nicht seekrank, taube Menschen auch nicht.

An Bord von großen Dampfern sind richtige Verhaltungsmaßregeln ebenso wichtig wie Tabletten gegen Seekrankheit: essen wie gewöhnlich, nicht zu viel, nicht zu wenig; den Kopf beim Sitzen anlehnen; Maschinengeruch meiden und für frische Luft in der Kabine sorgen. Tabletten gegen Seekrankheit haben vorwiegend suggestive Wirkung.

In offenen Rettungsbooten ist der Prozentsatz der Seekranken geringer als auf Dampfern, weil Schiffbrüchige durch andere Sorgen abgelenkt werden und weil sie stets den Horizont sehen. Wird jedoch ein Schiffbrüchiger seekrank, dann schwebt er in besonders großer Gefahr, da die Seekrankheit eine unvorstellbare Gleichgültigkeit aufkommen läßt und jede Hoffnung tötet.

Auch Tiere werden seekrank, selbst Seevögel und Fische. Ich kenne einen Fall, in dem sogar Tümmlern, die von Miami über die Floridastraße transportiert wurden, die Seefahrt nicht bekam. Die Ursache liegt im Gleichgewichtsorgan, das dem Gehirn stets die Körperlage signalisiert und dessen Signale auf bestimmte Gehirnzellen überspringen können, so daß Brechreiz, Müdigkeit, Kollaps und sogar Todesverlangen ausgelöst werden.

Nur unter Fock5 dahinsegelnd machten wir dennoch rasende Fahrt. Segel und Mast, stehendes wie laufendes Gut6 waren überdurchschnittlich stark, so daß ich keine Havarie zu fürchten brauchte. Morgens und abends machte ich meine Bordrunde, um Schäden entweder verhindern oder beseitigen zu können, denn gerade auf dem Meer darf man sich niemals im Bewußtsein seiner guten Ausrüstung allzu sicher fühlen und nachlässig werden. Durch Eitelkeit sind schon viele Unfälle entstanden.

Niña lag zusammengekauert auf der Bank und betete, der Sturm möge uns doch endlich in Frieden lassen. Doch draußen brauste, schäumte und tobte das Meer unbekümmert weiter. Seit 24 Stunden pfiff der Wind durch die Wanten7, rohrten die Seen und toste das Meer. Unsere starke LIBERIA IV wurde von den Riesenwellen wie ein Stück Treibholz gepackt und in die Höhe gehoben; gewaltige Brecher schleuderten sie bisweilen zehn, fünfzehn Meter in die gewünschte Richtung. Hin und wieder stürzten sich Wassermassen über das Boot, so daß nur noch der Mast aus dem Gischt herausragte.

Als Niña mich in diesem Inferno abgelöst hatte, sah ich mit Entsetzen, daß das Boot Wasser gemacht hatte.

Ich pumpte wie ein Besessener und überlegte dabei angestrengt, von wo wohl das Wasser eingedrungen sein könnte. Die LIBERIA war neu und bestens gebaut, ihr Rumpf stärker als vorgeschrieben – nein, am Boot konnte es nicht liegen. Endlich war das Wasser ausgeöst. Ich drehte den Wasserhahn auf – kein einziger Tropfen! Da hatte ich des Rätsels Lösung: der Wassertank mußte leck geschlagen sein! Über 400 Liter Wasser hatten sich in die Bilge8 ergossen! Zum Glück gab es noch genügend Wasserbehälter aus Plastik an Bord; kein Orkan konnte sie zerstören!

Draußen heulte es weiter. Das Boot machte Bocksprünge wie ein ungezähmtes Pferd auf einem Rodeo im Westen Amerikas. Bei jedem Schlag gegen die Bordwand wachte ich aus einem unruhigen Schlaf auf und schaute nach draußen, ob Niña noch zu sehen war. Sie klammerte sich krampfhaft mit der rechten Hand an der Cockpitverkleidung fest, mit der linken Hand hielt sie die Pinne. Sobald sie mich sah, versuchte sie angestrengt, ihr vom Sturmwind krebsrot gepeitschtes Gesicht zu einem zuversichtlichen Lächeln zu verziehen. Für sie, die „Nichtseglerin“, war es selbstverständlich, ihre Wachen auch bei schlechtem Wetter zu schieben.

Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm ausgebraust, doch immer noch brüllte die See, und immer noch sauste die LIBERIA unter Fock dahin. Als ich nach der Wachablösung wieder in die Kabine kam, rutschte ich auf den Bilgenbrettern aus – sie waren dick mit Öl verschmiert; der Sturm hatte auch noch die Öltanks zerschlagen!

Die letzten Tage der Überfahrt verliefen ohne weitere Zwischenfälle. Neun Tage nach der Abfahrt aus Lissabon schlichen wir uns morgens gegen drei Uhr in Puerto de la Luz, den Hafen von Las Palmas auf Gran Canaria, ein. Im glitzernden Wasser vor dem königlichen Yachtlub machten wir ein paar Boote aus und gingen neben einem Schoner9 vor Anker.

1 Segel ohne Wind, aus dem Englischen: calm = still.

2 71 Sekunden Tauchdauer und 9½ m Tiefe sind der durch wissenschaftliche Beobachtungen erwiesene Rekord.

3 Der im Deck vertiefte Sitzraum für den Rudergänger auf Yachten, meist „die Plicht genannt.

4 Rudergriff

5 Das untere Segel an der Vorkante des Mastes.

6 Festes und bewegliches Tauwerk.

7 Stahlseile, die den Mast seitlich stützen.

8 Die tiefste Stelle im Schiff.

9 Mehrmastiges Segelfahrzeug, dessen größerer Mast hinten steht.

ZWEITES KAPITEL
AUF DEN INSELN DER GLÜCKSELIGEN

„LIBERIA! Buenos dias!“ riß uns in aller Frühe ein Störenfried aus unserer wohlverdienten Nachtruhe. Schlaftrunken steckte ich den Kopf aus der Luke und erkannte auf dem Nachbarschoner einen spanischen Seglerfreund.

Für die Segler von Las Palmas ist der Name LIBERIA ein vertrauter Begriff: in Las Palmas hatte ich mich auf meine beiden ersten Fahrten in Einbaum und Faltboot mehrere Monate lang sorgfältig vorbereitet, und die Segler hatten daran Anteil genommen, als sei ich einer der ihren.

„Ich dachte, Sie seien gestorben?“ empfing mich der Bekannte.

„Noch nicht ganz“, rief ich hinüber und rieb mir den Schlaf aus den Augen.

„Aber amerikanische Segler haben uns doch erzählt, daß Sie nach der Ankunft in diesem … diesem Kanu lange Zeit krank waren und dann verstorben sind …“

„Und jetzt bin ich gerade von den Toten auferstanden“, unterbrach ich ihn. „No Sefior, todo va bien! Mir ging es während meiner Faltbootüberquerung relativ gut, und krank war ich nach der Fahrt überhaupt nicht!“

Der Segler betrachtete mich kopfschüttelnd. Wie so viele andere konnte auch er es nicht fassen, daß ich ohne irgendwelchen körperlichen Schaden mit meinem fünf Meter langen Faltboot heil über den Atlantik gekommen war. Wie die anderen vergaß auch er, daß ich jahrelang trainiert hatte und erst losgefahren war, als ich von einem „kosmischen Sicherheitsgefühl“ erfüllt war und wußte, daß ich ankommen würde …

Kleopatra und die Silbadores

Niña hatte nur noch vier Tage Zeit, sich auf Gran Canaria umzusehen, dann waren ihr Urlaub und unsere ins Wasser gefallenen Flitterwochen beendet. Da sie die anderen Kanarischen Inseln nicht mehr kennenlernen konnte, bat sie mich, ihr davon zu erzählen.

„Weißt du, was La Gomera ist?“ fragte ich sie.

„Du dachtest wohl, ich würde sagen, das sei ein Tanz wie La Habanera? Irrtum! In deinem Handbuch über die Nordatlantischen Inseln habe ich gelesen, daß es ein rundes Inselchen im Westen von Tenerife ist!“

„Aber jetzt habe ich dich: kennst du Silbo?“

„Das hört sich wie ein Wort aus einem Kreuzworträtsel an!“

„Es ist eine Sprache, die gepfiffen wird. Die Bewohner von Gomera sprechen Spanisch, jedoch wenn die Bauern und Schäfer auf dem Felde oder im Gebirge arbeiten, bedienen sie sich dieser artikulierten Pfeifsprache. Pfeifen sie nur mit den Lippen, so kann man den Ton kaum mehr als einen Kilometer weit hören, pfeifen sie aber auf einem oder zwei Fingern, so ist das über eine weitaus größere Entfernung hinweg zu vernehmen. Der Rekord-‚Silbador‘ soll an einem windstillen Tage 14 Kilometer weit gehört worden sein! Auch wenn man die Zunge an die oberen Schneidezähne legt, kann man besonders laut pfeifen.“

„Aber diese Silbadores können sich doch nicht durch Pfeifen unterhalten?“ zweifelte Niña.

„Man sagt ihnen nach, daß sie alles pfeifen können, was man auf Spanisch sagen kann.“

„Das heißt mit anderen Worten: Silbo ersetzt auf dem Lande das Telefon.“

„So könnte man sagen. – Da fällt mir noch etwas über diese Insel ein: hast du schon mal von der Kleopatra von Gomera gehört?“

„Bis heut’ noch nicht, erzähl bitte!“

„Es gibt Geschichtsforscher, die dem Kolumbus galante Abenteuer mit einer Dona Beatrix von Bobadilla nachsagen, der einstigen Herrin von Gomera. Kolumbus hat nämlich auf allen seinen vier Fahrten Gomera besucht, manchmal sogar so lange, daß seine Matrosen ungeduldig wurden. Wozu zwar bei dem Sammelsurium von Seeleuten, aus dem die damaligen Besatzungen bestanden, nicht viel gehörte, aber daß dieser mystisch veranlagte Kolumbus außer seinen Fahrten auch Frauen im Kopf gehabt haben soll, erscheint vielen als recht zweifelhaft. Möglicherweise hat die klatschsüchtige Nachwelt den beiden ein Denkmal gesetzt, das sie gar nicht verdienen.“

„Und dann gibt es noch Hierro, die ‚Eiseninsel‘, nicht wahr?“ fragte Niña.

„Ja, aber sie hat nichts mit Eisen zu tun. Ihr Name ist eine Verbalhornung von herro, dem Wort für einen Wasserbehälter. Interessant ist die Insel für Nautiker. Warte, ich les’ dir etwas darüber vor … Hier steht’s: französische Geographen legten 1634, zur Zeit Ludwig XIII, durch die Punta Orchilla dieser Insel als dem westlichsten Punkt der altert Welt den Null-Meridian, der seit 1884 durch das englische Greenwich läuft. Die österreichischen Atlanten haben sich sogar erst 1918 auf den Null-Meridian der Greenwicher Sternwarte umgestellt.“

„Warst du schon einmal auf der Palmeninsel?“

„Leider nicht. La Palma ist die einzige Insel, die ich nicht kenne. Sie soll Madeira ähneln. Eigenartig ist, daß sie im Laufe der jüngsten Zeit immer weiter aus dem Meer gestiegen ist. Diese Hebung hält selbst heute noch an. Palma ist einst von einem der größten Vulkane der Erde aufgeschüttet worden. Noch 1949 zerstörten Ausbrüche ein ganzes Dorf.“

„Am bekanntesten ist bei uns doch die Insel Tenerife?“

„Sie ist die größte Insel des kanarischen Archipels, und ihre Hauptstadt Santa Cruz ist nicht nur Regierungssitz der Insel, sondern der ganzen Westprovinz, die aus Gomera, Hierro, La Palma und eben Tenerife besteht.“

„So gehören zur Ostprovinz die restlichen Inseln, also – warte mal –: Gran Canaria, Lanzarote und Fuerteventura?“

„Stimmt – wobei Gran Canaria mit seiner Hauptstadt Las Palmas das östliche Verwaltungszentrum bildet.“

„Und was muß ich über Lanzarote, die nördlichste Insel, wissen?“

„Sie wurde früher von Seefahrern aus Genua oder Mallorca überfallen, die die Bewohner wie wilde Tiere einfingen und als Sklaven ins Ausland verkauften. Später wurde sie dann als erste Insel ohne größere Kämpfe von dem Normannen Bethencourt für die kastilische Krone erworben. Berühmt ist übrigens dort das Feuergebirge, in dem es Erdlöcher gibt, über denen man Spiegeleier braten kann – so glühend ist die darunter liegende vulkanische Erdschicht. Regen ist auf Lanzarote sehr gefragt; zuweilen läßt er ein paar Jahre auf sich warten. Aber die Bauern wissen sich zu helfen. Sie haben eine Spezialmethode entwickelt, durch die sie aus der Luftfeuchtigkeit Wasser gewinnen: sie bedecken den Boden mit einer Schicht aus jüngerem Eruptionsgestein, und in diesem schwammartigen Gesteinsgebilde sammelt sich nachts der Tau und rinnt in den Boden. Durch diese Art der „künstlichen Bewässerung“ gedeihen Wein, Tomaten, Kartoffeln und Zwiebeln ganz gut auf Lanzarote.“

„Was hat es eigentlich mit den großen kanarischen Hunden auf sich, nach denen der Archipel wohl benannt ist, wenn ich mich recht erinnere – Islas Canarias, und canis ist doch das lateinische Wort für Hund?“

„Über die Hunde hat schon Plinius berichtet: Juba, dem König von Mauretanien, war bei einer Expedition nach Fuertaventura aufgefallen, daß dort viele große Hunde umherstreunten und nur wenige Menschen zu sehen waren. Heute aber gibt es keine wilden Hunde mehr auf den Inseln, man züchtet sie nur noch als Wachhunde, die Bardinos genannt werden.“

„Herzlichen Dank für die Geographiestunde; jetzt bin ich über die Inseln bestens unterrichtet und kann mir in Ruhe Gran Canaria ansehen“, meinte Niña.

Wir meldeten uns im Segelclub an, ließen uns bei der Polizei eine Aufenthaltsgenehmigung geben und bestiegen einen Guagua, einen jener archaischen Autobusse, die ebenso billig wie alt sind.

Las Palmas, die größte Stadt der Kanarischen Inseln, liegt sieben Kilometer südlich vom Hafen, mit dem sie zusammengewachsen ist. Aber schon hundert Meter hinter den grünen Gärten der Vorortshäuser türmen sich Sanddünen auf. Sie dringen fast in die Hinterhöfe ein. Hier wie in Maspalomas, der „Sahara von Gran Canaria“, meldet sich das nahe Afrika.