Kitabı oku: «Natur-Dialoge», sayfa 4

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Unglückliche Verwechslungen


Wenn Irina hier stellvertretend für viele andere sagt: »Ich begann zu weinen, es begann mich zu weinen, der Fluss, der Stein, das Licht, meine Güte, ich wusste nicht mehr, wer wen anschaute, wer zu wem sprach – das war eine höchst lebendige Begegnung!«, dann geht es um eine sinnliche Erfahrung der Hineinverwickelung. Sie konnte für den Moment nicht mehr unterscheiden, wer zu wem sprach, aber ihre Erfahrung erzählt in keinem Wort von einer Erfahrung von Einheit, sondern von einer Begegnung, einer Bewegung mit einem bestimmten Gegenüber an einem bestimmten Ort. Das Ausrutschen, die Erde unter ihrem Hinterteil, das Innehalten, das Rascheln, dem sie folgte, der Stein, der sie lockte; all das sind Interaktionen jener eigenlebendigen Lebensgemeinschaft, die sich dort eingefunden hat. Hier kommen viele eigenständige Stimmen zusammen, nicht nur eine, die durch alles spricht. Hier begegnet sich vieles, das einander spontan gerufen, gesehen, aber sie ist deshalb weder mit allem verbunden noch geht sie in einer ozeanischen Erfahrung von Einheit oder Ganzheit auf. Sie erlebt verbundene, konkrete Vielfalt, die voreinander erscheint und miteinander lebt.

Streunen hat das Potenzial, die Magie des Lebendigen erfahrbar zu machen. Das kann eine sehr – ich verwende hier bewusst diese schöne, wenngleich missverständliche Vokabel – beseelende Erfahrung sein. Es eignet sich allerdings nicht dazu, eine Erfahrung des »Alles ist eins« anzuzetteln. Wenn alles eins wird, dann hört sich das Streunen auf. Dann ist hier nichts mehr, was gehört, gesehen, getan werden will, dann ist die Welt samt ihren Organismus-Nischen-Einheiten von dem »Eins«, dem All, vom großen Ganzen verschluckt. Dann sind wir nicht mehr Lebewesen in einer vielfältigen Welt. Wer soll sie dann noch gestalten?

Wir sind hier an einer delikaten und wichtigen Stelle in der Annäherung an den Natur-Dialog-Ansatz angekommen. Auch hier gilt: Es macht einen Unterschied, welche Unterscheidungen wir machen, welche Zusammenhänge wir beschreiben, welche Schlüsse wir ziehen und welches Handeln damit einhergeht.

Die Notwendigkeit eines Bewusstseinswandels, der die Menschen zu mehr Verbundenheitskompetenz führt, ist heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen und Schichten unbestritten. Die Bemühungen, hier Beiträge zu leisten, sind schon lange aus dem sogenannten esoterischen Sektor in wohlsituierte Netzwerke und in den öffentlichen Diskurs gekommen.

Die Ideen des Getrenntseins zum Beispiel von Menschen und Natur, von Innen und Außen, von Gestern und Heute haben ihr kreatives und gleichermaßen gewalttätiges Potenzial verschiedentlich unter Beweis gestellt. Es ahnen oder wissen heute viele, dass es Zeit wird für andere Herangehensweisen. Dabei scheint es für viele – seien sie in elitären Kreisen, im mittleren Kader, in Basisschichten oder Randkulturen tätig – auf der Hand zu liegen: Die Schlucht, die uns vom Lebendigen trennt, kann durch ein Erkennen einer All-Einheit überbrückt werden. Wir sind eine Menschheit, in einer Welt, in der alles mit allem verbunden ist. Wir suchen nach universellen Lösungen, in denen kohärente und nachhaltige Weltökonomie möglich ist. Andere suchen die Matrix, die uns Menschen zu neuer Vernunft kommen lässt und mit unserem Herzen in Einklang ist. Es scheint, als hätten sich viele Menschen kulturell darauf eingeschwungen, dass das Gegenteil von Getrenntsein ein Einssein ist.

Hier werden Verschiedenheit mit Getrenntheit sowie Verbundenheit mit Einheit gleichgesetzt. Diese Schlüsse erscheinen mir unglücklich. Sie bringen uns um die wundervolle und wichtige Erfahrung, mit einer konkreten, vielfältigen Welt verbunden zu handeln. Es ist eine alte systemische Erkenntnis, die mir hier in den Sinn kommt: Die Aufhebung von Unterschieden macht keine Verbindung – im Gegenteil. Das gilt auch für all jene, die sich nach tieferer Beziehung mit der »Natur« sehnen, für jene, die ihre Bezogenheit zu unserem Planeten ändern wollen, und eben auch für Menschen wie mich, die das Verhältnis von Mensch und Raum als ein wesentliches Element von Gesundheit und Bildung erachten.

In dem hier beschriebenen Ansatz, der Denkimpulse und Handlungsformen zur Rückkopplung an unsere irdische Gebundenheit ermöglichen will, ist nicht die Suche nach der einen Idee, der einen Ordnung, der einen Formel, dem einen Geschichtsstrang von Belang, sondern die konkrete Orientierung am vielfältigen Miteinander. Es setzt aus Überzeugung und Erfahrung im nur scheinbar bescheidenen Raum konkreter Handlungsbezüge an.

»Nichts ist mit allem verbunden; alles ist mit etwas verbunden«, sagt Donna Haraway (2018, S. 48), Biologin und Wissenschaftshistorikerin und unermüdlich querdenkend Lehrende. Die Betonung der All-Verbundenheit holistischer und ökologischer Philosophien sei wenig hilfreich, führt sie in den Anmerkungen (ibid. S. 237) weiter aus:

»Es ist eher so, dass alles mit etwas verbunden ist, das wiederum mit etwas verbunden ist. Es kann sein, dass wir am Ende alle miteinander verbunden sind, aber die Spezifik und das Maß der Nähe von Verbindungen sind von Gewicht – mit wem wir verbunden sind und auf welche Art und Weise. Leben und Tod finden innerhalb dieser Verhältnisse statt.«

Sie spricht mir hier aus dem Herzen. Wie viele junge und ältere Menschen sind mir schon begegnet, die mit einer tiefen Gewissheit der All-Verbundenheit ausgerüstet, dennoch isoliert und verloren auf ihr konkretes Leben blickten? Wie, ach nur wie, dieses große Ganze in einen banalen Alltag packen und dem Anspruch an Selbst-Entwicklung in All-Verbundenheit gerecht werden? Nicht selten haben sich danach Geschichten der Erleichterung im Beforschen der konkreten Lebensumwelt, der menschlichen und auch der anders-als-menschlichen Weggefährten entsponnen. Auf diese Weise wurde dann, Schritt für Schritt, wirkungsvolles Handeln im eigenen Leben möglich.

Wege zur Mit-Sprache


Seit gestern beschäftigt mich das Wort »Streunen«, das uns hier so wiederkehrend begleitet. Was wird etymologisch darüber erzählt, und haben Wörter mit euner, wie zum Beispiel Zigeuner, auch damit zu tun? Rund um letztere Frage bin ich nicht weitergekommen, konnte jedoch herausfinden, dass »streunen« auf das westgermanische Verb striunen zurückgeführt wird, das von »erwerben, gewinnen« erzählt. Dann kennt man aus dem Mittelhochdeutschen ein striunen, das von interessiertem, schnupperndem, neugierigem jedoch ziellosem Herumziehen spricht. Es gibt jedoch auch eine Strüne, die wiederum ein liederliches Frauenzimmer meint. Das ist ein weiterer, interessanter Bedeutungsfächer, der unserer Praxis des Streunens vielfältig zuspielt.

Ja, beim Streunen, jenem Tun, in dem unsere atmende Bewegung nicht zielgerichtet ist, aber dennoch voll Interesse und Neugierde für das, was auftaucht, bei diesem Tun lässt sich viel gewinnen, ja sogar erwerben. Zugleich gibt es bei vielen Menschen, wenn sie vom Streunen hören, ein sattes Zögern. Man hört es in ihnen förmlich fragen: »Ist streunen erlaubt?«, »Geziemt sich ein ziellos neugieriges Herumstreifen?«, »Bringt das etwas?« Oder auch etwas philosophischer: »Wie kann Neugierde ohne Zielgerichtetheit in Bewegung außerhalb des Kloster- oder Zengartens funktionieren?«

Die Einladung zum Streunen wirft allerhand Fragen auf, und manche von uns bringt es sogar in Schwierigkeiten; wer will schon ein liederliches Frauenzimmer sein? Unser Ich muss sich über geltende Ideen von Vernunft und Tüchtigkeit hinwegsetzen, will es sich streunend in Bewegung bringen. Das gelingt nicht immer und einfach grade so. Hier ist mit Rückfällen und Hindernissen zu rechnen, aber wer einmal den Geschmack des Streunens in der Nase hat – und das passiert bei entsprechender Rahmengestaltung doch häufig –, der trägt ihn als süße Erinnerung latent in sich. Welch hervorragender Dünger für ein gutes Leben und Zusammenleben.

Fassen wir kurz zusammen: Für das Streunen verlassen wir unseren häuslichen Bezugsraum und ziehen neugierig, atmend, aufmerksamkeitsoffen durch die Welt. Diese ist erstens idealerweise nicht voller Werbeplakate, überlässt also unsere Aufmerksamkeit für eine gewisse Zeit sich selbst. Da dies heute fast nur mehr in wilden Räumen der Fall ist, findet es am besten dort statt. Zweitens ist es auch hilfreich, das Smartphone im Flugmodus mitzutragen oder es, noch besser, zu Hause zu lassen, was allerdings die wenigsten aus Risikoerwägungen und Verantwortungsbewusstsein noch tun werden – also Flugmodus. Gerade kommt mir ein schrecklicher Gedanke: Was, wenn wir weiterhin corona- oder anders bedingt so wenig fliegen und allenfalls sogar mehr streunen? Dann wird es nicht lange dauern, und wir finden auf unseren Minicomputern, die ja auch schon riechen können, einen Streunmodus. Oh du meine Güte, dann müssen wir uns eine Alternative einfallen lassen!

Hier erleben wir gerade, was geschieht, wenn wir denkstreunend etwas zusammenfassen wollen. Das geht eigentlich nicht, weil streunende Aufmerksamkeit die Welt aufblättert oder auch auffaltet, eben erscheinen lässt. Wenn wir sie zusammenfassend einfalten wollen, müssen wir den Modus ändern. So beginne ich also noch einmal von vorne.


Fassen wir kurz zusammen: Für das Streunen verlassen wir unseren häuslichen Bezugsraum und ziehen neugierig, atmend, aufmerksamkeitsoffen durch die Welt. Dabei werden manche unserer üblichen Denk- und Handlungsmuster verstört. Es kann zu Erfahrungen wechselseitig lebendiger Begegnungen kommen, die sich unvorhersehbar spontan – nicht zu verwechseln mit irrelevant oder beliebig – in offener Aufmerksamkeit entwickeln. Es könnte sein, dass wir in dieser Bewegung begreifen, wie sehr wir als Erlebende mit Elementen oder Lebewesen unserer Mitwelt in einer kooperativen Verschränkung aktiv sind und dass dieses Miteinander auf alle einwirkt. Es kann sein, dass in diesem Modus des nicht zielgerichteten Seins manches in besonderer Weise in unsere Aufmerksamkeit rutscht, vor uns erscheint, so wie wir auch anderem erscheinen. Und es kann sein, dass dieses Auftauchen und Gesehensein, dieses Gegenwärtigsein-lassen und Gegenwärtig-sein, zusammen mit allem anderen, eine Atmosphäre kreiert oder eben da sein lässt, die wir als liebevoll, pulsierend verbunden, als Leben bewahrend und Lebendigkeit bildend beschreiben können. Und mit ein bisschen Glück können wir erahnen, was es heißt, miteinander Welt zu gestalten, und dass solches Zusammenleben nicht nur möglich ist, sondern auch stattfindet, wenn man nur dem Leben etwas Chance dazu gibt.10

Sympoietische Annäherungen

Etwas im Leben eine Chance zu geben, heißt für uns Menschen, dass wir diesem Etwas eine Stimme geben, dass wir es in Wortsprache bringen, dass wir darüber nachdenken, und vor allem auch, dass wir mit anderen darüber sprechen können. Katzen müssen das so nicht, zumindest wissen wir nicht viel darüber, ob und was eine Katze beim Streunen denkt und wie sie allenfalls ihre Erfahrung mit ihrer Mitwelt in Austausch bringt. Sie tut das ganz bestimmt in aller katzischen Handlungskraft. Wir können von Katzen in Sachen Streunen viel lernen. Wie sich im Raum bewegen, die Rhythmik von Stehen und Gehen, die Eigenwilligkeit ihrer Aufmerksamkeit, ihre konzentrierte Zuwendung zu dem, was ihr bedeutsam wird. Wir können versuchen so zu tun, als seien wir eine Katze, und unsere leibliche Empathie wird uns helfen, einen guten Einstieg ins Streunen zu finden. Aber im inneren sprachlichen Dialog und im Austausch mit anderen, da sind wir dann auf unsere typisch menschlichen Ressourcen zurückgeworfen.

Hier landen wir in dem, was wir Sprache nennen, samt Grammatik, Vokabular, Tiefenstrukturen, und in den kulturellen und biografischen Feldern, die durch sie erschaffen werden. Die Art und Weise, wie wir über das Streunen sprechen, greift ins Geschehen ein. »Die Sprache betont gewöhnlich nur eine Seite jeder Wechselwirkung«, meint Bateson (1982, S. 80 ff.). Sie suggeriere, dass ein einzelnes Ding irgendeine Eigenschaft haben kann. Das ist schlicht und ergreifend ungenau, weil nichts für sich alleine steht. Alles existiert nur in ständiger Beziehung und Wechselwirkung. Alles wird von eigenen Relationen und seinem Verhalten in Beziehung zu anderen Dingen und zum Sprecher »gemacht«. Für solch bewegte Sachverhalte eignet sich unsere Sprache nur wenig.

Wir, hier gemeint die indogermanischen Sprachgruppen, versprachlichen uns – zumindest seit ein paar tausend Jahren – ungenau. Unsere Sprache schafft Abgrenzungen, wo auch Beziehung waltet; sie hält fest, wo auch Bewegung ist, und schafft Hierarchien, wo auch Kreise und Wellen sein könnten. Wir suchen nach kausalen Schlüssen, wo etwas am Entstehen ist, und betonen das Individuum, wo es um Interaktion geht. Kurz: Unserer aktuellen Sprache fehlt es an Wortschatz und Struktur (glücklicherweise nicht an Poesie!), wenn es um lebendige Zusammenhänge geht. So gehen viele Facetten, viele Handlungen und ebenso viele Beteiligte des Geschehens im wahrsten Sinne des Wortes verloren und mit ihnen auch Stimmungen, Dissonanzen, Ideen, Möglichkeiten, Positionen. Am Ende verschwindet dieser fruchtbare Austausch mit anderen, der uns helfen könnte zu begreifen, was wir gerade erleben, was in unserer Nische geschieht und wozu es uns führt.

Für indogermanische Sprachen, die auf ihre Weise auf Abgrenzung und lineare Schlussfolgerungen spezialisiert sind, ist es schwierig, ein differenziertes Verhältnis zu kooperativen komplexen Vorgängen zu entwickeln.11 Es fällt uns schwer, in der Welt Kooperation zu sehen, Kooperation zu denken oder gar in diese Richtung zu forschen. Es fällt uns schwer, Fragen zu stellen, die uns dem beidseitig Ineinandergreifenden, Vielgestaltigen, Gleichzeitigen näherbringen.

Unsere Geschichte(n), Mythen und Wissenschaften sind entsprechend gefüllt mit Kämpfen, Kriegen, Helden und Märtyrern, vom Überlebenskampf in feindlicher Umgebung und Selektion der »Besten«. Wer den Blick auf kooperative Prozesse lenkt, wird belächelt, ignoriert oder gar behindert.

Als – um ein Beispiel zu nennen – Lynn Margulis (vgl. Margulis 2018), eine US-amerikanische Biologin (1939 – 2011), die sogenannte Endosymbiontentheorie aufgriff und vertieft beforschen wollte, wehte ihr lange kalter Wind entgegen. Die Idee, dass schon in frühen Stunden der Evolution symbiotische Prozesse zur Entwicklung von maßgeblichem Leben geführt haben könnten, schien den gängigen Auffassungen von Wirklichkeit absurd. Dass Symbiose und symbiotische Prozesse Leben bilden, widersprach der Idee einer linearen, auf Selektion und Adaption ausgerichteten Evolutionsschau. Auch wenn heute ihre Theorien weitestgehend bestätigt sind, bleiben sie und ihr Ansatz der Symbiogenese, der die Evolution kooperativ denkt, weitgehend unbekannt oder aber mit dem Geschmack von esoterischem Halbwissen belegt. Dass sie zu einer wesentlichen Vertreterin der mit James Lovelock entwickelten Gaia-Hypothese wurde, hat die Sache nicht einfacher gemacht. Da hat es auch nicht genützt, darauf zu verweisen, dass die Gaia-Hypothese keine alte Göttin ehrt, sondern die Erde als ein autopoietisches, lebendiges System beschreibt, in dem wir Menschen keine Passagiere sind, sondern aktive Mitwirkende. So ist das eben. Das kann man Darwin nicht vorwerfen. Er ist einfach der prominentere Kerl und wird es wohl auch noch einige Zeit bleiben.

Die Beschreibungen von Maturana und Varela rund um die biologischen und neurobiologischen Grundlagen waren revolutionär, aber ihr Fokus und ihre Wortwahl waren in den 1980er-Jahren auf die Autonomie und die operationale Geschlossenheit des Lebewesens bezogen. Ihnen war klar, dass eine autopoietische Einheit, ein sich selbst erhaltendes Lebewesen, nur in Kooperation mit »seinem« physischen Raum existiert, aber mit ihrer Begriffswahl lenkten sie die Aufmerksamkeit auf das abgegrenzte Lebewesen und nicht auf die Interaktionen mit der Umwelt.

Angenommen, Lynn Margulis hätte mit Humberto Maturana und Francisco Varela geforscht: Hätten sie vielleicht ihre Erkenntnisse unter dem Titel Sympoiese12 in die Welt hinausgetragen? Und wären sie dann auch so prominent geworden?

Wie auch immer: Auf der Suche nach der Sprache und den Narrativen, die uns helfen zu erzählen, was uns nicht nur beim Streunen passiert, sondern ganz generell beim Leben in und mit der Welt, kommen mir »Sympoiese« oder auch »sympoietisch« sehr entgegen. Sie lenken unseren Fokus auf das Beziehungsgeschehen, auf das Miteinander, auf das Mit-Machen, auf das Mit-Werden. Das können wir gut brauchen.


4 Das Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien ist ein seit den 1960er-Jahren aktives Bildungszentrum, das einen humanistisch-interdisziplinären Schwerpunkt und im Laufe der Jahre viele klingende Namen und Netzwerke beherbergt hat, ein gesellschaftskritischer Think Tank mit starken Einflüssen aus dem asiatischen Kulturraum. Michael Murphy, Henry Miller, Carl Rogers, Joan Baez und Fritz Perls haben hier gewirkt. Auch Gregory Bateson war an der Gründung mit beteiligt und hat seine letzten Lebensjahre dort verbracht. Siehe auch: www.esalen.org [29.06.2021].

5 Es müsste hier freilich Wildnisraum heißen. Ich spreche hier abwechselnd von wildem Raum oder Wildraum, weil eigentliche Wildnisräume, also Räume, die in einem ausgewogenen Maß menschlicher Beeinflussung ausgesetzt sind und eigenlebendig existieren, weder in stadtnahen noch in landwirtschaftlichen Gebieten vorhanden sind. Mit Wildräume meine ich also »Naturräume«, die zumindest weitestgehend werbefrei sind.

6 Matthew Crawford stellt in seiner Ethik der Aufmerksamkeit das Konzept der Aufmerksamkeitsallmende vor und will in ihr die eigene Aufmerksamkeit als allgemeines Gut sehen. »Es gibt nichts, was uns mehr gehört als unsere Aufmerksamkeit. Im Normalfall suchen wir uns aus, worauf wir Aufmerksamkeit richten wollen, und das bestimmt in einem sehr realen Sinn, was in unseren Augen wirklich ist – was tatsächlich in unserem Bewusstsein existiert. Daher ist die Inanspruchnahme unserer Aufmerksamkeit eine besonders persönliche Sache.« (Crawford 2016, S. 28)

7 Übersetzung der Autorin; Zitat aus The Origin of Life and the origin of Living, Beitrag von Humberto Maturana und Ximena Dávila in der 33bienal, Sao Paulo 2018 (Lehrunterlage der Weiterbildung »Fundaments of Cultural Biology«, Matriztica Institute).

8 Jene West-Ost-Verbindung, die seit den 1960er-Jahren und der 68er-Bewegung sowohl politisch also auch kulturell sehr präsent ist, könnte auch in einem wesentlich größeren Bogen gesehen sein. Jan Assmann nimmt in seinem Buch Achsenzeit den Diskurs von Karl Jaspers’ Idee der »Achsenzeit« auf und zeigt darin, dass dieses Modell, das von einer zeitgleichen Erscheinung großer prophetischer Männer und ihrer transzendenten Einheitslehren nur aufgrund der Ausblendung des bereits existierenden Kulturen des Südens möglich war bzw. ist. Er sieht hier die bis heute wirksame Tendenz, die Verbindung von West und Ost anstelle einer gesamthaften Schau in den Blick zu nehmen.

9 Hartmut Rosas Ausführungen zu Resonanz (2018) und Unverfügbarkeit (2020) helfen hier beim Weiterdenken: »Resonanz bedarf einer erreichbaren, nicht einer (grenzenlos) verfügbaren Welt. Die Verwechslung von Erreichbarkeit und Verfügbarkeit liegt an der Wurzel des Weltverstummens in der Moderne« (Rosa 2020, S. 67).

10 Vgl. Maturana u. Verden-Zöller (2005). Das kommt dem sehr nahe, was Maturana in seinen Überlegungen zur Biologie der Liebe zu erkennen meint: »Love is a manner of relational behaviour through which the other arises as a legitimate other (as an other that does not need to justify his or her existence in relation to us) in a relation of coexistence with oneself« (Maturana in einem unveröffentlichten Skript zu der Weiterbildung Fundaments of Cultural Biology).

11 Mit dem Schicksal indogermanischer Völker, das gemeinsam mit seiner Sprache als eine Geschichte von Kriegen und Gewalt erzählt wird, beschäftigen wir uns genauer im Kapitel »Wohin reichen unsere Erinnerungen« (S. 165 ff.).

12 In ihrem Buch Unruhig bleiben widmet Donna Haraway ein Kapitel der Sympoiesis. Dort stellt sie auf Seite 88 fest: »Solange Autopoiesis nicht selbstgenügsames selber machen/sich-selber-machen meint, sondern von der Gewichtung verschiedener Aspekte systemischer Komplexität handelt, besteht zwischen Autopoiesis und Sympoiesis ein produktives Reibungsverhältnis, oder auch: ein Verhältnis der generativen Umarmung, nicht eines der Opposition« (Haraway 2018, S. 88).

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