Kitabı oku: «Die fälsche Braut», sayfa 2

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Es war eine fast unerträgliche Last, die das Schicksal dem elternlosen jungen Mädchen auf die Schultern legte, denn von dem Tag an, da sie nach Rowanfield Manor kam, wurde sie das Gefühl nicht los, sich ständig dafür entschuldigen zu müssen, daß sie überhaupt auf der Welt war.

Alles was sie tat, wurde kritisiert. Nie konnte sie es dem Onkel und der Tante recht machen. Doch mit den Jahren, als sie älter wurde und zur Frau heranreifte, veränderte sich das Verhalten des Onkels ihr gegenüber auf eine erschreckende Art und Weise. Entsetzt wich sie vor ihm zurück, ging ihm aus dem Weg, wo sie nur konnte, und forderte dadurch seinen Haß nur noch mehr heraus.

Für jede Kleinigkeit strafte er sie maßlos. Nur voller Scham und Abscheu erinnerte sie sich an die häufigen Schläge, die sie von ihm erhielt, wobei die seelische Erniedrigung noch unerträglicher für sie gewesen war als der körperliche Schmerz, den sie verspürt hatte.

Die Mietkutsche hielt vor der Hintertür. Niemand war zu sehen, und Isabel wußte, daß die Diener vor dem Haus zu tun hatten. Lord Cardon hielt den Personalbestand bewußt knapp, und an Tagen wie diesen erwartete er in seiner Knauserigkeit, daß jeder der Angestellten für zwei arbeitete.

»Wenn Sie so freundlich wären, mir den Koffer vor die Tür zu stellen«, sagte Isabel zu dem Kutscher. »Ich werde ihn dann später ins Haus bringen lassen.«

Unter Ächzen und Stöhnen hob der Mann das Gepäckstück vom Wagen und setzte es auf dem Kopfsteinpflaster des Hofes ab. Der Koffer hatte kein großes Gewicht, aber der Kutscher war schon älter, und als er sich aufrichtete, wischte er sich den Schweiß von der Stirn.

Impulsiv fügte Isabel ihr letztes Sixpencestück dem Betrag hinzu, den sie bereits abgezählt in der Hand hielt. Argwöhnisch schaute der Mann auf die Münzen, dann sah er, daß das Mädchen nicht kleinlich gewesen war, und er berührte mit dem Zeigefinger den Mützenschirm.

»Danke, Miss, danke bestens!«,

Er kletterte wieder auf den Kutschbock, gab dem müden Gaul die Peitsche und fuhr davon.

Isabel blickte ihm nach. Sie zögerte den Augenblick, da sie das Haus betreten mußte, noch ein wenig hinaus. Erst als das Gefährt fast außer Sicht war, gab sie sich einen Ruck und öffnete die Tür...

Kein Mensch war zu sehen, aber aus dem Garten drangen gedämpftes Stimmengewirr und die Klänge einer Streich Kapelle an ihr Ohr. Rasch lief sie zur Hintertreppe, und wenige Minuten später war sie im zweiten Stock. Sie eilte zu dem Schlafraum, den sie zusammen mit ihrer Kusine Elisabeth bewohnt hatte.

Das Zimmer war leer, doch überall auf Bett und Ankleidetisch lagen Elisabeths Sachen herum. Das Musselinkleid, das sie an diesem Morgen getragen haben mußte, die Strümpfe, ihr spitzenbesetzter Petticoat, ihre Haarbürsten, ein benutztes Taschentuch, Handschuhe und eine blaue Leinenschürze bildeten eine heillose Unordnung. Elisabeth schien mit dem Umkleiden bis zum letzten Augenblick gewartet zu haben, und ihre Zofe war scheinbar nicht mehr zum Aufräumen gekommen, da dringendere Aufgaben auf sie warteten.

Eigentlich paßten Unordnung und Unpünktlichkeit nicht zu Elisabeth. Isabel runzelte die Stirn, hob ein Samtband vom Boden auf und wickelte es um den Finger, um es zu glätten. Dabei fiel ihr Blick in den Spiegel über dem Ankleidetisch. Isabel verzog das Gesicht und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung davon gehabt, wie verschmutzt sie wirklich war.

In der Eisenbahn hatte sie sich nur den billigsten Platz in einem offenen Wagen leisten können. Der Rauch, der aus dem Schornstein der Lokomotive drang, war gräßlich gewesen, und der Wind hatte ihr Haar zerzaust, bis nichts mehr in ihrer Erscheinung an eine achtbare und seriöse Gouvernante erinnerte.

Isabel nahm den Hut vom Kopf. In schweren Locken fiel ihr Haar auf die Schultern hinab und umrahmte das zarte Gesicht wie mit feurigen roten Flammen. Lange, seidige Wimpern umgaben dunkel die großen grünen Augen. Aber Isabel fand sie keineswegs beeindruckend, auch die edel geschnittene Nase und den vollen, schön geschwungenen Mund schien sie nicht wahrzunehmen. Sie sah nur die Rußspuren auf ihrer weißen Haut, und die Angst ließ ihre Lippen beben, so sehr sie auch versuchte, sich zu beherrschen.

»Ich lasse mich nicht einschüchtern«, sagte sie laut, ballte die Fäuste und warf den Kopf in den Nacken. »Ich habe keine Angst, vor nichts und vor niemandem! Ich hasse die Männer - alle, ohne Ausnahme. Sie sind gemein und teuflisch. Ja, sie sind Teufel, und wenn ich es in meiner Hand hätte, ich würde sie alle für alles büßen lassen, was sie mir angetan haben.«

Einen Moment lang stand sie hoch aufgerichtet da und wie zu Stein erstarrt. Ihre Fingernägel gruben sich in das weiche Fleisch ihrer Handflächen. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihre Zähne waren fest zusammengebissen. Dann lief sie zu dem Waschständer hinüber und tauchte das Gesicht in das frische kühle Wasser der Waschschüssel.

Sie brauchte einige Zeit, um sich frisch zu machen und umzukleiden, und als sie schließlich fertig war und sich im Spiegel betrachtete, fühlte sie sich ein wenig ruhiger und zuversichtlicher.

Das frisch gebügelte Musselinkleid ihrer Kusine paßte wie angegossen und gab ihr etwas von ihrem Selbstvertrauen zurück. Tapfer faßte sie den Entschluß, auf der Stelle nach unten zu gehen und ihrem Onkel vor allen seinen Gästen entgegenzutreten. Vielleicht überwand er so am ehesten den Schock über ihre unvermutete Rückkehr. Wenn er dann später eine Erklärung von ihr verlangte, war der erste Zorn in ihm schon verraucht.

Zielbewußt und mit festen Schritten ging sie den Korridor entlang, der zum großen Treppenhaus führte. Als sie den Treppenabsatz auf dem ersten Stock erreichte, hörte sie, wie draußen vor dem Portal eine neue Kutsche vorfuhr. Wenige Minuten danach betrat ein Mann die Halle.

Isabel war am Fuß der Treppe stehen geblieben und hatte seine Ankunft beobachtet. Der Fremde war groß und dunkel, und als er den Zylinder abnahm und Isabel das leicht gewellte, rabenschwarze Haar sah, dachte sie unwillkürlich, daß sie nie zuvor einem so gutaussehenden Mann begegnet war.

Sie sah, wie er die Halle durchquerte und dem Diener durch den Salon auf die Terrasse folgte, wo - wie sie wußte - ihr Onkel und ihre Tante die Gäste begrüßten. Als er an ihr vorbeiging, wandte er den Kopf und blickte wie beiläufig zu ihr hinüber. Auf seinen Zügen lag der Ausdruck von Zorn, Verachtung und Gleichgültigkeit. Es war nur ein kurzer Blick, den er ihr schenkte, und es lag ein Übermaß an Hochmut in seinem Gesicht, als er die Augen wieder von ihr abwandte.

Noch einer von diesen Halbgöttern, dachte Isabel, und sie wußte, daß sie diesen Mann haßte wie alle seine Geschlechtsgenossen.

Sie sind alle gleich! dachte sie, während sie langsam weiterging. Scheinheilige Pharisäer in der Öffentlichkeit und gierige Wölfe, wenn sie einer schutzlosen Frau allein gegenüberstehen.

Isabel verspürte den fast unwiderstehlichen Wunsch, jemanden zu verletzen, so wie sie selbst immer wieder von den Männern verletzt worden war. Sie fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn sich einmal die Gelegenheit böte, einen Mann von seiner Sorte zu quälen, ihn sich zu unterwerfen und zu ihrem Sklaven zu machen.

Doch dann mußte sie lachen. Es war ein humorloses, verzweifeltes Lachen. Ein Mann war immer der Herr und Gebieter. Welche Chance hätte eine Frau schon gegenüber der angeborenen Überlegenheit und der natürlichen Vormachtstellung des sogenannten starken Geschlechts.

Ein Gefühl der Hilflosigkeit erfaßte Isabel, und sie wußte, daß sie es jetzt wohl doch nicht fertigbringen würde, vor Onkel und Tante hinzutreten. Die beiden würden glauben, einen neuen Gast zu begrüßen, würden ihr unwillkürlich die Rechte entgegenstrecken und dann erst erkennen, wer da vor ihnen stand.

Rasch durchquerte sie die Halle und öffnete die Tür des Morgenzimmers. Von diesem Raum aus gelangte man in einen Wintergarten, an dessen anderem Ende eine Tür in den Garten führte.

Niemand beachtete Isabel, als sie nach draußen schlüpfte, und durch den Blumengarten zu der Rhododendronhecke lief, die den Rasen begrenzte.

Ungesehen von den Gästen umrundete Isabel das Haus in weitem Bogen, und als sie sich schließlich umdrehte und zurückschaute, sah sie die rote Ziegelsteinfassade von Rowanfield Manor, die einen idealen Hintergrund für Lord und Lady Cardons Gäste bildete. In ihren weiten gebauschten Röcken sahen die Damen, die anmutig zwischen den Rosenbeeten einher spazierten, selbst wie große, auf dem Kopf stehende Blumen aus.

Auf der einen Hälfte des Rasens stand ein offenes Zelt, in dem die Kapelle ihren Platz hatte und die Erfrischungen angeboten wurden. Auf der anderen Hälfte war bereits ein Croquetspiel um Gange.

Isabel blieb einen Augenblick lang stehen und genoß das bunte Bild, das sich ihr bot. Dann huschte sie weiter. Ihr Ziel war ein kleines Gebäude, das direkt vor ihr lag: ein Sommerhaus, erbaut von Lord Cardons Vater, der sich - allerdings ohne jede Berechtigung - für einen großen Architekten gehalten hatte. Er war achtzehn gewesen, als er es entworfen hatte und entsprechend unausgegoren und bombastisch bot sich das Resultat dar. Eine Mischung aus japanischer Pagode und griechischem Tempel, hatte es jedoch viel von seiner ursprünglichen Häßlichkeit verloren, nachdem es mit der Zeit völlig von Geißblatt und wildem Wein überwuchert worden war.

Doch wie auch immer es aussehen mochte, für Isabel und Elisabeth war das Sommerhaus eine Quelle unendlicher Freuden gewesen, denn unter dem niedrigen Dach hatten sie einen winzigen Speicherraum entdeckt. Er war gerade hoch genug, daß die beiden Mädchen aufrecht darin sitzen konnten. Ein herrliches Versteck für sie, dessen Zugang keinem anderen bekannt war.

Hierhin hatten sie sich zurückgezogen, wenn sie vor den Erwachsenen ihre Ruhe haben wollten. Hier hatten sie sich ihre kleinen Geheimnisse anvertraut, ihre kostbarsten Schätze aufbewahrt und heimlich die Leckerbissen verspeist, die sie in der Vorratskammer gestohlen hatten oder die ihnen von der gutherzigen Köchin zugesteckt worden waren.

Isabel brauchte nur wenige Sekunden, um an der Rückseite des Sommerhauses hochzuklettern, die Luke zu dem niedrigen Speicher zu öffnen, hindurch zu kriechen und die Luke hinter sich wieder zu schließen.

Überrascht stellte sie fest, daß der kleine Raum einen unerwartet sauberen Eindruck machte. Den Puppendeckchen, Büchern und leeren Einmachgläsern mußte jemand in allerjüngster Zeit ein großes Seidenkissen hinzugefügt haben, das Isabel nie zuvor gesehen hatte.

Doch sie zerbrach sich nicht den Kopf, wie es hierher gekommen sein konnte. Sie legte es unters Fenster und ließ sich darauf nieder.

Das Fenster war eigentlich kein Fenster, sondern eine Öffnung, die Elisabeth und sie in die Holzwand gesägt hatten. Das wuchernde Geißblatt verdeckte die Freveltat, und nachdem Isabel nun einige der trichterförmigen Blüten beiseite geschoben hatte, bot sich ihr ein umfassender Blick auf den ganzen Garten.

Ein Stück entfernt sah sie ihren Onkel und ihre Tante auf der Terrasse stehen. Immer noch erschienen neue Gäste, begrüßten die Gastgeber und schritten darin die breite graue Steintreppe hinunter, um sich zu den anderen auf dem Rasen zu gesellen.

Am Rande des Spielfeldes stand Elisabeth in ihrem neuen Kleid aus pinkfarbenem Taft und unterhielt sich mit zwei jungen Gentlemen. Trotz der Entfernung konnte Isabel sehen, daß ihre Kusine sehr nervös war und ihre behandschuhten Hände unruhig mit dem Griff des Sonnenschirms spielten.

Zahlreiche Grüppchen hielten sich zwischen den Rosenbeeten auf. Der Lord Lieutenant der Grafschaft, herrisch und lauttönend, das fleischige Gesicht von der Hitze gerötet, stolzierte von Gruppe zu Gruppe und ließ sein dröhnendes Lachen hören.

Isabel sah den Vikar von Rowan im Gespräch mit dem Bischof der Diözese, dessen juwelenbesetztes Kreuz, bei jeder Bewegung der imposanten, in rote Seide gekleideten Gestalt in der Sonne funkelte.

Isabel lächelte. Es bereitete ihr eine diebische Freude, die Leute zu beobachten, ohne von ihnen gesehen zu werden, und ein Gefühl der Erleichterung erfaßte sie bei dem Gedanken, für die nächsten Stunden vor der Begegnung mit ihrem Onkel sicher zu sein.

Sie rückte sich auf dem Kissen zurecht, stützte die Ellbogen auf den Rand des »Fensters« und schmiegte das Gesicht in beide Handflächen, als sie plötzlich ein Paar sah, das sich aus der Zuschauergruppe am Rand des Spielfeldes löste und direkt auf das Sommerhaus zukam.

Die Frau erkannte Isabel sofort.

Elisabeth schwärmte für Lady Clementine Talmadge schon seit Jahren, während Isabel ihr gegenüber stets eine gewisse Abneigung verspürte und ihr so gut wie möglich aus dem Weg ging.

Lady Clementine wirkte hinreißend in der Krinoline aus blass gelbem, durchscheinendem Organdy über einem moirierten Seidenunterrock. Den breitrandigen Hut schmückten gelbe Federn und um ihre Schultern lag ein Schal aus hauchdünnem, mit feinen Goldfäden durchwirktem Flor. Dunkles Haar umgab ein ovales Gesicht mit sehr eindrucksvollen, leicht schräg gestellten Augen.

Etwas Sinnliches ging von dieser Frau aus und verlieh ihrer Erscheinung eine seltsame Faszination. Selbst Isabel spürte das, und unwillkürlich mußte sie denken, daß die Männer sich beim Anblick Lady Clementines buchstäblich herausgefordert fühlen mußten.

Es war unmöglich, die Rundungen der wohlgeformten kleinen Brüste unter dem eng geschnürten Mieder zu übersehen, und auch die Steifheit der Krinoline vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen, daß es sich bei Lady Clementine um eine sehr lebensgierige und liebeshungrige Frau handelte.

Etwas Katzenhaftes und Ungebändigtes lag in der Art, wie sie sich bewegte, und unter der glanzvollen Oberfläche lauerte unübersehbar die nackte Sinnlichkeit. Sie war die Tochter eines Herzogs und verheiratet mit einem hochgestellten Edelmann, eine Person, die zu den angesehensten Leuten der Grafschaft zählte; dennoch war der Blick, den sie dem Mann an ihrer Seite zuwarf, gierig und von einer schamlosen Direktheit.

Isabels Aufmerksamkeit hatte bis dahin nur Lady Clementine gegolten, aber dieser sonderbare Blick, dessen Bedeutung das junge Mädchen nicht einmal ganz verstand, bewirkte, daß sie nun ihr Augenmerk auf den Begleiter Lady Clementines richtete.

Isabel zuckte zusammen, als sie in ihm den Mann erkannte, der die Halle durchquert hatte, als sie vorhin die Treppe hinunter gekommen war. Der Mann, in dessen Augen der Haß gebrannt hatte und dessen ganze Erscheinung Verachtung und Gleichgültigkeit ausströmten.

Die beiden näherten sich dem Sommerhaus, und während Isabel dem Klang der Schritte auf der hölzernen Terrasse lauschte, hörte sie Lady Clementine sagen: »Rupert, das ist ja wirklich eine Überraschung! Ich hatte keine Idee, daß ich dich heute hier sehen würde!«

»Ich bin vergangene Nacht von London abgefahren«, erwiderte Sir Rupert. »Ich mußte dich unter allen Umständen sprechen. Etwas Unvorhergesehenes ist eingetreten.«

»Um Himmels willen, Rupert, was denn?« In Lady Clementines Stimme war eine Spur von Besorgtheit. »Du siehst so verändert aus, scheinst gar nicht mehr du selbst zu sein.«

»Dazu habe ich auch allen Grund.« Sir Rupert griff nach dem Handgelenk seiner Begleiterin und hielt es fest. »Clementine, ich brauche unverzüglich eine Frau!«

II

Lady Clementine stieß einen unterdrückten Schrei aus.

»Rupert, was soll das heißen?«

»Es heißt das, was ich sage«, antwortete er. »Ich muß heiraten - und zwar so rasch wie möglich.«

»Aber warum? Ich begreife nicht, Rupert, um Gottes willen, so rede doch endlich!«

»Es ist ein Befehl der Königin«, sagte Sir Rupert, und seine Stimme klang verbittert. »Ihre Majestät wurde offensichtlich über unser Verhältnis informiert - jedenfalls scheint sie genauestens über uns beide Bescheid zu wissen.«

»Natürlich, Ihre Majestät wurde informiert«, wiederholte Lady Clementine. »Und... und es kommt nur eine Person dafür in Frage - meine Schwiegermutter! Sie hat uns nachspioniert. Dessen bin ich ganz sicher. Ich habe es an der Art und Weise gemerkt, wie sie mich anschaut, an den Bemerkungen, die sie in meiner Gegenwart macht. Mein Gott, wie schrecklich. Und ich glaubte, niemand hätte eine Ahnung.«

»Kann es nicht auch dein Mann gewesen sein, der...« begann Sir Rupert.

»Nein, nein, nicht Montagu. Er weiß bestimmt nichts. Der ist doch ständig betrunken. Nicht einmal wenn es sich direkt vor seiner Nase abspielte, würde er was bemerken. Aber bei meiner Schwiegermutter ist das anders. Sie hat mich schon immer gehaßt. Ständig behauptet sie, Montagu habe erst nach unserer Hochzeit mit dem Trinken angefangen.«

»Und war es so?«

»Wie soll ich das wissen?« fragte Lady Clementine trotzig. »Ich bin vorher nicht dabei gewesen.«

Sir Rupert lachte. Es war kein vergnügtes Lachen, aber immerhin ein Lachen.

»Ich freue mich, daß. ich so erheiternd für dich bin«, erklärte Lady Clementine scharf.

Sir Rupert lachte erneut.

»Nein, Clementine, meine Liebe, du bist nicht erheiternd«, sagte er, »aber zufällig reizte deine Naivität meinen Sinn für Humor. Nun schau nicht gleich so gekränkt, wenn ich dich ein wenig necke! Du bist viel zu schön, um darüber hinaus noch andere Qualitäten zu benötigen. Und am wenigsten erwartet man von dir, daß du erheiternd bist.«

»Ich wünschte, du würdest nicht so mit mir reden, Rupert«, sagte Lady Clementine. »Du weißt, ich verstehe dann nie, was du mir klarzumachen versuchst.«

»Das merke ich«, antwortete Sir Rupert. »Laß es mich dir also mit ganz einfachen Worten sagen. Du bist eine sehr schöne und sehr verführerische Person, Clementine!«

»Das ist es, was ich von dir hören wollte!« Sie lächelte. »Aber dieser Befehl der Königin, was hat, er zu bedeuten?«

»Er bedeutet, daß ich eine Frau finden muß - und zwar unverzüglich. Der Premierminister kann sich jeden Augenblick dazu entschließen, Lord Palmerston aufzufordern, seinen Abschied einzureichen. Und es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die alles in ihren Kräften Stehende tun werden, um zu verhindern, daß ich Lord Palmerstons Platz einnehme. Sollte es also auch nur einen winzigen Grund geben, der gegen meine Ernennung zum Außenminister spricht, dann bezweifle ich, daß Lord John den Mut zu einem derart unpopulären Vorschlag haben wird.«

»Darin wirst du also heiraten müssen«, flüsterte Lady Clementine bedrückt. »Ein unerträglicher Gedanke, das kann ich dir versichern.«

»Auch ich bin von dieser Idee nicht begeistert«, gab Sir Rupert zurück. »Außerdem, wen von diesen mickrigen Fräuleins kenne ich schon. Um die Wahrheit zu sagen: Aus meiner Bekanntschaft wüßte ich nicht eine einzige, die dafür in Frage käme!«

»Das glaube ich dir gern.« Lady Clementine nickte: »Und wie sehr wird dir der heilige Ehestand auf die Nerven gehen, Rupert.«

»Nun, früher oder später hätte ich doch dran glauben müssen. So plötzlich hatte ich allerdings nicht damit gerechnet. Etwas Zeit glaubte ich bis zu meinem Eintritt ins häusliche Leben noch zu haben. «

Lady Clementine ließ einen Laut hören, der weder ein Lachen noch ein Seufzen war.

»Die Queen will, daß du mit dem zügellosen Junggesellendasein Schluß machst. Sie will dich an die Kandare legen. Ein furchtbarer Gedanke! Was soll nun aus uns werden? Werden wir uns jemals wieder treffen können?«

»Aber natürlich!« versprach Sir Rupert ergrimmt. »Wenn du glaubst, ich lasse mir durch einen Befehl der Königin mein Leben auf den Kopf stellen, irrst du dich gewaltig. Ich bin nicht der einzige Mann, der gezwungen wurde, sich eine Fassade der Achtbarkeit zuzulegen! Nun gut, aber hinter dieser Fassade werde ich der bleiben, der ich bin, werde ich das tun, was ich tun möchte, und die Vergnügungen suchen, die mir Freude machen!«

»Es ist meine Schwiegermutter, der wir dies alles verdanken«, stieß Lady Clementine wütend hervor. »Ich könnte sie umbringen, diese herumschnüffelnde alte Hexe. Ich weiß, daß sie unter den Kammerfrauen der Königin zwei dicke Freundinnen hat. Wie muß sie sich vor Schadenfreude die Hände gerieben haben bei dem Gedanken, uns beiden eins auszuwischen.«

»Reg dich nicht auf!« beruhigte Sir Rupert sie. »Du bist doch noch glimpflich davongekommen. Der eigentliche Leidtragende bin ja wohl ich.«

»Ja, du hast recht«, gab Lady Clementine mitfühlend zu. »Denn du muß nun zusehen, daß du möglichst bald eine passende Braut findest. Weiß der Himmel, was dich da erwartet. Plötzlich hast du irgendein linkisches, unreifes und zum Sterben langweiliges junges Ding am Hals. Armer Rupert, du bist zu bedauern und das unglückliche Mädchen nicht weniger. Stell dir vor, nichts wird sie dir recht machen, weder bei Tisch noch im Bett. Sie wird deine Nerven strapazieren und gleichzeitig unter deiner schlechten Laune leiden. Es wird die Hölle für euch sein!«

»Nun mal den Teufel nicht an die Wand«, entgegnete Sir Rupert. »Ich werde sie Ihrer Majestät vorstellen und sie dann ein für allemal aufs Land abschieben. Und du solltest Sir Montagu unbedingt überreden, das Stadthaus in London wieder zu beziehen.«

»Nichts leichter als das«, versprach Lady Clementine. »Er. haßt das Landleben, wie du weißt. In London hat er seinen Club, wo er nach Herzenslust trinken und spielen kann. Es war übrigens deine Idee, daß ich den Sommer auf dem Land verbringen sollte. Du warst der Meinung, daß wir uns hier leichter treffen könnten, ohne Gefahr zu laufen, von anderen gesehen zu werden und ins Gerede zu kommen.«

»Ich weiß, ich weiß. Eine Überlegung, die sich als falsch herausstellte«, gab Sir Rupert zu. »Wir werden unsere Taktik also ändern müssen. In der Zwischenzeit...«

Er brach ab.

»In der Zwischenzeit?« fragte Lady Clementine, und ihre Stimme war dunkel vor Sehnsucht und Verlangen.

Sie sah ihn aus ihren schrägen Augen an wie eine Verdurstende, und die roten Lippen waren halb geöffnet, als sie sich langsam zu ihm umwandte.

Doch er beachtete sie nicht. Mit leerem Blick starrte er über den grünen Rasen hinweg in die Ferne.

»Am besten, du suchst mit eine Frau«, sagte er endlich.

»Rupert, wie kannst du mich nur um etwas Derartiges bitten?« rief Lady Clementine. »Ich versichere dir, ein Blick auf das Mädchen, das dich heiraten soll, würde genügen, es abgrundtief zu hassen. Und wenn ich merkte, daß es sich in dich verliebt hat - was ganz bestimmt der Fall sein wird - könnte ich für nichts mehr garantieren. Ganz gewiß würde ich ihr die Augen auskratzen.«

»Na gut, dann muß ich mich selbst darum kümmern«, sagte Sir Rupert und zuckte die Achseln.

»Nein, das kann ich auch nicht zulassen«, rief Lady Clementine in wilder Panik. »Ich könnte es vor Eifersucht nicht mehr aushalten.« Sie ballte die kleinen Fäuste und stampfte mit dem Fuß auf. »Wie entsetzlich das alles ist! Welch eine garstige Situation für dich - und für mich!« Sie schwieg einen Moment und blickte zu den Gästen auf dem Rasen hinüber.

Plötzlich stieß sie einen Schrei aus. »Rupert«, rief sie, »ich habe es! Schau dort drüben, das Mädchen in dem pinkfarbenen Kleid und dem weißen Schal!«

»Wo? Von wem redest du?«

»Das Mädchen da drüben, siehst du sie? Das, mein Lieber, ist deine zukünftige Braut.«

»Wen meinst du denn? Und wer ist sie?«

»Die Tochter deines Gastgebers, Lady Elisabeth Graye«, erklärte Lady Clementine. »Ich kenne sie, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie ist recht hübsch und - könnte ich mir vorstellen - nicht ganz dumm. Na, du kennst doch ihren Vater, Lord Cardon.« ,

»Aber... aber...« Sir Rupert verstummte.

»Nein, nein, mein Freund! Die Cardons werden begeistert sein. Ich weiß, sie stecken finanziell ziemlich in der Klemme. Im vergangenen Jahr mußten sie sogar einen ihrer Höfe verkaufen. Lord Cardon wird einen wohlhabenden Schwiegersohn mit offenen Armen empfangen. Und du, lieber Rupert, bist sogar sehr wohlhabend.«

»Allerdings. Aber wie kommst du ausgerechnet auf dieses Mädchen?«

»Weil sie alle Bedingungen erfüllt, die du an eine Braut stellen solltest, mein Lieber. Sie ist einfältig und sanftmütig, wohlerzogen und von tadellosem Ruf. Falls ich mich nicht sehr täusche, wird sie dich bereitwillig als Ehemann akzeptieren und dir eine gehorsame und leichtgläubige Frau sein.«

Es entstand ein kurzes Schweigen, dann sagte Sir Rupert: »Es ist schlimm!«

»Sehr schlimm sogar!« stimmte Lady Clementine zu. »Aber wie ich vorhin sagte, ich kenne Lady Elisabeth schon sehr lange, und ich glaube, sie ist das einzige Mädchen, dem gegenüber ich meine Eifersucht einigermaßen in Grenzen halten kann.«

»Glaubst du wirklich, du müßtest auf meine zukünftige Frau eifersüchtig sein?» fragte Sir Rupert.

»Aber natürlich«, erwiderte Lady Clementine, ohne zu zögern. »Der Gedanke, daß es eine Frau gibt, die deinen Namen trägt, in deinem Haus lebt und mit dir - wenn auch selten - das Bett teilt, wird mir unerträglich sein. Eine Folter, eine Höllenqual. Außerdem kenne ich deinen Ruf als Frauenheld, und ich bin fast sicher, daß die kleine Gans sich unsterblich in dich verlieben wird.«

»Ich finde es reichlich unfair, mir Dinge vorzuhalten, die vor unserer Verbindung geschehen sind!«

»Mein Lieber, glaub mir, deine Vergangenheit läßt mich kalt!« Lady Clementine lachte. »Es ist deine Zukunft, die mich beunruhigt, und das mit gutem Grund, Rupert. Du bist eben ein sehr beeindruckender und außergewöhnlicher Mann!«

»Ich bin glücklich, daß du so denkst.«

»Wirst du mir eine Frage beantworten? Offen und ehrlich?«

Lady Clementines Stimme klang leise und unerwartet ernst.

»Aber selbstverständlich!«

»Sag mir eins, Rupert, liebst du mich wirklich?«

»Guter Himmel, was für eine Frage, Clementine! Haben wir in den letzten Monaten nicht die meiste Zeit zusammen verbracht und - wie ich glaube - Augenblicke höchsten Glücks miteinander erlebt?«

»Du hast noch nicht auf meine Frage geantwortet«, sagte Lady Clementine. »Aber vielleicht ist das auch unnötig. Jedenfalls habe ich das unbehagliche Gefühl, daß du mich nicht wirklich liebst. Nicht so, wie ich dich liebe.«

»Was du da sagst, kommt mir sehr bekannt vor!« Sir Rupert lächelte.

»Das überrascht mich nicht!« erwiderte Lady Clementine hastig und in kaum unterdrückter Erregung. »Viele Frauen mögen diese Worte schon zu dir gesagt haben, denn in Wirklichkeit bist du zu einer wahren Liebe gar nicht fähig, Rupert. Du liebst weder mich noch eine andere. Natürlich, du findest mich anziehend und begehrenswert, ich weiß. Ich wecke Leidenschaften in dir, Begierden und manchmal vielleicht auch Eifersucht. Aber die ganze Zeit über, in der wir zusammen waren, habe ich gefühlt, daß es keine Liebe ist, was du für mich empfindest. Ich habe alles getan, dich dazu zu bringen, Rupert. Aber es war umsonst. Eine schreckliche Erkenntnis für eine Frau, die liebt und einen Mann zu halten versucht.«

Bei den letzten Worten war ihre Stimme zu einem Flüstern herabgesunken.

»Clementine, meine Liebe, du regst dich nur auf. Außerdem... wie kannst du einen solchen Unsinn reden! Du weißt, daß ich dich liebe!«

Lady Clementine holte tief Luft. Sie trat dicht an Sir Rupert heran und berührte seine Hand mit der ihren. Einen Augenblick lang waren ihre Finger weich und sanft, dann plötzlich gruben sie sich tief in sein Fleisch.

»Du gehörst mir!« stieß sie keuchend hervor. »Und ich sage jeder Frau den Kampf an, die es wagt, dich mir wegzunehmen.«

Sir Rupert hob ihre Finger an die Lippen.

»Ich wußte gar nicht, daß du so für mich empfindest, Clementine. Ich glaubte, ich wäre nur einer der vielen Narren, die sich von dir den Kopf verdrehen ließen.«

»Du hast nichts dergleichen geglaubt«, erwiderte sie. »Ich mache dir eine Szene, und ich weiß, daß du das nicht magst. Aber heute Nachmittag kann ich nicht anders. Einmal muß ich dir sagen, wie es um mich steht und was ich von dir denke.«

»Und ich antworte dir darauf, daß du Unsinn redest«, sagte Sir Rupert. »Ja, du redest Unsinn, und ich werde es dir beweisen. Wirst du dich heute Abend mit mir treffen? An der üblichen Stelle?«

»In der Laube?« fragte Lady Clementine atemlos. »Glaubst du, wir könnten es wagen? Vielleicht spioniert meine Schwiegermutter hinter uns her. Vielleicht hat sie einen der Gärtner beauftragt, uns im Auge zu behalten!«

»Unsinn, niemand kann uns gesehen haben«, erklärte Sir Rupert. »Mag sein, deine Schwiegermutter hat einen Verdacht, aber bestimmt hat sie keine Beweise. Sag einfach, du würdest früh zu Bett gehen, aber zieh einen dunklen Umhang über. Niemand wird dich sehen, wenn du einen Weg wählst, der vom Haus aus nicht einzusehen ist. Ich werde wie üblich auf dich warten.«

»Rupert, du weißt, wie gerne ich kommen würde. Es ist nur, daß ich schreckliche Angst deinetwegen habe - deinetwegen und unseretwegen. Wenn Montagu dahinterkommt, wird es einen Skandal geben. Und das wäre dein Untergang, das weißt gut genau!«

»Ja, das weiß ich«, erwiderte Sir Rupert. »Aber beruhige dich, es wird keinen Skandal geben. Wirst du also kommen?«

»Ja, ich werde kommen!« Lady Clementines Stimme klang voller Wehmut. »Vielleicht ist es das letzte Mal. Wenn du demnächst verheiratet bist, sehe ich dich bestimmt nicht wieder.«

»Clementine, rede nicht ein solch dummes Zeug! Du weißt genau, daß meine Heirat nichts an unserer Beziehung ändern wird. Warum auch? Du hast selbst gesagt, daß dieses Mädchen eine gehorsame und leichtgläubige Ehefrau sein wird!«

»Ja, ich glaube, bei Elisabeth trifft dies zu. Wirst du um ihre Hand anhalten?«

»Natürlich«, erwiderte Sir Rupert. »Habe ich deinen Befehlen nicht immer gehorcht?«

»Ja, so bedingungslos, wie du den Befehlen Ihrer Majestät gehorchst«, sagte Lady Clementine mit einem Unterton von Spott in der Stimme.

»Gut, dann werde ich jetzt also gehen und ein Wort mit meiner zukünftigen Gemahlin sprechen. Wir haben uns lange genug hier aufgehalten, Clementine. Jemand könnte unsere Abwesenheit inzwischen bemerkt haben.«

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