Kitabı oku: «Die fälsche Braut», sayfa 5

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»Er wird es dir dennoch verwehren«, sagte Elisabeth.

»Ja, das wird er in der Tat«, mischte Isabel sich ein. »Tausend Pfund im Jahr mögen in Ihren Augen ein Vermögen sein, aber haben Sie eine Idee, was Sir Rupert Wroth wert ist?«

»Nein, aber ich nehme an, daß er ein sehr vermögender Mann ist«, erwiderte Adrian.

»Sie werden sich an die Worte Lady Clementines erinnern: ,Die Cardons befinden sich finanziell ziemlich in der Klemme'. Das ist die Antwort auf Ihr Problem. Mein Onkel braucht einen reichen Schwiegersohn.«

Adrian wirkte keineswegs erschüttert.

»Wenn er sich weigert, mich anzuhören«, sagte er ruhig, »muß ich einen anderen Weg einschlagen, damit Elisabeth und ich unser Glück finden.«

»Und welcher Weg ist das?« wollte Isabel wissen.

»Wenn Lord Cardon mir die Hand seiner Tochter verweigert, nachdem ich in der üblichen Form um sie angehalten habe, bleibt uns nur noch eine Möglichkeit. Elisabeth muß ihr Zuhause verlassen, und wir müssen noch vor der Einschiffung nach Indien heiraten.«

»Ja, daran haben wir auch schon gedacht«, sagte Isabel nachdenklich. »Aber Sie vergessen, daß Elisabeth erst achtzehn ist. Wenn sie ohne die Zustimmung der Eltern heiratet, bevor sie einundzwanzig geworden ist, kann Onkel Herbert sie jederzeit nach Hause zurückholen und die Ehe für ungültig erklären lassen.«

»Es dürfte schwierig sein, sie zurückzuholen, wenn sie sich auf einem Truppentransporter mitten in der Bucht von Biskaya befindet!«

Elisabeth hob den Kopf.

»Du meinst, daß ich für Papa gar nicht mehr erreichbar wäre?«

»Ja«, erwiderte Adrian. »Das Ganze ist nur eine Frage der genauen zeitlichen Planung. Sobald ich weiß, an welchem Tag unser Schiff ausläuft, können wir handeln. Ich kenne einen Geistlichen, der uns trauen wird. Ein Onkel von mir.

Er ist Vikar in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Dover. Wir werden ihn auf dem Weg zum Hafen besuchen und ihn bitten, unserer Eheschließung zu assistieren. Danach nehme ich dich mit an Bord. Wenn wir umsichtig genug vorgehen, sehe ich keinen Grund, weshalb wir deinen Vater nicht ausschalten könnten. Natürlich werde ich - um auf Nummer sicher zu gehen - bei meinem Besuch auf Rowanfield Manor nicht erwähnen, daß mein Regiment im Begriff ist, nach Indien auszurücken.«

»Und wenn er es doch erfährt?« sagte Elisabeth ängstlich. »Papa hat viele Freunde, und du glaubst nicht, wie gut er über alles, was ihn angeht, informiert ist!«

»Doch, ich glaube es dir«, antwortete Adrian ruhig. »Um so sorgfältiger müssen wir uns jeden Schritt überlegen, den wir tun. Wenn er mir also eine Absage gibt - was höchstwahrscheinlich der Fall sein wird - kommt alles darauf an, daß du dich richtig verhältst. Du mußt so tun, als fügtest du dich bereitwillig in die Situation. Du bist äußerlich mit der Entscheidung deines Vaters einverstanden, Sir Rupert zu heiraten. Du machst ihm keinerlei Schwierigkeiten und spielst die gehorsame Tochter, die ganz und gar darauf vertraut, daß ihre Eltern nur das Beste für sie im Auge haben. Du mußt deinen Vater also einlullen, mußt ihm das Gefühl geben, daß der Verwirklichung seiner Pläne von deiner Seite aus keine Gefahr droht.«

»Aber das wird nicht leicht sein, Adrian!«

»Nein, das wird es nicht«, entgegnete er. »Du mußt eben immer daran denken, daß unser ganzes zukünftiges Glück auf dem Spiel steht! So schwierig die Dinge auch sein mögen, du darfst nicht vergessen, wir tun es für uns, damit wir für den Rest unseres Lebens zusammen sind.«

»Ich werde versuchen, alles zu tun, was du mir sagst«, versprach Elisabeth eifrig.

»Und Isabel wird mir dabei helfen. Nicht wahr, Isabel?«

»Das weißt du doch«, sagte Isabel. »Jedenfalls können wir nur auf diese Weise Erfolg haben. Bete zum Himmel, daß Sir Rupert nicht allzu bald heiraten möchte. In keinem Fall früher, als euer Schiff in See sticht. So weit ich sehen kann, ist dies die einzige Gefahr, die euch droht.«

»Der Colonel glaubt, der Abreisetag würde der neunundzwanzigste Juli sein«, sagte Adrian. »Allerdings ist das noch nicht ganz sicher. Eine Verschiebung des Datums um einige Tage ist durchaus möglich.«

»Dann muß Elisabeth eben sagen, es wäre ihr leidenschaftlichster Wunsch, im August zu heiraten«, schlug Isabel vor.

»Ich hoffe nur, daß ich nichts falsch mache«, murmelte Elisabeth. »Es ist so schwer für mich, Papa anzulügen. Er schaut einen immer so durchdringend an, daß man denkt, er blickt einem bis auf den Grund der Seele. Es ist, als ob er mich hypnotisierte. Plötzlich sage ich dann Dinge, die ich ihm unbedingt verschweigen wollte.«

»Nun beunruhige dich nicht zu sehr«, meinte Isabel besänftigend. »Wenn er sieht, daß du in die Heirat mit Sir Rupert einwilligst, wird er sehr zufrieden mit dir sein. Du mußt nur auf eine einzige häßliche Auseinandersetzung mit ihm gefaßt sein; nachdem Mister Butler bei ihm gewesen ist. Danach - wenn er glaubt, dich seinem Willen gefügig gemacht zu haben - wird alles glatt laufen.«

»Natürlich besteht immer noch die Chance, daß er mich als Schwiegersohn akzeptiert«, erklärte Adrian mit einem humorlosen Lächeln.

Isabel lachte.

»Ich glaube, der Mann, der seine Tochter heiratet, ist ihm höchst gleichgültig. Es ist nur dessen Bankkonto, das zählt.«

»Ein demütigender Gedanke«, meinte Adrian. »Aber ich kann nicht sagen, daß er mich völlig niederdrückt.«

Er blickte zärtlich auf Elisabeth nieder, deren Kopf immer noch an seiner Schulter ruhte.

»Bist du ganz sicher«, fragte er sanft, »daß du nicht lieber eine steinreiche Frau sein möchtest?«

»Begreifst du nicht, daß ich die reichste Frau der Welt sein werde, wenn ich dich zum Mann habe?« sagte Elisabeth.

Er umschloß ihre Hände mit den seinen und hob sie an die Lippen.

Isabel erhob sich.

»Ich werde zum Waldrand gehen und aufpassen, daß niemand kommt«, erklärte sie. »Wenn du einen Ruf von mir hörst, ist keine Zeit mehr zu verlieren. Hast du verstanden, Elisabeth?«

Es war zweifelhaft, ob Elisabeth überhaupt zugehört hatte. Sie blickte Adrian verliebt in die Augen und schien die Welt um sich her vergessen zu haben.

Isabel ging zum Waldrand, aber es war weit und breit kein Mensch zu sehen.

Sie setzte sich auf einen Holzzaun und ließ die Beine baumeln, obgleich ihre Tante das als wenig ladyhaft bezeichnet hätte. Isabel fühlte sich erleichtert. Ein beruhigender Gedanke, daß Adrian ein so aufrechter Mann war, der Elisabeth glücklich machen würde.

Aber würde er das wirklich, fragte sie sich voller Zynismus. Wie lange dauerte es, bis ein Mann seiner Frau überdrüssig war und nach einer anderen Ausschau hielt. Männer waren alle gleich. Wenn eine Frau sie langweilte, war sie uninteressant. Und Elisabeth war nicht besonders clever, amüsant oder begabt. Sie war nur ein süßes, sanftes Wesen, das man ein Leben lang herumkommandiert hatte und das wenig Initiative und noch weniger Courage besaß. Würde das einen Mann auf die Dauer fesseln können? Würde Adrian sich nicht nach einer gewissen Zeit eine Frau mit mehr Einfallsreichtum und Pikanterie wünschen?

Aber warum sollte eine Frau nur das Spielzeug des Mannes sein? War das die einzige Existenzberechtigung, die man besaß, wenn man als weibliches Wesen auf die Welt gekommen war?

Isabel ertappte sich dabei, daß ihre Gedanken sich wieder den eigenen Problemen zuwandten. Elisabeths Leben durchlief im Augenblick eine Phase der Beunruhigung, doch auf lange Sicht war es gesichert.

Anders ihr, Isabels, Leben.

Sie war entschlossen, niemals zu heiraten. Sie würde sich keinem Mann unterordnen.

Natürlich war das einfacher gedacht als durchgeführt. Denn da war der Onkel, dem sie im Augenblick hilflos ausgeliefert war.

Isabel seufzte laut, um in der nächsten Sekunde einen leisen Schreckensschrei auszustoßen.

Jemand kam durch den Wald.

Sie hörte Hufschlag hinter sich, der schnell näher kam.

Entsetzt sagte sich Isabel, daß es zu spät war, Elisabeth zu warnen. Der Reiter würde den Waldrand früher erreichen als die Kusine.

Dennoch rief sie laut: »Elisabeth, Elisabeth!«

Hastig schwang Isabel den weiten Reifrock über die Stange, auf der sie saß, und sprang auf der dem Wald zugekehrten Seite zu Boden.

Sie war kaum unten, als zwischen den Bäumen auf dem moosbedeckten Waldpfad ein Pferd sichtbar wurde. Eine kastanienbraune Stute, deren Kopf Isabel sehr bekannt vorkam. Sie zuckte zusammen, denn im nächsten Augenblick erkannte sie auch schon den Reiter.

Ihr stockte der Herzschlag vor Schreck. Der Reiter war ihr Onkel. Er näherte sich ihr aus einer Richtung, aus der sie ihn nie erwartet hätte.

IV

Isabel stand da wie versteinert. Die Furcht lähmte sie. Doch dann, als er näher kam, gelang es ihr mit übermenschlicher Anstrengung, die Lähmung abzuschütteln und ihre Furcht zu unterdrücken. Sie machte einige Schritte auf den Reiter zu und zwang sich zu einem Lächeln.

»Guten Tag, Onkel Herbert!« rief sie.

Er antwortete nicht.

Sein Gesichtsausdruck war unheilverkündend, und sein Blick glitt über sie hinweg, so als suche er jemand anderen. Immer noch schweigend lenkte er sein Pferd auf die Lichtung zu, auf der Isabel die beiden Liebenden zurückgelassen hatte.

Sie machte den verzweifelten Versuch, ihren Onkel am Weiterreiten zu hindern.

»Wohin willst du, Onkel Herbert!« rief sie mit unnatürlich erhobener Stimme, damit Elisabeth sie hören konnte und gewarnt war.

Aber Lord Cardon achtete nicht auf sie. Ohne auch nur den Kopf nach ihr umzuwenden, ritt er weiter. Verzweifelt folgte Isabel ihm über den Waldpfad.

Sie brauchten nur wenige Minuten, um die kleine Lichtung am Flußufer zu erreichen. Elisabeth und Adrian Butler standen genau in der Mitte der grünen, sonnenbeschienenen Fläche.

Isabels warnender Ruf hatte sie erreicht, unmittelbar gefolgt von der auffallend lauten Begrüßung des Onkels.

Entsetzt hatte Elisabeth Adrians Arm umklammert und ihn angefleht, sich vor dem Vater zu verstecken. Aber Adrian hatte nur den Kopf geschüttelt und war geblieben. Er war fest entschlossen, Lord Cardon hier und jetzt entgegenzutreten.

Im nächsten Augenblick war dieser dann auch schon hoch zu Roß am Rand der Lichtung erschienen. Elisabeth war einer Ohnmacht nahe, als sie aufschaute und sein Gesicht sah.

Sie kannte die Anzeichen der Wut darin nur zu gut. Die steile Falte zwischen den Brauen, die zu einem dunklen Schlitz verengten Augen, den verkniffenen Mund und die dick hervortretenden Adern auf Stirn und Nase.

Lord Cardon zügelte sein Pferd.

Sekundenlang sprach niemand ein Wort.

Elisabeths Hände flatterten wie ängstliche kleine Vögel über ihrer Brust. Adrian Butlers Haltung straffte sich, seine Augen blickten ruhig und selbstbewußt, während er zu Lord Cardon aufschaute.

Er wirkte sehr männlich und zugleich wie ein Gentleman. Einen optimistischen Augenblick lang hoffte Isabel, daß Adrians Auftreten seine Wirkung auf Lord Cardon nicht verfehlen würde.

Doch es gab nichts, was Lord Cardons Zorn beschwichtigen konnte.

Mit einer Stimme, die heiser war vor Wut, sagte er zu Elisabeth: »Ich hatte also recht mit meinem Argwohn. Du hintergehst mich!«

Es war, als zerbreche der Klang seiner Stimme den Bann, der Elisabeth und Adrian seit seinem Erscheinen gefangen hielt.

Blaß, aber würdevoll trat Adrian einen Schritt vor. »Sie müssen entschuldigen, Sir, daß wir uns ohne Ihre Zustimmung treffen, aber ich hatte in der Tat vor, Ihnen heute noch meine Aufwartung zu machen.«

»So, hatten Sie das?« Lord Cardons Gesicht verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. »Und was war der Grund für die geplante Aufwartung, wenn ich fragen darf?«

»Dies hier ist nicht der Ort, den ich gewählt hätte, um eine solch wichtige Sache mit Ihnen zu besprechen«, erwiderte Adrian Butler ruhig. »Aber da Sie mich jetzt fragen, Sir, möchte ich Ihnen freimütig antworten. Ich bitte Sie um die Hand Ihrer Tochter!«

Lord Cardons Gesicht färbte sich dunkelrot.

»Zum Teufel mit Ihrer Unverschämtheit!« schrie er außer sich vor Wut. »Sie sind tatsächlich so dreist und aufdringlich, wie ich sie eingeschätzt habe. Wie können Sie es wagen, um die Hand meiner Tochter zu bitten, obwohl sie längst einem anderen versprochen ist! Elisabeth ist mit Sir Rupert Wroth verlobt. Wenn sie Ihnen das nicht gesagt hat, zeigt das nur, daß sie bereit ist. Sie genauso zu täuschen, wie sie mich täuscht!«

»Lady Elisabeth hat mir erzählt, daß Sir Rupert um sie angehalten hat«, erwiderte Adrian mit seiner ruhigen, beherrschten Stimme. »Sie hat mir ebenfalls erzählt, daß Sie Sir Ruperts Werbung begünstigt haben. Doch unglücklicherweise gehört das Herz Ihrer Tochter einem anderen. Ich habe die Ehre, Sir, der Empfänger ihrer Zuneigung zu sein. Und ich bin fest davon überzeugt, sie glücklich machen zu können.«

»Darm sind Sie mit Ihrer Überzeugung auf dem Holzweg«, schrie Lord Cardon. »Hölle und Verdammnis, muß ich mir das Geschwafel eines dahergelaufenen Abenteurers anhören, der glaubt, sich bei mir als Schwiegersohn einschmeicheln zu können! Verschwinden Sie auf der Stelle, und lassen Sie sich nie wieder auf meinem Besitz sehen! Und was meine Tochter angeht, wird sie den Mann heiraten, den ich ihr bestimme und keinen anderen!«

»Das können Sie nicht ernst meinen, Sir«, widersprach Adrian. »Ich bin nicht in der Lage, Ihrer Tochter die irdischen Güter zu bieten, die Sir Rupert ihr bieten kann, aber meine Stellung ist...«

»Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe?« unterbrach Lord Cardon ihn schroff. »Sie verschwinden jetzt von hier und lassen sich nie wieder blicken!«

Er gab seinem Pferd die Sporen, als wollte er weiterreiten.

Unwillkürlich machte Adrian einen Schritt vorwärts und fiel dem Tier in die Zügel.

»Lord Cardon«, sagte er beschwörend. »Sie begehen einen verhängnisvollen Fehler. Bitte, seien Sie so fair, und hören Sie mich an!«

Adrians Griff in die Zügel schien Lord Cardon völlig zur Raserei zu bringen. Mit einer schnellen Bewegung hob er die Reitpeitsche und ließ sie auf Adrian Butlers Hand niedersausen.

Der Schlag schien den letzten Rest von Lord Cardons Selbstbeherrschung hinweggefegt zu haben. Mit überschnappender Stimme schrie er: »Verschwinden sollen Sie, hab' ich gesagt. Ich werde Sie lehren, meine Tochter zu verführen! Schleicht sich diese Kanaille auf meinen Besitz und treibt es mit ihr unter den Uferbüschen! Fort mit Ihnen, Mann! Und lassen Sie sich nie wieder hier blicken! Bei Gott, ich schwöre Ihnen, sollten Sie mir hier noch einmal über den Weg laufen, werde ich Ihnen eine Kugel in den Kopf jagen!«

Kochend vor Wut riß Lord Cardon die Reitpeitsche erneut hoch und schlug auf Adrian ein. Schützend hob der junge Mann die Arme, um die jetzt immer schneller aufeinanderfolgenden Schläge abzuwehren. Aber hoch zu Roß, war Lord Cardon im Vorteil. Erbarmungslos schnitt das scharfe Leder in Hände, Hals und Wangen des jungen Mannes und hinterließ auf der hellen Haut lange, blutige Striemen.

Adrian wich zurück, aber Lord Cardon setzte erbarmungslos nach und ließ sich auch durch Elisabeths verzweifelte und entsetzte Schreie nicht in seinem grausamen Tun aufhalten.

»Papa ... Papa, nicht - nicht... ich bitte dich!« rief sie und eilte auf die beiden zu, um sich schützend vor Adrian zu werfen.

Doch Lord Cardon hatte den jungen Mann schon an den Rand der Lichtung getrieben. Er drängte ihn auf einen schmalen Waldpfad, und drosch unaufhörlich mit der Peitsche auf ihn ein, bis sie die Straße erreichten, die die Grenze von Rowanfield Manor bildete.

Erst als Adrian blutüberströmt und halb bewußtlos über die Fahrbahn taumelte und auf der gegenüberliegenden Seite in den Graben fiel, hielt Lord Cardon inne. Einen Moment lang blickte er auf den Verletzten hinab, dessen Atem stoßweise über die aufgeplatzten Lippen kam und dessen Augen bereits dick geschwollen waren. Dann brach er in ein wildes, dröhnendes Lachen aus.

»Vielleicht werden Sie meine Tochter jetzt endlich in Ruhe lassen!« schrie er wie von Sinnen, wendete sein Pferd und galoppierte, immer noch lachend, den Weg zurück, den er gekommen war.

Elisabeth war am Ufer des Flüßchens zusammengebrochen, doch ihre Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen.

Isabel kniete neben ihr. Als sie ihren Onkel näherkommen hörte, blickte sie auf, aber Elisabeth wandte nicht einmal den Kopf in seine Richtung.

»Auf!« befahl Lord Cardon. »Auf mit euch! Und macht, daß ihr nach Hause kommt!«

»Elisabeth ist ohnmächtig«, entgegnete Isabel. »Ich bezweifle, daß sie gehen kann!«

»Sie wird gehen, darauf kannst du dich verlassen!« sagte Lord Cardon voller Ingrimm. »Oder ich gebe ihr einen Geschmack von dem, was ich dem jungen Schnösel gegeben habe.« Seine Stimme überschlug sich vor Wut. »Hoch mit euch, zum Teufel! Tut, was ich euch sage!«

Seine Unnachgiebigkeit blieb nicht ohne Wirkung. Fast mechanisch raffte sich Elisabeth auf, obwohl sie fürchtete, im nächsten Moment aufs Neue in Ohnmacht zu fallen.

»Vorwärts, geht vor mir her!« befahl Lord Cardon.

Isabel legte den Arm um die Schulter der Kusine, und sie so stützend, setzte sie sich mit Elisabeth in Bewegung.

Es wahrte eine halbe Stunde, bis sie das Haus erreichten. Jeder Schritt war für Elisabeth eine Marter, und es kostete sie eine übermenschliche Anstrengung, auf den Beinen zu bleiben. Ihre Hände waren eiskalt, und schon nach kurzer Zeit begannen ihre Zähne heftig aufeinanderzuschlagen. Isabel trug sie eher, als daß sie sie führte, und sie hörte nicht auf, mit leiser, tröstender Stimme auf Elisabeth einzureden.

Lord Cardon ritt hinter den beiden, trieb sie vor seinem Pferd her wie ein Viehtreiber und ließ nicht zu, daß die Mädchen auch nur ein einziges Mal stehenblieben, um sich auszuruhen. Die ganze Zeit über sprach er kein Wort. Als sie dann endlich vor dem Haus standen und ein Diener herauseilte, um das Pferd zu halten, stieg Lord Cardon ab. Erbarmungslos beobachtete er Isabel, die mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung versuchte, Elisabeth die Stufen der Freitreppe hinaufzuhelfen.

Aber Elisabeth war am Ende ihrer Kräfte. Der Diener, der, merkte, daß etwas nicht in Ordnung war, ließ das Pferd stehen und eilte hinter den beiden Mädchen her. Er faßte Elisabeths Arm und half ihr zusammen mit Isabel in die Halle.

Erleichtert atmete Isabel auf, aber dann hörte sie die Schritte ihres Onkels. Sie blickte auf und stellte fest, daß sein Zorn noch immer nicht verraucht war. Eine panische Angst erfaßte sie.

Lord Cardon kam auf die kleine Gruppe zu, blieb einige Schritte vor Elisabeth stehen und schaute sie sekundenlang an. Das Gesicht des Mädchens war aschfahl, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und wäre zusammengebrochen, wenn Isabel und der Diener sie nicht gestützt hätten.

Ihre Augen flackerten, scharf und stoßweise drang der Atem aus ihren Lungen. Sie war wie ein verwundetes Tier, das im Sterben lag.

Lord Cardon starrte sie immer noch an, dann schoß sein Arm vor, und mit der unbehandschuhten Rechten schlug er ihr hart ins Gesicht.

»Hinauf mit, dir!«, knurrte er. »Mit dir befasse ich mich später! Isabel, du kommst mit mir in die Bibliothek!«

Elisabeth gab keinen Ton von sich, als ihr Vater sie schlug. Sie brach zusammen und sank trotz der stützenden Arme bewußtlos zu Boden.

Lord Cardon schenkte ihr nicht die geringste Beachtung. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Bibliothek. Isabel wußte, daß sie es nicht wagen konnte, seiner |Aufforderung zu trotzen.

»Tragen Sie Lady Elisabeth auf ihr Zimmer!« sagte sie rasch zu dem Diener. »Und rufen Sie Bessie!«

»Sehr wohl, Miss.«

Der Mann war bestürzt. Wie alle im Haus war er an die Wutausbrüche seines Herrn gewöhnt, doch so hatte er ihn noch nie erlebt.

Isabel überließ die Kusine der Obhut des Dieners und eilte zur Bibliothek. Die Tür war offen, und als sie eintrat und die Tür hinter sich schloß, holte sie tief Luft.

Lord Cardon stand vor dem Kamin und blickte ihr entgegen. An seinem Gesichtsausdruck und der Art, wie er den Atem durch die Nase ausstieß, merkte sie, daß sein Zorn noch immer nicht verflogen war. Sie sah in das hochrote, verzerrte Gesicht, sah die dunkelblauen, gefährlich hervortretenden Adern auf seiner Stirn und stellte erstaunt fest, daß mit einem Mal alle Angst von ihr abgefallen war.

Es war seine abstoßende Häßlichkeit, die ihr die Furcht nahm. Er war nun nicht mehr der gewalttätige, erbarmungslose Unhold, der sie zu erschrecken und durch seine körperliche Überlegenheit zu unterjochen vermochte. Er war nur noch ein Mann, der nicht nur das Flair der Jugend, sondern auch die Würde seines Mannestums verloren hatte.

Sekundenlang, während sie durch den hohen Raum auf ihn zuging, hatte sie die Vorstellung des Menschen, der er einst gewesen war: schlank, gutaussehend und sympathisch. Ein Mann in angesehener Stellung und mit einem ehrenvollen Titel, ein Mann, den zu heiraten jede Frau glücklich und stolz gewesen wäre. Aber irgendetwas mußte ihn aus der Bahn geworfen und zu einem Ekel gemacht haben.

War es eine Frau gewesen, die ihn enttäuscht hatte? War es seine Ehe, die ihn mißmutig und verbittert werden ließ, weil das erhoffte Glück und besonders der Erbe ihm verwehrt blieben?

Isabel wußte die Antwort nicht auf diese Fragen. Dennoch genügten sie, daß der Onkel plötzlich keine Macht mehr über sie besaß. Er hatte sie immer durch seine körperliche Überlegenheit und Stärke zur Unterwerfung gezwungen. Sogar als sie älter wurde, war das Gefühl der Ohnmacht ihm gegenüber nie ganz gewichen.

Nun hatte sie den Eindruck, er könne sie nicht länger beherrschen. Sie war frei von ihm, hatte die Ketten, die er ihr angelegt hatte, abgeschüttelt.

Vor dem Kaminvorleger blieb sie stehen und blickte ihm mit hoch erhobenem Haupt furchtlos in die Augen.

»Ist das dein Werk?« fragte er mit zornbebender Stimme.

Isabel dachte nicht daran, die Verständnislose zu spielen. »Ich bin erst gestern nach Rowanfield Manor zurückgekehrt, wie du wissen dürftest«, gab sie kühl zurück.

»Wie lange geht das schon mit den beiden?« erkundigte sich Lord Cardon, ohne auf Isabels Erwiderung einzugehen. Als er sah, daß sie zögerte, fügte er hinzu: »Am besten, du sagst, was du weißt, oder ich muß es aus Elisabeth herausprügeln, was nicht allzu schwierig sein sollte.«

Isabel entschloß sich, ihre Kusine, so gut sie es vermochte, zu schützen.

»Soviel ich weiß, liebt Elisabeth Mister Butler schon seit einiger Zeit.«

»Und sie trifft sich heimlich mit diesem Habenichts? Heimlich wie ein Zimmermädchen schleicht sich diese Dirne in der Dunkelheit aus dem Haus und wirft sich diesem Tunichtgut, der es verstanden hat, sie verrückt nach ihm zu machen, schamlos an den Hals.«

»Das ist nur, weil du Mister Butler das Haus verboten hast, da er deiner Meinung nach nicht gut genug für eure Familie ist!«

»Nicht gut genug!« schrie Lord Cardon heftig. »Natürlich ist er nicht gut genug. Ein mittelloser Soldat! Allmächtiger Himmel, ist das die Art von Schwiegersohn, die ich mir erträumte?«

»Gut, er ist Soldat«, entgegnete Isabel. »Aber er ist nicht mittellos. Er ist sogar verhältnismäßig gut gestellt, und es ist doch wohl Elisabeths Glück, auf das es ankommt. Sie soll ihn ja heiraten, nicht du!«

Überrascht sah Lord Cardon sie an. Als er die volle Tragweite ihrer Worte begriff, brüllte er los: »Rede nicht so mit mir, du unverschämtes Weibsstück. Und setze Elisabeth nicht solch revolutionäre Ideen in den Kopf! Wir alle wissen doch, was du bist: eine Hure wie deine Mutter! Und ich will nicht, daß du meine Tochter mit deiner lockeren Moral ansteckst und verdirbst! Hast du das verstanden?«

Ihr neu gewonnenem Mut ließ Isabel antworten: »Elisabeth liebt einen Gentleman, der in der Lage ist, ihr ein behagliches und sorgenfreies Leben zu bieten. Die Unterredung mit dir hat er zurückgestellt, bis er Klarheit über seine Zukunftsaussichten besaß. Wenn Elisabeth sich heimlich mit ihm getroffen hat, so geschah dabei nichts, was unschicklich gewesen wäre, nichts, was nicht auch in Tante Annes Salon hätte geschehen dürfen, falls es Elisabeth gestattet gewesen wäre, Mister Butler dort zu empfangen.«

»Ihn empfangen? Hier? Weshalb, zum Teufel, sollte sie ihn hier empfangen, nachdem ich ihr klipp und klar zu verstehen gegeben habe, daß ich den Kerl nicht im Hause haben will. Und was die Frage, der Heirat angeht, ist das Mädchen noch viel zu jung, um selbst zu entscheiden. Sie hat sich in diesen Mann vergafft und benimmt sich wie eine verdammte Närrin! Außerdem ist sie ja bereits mit Wroth verlobt.«

»Den sie nicht liebt, und der für sie noch weniger empfindet, als sie für ihn!«

»Was hat Liebe damit zu tun«, sagte Lord Cardon unwillig. »Er hat um ihre Hand angehalten, oder etwa nicht?«

»Nicht weil er sie liebt, sondern weil die Königin ihm zu verstehen gab, daß er zumindest verlobt sein muß, wenn er das nächste Mal bei Hof erscheint. Offensichtlich hat Ihre Majestät von seiner Beziehung zu Lady Clementine Talmadge erfahren.«

Lord Cardon stand da mit offenem Mund und starrte Isabel fassungslos an. Dann sagte er in einem zugänglicheren Ton: »Aha, daher weht also der Wind! Aber woher willst du das wissen?«

»Es ist zufällig die Wahrheit« ,erklärte lsabel fest. Aber sie dachte nicht daran, ihrem Onkel das Geheimnis ihres Verstecks auf dem Dachboden des Sommerhauses preiszugeben.

»Das glaube ich dir sogar«, sagte Lord Cardon. »Ein Bursche wie Wroth würde ohne Grund niemals ein milchgesichtiges Mauerblümchen wie Elisabeth heiraten. Aber was auch immer der Grund für diesen Schritt sein mag: mir soll er recht sein. Ich kann ihn als Schwiegersohn gebrauchen, und, bei Gott, ich werde ihn bekommen!«

»Aber Onkel Herbert«, sagte Isabel flehend. »Kannst du denn nicht verstehen, was dies für Elisabeth bedeutet? Sie wird unglücklich sein; sehr, sehr unglücklich mit einem Mann, der nicht das leiseste Interesse an ihr hat, der sie nur gebraucht, um mit ihrer Hilfe den Folgen seines ausschweifenden Lebenswandels zu entgehen. Onkel Herbert, laß doch ein einziges Mal dein Herz sprechen. Erlaube Elisabeth, den Mann zu heiraten, den sie liebt!«

Einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde ihr Onkel auf sie hören, als hätte ihre Bitte um Verständnis für seine Tochter die Mauer seiner Verbitterung durchbrochen. Für eine kurze Sekunde sah es so aus, als zögerte er, doch dann gewann seine alte Grausamkeit wieder die Oberhand, und er schrie sie an: »Was, zum Teufel, spielt es für eine Rolle, wen sie liebt! Sie wird das tun, was ich ihr sage! Und falls du sie gegen mich aufhetzen solltest, wird es schlimm für dich, das verspreche ich dir!«

Sein Gesicht war wieder verzerrt vor Wut, und die Heftigkeit, mit der er die Worte hervorstieß, schüttelte seinen ganzen Körper.

Isabel wußte, es gab nichts mehr, was sie sagen oder tun könnte, um ihn umzustimmen. Und während sie schweigend dastand, verengten sich Lord Cardons Augen.

»Das Thema ist erledigt!« sagte er mit veränderter Stimme. »Reden wir von dir, meine liebe Nichte. Vielleicht hast du die Güte, mir zu erklären, weshalb du zurückgekommen bist, ohne uns vorher zu benachrichtigen und ohne die Referenzen deines letzten Arbeitgebers mitzubringen.«

Als er zu sprechen begann, bereitete sich Isabel seelisch und moralisch darauf vor, dem Ansturm seiner Wut standzuhalten. Doch zu ihrem Erstaunen blieb das gewohnte Herzklopfen aus. Auch ihr Magen krampfte sich nicht schmerzhaft zusammen, und keine Angst schnürte ihre Kehle. Sie blieb innerlich völlig ruhig und war imstande, ihm klar und gelassen zu antworten.

»Du weißt, weshalb ich zurückgekehrt bin, Onkel. Und ich glaube, wenn du ehrlich bist, hast du dich bereits gewundert, weshalb ich es auf Droxburgh Castle so lange ausgehalten habe.«

Während sie sprach, beobachtete sie seine Augen und stellte ein sekundenlanges nervöses Flackern darin fest.

Sie hatte ins Schwarze getroffen.

Es stimmte also. Er hatte genau gewußt, was sie im Haus des Marquis von Droxburgh erwarten würde. Bewußt und mit klarer Absicht hatte er sie diesem Mann in die Hände spielen wollen. Es war sein Plan gewesen, ein Teil seiner Vergeltungsmaßnahmen gegen sie, ein Akt des Hasses und der Rachgier, die er von Anfang an für sie empfunden hatte.

»Wovon sprichst du eigentlich?« fragte er, und sie war sicher, ihn zum ersten Mal richtig in Verlegenheit gebracht, den Panzer seiner Selbstgefälligkeit zum ersten Mal durchdrungen zu haben.

»Du wußtest, was für ein Mann Lord Droxburgh ist«, sagte Isabel. »Du kennst seinen Ruf, und doch hattest du keine Hemmungen, mich unvorbereitet und schutzlos zu ihm zu schicken. Ich mag eine Waise sein, unerwünscht in deinem Haus und ohne Mittel. Aber ich bin auch deine Nichte, das Kind deines einzigen Bruders.«

»Und das Kind deiner Mutter, das Kind einer Komödiantin, einer Frau, der es gelang, einen jungen Mann zu umgarnen, bevor er Oxford verlassen hatte!«

»Meine Mutter war keine Komödiantin, und das weißt du«, entgegnete Isabel. »Sie war Konzertsängerin und besaß eine hervorragende Ausbildung. Sie und mein Vater verliebten sich ineinander, und sie waren elf Jahre lang sehr glücklich. Seinetwegen hat sie ihre Karriere aufgegeben. Sie war eine stolze, achtbare Frau, achtbarer, als die meisten deiner Bekannten in der sogenannten guten Gesellschaft. Und dennoch glaubst du, mich auf Grund eines überheblichen, blinden Vorurteils an den Pranger stellen zu können. Aber tu, was du willst, fahre fort, mich zu bestrafen und zu quälen, weil ich das Kind zweier Menschen bin, die den Mut hatten, sich zu lieben und miteinander glücklich zu sein, ohne sich um das zu kümmern, was die Welt von ihnen sagte oder dachte.

Doch sei wenigstens so ehrlich, zuzugeben, daß du mich gehaßt und verfolgt hast, seit du mich als Kind das erste Mal gesehen hast. Du wolltest mich unglücklich sehen, verführt und gebrandmarkt als ein Mädchen, das weder Moral noch Anstand kennt und für das die Bezeichnung Hure noch ein Ehrenname sein würde. Deshalb hast du mich als Gouvernante in das Haus des Marquis von Droxburgh geschickt.

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