Kitabı oku: «Mordsmäßig heilig», sayfa 3

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»Hallo, Frau Burchardt!« Der Arzt tätschelte ihre Wangen. Die zu einem Bubikopf kurz geschnittenen, graumelierten Haare klebten ungekämmt am Kopf.

Vielleicht kümmert sich ein Pflegedienst um die Frau. Hoffentlich bleibt mir so ein Zustand mal erspart, dachte Schneider.

Ein leises Stöhnen riss Arzt und Kommissar aus ihren Gedanken. »Oooochhh.« Die Frau schlug die Augen auf, schaute sich um. »Alfred? Alfred! Wo bist du?«, flüsterte sie kaum hörbar. Sogleich fielen die Augen wieder zu.

Der Arzt hob die Augenbrauen, blickte den Kommissar an. »Sie muss sofort ins Krankenhaus.«

Schneider nickte. »Wird sie durchkommen?«

»Schwer zu sagen. Ich kenne sie nicht. Sie ist alt, scheint ein schwaches Herz zu haben und wahrscheinlich hat sie zu wenig getrunken. Man muss schauen, wie ihr sonstiger Zustand ist. Sie kümmern sich um die Angehörigen und so weiter?«, fragte der Doktor, stand auf und ging neben den Sanitätern her, die Frau Burchardt zum Rettungswagen und danach ins Duderstädter Krankenhaus bringen würden.

Schneider zog den kleinen Block mit dem Bleistiftstummel aus der Hemdtasche. Magda Burchardt: Alfred, Alfred, wo bist du?, notierte er sich. Jedes Detail konnte wichtig sein. Das war das Erste, was er nach der Befragung in seinem Büro an die Wand pinnen würde. Ab jetzt würde er jede Kleinigkeit wahrnehmen und vermerken. Ist es ein brauchbarer Hinweis? Mal sehen. Bis jetzt ist alles offen. Jedenfalls werde ich nicht mehr so oberflächlich wie heute Nachmittag bei Mathilde sein, schwor er sich.

Kapitel 5


Die schmerzhaftesten Wunden sind die Gewissensbisse.

– Joachim Ringelnatz –

Mittwochabend

Auf dem Rückweg von Germershausen meldete sich Oberwachtmeister Paschke. »Hallo Christian, ich bin jetzt mit dem Küster in St. Cyriakus. Du hattest mal wieder die richtige Schnüffelnase. Es fehlt tatsächlich ein altes Relief aus der Spätgotik. Der Dechant von Göttingen ist schon informiert. Er ist momentan auch für Duderstadt zuständig. «

»Mist! Leider war das diesmal nicht meine, sondern Mathildes Schnüffelnase, hmpf.« Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Schneiders Magengegend aus. Das wird sie mir jetzt jeden Tag aufs Butterbrot schmieren. Er schob den Gedanken schnell beiseite, fragte: »Was für ein Bild war das denn? Kann man das so einfach abhängen und mitnehmen?«

»Ja, anscheinend. Ein geschnitztes Holzrelief mit der hl. Sippe. Ich schätze von der Größe her so auf einen Meter breit und achtzig Zentimeter hoch«, erklärte ihm Cop. »Der Küster hat mir ein Foto aus dem Kirchenführer gezeigt. Die Großfamilie von Jesus ist dargestellt, mit der Gottesmutter Maria, deren Mutter Anna und der ganzen Verwandtschaft. Nach der Beschreibung ist es ein Teil aus einem ehemaligen Annenaltar und hing bis heute Mittag im Johanneschor an der Wand. Der Küster kennt sich übrigens sehr gut aus mit den Schätzen, ist natürlich jetzt fix und fertig. Der scheint sich mit seinem Job total zu identifizieren. – Ach ja, die haben übrigens in der Kirche eine Kamera installiert. Bin gespannt, ob man auf dem Film jemanden sehen kann. Wenn´s klappt, zieh ich das Filmchen auf einen Stick. Der Küster meint, das geht. Obwohl hier alles alt ist, sind sie technisch super ausgerüstet.«

»Ein Film vom Diebstahl. Hmpf. Hört sich gut an. Bring ihn mit aufs Revier, wenn das Überspielen klappt. Sonst muss ich rüber kommen. Der Küster soll unbedingt die Kirche abschließen. Und ruf die Techniker aus Göttingen an! Die werden sich wundern, dass sie gleich zwei Mal hintereinander in ein Gotteshaus müssen. So kann man sich auch Leute in die Kirche holen. Bis gleich!«, beendete Schneider das Gespräch.

Der letzte Satz, den er eigentlich ganz unüberlegt gesagt hatte, beschäftigte ihn.

Könnten extrem Konservative auf die Idee gekommen sein, durch Diebstahl mehr Aufmerksamkeit auf Kirche und Glauben lenken zu wollen? – Oder wollen sie die lauen Katholiken bestrafen, nach dem Motto: Wir nehmen uns, was euch eh nicht mehr wichtig ist? – Das Bild der Großfamilie, der sorgenden Mutter? – Gibt es unter den AnhängerInnen von ›Maria 2.0‹ AktivistInnen? Wenn diese Leute Aufmerksamkeit haben wollen, werden sie sich irgendwann outen. Vielleicht gehen sie über die Medien oder schicken ein Bekennerschreiben an den Bischof. Das wär´s. So was hatte ich noch nie. Er dachte weiter: Viele sind aber auch entrüstet, wie die Obrigkeit in der Coronakrise die Menschen allein lässt. Aber das erklärt nichts, verwarf er den Gedanken. Auch ohne Mord und Totschlag scheint der Fall knifflig zu werden.

Auf dem Duderstädter Revier hatten die meisten Beamten schon Feierabend. Schneider grüßte den Polizisten unten an der Pforte und sprang, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinauf in sein Büro in der ersten Etage. Er war gerade dabei die leere Stellwand mit den Worten von der alten Frau Burchardt aus Germershausen zu bestücken, als Wachtmeister Carl-Otto Paschke, mit einem Stick in der Hand wedelnd, hereinkam. Erwartungsvoll fragte Schneider: »n´Abend, Cop. Ist was drauf?«

»Schauen wir mal.« Der Wachtmeister setzte sich an den Schreibtisch, fuhr den PC hoch, steckte den Stick ein und trommelte mit den Fingern nervös auf der Tastatur herum. »Na, komm schon. Wie lange brauchst du noch?«, stöhnte er ungeduldig. »Wann kriegen wir hier endlich schnellere und bessere Computer? Wir sollen mit mittelalterlichen Geräten alles aus dem Dreck ziehen«, wandte er sich an seinen Chef.

»Nun lass mal gut sein. Wir leben hier auf dem Lande und machen das in Ruhe, dann geht es im Endeffekt schneller als mit deiner Hektik. Glaub mir«, versuchte Schneider den Hitzkopf zu beruhigen. »Die paar Sekunden wirst du wohl aushalten. Unser Denken und Kombinieren geht ja auch nicht immer blitzartig. Alles braucht eben seine Zeit.«

Auf dem Bildschirm erschien der Innenraum der Basilika in Schwarz-Weiß. Der Kommissar zog sich den Besucherstuhl ran, setzte sich neben den Wachtmeister.

»Schaltet sich das nur bei Bewegung ein oder müssen wir jetzt stundenlang die Leere der Kirche betrachten?«, fragte er und schaute auf seine Uhr.

»Alles in Ruhe, nach der Uhrzeit. So wolltest du es doch«, grinste Cop. Schneider knuffte ihn.

»Na ja, wenn es sein muss, kann ich vorspulen. Wann schätzt du, dass die Diebe da waren?«

Schneider zog die Augenbrauen hoch und sog Luft ein. »Hmpf. Ich frag Mathilde, wann sie mit unserer Nichte an der Kirche war.« Er atmete laut aus. Mist, aber nicht zu ändern. Mathilde ist eine Zeugin. Widerwillig nahm er sein Handy, stand auf, drückte die Nummer von zu Hause und ging wartend im Zimmer umher. Als sich Mathilde meldete, blieb er stehen. Ehe sie ihn mit Fragen bombardieren konnte, stoppte er sie mit fester Chefstimme, die keinen Widerspruch duldete: »Mathilde! Sag nichts, sondern hör mir jetzt gut zu.«

»Aber, was ...«

»Rede bitte nicht dazwischen! Du hattest recht. In der Basilika ist heute wirklich ein Bild gestohlen worden. Kannst du mir genau die Uhrzeit sagen, wann du mit Elschen bei der Kirche warst?« Er lauschte. »Mathilde? Bist du noch dran?«

»Darf ich jetzt reden?«, fragte seine Frau schnippisch.

»Nur die Uhrzeit bitte. Das andere kannst du mir erzählen, wenn ich nach Hause komme. So in einer Stunde. In Ordnung?«

Schneider spürte, wie seine Hände feucht wurden und zitterten. Warum passierte ihm das immer, wenn seine Frau anfing, ihn mit ihrem Gekeife mundtot machen zu wollen? Sah er in Mathilde dann seine dominante Mutter, die ihn stets wie ein dummen Jungen behandelt hatte? Er musste sich doch dagegen wehren, oder?

»Es war um halb vier«, sagte Mathilde, mehr nicht.

Aber wie sie es sagte. Schneider fühlte es. Sie war zutiefst beleidigt. Er zog die Augenbrauen hoch, presste die Lippen fest aufeinander. Das schlechte Gewissen meldete sich, nagte. So redet man nicht mit seiner Frau. Es tat ihm leid. Eigentlich war Mathilde doch seine Beste, trotz allem. Darum versuchte er nett zu klingen. »Aah, um halb vier! Danke, mein Schatz. Du bist ein Engel!« Er legte auf. Auf dem Nachhauseweg fahre ich bei Edeka vor und nehme ihr einen Strauß Blumen mit, beschloss er und wischte sich die feuchten Hände am Hosenbein ab.

Cop riss ihn aus seinen Gedanken. »Halb vier, sagtest du? Komm mal her. Ich bin gerade bei 15.15 Uhr. Da marschieren zwei Männer im Mittelgang hoch.« Cop drehte den Bildschirm ein wenig in Schneiders Richtung. »Tatsächlich! Die biegen nach links ab, ins Johanneschor! Im Seitenschiff ist dummerweise keine Kamera.«

Sie starrten auf den Film, der ruckartig über den Bildschirm lief.

»Mathilde faselte heute Mittag was von Zwillingen. Jetzt versteh ich sie. Die sind gleich angezogen. Ob sie gleich aussehen, kann man allerdings nicht erkennen.«

»Ja, hinter dem Maulkorb können sich Diebe gut verstecken, ohne dass es auffällt. Scheiß Corona!«, fluchte Cop.

Sie ließen den Film weiterlaufen. Es dauerte eine Weile, da erschienen die Männer wieder. Sie trugen ein scheinbar schweres Teil, das in eine Decke gewickelt war, gingen damit zum Behinderteneingang der Kirche hinaus.

»Das war´s. Nicht sehr aufschlussreich. Wir wissen nicht mal, welche Farbe deren Klamotten hatten«, sagte Cop enttäuscht.

Schneider wog den Kopf hin und her. »Das wird mir Mathilde erzählen. Die hat sie ja gesehen, und einen Blick für Kleinigkeiten hat meine Frau. Was glaubst du? Waren das dieselben wie in Germershausen oder gibt es da eine Bande, die unsere Kirchen ausräumt?«

Cop zuckte die Achseln. »Maybe. Ehrlich. Ich hab keine Ahnung.«

»Vielleicht kann uns die Frau aus Germershausen weiterhelfen. Drück die Daumen, dass sie wieder auf die Beine kommt. Zumindest hat sie was von einem ›Alfred‹ gefaselt. So könnte einer der Diebe heißen. Morgen früh machst du dich gleich ans Recherchieren. Ich will wissen, wer die Frau ist, wie viel Kinder sie hat, wer ..., wo ..., was …. Alles, einfach alles.«

Cop stand auf, salutierte und sagte mit militärischem Gehabe: »Aye, aye Käpt’n!«

»Verrückter Hund! Du bist nicht mehr bei der Marine, mein Lieber«, kommentierte Schneider und knuffte den Kollegen kopfschüttelnd grinsend an die Schulter. »Machen wir Schluss. Ich hab zu Hause noch einiges zu klären.«

Kapitel 6


Unsere Gegenwart und unsere Vergangenheit sind die Steine,

aus denen wir unser Leben bauen.

– Henry Wadsworth Longfellow –

Gegen zwanzig Uhr bogen Jan und Fredde hinter Nesselröden rechts in den Betonweg, der hoch zum Campingplatz am Waldrand führt. Auf der Ladefläche des Pick-ups rutschte die Kiste Bier, die sie noch schnell in Duderstadt gekauft hatten, von einer Seite zur anderen.

»Wenn du so weiterfährst, haben wir nur noch Schaum statt Bier in den Flaschen. Wir hätten die Kiste festbinden sollen«, bemerkte Fredde.

»Ja, ja, ich weiß. Hätte – müssen. Aber ich bin durch für heute, total fertig. Du etwa nicht?« Jan zog eine Grimasse. »Dass wir die geklauten Sachen auch noch in diese Karsthöhle bringen mussten, war ja wohl der Hammer und nicht vereinbart. Es war abgemacht, dass wir sie nur in die Scheune legen. Immer gibt es einen Haken und wir müssen mehr fürs Geld tun. Ein Arschloch ist das, wenn du mich fragst.«

Fredde nickte: »Du hast recht. Ich hätte nicht gedacht, dass wir sie durch den Höhleneingang kriegen. Was will der mit den Sachen da unten? Woher kennt der Chef die überhaupt, und wie kann er sicher sein, dass da keiner rein geht und alles klaut?«

»Hast du das Schild nicht gelesen? Da stand doch drauf, dass die Untersuchungen zu den Höhlen 2011 abgeschlossen wurden. Seitdem ist der Zutritt wegen Steinschlag streng verboten. Da darf niemand mehr rein«, erklärte Jan.

»Hab ich nicht gelesen. Dann ist es ein gutes Versteck. Darauf kommt nie einer. Aber die Höhle war echt toll, gar nicht so duster, wie ich mir das vorgestellt habe. Hoffentlich müssen wir die Sachen nicht wieder rausholen, wenn er einen Käufer hat. Zumindest haben wir das Geld gekriegt. Soll ich mal nachgucken, ob er uns nicht doch übers Ohr gehauen hat?« Fredde klopfte auf den gepolsterten, großen Briefumschlag, der mit Folie rundum verklebt war. »Fühlt sich gut an.«

»Ja, mach auf «, forderte Jan.

Es dauerte eine Weile, bis Fredde etwas vom Klebeband gelöst und den Umschlag ein Stück weit geöffnet hatte. Er fasste hinein. Seine Erschöpfung wich einem Aufbrausen. »Ey, da ist nur eine Schachtel ›Mon Cheri‹ drin!«, rief er entrüstet, zog sie raus und fasste erneut in den Umschlag. Ein Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. »Hier, willste sehen?« Erleichtert wedelte er mit einem dicken Geldbündel vor Jans Gesicht. »Lauter Fünfhunderter! Ich dachte, die gibt’s nicht mehr!«

»Siehste doch, dass es die gibt. Die drucken nur keine neuen mehr seit Ende 2018. Die alten bleiben aber gültig. Jau! Jetzt starten wir durch. Weihnachten feiern wir in unserem Haus!«, jubelte Jan und trat aufs Gas. Mit quietschenden Reifen bog er auf den Campingplatz.

»Pass auf!«, schrie Fredde, als er auf den alten Wohnwagen zusteuerte. Jan bremste, es knirschte. Dann kam der Wagen zum Stehen. In eine Staubwolke gehüllt, stiegen sie aus. Fredde betrachtete die Beifahrertür. »Bist du irre? Guck dir das an! Du bist an der Anhängerkupplung vom Wohnwagen langgeratscht.«

»Scheißegal. Ist eben der Lack ab.« Jan klappte die Fahrertür heftig zu. »Ich bin fix und knalle«, grummelte er erschöpft.

Vom Nachbarplatz tönte aufgebracht eine Frauenstimme: »Ich glaube, ich spinne! Ihr wirbelt ja den ganzen Dreck auf. Wollt ihr meine Wäsche noch mal waschen?«

Fredde rollte mit den Augen. »Sorry Mandy. Jan hat immer noch zu viel Temperament, obwohl wir einen harten Arbeitstag hatten. Soll nicht wieder vorkommen!«, beschwichtigte er und schaute über die Ligusterhecke.

»Temperament im Bleifuß vielleicht. Mehr aber nicht. Der soll mal rüber kommen. Ich zeig ihm gern mein Temperament.« Mandy hob den Stinkefinger, ließ ihn aber gleich wieder sinken, schluckte den Ärger runter und sagte einlenkend: »Was soll´s? Warum reg ich mich über euch zwei auf? Lasst uns lieber einen schönen Abend machen. Bei mir gibt´s heute Pilzomelette. Habt ihr Hunger?«

Jan streckte sich und schaute über die Hecke.

»Nee Mandy, heute nicht. Dass du genug Temperament für zwei hast, ist mir klar, aber bei uns langt´s heute nicht mehr, meine Liebe. Wir sind durch. Morgen Abend. Okay?«

Als er jedoch die hübsche Frau mit ihren Rundungen im knappen Bikini betrachtete, preschte sein Testosteronspiegel nach oben. Er warf ihr einen schmelzenden Blick zu, atmete tief durch und schob ihr die Schachtel mit den Mon Cheris, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, über die glatt geschnittene Hecke.

»Hier, ein Trostbonbon. Damit kannst du dir den Abend versüßen, meine Zuckerschnecke!«, säuselte er augenzwinkernd und schickte ihr einen Kuss rüber.

»Feiglinge! Und ich hab extra mit dem Pilzomelette auf euch gewartet, ihr Schwächlinge. Aber Danke für den Nachtisch! Hm, lecker!« Kokett winkte Mandy mit den Pralinen und verzog sich in ihr Domizil.

In den Ferien und an freien Wochenenden wohnte sie hier und war nebenan auf dem Pferdehof als Reitlehrerin tätig. Sonst lebte sie in Göttingen und arbeitete als Krankenschwester im Klinikum. Leider reichte der Verdienst nicht, um sich ein eigenes Pferd zu leisten. Doch durch eine Zusatzausbildung im therapeutischen Reiten hatte ihr der Verein ein Pferd zur Verfügung gestellt, das sie wie ihr eigenes betrachtete.

Fredde und Jan kannten sie seit vorigem Sommer. Da hatten sie in dem alten Wohnwagen eine günstige Bleibe gefunden und sich mit der stets gut gelaunten jungen Frau von nebenan angefreundet. Tagsüber ging jeder seiner Arbeit nach. Nach Feierabend bauten die Brüder Stück für Stück den Rittmannschen Hof unten im Dorf wieder auf. Oftmals, wenn sie abends erschöpft auf den Campingplatz kamen, hatte Mandy für sie mitgekocht. Kochen war neben der Liebe zu Pferden ihre zweite Leidenschaft. Und es war gut, wenn sie nicht alles allein essen musste, denn ihr Hüftgold nahm inzwischen Dimensionen an, die ungut zu einem Reitpferd passen.

Jan und Fredde hatten sich beide in sie verguckt, genossen ihre Gesellschaft und das gute Essen. Manchmal fragten sie sich, warum es Mandy nicht im Doppelpack gab? Das wäre ein Leben! So aber hatten sie sich versprochen, auf Mandy zu verzichten. Keiner sollte sie haben. Auch wenn es ihnen zeitweise schwerfiel und kleine Eifersüchteleien schon einige Male für Unfrieden gesorgt hatten.

Fredde entrüstete sich auch jetzt lautstark: »Ey, spinnst du? Du schmeißt meine Lieblingspralinen einfach so über den Zaun? Ich wollte heute Abend jede einzelne genießen, du Vollpfosten.« Er schnaubte ärgerlich, hob die Kiste Bier von der Ladefläche und trug sie zum Wohnwagen.

»Die schmecken doch eh nicht zu Bier und Mettwurst«, meinte Jan, klemmte sich die Stracke, die sie bei Bauer Bömeke gekauft hatten, unter den Arm und schlug Fredde auf die Schulter. »Komm, lassen wir uns volllaufen.«

Kapitel 7


Es gibt Augenblicke, in denen man nicht nur sehen,

sondern auch ein Auge zudrücken muss.

– Benjamin Franklin –

Zur gleichen Zeit stand Kommissar Schneider im Einkaufsmarkt vor den Blumen. Nichts Gescheites mehr da.

»Morgen kriegen wir neue Ware«, meinte eine Verkäuferin, die vorbeilief und ihn hilflos an den fast leeren Eimern stehen sah.

»Das nutzt mir nichts. Ich brauche jetzt welche.«

Die Frau zuckte die Achseln und verschwand.

Was soll ich da nehmen? Chrysanthemen? Da sagt Mathilde gleich: Friedhofsblumen. – Die Sonnenblume? Die lässt schon traurig den Kopf hängen. – Eine Topfblume? Auch blöd. »Hmpf.« Glücklicherweise fand er noch einen Strauß mit zehn, in Zellophan eingepackten, dunkelroten Rosen. »Einsneunundneunzig«, las er. Oh, so günstig! Die nehme ich! Freudig ging er zur Kasse, bezahlte und verließ pfeifend das Gebäude. Ich sollte Mathilde öfter mal einen Strauß mitbringen. Das gefällt ihr bestimmt. Seine Stimmung stieg, als er die Rosen betrachtete. Das unbehagliche Gefühl, dass ihn noch vor ein paar Minuten gequält hatte, löste sich in Luft auf. Ich mach Mathilde eine Freude. Dann ist alles wieder gut. Mit sich zufrieden fuhr er nach Hause, parkte in der Garage und ging durch den Keller nach oben in die Wohnung. »Ich bin da-a!«, rief er gut gelaunt in den Flur, zog die Schuhe aus und rutschte auf Socken, in der Hand den Blumenstrauß, ins Wohnzimmer. Mathilde saß in ihrem Fernsehsessel und schaute eine Ratesendung.

»Pscht«, sagte sie, hielt den Zeigefinger an den Mund, stierte auf den Bildschirm. Sie wollte nicht gestört werden. Schneiders Gesicht verfinsterte sich.

Der Rauch ist noch nicht verflogen. Sie ist immer noch sauer. »Hier, die Rosen sind für dich«, sagte er gut Wetter machend, legte Mathilde die Blumen in den Schoß und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Mathilde nahm die Blumen, betrachtete sie. Ihr Mund öffnete sich. Sie schaute Christian an. Dann klappte der Mund zu, während sich ihre Augen weiteten.

»Was ist? Freust du dich nicht?«, fragte er irritiert. »Ich hab das am Telefon vorhin nicht so gemeint, Mathilde. Tut mir leid. Aber ich stecke mitten in einem Fall«, versuchte er zu erklären. Ihm kamen Gedanken an früher, als seine strenge Mutter ihn mit vernichtenden Blicken strafte.

Mathilde runzelte die Stirn. Das gelbe Preisschild auf dem Zellophan war ihr regelrecht ins Auge gesprungen: Einsneunundneunzig! Sie schluckte. »Danke. Ich stelle sie morgen bei deiner Mutter aufs Grab. Morgen ist ihr Todestag«, erwiderte sie eisig. Wenigstens fair trade für 2,99 Euro hätte er nehmen können. Bitter enttäuscht wandte sie sich dem Fernsehen zu, versuchte, dem Ratespiel zu folgen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihm die Blumen vor die Füße geschmissen. Was denkt der eigentlich, wer ich bin? Stoffel.

Wie ein begossener Pudel verließ Schneider achselzuckend das Zimmer, zog sich im Flur seine Latschen an und ging in die Küche, um etwas zu essen. Der Tisch war abgeräumt, Wurst und Käse standen eingetuppert im Kühlschrank. Mathilde hatte ihm nicht wie sonst ein leckeres, appetitliches Abendessen hergerichtet. Hilflos setzte sich Schneider an den Tisch, nahm das Tageblatt vom Kühlschrank.

Was hab ich jetzt wieder falsch gemacht? Verstehe Einer die Frauen. Ich jedenfalls nicht. Er blätterte die Seiten der Zeitung durch. Hab ich die nicht heute Nachmittag schon gelesen?, überlegte er und legte sie zurück. Zuerst grübelte er, wie er den häuslichen Frieden wieder herstellen konnte. Doch schon bald schweiften seine Gedanken ab, er biss sich an dem neuen Fall fest, merkte nicht, dass es dunkel wurde. Morgen müssen wir die anderen Pfarrämter unterrichten, dass sie die Kirchen verschlossen halten. Das hätte ich schon längst veranlassen müssen. Aber irgendwie war heute nicht mein Tag. Morgen muss ich besser sein, schwor er sich. Er schlief ein, wachte erst in der Nacht gegen drei Uhr wieder auf. Sämtliche Glieder schmerzten von der unbequemen Haltung auf dem hölzernen Stuhl. Er schlich ins Schlafzimmer, das durch den Vollmond diffus erleuchtet war. Seine Hose ließ er vor dem Bett auf den Boden fallen, ebenso das Hemd. Stöhnend kroch er unter die Decke. Mathilde grunzte im Schlaf. Wunderbares Liebesgesäusel, dachte er sarkastisch, schaute zu ihr rüber. Fahles Mondlicht fiel auf ihren Kopf. Schneider beobachtete sie, vertiefte sich in ihr hübsches Gesicht, ihre braunen, krausen Haare, die genauso störrisch sein konnten wie sie selbst. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus.

»Verstehe wer will, aber ich liebe dich, Mathilde, auch wenn wir uns manchmal zoffen«, flüsterte er.

Mathilde schlug die Augen auf. Sie füllten sich mit Tränen. »Ach Christian.« Sie schniefte. »Wollen wir wieder gut sein? Seit die Kinder aus dem Haus sind, haben wir doch nur noch uns. Lass uns die Tage nicht mit Streiten verderben.«

Schneider fiel ein Stein vom Herzen. Er drückte seine Frau an sich, küsste sie immer und immer wieder.

»Du hast ja so recht, Mathilde.«

Erst als im Osten die Sonnenstrahlen den neuen Tag zum Leben erweckten, schliefen sie, fest aneinander gekuschelt, ein. Knapp eine Stunde später klingelte der Wecker. Schneider war sofort hellwach. Vorsichtig zog er seinen Arm unter Mathildes Kopf heraus, schlich aus dem Schlafzimmer.

Zur Feier des Tages mach ich heute Frühstück, beschloss er. Mathilde hat recht. Die Zeit, die uns bleibt, machen wir uns schön.

Er stellte die Kaffeemaschine an, deckte den Tisch. Als die Weißbrotscheiben aus dem Toaster hüpften, lugte Mathilde mit ihrem Wuschelkopf zur Tür herein.

»Wolltest du nicht von mir noch was wissen?«, fragte sie verschlafen.

»Ja, mein Schatz. Zieh dir den Bademantel über, und wenn wir frühstücken, kannst du mir erzählen, wie das gestern mit Elsa vor der Kirche war. Einverstanden?« Schneider gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze.

»Manchmal ist so ein kleiner Streit gar nicht so schlecht«, fand Mathilde und gähnte.

Er grinste. »Die Nacht mit dir war wunderschön«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Mathilde wurde rot. Auch nach fünfundzwanzig Jahren Ehe passierte ihr das noch. Schneider fand es einfach süß und hätte am liebsten den ganzen Tag mit seiner Frau im Bett verbracht. Aber heute war ›Sch-la-do‹ – ›Scheiß-langer-Donnerstag‹ – und es kribbelte ihn, den Raub aus den Kirchen aufzuklären.

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26 mayıs 2021
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