Kitabı oku: «Dunkle Geschichten aus dem alten Wien», sayfa 2
DIE EINGEMAUERTE NONNE
Eine Liebesgeschichte aus dem Alten Wien
Zu den besonders grausamen Hinrichtungsarten im Mittelalter gehörte das Einmauern. Schon im alten Rom wurden Vestalinnen, die das Gelübde der Reinheit gebrochen hatten, lebendig begraben. Später hat man auch Ehebrecherinnen und Kindsmörderinnen so bestraft. Dabei wurde der oder die Verurteilte, meist im Stehen, in eine Nische eingemauert und erstickte. Zur Strafverschärfung soll gelegentlich sogar ein Spalt in der Mauer offen gelassen worden sein, sodass der oder die Unglückliche nicht erstickte, sondern mangels Flüssigkeit und Nahrung einen langen, qualvollen Tod zu erleiden hatte. Vermutlich aber wurde diese Hinrichtungsmethode nur sehr selten verhängt, es existieren auch nur wenige Quellen dazu.
Sehr wohl aber ist dokumentiert, dass Nonnen und Mönche, die das Keuschheitsgelübde gebrochen hatten oder aus dem Kloster fliehen wollten, eingemauert wurden. So entdeckte man am Eingang des Klosters Maulbronn in Baden-Württemberg das Gerippe eines eingemauerten Menschen. Im Jahre 1498 soll im Minoritenkloster zu Villach der Klosterkoch eingemauert worden sein, weil er den Guardian1 vergiftet hatte. Die Constitutio Criminalis Carolina, das Strafgesetzbuch Kaiser Karls V., schrieb bei boshafter und heimlicher Tötung eines Kindes die Strafe des Lebendigbegrabens, der Pfählung oder des Ertränkens vor. So steht im „Geschichtlichen Verzeichnis öffentlicher Hinrichtungen in Zittau (Sachsen) von 1300 – 1774“ zu lesen, dass 1514 eine Weibsperson von Reichenau lebendig begraben worden wäre, die ihr neugeborenes Kind erwürgt und anschließend in einen Teich geworfen hatte. Zar Peter I. der Große, bekanntlich sehr phantasievoll in Sachen Hinrichtungen, griff 1702 die bewährte Praktik des Begrabens bei lebendigem Leibe wieder auf und ließ auf diese Weise eine Gattenmörderin bestrafen.
Auch in Wien, so eine dunkle Legende, soll es im Mittelalter einen Fall gegeben haben, bei dem eine Jungfrau eingemauert wurde. Der Schriftsteller Moriz Bermann (1823 – 1895) hat uns diese seltsame Geschichte hinterlassen, die sich seinen Schilderungen zufolge in der Pippingerstraße (heute Annagasse in der Inneren Stadt) abgespielt hat. Wie diese Straße zu ihrem Namen kam, erzählt eine alte Wiener Sage:
Im Jahre 1226 soll Neidhard der Pippinger, ein angesehener Wiener Bürger, voll des Mutes beim Babenbergerherzog Leopold VI., dem Glorreichen, höchstpersönlich vorgesprochen haben. Sein Anliegen: Der Landesfürst hätte den Flandrensern2 so viele Rechte eingeräumt, dass die Wiener Kaufleute ihre Handelsgeschäfte ernstlich bedroht sehen würden. Auch wollten die Fremden ihre Schulden nicht begleichen. Durch die Fürsprache Meister Pippingers löste sich die Angelegenheit in Wohlgefallen auf und so wurde ihm zu Ehren die Straße, in der er ein prächtiges Haus besaß, nach ihm benannt.
Rund 100 Jahre später bewohnte sein Nachfahre Albrecht Pippinger das Anwesen. Er soll ein sehr herrschsüchtiger Mann voll Zorn und Unzufriedenheit gewesen sein. Die unangenehmen Eigenschaften Pippingers wurden mit dem Alter nicht geringer. Wohin sein Starrsinn ihn schließlich führte, berichtet die folgende Erzählung, die auf Bermanns Überlieferung basiert und sich tatsächlich so oder so ähnlich zugetragen haben soll:
Albrecht Pippinger schmorte also in seiner hausgemachten Wut und konnte sich vor Rachegelüsten an nichts mehr erfreuen. Nicht die vielen Häuser, die der reiche Patrizier besaß, nicht die Straße, die seinen Namen trug, einfach nichts konnte sein Verlangen stillen. Das Einzige, was seine Gier nach Macht zu besänftigen vermocht hätte, blieb ihm verwehrt, nämlich Bürgermeister von Wien zu sein. Was ihn dabei besonders schmerzte, war die Tatsache, dass sein alter Freund Otto Wülfleinstorfer dieses Amt innehatte. Seit Otto 1319 von den Wiener Bürgern zum Oberhaupt der Stadt gewählt worden war, war das Band der Freundschaft zerrissen, welches die beiden seit frühester Jugend zusammengehalten hatte. Und nicht nur dem ehemals treuesten Freunde grollte er, sondern auch Ottos Sohn Wiprecht. Sogar ein Hausverbot im Pippingerschen Domizil wurde den beiden auferlegt. Die Dinge verkomplizierten sich, als Wiprecht und Anna, die Tochter Pippingers, sich ineinander verliebten.
Die Tragödie um Anna und Wiprecht
An einem milden Frühlingstag schlenderten zwei junge Männer, vom Stephansfreythof3 kommend, durch besagte Pippingerstraße. Der Ältere hatte ein wohlgeformtes, von dunklen Locken umrahmtes Gesicht. Seine kräftige Gestalt strahlte Entschlossenheit, unbeugsamen Mut und Eleganz aus. Die Kleidung, der damaligen Mode entsprechend ein Wams4 aus edlem Stoff, gebauschte Hosen, schwarz glänzende Schuhe und ein rotes Barett mit weißer Feder, deutete auf erlesene Herkunft hin. Wiprecht Wülfleinstorfer hieß der junge Mann, Sohn des Bürgermeisters von Wien.
Der andere war etwas kleiner und jünger. Freude und Heiterkeit kennzeichneten sein Wesen, seine aufgeweckten Augen sprühten vor Lebenslust. Die weißen Beinkleider aus feinstem Tuche reichten ihm bis zu den Schnabelschuhen. Der Überwurf an der rechten Schulter und die schwarzsamtene Kappe verstärkten den Eindruck, aus ebenso noblem Hause zu stammen wie sein Begleiter.
Wien am Ausgang des Spätmittelalters: Ansicht von Süden mit dem Kärntner Tor. Zeichnung von Wolf Huber, 1530.
Das noble Haus war jenes des erwähnten Griesgrams, der Jüngling, Friedrich Pippinger, dessen Sohn. Dass der strenge Vater ihm den Umgang mit Wiprecht verboten hatte, hinderte ihn keineswegs daran, die brüderliche Freundschaft weiterhin zu pflegen.
Die Sorgenfalten auf der Stirn seines Freundes veranlassten Friedrich, sich nach dem Grund von dessen Betrübnis zu erkundigen. Und wie er es bereits geahnt hatte, ging es um seine Schwester Anna Pippinger, welche die meiste Zeit traurig und mutterseelenallein in ihrem Zimmer zubrachte und der es kaum gestattet wurde, das Haus zu verlassen.
Wiprechts und Annas Herzen waren, wie erwähnt, füreinander entflammt, doch wusste Wiprecht trotz seiner Courage nicht, wie er es anstellen könne, den strengen Vater um die Hand seiner Tochter zu bitten. Da die Liebenden sich lange nicht gesehen hatten, arrangierte Friedrich ein Treffen im großen Garten beim „Karnerthor“5, welcher sich im Eigentum der Familie Pippinger befand. Dort sollten die Liebenden Gelegenheit haben, ein Stündchen zu plaudern, während er aufpassen wollte, dass niemand sie störte. Mit dieser Abmachung verabschiedeten sich die zwei, drückten sich die Hände und machten sich auf den Weg nach Hause.
Der heißersehnte Nachmittag tat das seine dazu, um der Minne gerecht zu werden. Ein laues Lüftchen strich durch die Blätter, die Blumen streckten der Sonne wohlwollend ihre Köpfchen entgegen, der Blütenduft erfüllte Leib und Seele. Als Wiprecht die Gartentüre öffnete, erwartete ihn sein Freund bereits und wies ihm den Weg zu seiner Schwester.
Beflügelten Schrittes marschierte Wiprecht den Pfad entlang. Je näher er sich auf sein hehres Ziel zubewegte, desto heftiger pochte ihm das Herz. Und endlich sah er sie unter der Linde sitzen. Ein blaues Kleid, ein weißer Schleier, ein anmutiges Gesicht, von blondem Haar umgeben. Er stürzte sich zu ihren Füßen, küsste inniglich ihre zarten Hände und setzte mit bebender Stimme an, ihr Wohl zu erkunden.
Eine Stunde lang schwelgten sie im höchsten Glück. Die Sorgen waren einen langen Augenblick verflogen, bis Friedrich sie bedauerlicherweise zum Abschied gemahnte.
So wiederholten sich die Zusammenkünfte unter dem Schutz des Bruders. Dann kam der Tag heran, der alles ändern sollte. Mit unheilverkündendem Blick überbrachten die Geschwister Wiprecht die Nachricht, dass Anna schon bald mit einem anderen Mann vermählt werden sollte. Betroffen spazierten die drei im Garten auf und ab, bis endlich der junge Wülfleinstorfer die angespannte Stimmung durchbrach und einen eben gefassten Plan verkündete. Vielleicht gelang es mit Hilfe seines Vaters, den alten Pippinger umzustimmen.
Der Bürgermeister kommt der Bitte seines Sohnes nach und versucht beim alten Pippinger sein Glück, allerdings mit wenig Erfolg. Albrecht Pippinger war gerade in Gedanken vertieft, als es an der Tür klopfte. Herein trat Otto Wülfleinstorfer. Pippinger zuckte vor Schreck zusammen, begrüßte seinen einstigen Freund spöttisch und würdigte ihn keines weiteren Blickes mehr. Der Bürgermeister fasste sich ein Herz und brachte ihm sein Anliegen vor. Ob es nicht endlich an der Zeit wäre, den alten Groll zu begraben und dem Glück der beiden Kinder nicht im Weg zu stehen, die ihre Liebe vor dem Altar besiegeln wollten.
Pippinger, der bisher von nichts eine Ahnung hatte, sprang vor Entsetzen auf und schrie dem Bittsteller seinen Hass ins Gesicht. Die Abfuhr war unmissverständlich:
Eh’ will ich meine Tochter vermauert sehen, in einem Kloster, eh’ ich sie eurem Sohne gebe; eh’ will ich meinen einzigen Sohn, die Hoffnung meines Alters, mein Liebstes, Höchstes hier auf Erden, zerschmettert seh’n zu meinen Füßen, eh’ ich die Tochter eurem Sohne gebe; eh’ will ich einsam, lieblos, gehasst und gemieden von den Menschen in bitterer, unfruchtbarer Reue verkümmern, eh’ ich die Tochter eurem Sohne gebe!
Die Innenseite des Kärntner Tors. Foto aus dem Jahre 1850.
Starr vor Erschütterung über den entsetzlichen Schwur ging der Bürgermeister nun Richtung Türe, die ihm der Verbitterte wies, drehte sich noch einmal um und verabschiedete sich mit den Worten:
Ich gehe, doch hört mein letztes Wort. Verhüte Gott, dass Euer Eid zur Wahrheit werde. – Ich wünsch’ Euch’s nicht!
Wenige Tage später wurde Anna ins Kloster „Zur hl. Agnes“ gebracht.6 Durch die hohe Mitgift, die Pippinger bezahlte, wurde das Noviziat übergangen und Anna gleich zur Nonne geweiht.
Anna will sich jedoch mit ihrem Schicksal nicht abfinden, es kommt zu heimlichen Treffen hinter Klostermauern.
Bei einem der seltenen Besuche, die Friedrich seiner Schwester abstatten durfte, erkundigte er sich danach, wo sich die Zelle befinde, die sie bewohnte. Er drückte ihr eine seidene Schnur in die Hand und ersuchte sie, diese um Mitternacht, sobald sie den Ruf der Wachtel vernehmen würde, beim Fenster hinabzulassen.
Schlag zwölf stand Wiprecht vor den düsteren Mauern des Chorfrauenklosters zur hl. Agnes. Alle Fenster waren verdunkelt, nur aus dem letzten im 2. Stock rechts neben der Pforte leuchtete ein matter Schein. Mit seinen Händen imitierte er das Gurren der Wachtel, worauf Anna die seidene Schnur herunterließ. Daran knüpfte Wiprecht nun die mitgebrachte Strickleiter und kletterte zu seiner Angebeteten empor. In ihrer Kammer angekommen, zog er die Leiter hoch und umarmte sie erleichtert. Bis Sonnenaufgang genossen die beiden das Zusammensein im Wechselbad der Gefühle. Zwischen Freudentaumel und bitteren Tränen versprachen sie sich ewige Liebe.
Monatelang führten sie diese geheimen Treffen weiter, bis in einer regnerischen Nacht der unglückselige Galan vergaß, die Leiter hochzuziehen. In der Klosterpforte hockte Schwester Beatrix, die Pförtnerin. Bermann beschreibt sie als alte, hässliche Megäre, gefürchtet und gehasst von allen Inwohnerinnen des Klosters ob ihrer bösen, scharfen Zunge. Alles, was jung und schön war, soll ihr zutiefst zuwider gewesen sein.
Als das Plätschern des Regens aufhörte, ging sie vor die Tür, um nachzusehen, ob das Unwetter nachgelassen hatte. Da erblickte sie die Strickleiter, die in Annas Zimmer führte. Neugierig schlich sie die Treppen hinauf und presste ihr Ohr an die Zellentüre der unfreiwilligen Nonne. Sie vernahm die Stimme eines Mannes und hörte, wie dieser beruhigend auf Anna einredete, dass es nur noch drei Tage dauern würde, bis er sie aus den Mauern des finsteren Klosters befreien könne. Mit höllischer Freude suchte Schwester Beatrix gleich am frühen Morgen die Äbtissin auf und erstattete ihr Bericht über das unerhörte nächtliche Treiben.
In der folgenden Nacht überzeugte sich die Oberhirtin persönlich vom Frevel, der in ihren heiligen Hallen stattfand. Sofort informierte sie Albrecht Pippinger über die Schande, die anscheinend schon seit längerer Zeit hinter ihrem Rücken begangen wurde. Ferner teilte sie ihm mit, welch hartes Strafgericht über die Sünderin aufgrund des Vergehens verhängt werden würde. In Klöstern werde dergleichen mit Einmauern bei lebendigem Leibe geahndet, klärte sie ihn auf. Der Alte, dessen absonderliche Gefühlswelt soeben einen neuerlichen Zusammenbruch erlitt, gab prompt sein Einverständnis. Für ihn war seine Tochter bereits in diesem Moment gestorben.
Indes überbrachte Wiprecht seiner Geliebten eine Knabenkleidung, die sie in der Fluchtnacht anziehen sollte. Friedrich werde sie beide mit einer Kutsche beim Kärntner Tor erwarten, mit der sie dann Richtung Süden fliehen würden, instruierte er sie. Dann sollte einer gemeinsamen Zukunft nichts mehr im Wege stehen.
Eine stürmische Nacht soll es gewesen sein, in der sich diese Romeo-und-Julia-Geschichte aus dem alten Wien dramatisch zuspitzte: Anna Pippinger stand im Knabenkostüm am Fenster und wartete ungeduldig auf die Stunde ihrer Erlösung. Kaum ertönte der Schlag der Wachtel, ließ sie die Strickleiter hinab und hörte eine leise Stimme, die sich vergewisserte, ob sie bereit sei. Gerade als sie antworten wollte, wurde die Zellentüre aufgerissen, eine dunkle Gestalt sprang auf sie zu und durschnitt den Strick mit einem Messer. Der Retter verlor das Gleichgewicht, versuchte sich mit aller Kraft am Fenstersims festzuhalten und einen Stützpunkt für seine Füße zu finden. Der alte Pippinger, der diese dunkle Gestalt war, zückte abermals sein Messer und hieb auf die Finger ein, die krampfthaft das Fensterbrett fumklammerten. Ein gellender Schrei, ein dumpfer Aufschlag auf den Boden, dann war Stille.
Anna verlor das Bewusstsein. Man brachte die Ohnmächtige ins Refektorium und band sie auf einem Sessel fest. Langsam öffnete sie die Augen und sah einen schwarz verhängten Tisch vor sich, um den die Äbtissin, zwölf Schwestern und der alte Pippinger Platz genommen hatten. Es waren sich alle einig, dass eine Nonne, welche den Treueschwur gegenüber dem Herrn gebrochen hatte, nichts anderes verdiene als den Tod. Von tiefster Verzweiflung erfasst, flehte Anna ihren Vater an, ihr doch zu helfen. Dieser entgegnete jedoch lakonisch, er kenne sie nicht. Dann übernahm die Oberin wieder das Wort und sprach aus, was alle schon voll Arglist ersehnten:
Wenn sie, baar aller Scham, ein Pfand des losen Thuns auf diese Welt zu bringen droht, so werde sie sammt jener schon im Mutterleib verfluchten Sündenfrucht zur Strafe bei lebendigem Leibe eingemauert!
Die Annagasse anno 1899. Foto von August Stauda. Als „Pippingerstraße“ wird sie 1290 erstmals urkundlich erwähnt.
Damit erhob sich das barbarische Tribunal und das schauderhafte Prozedere nahm seinen Lauf. In einem feierlichen Fackelzug, bei dem unablässig gebetet wurde, führte man Anna die Stiegen hinunter in den Keller. Vor einer Nische in der Wand hielt die Prozession inne. Mörtel, Kelle und ein Stoß Ziegel standen schon bereit. Zwei Schwestern packten die Verurteilte an den Händen und ketteten sie an zwei Eisenringen an, die in der Mauernische befestigt waren. Dann begannen sie, Stück um Stück die Steine aufeinanderzulegen, ohne auf das Flehen und Betteln der jungen Frau zu reagieren. Geflissentlich beendeten sie ihr Werk.
Endlich drang ein letzter Satz durch die Wand: „Wiprecht, ich komme!“ Für mehr reichte der Atem nicht mehr, die Luft war aufgebraucht. Anna hauchte ihr unglückliches Leben aus.
Unbeeindruckt machte sich nun der alte Pippinger auf zur Pforte, um den Toten mit Genugtuung zu betrachten. Er drehte den Leichnam um und blickte in ein blutüberströmtes junges Männergesicht, die glasigen Augen standen weit offen und starrten zum Himmel. Albrecht Pippinger stockte plötzlich der Atem, es durchfuhr ihn ein Schmerz, wie er ihn bisher noch nie erlebt hatte.
Der Tote, der zerschmettert zu seinen Füßen lag, dessen Tod er selber herbeigeführt und dem er zuvor mit seinem Messer noch die Finger durchgetrennt hatte, war Friedrich Pippinger, sein einziger, sein heißgeliebter Sohn!
1
Vorsteher eines Franziskaner-, Minoriten- oder Kapuzinerkonvents
2
Das Flandrenserprivileg ist die älteste Urkunde im Wiener Stadt- und Landesarchiv. Sie wurde 1208 von Herzog Leopold VI. für die in Wien lebenden Tuchfärber aus Flandern (genannt Flandrenser) ausgestellt. Die Tuchfärberei war ein sehr gewinnbringendes Gewerbe. Die Gewährung von Vorrechten sollte die Ansiedlung von Tuchfärberei-Betrieben in Wien fördern. (Wiener Stadt- und Landesarchiv)
3
Friedhof vor dem Stephansdom. Wurde 1732 gesperrt und 1783 aufgelöst.
4
Jacke
5
Später Kärntnertor. Bestand seit der Babenbergerzeit. Wurde mehrmals umgebaut und Richtung Vorstadt verschoben. Mitte des 19. Jh. abgerissen.
6
Das Agnes-Kloster, später auch Kloster „Zur Himmelspforte“ genannt, befand sich im Bereich der heutigen Rauhensteingasse/Himmelpfortgasse.
„Ketzern“ und „Hexen“ drohte der Tod auf dem Scheiterhaufen. Zeichnung von Vinzenz Katzler.
SCHEITERHAUFEN LODERN AUF DER GÄNSEWEIDE
Die Feuertode des „katholischen Rabbiners“ Chaim Engelberger und der „Hexe“ Elsa Plainacher
Tausende Touristen zieht es jährlich in den 3. Bezirk Landstraße, um den farbenfrohen Gemeindebau des Künstlers Friedensreich Hundertwasser zu begutachten. Es ist heute schwer vorstellbar, dass sich in dieser heiter gestimmten Umgebung einst eine der bekanntesten Richtstätten Wiens befand: die sogenannte „Gänseweide“. Ab dem 14. Jahrhundert wurden hier die Delinquenten bei lebendigem Leib am Scheiterhaufen verbrannt. Zum Feuertod wurden z. B. Meineidige oder Sodomiten1 verurteilt, vorwiegend aber „Ketzer“, Juden, „Hexen“ oder „Zauberer“; also Menschen, von denen man meinte, dass von ihnen Gefahr für den Glauben und die Kirche ausginge. Nur durch das Verbrennen zu Asche könnten Dämonen zerstört und die Auferstehung des Fleisches am jüngsten Tag verhindert werden, so der Klerus. Zur Sicherheit wurde die Asche der armen Sünder verstreut – nichts sollte von den Abtrünnigen erhalten bleiben. Wenn der Delinquent „Glück“ hatte, erbarmte sich der Scharfrichter und erdrosselte ihn oder band ihm ein Säckchen mit Schwarzpulver um den Hals, welches, sobald es mit den Flammen in Berührung kam, explodierte. Dies musste natürlich im Geheimen geschehen, da das Publikum nicht um den „Genuss“ gebracht werden durfte, einen Menschen brennen zu sehen.
Die erste Shoa in Wien
Kaum jemandem fällt die kleine Tafel am Hundertwasserhaus auf, die an die Massentötung von Juden auf der Gänseweide im Jahre 1421 erinnert. Über 200 Wiener Juden fielen damals der Verfolgung durch Herzog Albrecht V. zum Opfer; in einigen Quellen werden auch 10 oder 400 Menschen genannt. Diese „große Katastrophe“2 ging unter der Bezeichnung „Wiener Geserah“3 in die Geschichte der Stadt ein; die Motive des Landesfürsten für dieses beispiellos grausame und rechtlich längst nicht mehr gedeckte Vorgehen sind ungeklärt. Aus dem „Judenregal“, dem landesfürstlichen Privileg, für den Schutz der Juden Abgaben und Steuern lukrieren zu können, hatten die Habsburger Jahr für Jahr beträchtliche Summen angehäuft.
Nach diesem Pogrom gaben die Juden Österreich den Namen „das blutgetränkte Land“ (Erets ha-Damim) und Wien wurde als „die Stadt des Blutes“ (Ir ha-Damim) bezeichnet. Eine skandalöse lateinische Inschrift am Haus Judenplatz Nr. 2, das nach seinem ehemaligen Besitzer Georg Jordan den Hausnamen „Zum großen Jordan“ trägt, erinnerte lange Zeit hindurch an diesen Massenmord. Die Inschrift, in der von „Verbrechen der Hebräerhunde“ die Rede ist, wurde 1998 durch eine weitere Gedenktafel ergänzt, auf der erstmals selbstkritisch die Täterschaft der Christen Wiens eingestanden wird.
Gedenktafel für die Opfer der Judenverfolgung von 1421 am Haus Kegelgasse 40.