Kitabı oku: «Dunkle Geschichten aus dem alten Wien», sayfa 3
Chaim Engelberger
Am 26. August 1642 wurde auf der Gänseweide der Rabbiner Chaim Engelberger verbrannt. Dass er zum Katholizismus konvertiert war, hat ihm leider nichts genützt. Anlässlich seiner Hinrichtung wurde in Wien eine antijüdische Flugschrift verteilt, auf der ein mehrstrophiges Lied abgedruckt war, das über den Leidensweg dieses Juden und zweier Schicksalsgenossen genauestens berichtete. Hier die ersten beiden Strophen:
Wahrhaftige Beschreibung von drey verurtheilten Juden
Ach wunder über wunder
ihr lieben Christenlein
will ich singen jetzunder
was sich in kurtzer zeit
wahrhafftiglich begeben und
zugetragen hat
zu Wien in Österreich eben
in der Kayserlichen Hauptstatt.
Als man schreibt 1642. Jahr
im Augusti besonder
den 26. Tag fürwar
wie es mit drey Juden ergangen und zugetragen hat
nun höret mit vergangen
ein wunderliche That.
Der in Böhmen geborene Rabbiner Chazzim aus Engelberg (auch die Versionen „Chaim“ oder „Joachim“ finden sich in manchen Büchern) wurde beim Silberdiebstahl in einer Prager Synagoge ertappt. Um sich nicht mit negativen Konsequenzen zu belasten, ließ er sich 1636 taufen und nannte sich fortan Ferdinand Franz Engelberger. Er lebte nun als Katholik in Wien und verfasste Schriften zur „Judenmission“ wie Der Catholische Wegweiser oder Generationes Jesu. Leider konnte er trotz Konversion nicht von seiner kleptomanischen Leidenschaft ablassen, was ihm schließlich zum Verhängnis wurde.
Engelberger hatte gute Beziehungen zum kaiserlichen Hof, was ihm ermöglichte, sich Zugang zur habsburgischen Schatzkammer zu verschaffen. Mit zwei jüdischen Komplizen erbeutete er diverse Kleinodien der Erzherzogin Caecilia Renata (161 – 1644), einer Tochter Kaiser Ferdinands II., und entwendete ferner 21.000 Taler.
Der Diebstahl flog auf und alle drei wurden zum Tod durch den Strang verurteilt. Die Exekution war für den 22. August geplant und sollte am Hohen Markt stattfinden. Als Engelberger merkte, dass ihm in dieser prekären Situation auch die Taufe nichts mehr nützte, bekannte er sich neuerlich zum Judentum und wies bar jedweden Respekts darauf hin, dass er Hostien besudelt habe. Dann küsste er angeblich das Kruzifix, warf es mit Grimm auf den Boden, trat es mit den Füßen und bespuckte es, wobei er die Worte: Ach mein lieber Herr Jesu sprach. Auch über Dreifaltigkeit und Sakrament soll er gespottet haben.
Zwei Verbrechen wurden ihm nun vorgeworfen, die in dieser Zeit wesentlich schwerwiegender waren als Raub, nämlich Gotteslästerung und der Abfall vom Christentum. Diesen Vergehen gegenüber herrschte eine unerbittliche Haltung, wie die folgende Erklärung von Papst Paul IV. (1476 – 1559) offenbart: Selbst wenn mein eigener Vater ein Häretiker wäre, würde ich das Holz für seinen Scheiterhaufen sammeln, um ihn zu verbrennen. Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle, dass Paul IV. mit der berüchtigten Bulle Cum nimis absurdum, die 1555 veröffentlicht wurde, auch die antisemitische Hetze weiter angeheizt hat.
Die Hinrichtung wurde abgebrochen. Die unmittelbaren Leidtragenden von Engelbergers Verhalten waren die Angehörigen der Wiener jüdischen Gemeinde – Studenten und der gemeine Pöbel nahmen wieder einmal die Gelegenheit wahr, um ihren Hass auf die Juden auszuleben: Zahlreiche Häuser jüdischer Bewohner wurden geplündert, einige Juden wurden bei diesem Tumult sogar ermordet. Damit es zu keinen weiteren Ausschreitungen kam, wurden am nächsten Tag Wachposten aufgestellt.
Engelberger musste heimlich in der Nacht ins Gerichtsgebäude gebracht werden, damit das Volk ihn nicht lynchte. Es wurde ihm erneut der Prozess gemacht. Beharrlich blieb er bei seiner Geisteshaltung, dass er den Juden zum Ruhm, den Christen aber zum Spott gethan. Damit erfüllte sein Vergehen den Tatbestand der Blasphemie und sein trotziges Gebaren brachte ihm ein verheerendes Urteil ein.
Am 26. August 1642 wurde er im „Hohen Wagen“ auf die vier Hauptplätze der Stadt geführt. Zuerst auf den Hohen Markt, dann auf den Platz Am Hof, von hier weiter zum Graben und zuletzt auf den Neuen Markt. Zweimal wurde Engelberger mit glühenden Zangen in die Brust gezwickt und zweimal wurden Riemen4 aus seinem Rücken geschnitten. Während der Fahrt soll er vor Schmerzen fürchterlich geschrien haben: Gott, der du nie geboren bist, erbarm dich meiner!
Anschließend schleifte man den „Gottlosen“ auf die Gänseweide. Auch der Zuspruch der Jesuitenpatres, die ihm das letzte Geleit gaben, konnte ihn nicht von seiner vermaledeyten Verstockung abbringen, wie in dem erwähnten Flugblatt, dem der gesamte Ablauf der Causa Engelberger zu entnehmen ist, berichtet wird. Vor dem Scheiterhaufen wurde ihm zunächst die rechte Hand abgeschlagen, dann die Zunge ausgerissen. Die unmenschliche Amtshandlung wurde damit beendet, dass man Chaim Engelberger an den Füßen aufhängte und ihn bei lebendigem Leib den lodernden Flammen übergab. Dann wurde seine Asche in die Donau gestreut.
Zur Vervollständigung sei hier noch die Rechnung5 angegeben, die der Henker für seine blutigen Dienste stellte:
Für das Auszwicken der Brüste mit glühenden Zangen 12 kr; für Riemenschneiden 12 kr;
auf die Schleife binden 30 kr;
Handabschlagen und Zungenausschneiden 30 kr;
bei den Füßen aufhängen 40 kr;
das lebendig Verbrennen 1 fl. 30 kr;
„Warhaffte und erschröckliche Zeitung“: der Fall des „gottlosen Juden“ Chaim Engelberger erregte 1642 großes Aufsehen.
In Gedenken an Chaim Engelberger
An der Schranne, dem alten Gerichtsgebäude von Wien, das sich bis ins 19. Jahrhundert an der Ecke Hoher Markt/Tuchlauben befand, waren links und rechts vom Eingang zwei Tafeln angebracht, die ebenfalls nicht mehr existieren. Sie erzählten die tragische Geschichte des Rabbiners Chaim Engelberger:
Anno 1642: Joachim Engelberger, ein jüdischer Rabiner, in Böhaimb zu Rackonitz6 getauft, und als ein Christ Ferdinand Franz genannt, hernach neben zweyer Juden in Diebstahl ertappt, und zum Strang verdambt, ist nach verlesenen Urtheil von dem sitzenden Gericht und allem Volk von Christo zu der Judenschaft widerumb abgefallen, und hat das Heil. Cruzifix grimmilich zur Erden geworfen, die Heil. Dreyfaltigkeit und das Heil. Sakrament des Altars grausam gelästert, sogar dasselbe aus seinem Mund abscheulich vertilgen wollen.
Dahero er von neuem in Gefängniß geführt, wohl examinirt, und mit gerechtem Urtheil verdammt, und crafft desselben auf vier Plätzen zweymal mit glühenden Zangen gezwickt, zweymal Rüemen aus seinem Rückhen gerissen, von dannen auf die Richtstatt, auf die Gennßwaid geschlaippft, ihme die rechte Hand abgehauet und die Zungen aus dem Rachen gerissen, sodann mit den Füßen aufgehenkt, lebendig verbrennet und die Aschen in die Donau gestreuet worden.
Eine „Hexe“ auf dem Scheiterhaufen
Die einzige „Hexe“, die auf der Gänseweide verbrannt wurde, war die im niederösterreichischen Mank wohnhaft gewesene und um 1513 in Pielamund geborene Kleinhäuslerin Elisabeth „Elsa“ Plainacher, geborene Holtzgassner. Nachdem ihre Tochter Margareth im Kindbett verstorben war, kümmerte sie sich um die Erziehung ihrer Enkeltochter Anna Schlutterbauer. Mit ihrem Schwiegersohn, dem Bauern Georg Schlutterbauer aus Strannersdorf, verstand sie sich gar nicht. Der zu Gewalttätigkeit und Alkoholexzessen neigende Katholik warf seiner lutherischen Schwiegermutter vor, Annas Wutanfälle, die sie in der Pubertät entwickelte, seien auf ihre protestantische Erziehung zurückzuführen, außerdem richte sie das Mädchen für den Teufel ab – tatsächlich litt das schwachsinnige Mädchen wohl an epileptischen Anfällen. Er hielt diese Anfälle für Besessenheit und ließ seine Tochter mehrmals exorzieren. Bei der„Teufelsaustreibung“ vom 14. August 1583, die das 15-jährige Mädchen über sich ergehen lassen musste, sollen, laut der aufmerksamen Zählung des Jesuiten Becker, 12.526 Teufel aus ihrem Leib gefahren sein. Der „Oberteufel“ stellte sich angeblich sogar mit seinem Namen vor: Legio.
Dieses seltsame Mirakel wurde durch den ebenso geschwätzigen wie gefährlichen, aus Schwaz in Tirol stammenden Jesuiten und Hofprediger Dr. Georg Scherer (1540 – 1605), Domprediger von St. Stephan, von der Kanzel aus unter die leichtgläubigen Leute gebracht:
Christus und die Apostel haben die Teuffel gescholten, ihnen gedröwet, und mit allem ernst gebotten außzufahren: Eben das ist da auch geschehen. Man hat zur Apostelzeit die Heylthumb auffdie Beseßnen gelegt, eben das ist auch mit dieser Besessnen geschehen. Die Teyffel haben auffdas Gebieten Christi und der Apostel geschrien, und sein mit großem Geschrey und umgestümb außgefahren. Daß man die Beseßnen für todt eine Zeitlang umbgezogen: Eben das hat man bey disem entsetzlichen Spectackel gesehen und gehöret. Die Teuffel seind gepeinigt, gemartert und gequelet worden in den Beseßnen, durch Christi und der Apostel Wort: Also haben auch diese Teuffel Och und Auwehe auß dem Mägdlein geschrien zu der Zeit, da man den Göttlichen Namen ober sie angeruffen.
Scherer hetzte nun gegen die „Plainacherin“, schon zuvor hatte der Druck der Öffentlichkeit die Obrigkeit zum Handeln gezwungen: Erzherzog Ernst persönlich beauftragte im Mai 1583 Johann Caspar Neubeck, den Bischof von Wien, mit dem Fall, der darin nun ein höchst unrühmliche Rolle spielen sollte. Denn Neubeck war es, der nun empfahl, Elsa, die angebliche „Verursacherin“ der Leiden Annas, festzunehmen. Wie Anna Ehrlich in ihrem Buch Hexen, Mörder, Henker berichtet, brachte man daraufhin die 70-Jährige unter allen bei „Hexen“ üblichen Vorsichtsmaßnahmen nach Wien, wo sie vom Wiener Stadtrichter Oswald Huttendorfer vernommen wurde, der sich zunächst für ihre Aufnahme ins Bürgerspital einsetzte. Huttendorfer musste dann aber auf kaiserlichen Befehl hin die Folter zur Anwendung bringen. Der alten Frau wurden gleich mehrere Verbrechen zur Last gelegt: zauberische Schädigung ihrer Enkelin, dazu noch (Gift)Mord an ihrem seit langem verstorbenen Mann und an ihren vier Kindern, ferner Verbrechen gegen die göttliche Majestät und Verachtung des Schöpfers.
Elsa Plainacher wurde im Keller des Malefizspitzbubenhauses in der Rauhensteingasse schwer gefoltert; in der ersten Stufe der Tortur betritt sie noch, etwas über die Ursache der Krankheit ihrer Enkelin zu wissen, als man die Folter jedoch verschärfte, „gestand“ sie, was man von ihr hören wollte, samt Hostienschändung und allem, was ins Repertoire von „Zauberinnen“ nach Meinung der katholischen Kirche gehörte: Ja, sie hätte es mit dem Teufel getrieben und sich ihm für Geld verschrieben. Und sie hätte ihm auch Anna mit „Leib und Seele“ übergeben – der Teufel sei in einen Apfel geschlüpft, den Anna gegessen habe. Von diesem Augenblick an wäre sie von ihm besessen gewesen.
Das Böse wird den Menschen ausgetrieben: Exorzismus an einer Frau, die ihre Eltern und ihr Kind getötet hat. Darstellung am Großen Mariazeller Wunderaltar, 1519.
Gegen seine persönliche Überzeugung musste Stadtrichter Oswald Huttendorfer mit dem „Rat der Zwölf“ am 20. August 1583 das Todesurteil über Elsa Plainacher aussprechen. Auf der Freitreppe an der Schranne wurde coram publico der Stab über ihrem Haupt gebrochen.
Am 27. September 1583 wurde Elsa Plainacher an den Schweif eines Pferdes gebunden und auf ein paar festgenagelte Bretter geschnürt, zum Scheiterhaufen nach Erdberg geschleift, verbrannt und ihre Asche von den Winden zerstreut, damit nicht zu besorgen wäre, dass die Leiche, falls man sie nicht spurlos vertilgte, noch aus dem Grabe heraus neues Unheil heraufbeschwöre. So steht es im Buch Im Zeichen der Grausamkeit von Schlager und Fuhrmann.
Das betreffende Protokoll schließt mit dem Vermerk, dass die Hinrichtung der Plainacherin beim Volke großen Beifall fand. Kaiser Rudolf II., der dem Okkultismus höchst zugetan war, gab von Prag aus die Anordnung, die Jagd nach „Hexen“ und „Zauberern“ fürs Erste gut sein zu lassen.
Über das weitere Schicksal der Anna Schlutterbacher gibt es unterschiedliche Berichte. Einer Version zufolge soll sie als „Kopfwäscherin“ in einer Badestube ihren Lebensunterhalt verdient haben, nach anderen Aufzeichnungen fand sie bei den Dominikanerinnen in St. Laurenz Zuflucht.
Der Jesuit Georg Scherer hetzte weiter gegen Lutheraner, Juden und „Hexen“, bezeichnend sein Ende: Während einer Predigt in Linz anno 1605 trifft ihn auf der Kanzel der Schlag.
1
Der Begriff „Sodomit“ wurde früher nicht nur für Menschen, die Tiere sexuell missbrauchen, verwendet, sondern auch für Homosexuelle.
2
Hebräisch: Shoa
3
Hebräisch: Verhängnis
4
Hautstreifen
5
Die Abkürzung „kr.“ steht für Kreuzer; „fl.“ steht für Gulden und kommt von der mittelalterlichen Münze Florin, die in Florenz zum ersten Mal geprägt wurde.
6
Tschechisch: Rakovnik; Stadt in Mittelböhmen.
Der „Inhalt seines Verbrechens“ wird noch einmal geschildert: das Todesurteil gegen Franz Zahlheim.
EIN MÖRDER AUS GUTEM HAUS
Die letzte Räderung in Wien
Der Bürgermeister von Wien in den Jahren 1737 bis 1740 hieß Johann Adam von Zahlheim. Den Namen „Zahlheim“ (oder auch „Zahlheimb“ geschrieben) brachten die Wiener aber in erster Linie mit einem anderen Mann in Verbindung. Und zwar mit des Bürgermeisters Neffen, der in seinem kurzen Leben eindeutig mehr Berühmtheit erlangte als der Onkel. Bis ins 19. Jahrhundert sprach man noch von seinem Schicksal. Franz de Paula Zaglauer von Zahlheim dürfte schon als Kind eher schwierig gewesen sein und wurde von einem Zeitgenossen als ein äußerst leichtsinnig, und kolerischer Junge, in allen seinen Leidenschaften heftig, immer aber mehr ein Spiel der düstern Affekten, nämlich: des Zorns, Furcht, Schwermuth … als der sanftern Empfindungen beschrieben. Sein Temperament, mit dem ihn die Natur in ihrem Grimme ausgestattet hatte, konnte durch Beibringung heilsamer Lehren, und durch eine geschickte Leitung zum Edeln gebildet werden: allein, die Hauptperson, die dies zu thun hatte, seine Mutter, ward ihm bei der Geburt entrissen. Der Vater, mit der alleinigen Erziehung des Buben überfordert, steckte ihn in eine Jesuitenschule, über die der frühliberale Publizist Johann Jacob Fezer (1760 – 1844) schrieb: Statt den Jünglingen gute, gesunde Grundsätze zu ihrer zukünftigen Wanderschaft zu geben, füllt man ihnen den Kopf mit allerley mönchischen Narren(s)possen voll, die ihnen um so mehr zum Gelächter werden, weil sie den ehrwürdigen Herrn Prediger, ein paar Minuten nach der Predigt, seinen eigenen Predigten schnurstraks entgegenhandeln sehen.
Die strenge Erziehung in dieser kleinen verlogenen Welt bewirkte keine positive Veränderung in Zahlheims Charakter. Mit Zwang und Ekel sah er sich an einem Orte eingeschlossen, fühlte sich von allen gering geschätzt und verachtet und schmachtete nach der Stunde der Befreyung wie ein abgeschiedener Geist. Nach seiner Knechtschaft bei den Jesuiten wurde der junge Mann endlich ins Leben entlassen. Es ist denkbar, dass sich seine Wesenszüge durch die jahrelangen gottesfürchtigen Unterweisungen scheinheiliger Priester zu großer Unsicherheit geformt hatten. Denn er schwankte stets zwischen Rebellion und Enttäuschung in Verbindung mit Arroganz. Sein Leben gestaltete er frei nach der Devise „Was kost’ die Welt!“ und pfiff fortan auf die guten Sitten. Sein Freundeskreis bestand zum Großteil aus schändlichen Kreaturen, mit denen er sich in den übelsten Spelunken herumtrieb.
Als k. k. Magistratsbeamter hatte er zwar kein schlechtes Einkommen, trotzdem reichte das Geld nie aus. Franz Zahlheim machte Schulden. Doch da er aus gutem Hause war, ein ebenso gutes Auftreten hatte und zudem den Frauen gefiel, half ihm die eine oder andere Geliebte gelegentlich aus der pekuniären Klemme.
Eine dieser Damen, mit der er ein Verhältnis hatte und die ihn finanziell unterstützte, war die um einiges ältere Josefa (Barbara) Ambrokin. Die 50-Jährige hatte ihr Leben lang als Dienstmagd und Prostituierte ihr Geld verdient und sich einiges angespart. Von ausgesuchter Hässlichkeit soll sie gewesen sein. Kein anderer Mann erbarmte sich ihrer baufälligen Schönheit außer Franz Zahlheim, der ihre Vorzüge im erwähnten „Angesparten“ erkannte. Auf über 1700 Gulden in Bankobligationen und 140 Gulden in silbernen Zwanzigern soll sich ihr mühsam erworbenes Kapital belaufen haben.
Acht Jahre währte die Verbindung, in der Josefa vergeblich auf ihre Hochzeit mit dem um 17 Jahre jüngeren Zahlheim hoffte. Die Schulden des Lebemannes hatten sich inzwischen trotz finanzieller Zuwendungen auf eine Summe angehäuft, die zu bezahlen er nicht mehr im Stande war. Seine Gläubiger brachten ihn zunehmend in Bedrängnis und wurden immer zudringlicher. Als sich letzten Endes die Schlinge in einem solchen Maße zuzog, dass er weder ein noch aus wusste, kam ihm der Gedanke, jemanden seines Vermögens zu berauben. Und wer würde sich dazu besser eignen als seine „Verlobte“?
Josefa Ambrokin wohnte am Salzgries. Dorthin begab sich Zahlheim und öffnete die Türe mit ihrem Schlüssel, den er ihr kurz zuvor heimlich entwendet hatte. Nach gründlichem Durchstöbern ihrer Wohnung wurde er bald fündig, nahm Münzen und Scheine an sich, tauschte die Obligationen an der Börse gegen Bargeld ein und beglich damit seine Außenstände. Ein bisschen was davon blieb sogar noch über und er begann sich schön langsam wieder als feiner Herr zu fühlen, der das Geld fröhlich mit beiden Händen um sich schleuderte. Sobald ihn seine Geliebte, die vom Diebstahl noch nichts bemerkt hatte, skeptisch auf seinen plötzlich so großzügigen Lebensstil ansprach, beschwichtigte er sie mit Eheversprechungen, um wieder für kurze Zeit seine Ruhe zu haben.
Wohl fühlte sich der Heiratsschwindler aber keineswegs. Die Angst schwebte über ihm wie ein Damoklesschwert. Über kurz oder lang würde Josefa entdecken, dass ihr gesamtes Vermögen fort war, und ihn als Ersten zur Rede stellen. Die Vorstellung, dass er des Raubes bezichtigt werden würde, und die Scham darüber, dass die Öffentlichkeit dies erfahren könnte, versetzten ihn in eine solche Panik, dass er letztendlich keinen anderen Ausweg mehr sah, als das Weibsbild aus der Welt zu schaffen.
Ein kaltblütiges Verbrechen
Am 29. Jänner 1786 frühstückte Franz Zahlheim bei Josefa am Salzgries und bat sie anschließend, ihm doch beim Aufräumen des Dachbodens zu helfen. Zahlheim bewohnte ein Haus auf der Elendbastei1, wohin ihn die hilfsbereite Frau begleitete und ihm auch vertrauensselig auf den Dachboden folgte. Als sie gerade vor einer Truhe niederkniete, zückte Zahlheim ein großes, scharfes Messer und schnitt ihr damit die Kehle durch.
Mittelalterliche Blutjustiz: das Rädern. Darstellung aus der Schweizer Chronik des Johann Stumpf, 1586
Besonders perfide erscheint die Tatsache, dass der Mörder am vorherigen Tag vorsorglich Ziegelmehl am Boden ausgestreut haben soll, um das Blut aufzutrocknen. Gleich im Anschluss an den Mord, bei dem das Opfer sich lange in höllischen Schmerzen gewunden haben soll, speiste er in aller Ruhe mit einem Freund, erzählte man sich in Wien. Laut Johann Jacob Fezer, der den Fall Zahlheim genau recherchiert und in seiner 1798 erschienenen Schrift Beweis, daß Zalheim als ein Opfer der Unwissenheit seiner Richter und durch Gewalt des Stärkern hingerichtet worden zu Papier gebracht hat, wurde bei der gerichtlich vorgenommenen Leichenbeschau allerdings etwas anderes festgestellt, als die Gerüchte über die langen Todesqualen besagten, nämlich daß die Schlund- und Luftröhren, dann die beiden Drossel-, Puls- und Blutadern ganz durchschnitten worden seyen, woraus der Tod unmittelbar erfolgen musste.
Auf dem Salzgries, um 1860.
Zwei Wochen blieb die Leiche unentdeckt, dann erst wurde Josefa Ambrokin vermisst. Die Hausmeisterin erzählte dem ebenfalls in diesem Haus wohnenden Polizeikommissär Fiebich, dass sie die Josefa schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen hätte, was ihr äußerst merkwürdig vorkäme. Fiebich veranlasste, der Sache nachzugehen, und erstattete aufgrund diverser Zeugenaussagen und Beweismittel Anzeige gegen Zahlheim. Der Liebhaber wurde zum Verhör vorgeladen und nach dem Verbleib der Ambrokin befragt. Zahlheim beteuerte, damit nichts zu tun zu haben. Als man die Leiche schließlich auf seinem Dachboden fand, gestand er das Verbrechen.
Bereits wenige Wochen nach der Tat stand das Urteil fest. Der Schriftsteller und Bibliograph Franz Gräffer hielt fest:
Als diesem Mörder am 6. März früh sein Tod angekündigt wurde, protestirte er zwar förmlich gegen diese Ungerechtigkeit, wie er sagte, und bediente sich dabei sehr unziemender Ausdrücke; drang darauf, alles zu Protokoll zu nehmen, welches dann dem Kaiser vorgelegt ward, und gebehrdete sich dabey wie ein Rasender. Aber als er nachher vernahm, dass keine Gnade für ihn zu hoffen sei, gab er sich willig darein, und bethete ohne Unterlaß mit den ihm beygegebenen zwey Augustiner-Mönchen.
Flugblatt über die „grausame Mordthat“ und Hinrichtung von Franz Zahlheim, 1786.
Joseph II. wollte Franz Zahlheim für seinen Meuchelmord besonders hart bestrafen, da bei ihm gleich mehrere Verbrechen zusammenkamen: Diebstahl, Meuchel- und Freundesmord. Obwohl der Kaiser als notorischer Gegner der Todesstrafe alle Zivilverbrecher begnadigen ließ, sollte aufgrund der Tatbestände in diesem Falle der Mörder hingerichtet werden. Zusätzlich sollte dieser dabei Höllenqualen ausstehen. Als Hinrichtungsart wurde daher eine besonders inhumane Methode der mittelalterlichen Blutjustiz gewählt: das Rädern.
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