Kitabı oku: «Chronik von Eden», sayfa 15

Yazı tipi:

Stephan hatte sich aus der ganzen Sache bislang heraushalten können. Als es »dort draußen« ernst geworden war, hatte er sich krankgemeldet, obwohl ihm seine Arbeit bei der Post eigentlich viel Spaß machte. Aber es gab einfach Dinge, die waren wichtiger. Er hatte die Zeit, die ihm der »gelbe Urlaubsschein« verschafft hatte, dazu genutzt, seine Vorräte aufzustocken, so gut es eben ging, und sich dann hierher zurückgezogen. Aber wie es aussah, hatte ihn die Sache nun doch eingeholt. Was sollte er also tun?

Eine Weile kratzte sich Stephan nachdenklich am Kopf, dann zuckte er mit den Schultern und tat das, weswegen er überhaupt in den Vorgarten gekommen war. Um alles andere konnte er sich später noch kümmern, und falls er wirklich ebenfalls ein Freak werden würde, dann wollte er hier wenigstens alles ordentlich zurücklassen.

»Na, Anton, alles klar bei Dir?«

Beinahe zärtlich hob Stephan den Gartenzwerg, den der Zombie gestern Abend umgestoßen haben musste, auf und betrachtete ihn sorgfältig von allen Seiten. In einer Falte der grünen Schürze des kleinen Kerls hing ein wenig Erde, die Stephan vorsichtig entfernte, bevor er Anton wieder liebevoll an dessen angestammten Platz zurückstellte.

Ansonsten schien hier draußen alles so zu sein, wie es sich gehörte, also war nun das Schlafzimmer an der Reihe. Der ungebetene Besucher zahlte keine Miete, was ihm jetzt den verdienten Rausschmiss einbrachte. Die Kündigung hatte Stephan ja bereits gestern Abend in Form einer Reihe kräftiger Hiebe persönlich überbracht, das sollte eigentlich unmissverständlich gewesen sein, und den Rechtsweg gab es ja nun offenbar nicht mehr.

Stephan holte einen großen Eimer und eine Schaufel aus der Garage, zog sich ein Paar Gummihandschuhe über und betrat entschlossen sein Schlafzimmer.

»Boar, Alter, Du stinkst vielleicht!«, erklärte er dem Ding in der Zimmerecke. »Da brauchst du dich aber auch nicht zu wundern, wenn dich keiner bei sich haben will.«

Langsam begann er, die Überreste des Schädels zusammen mit allem anderen, was einen mehr flüssigen als festen Eindruck machte, in den Eimer zu schaufeln. Als dabei der obere Teil des Torsos zum Vorschein kam, in dem Luft- und Speiseröhre sowie das eine Ende der Wirbelsäule deutlich zu erkennen waren, begann Stephans Magen erneut zu rebellieren.

Schnell ging er ans Fenster, das er bereits beim Hereinkommen geöffnet hatte, um den Gestank nach draußen zu lassen, und nahm ein paar tiefe Atemzüge. Er ließ den Blick eine Weile über den Waldrand schweifen und lauschte dabei dem Zwitschern der Vögel. Ja, da draußen würden die Reste des Freaks gut aufgehoben sein, dort konnte er sich wenigstens noch als Dünger nützlich machen.

*

Gegen Mittag hatte Stephan alles soweit erledigt. Die Überreste des Zombies erfreuten die Würmer im Wald, das Schlafzimmer war wieder blitzblank geputzt, die eingesaute Stelle der Raufasertapete frisch gestrichen. Stephan war mit sich und der Welt zufrieden, bis sich sein Magen erneut meldete und ihn nachhaltig daran erinnerte, dass es Zeit fürs Mittagessen war.

Stephan fand, dass er sich zur Belohnung ein wenig Abwechslung auf dem Speiseplan verdient hatte, daher wollte er eine kleine Einkaufstour unternehmen. In einem der Läden und Restaurants entlang der Aachener Straße sollte sich doch irgendwo noch die eine oder andere Leckerei auftreiben lassen.

Da zu befürchten stand, in Königsdorf auf weitere Zombies zu treffen, packte Stephan zur Sicherheit seinen Baseballer, der ihm diesbezüglich ja bereits gute Dienste geleistet hatte, in den Rucksack, den er sich mit einer schwungvollen Bewegung umhängte, nachdem er sein Fahrrad aus des Garage geholt hatte.

Der Regen vom Vorabend hatte sich verzogen, und die Sonne ließ sich immer öfter zwischen den Wolken blicken. Vom schöner werdenden Wetter sowie der Aussicht auf ein besonderes Mittagessen beflügelt, pedalte Stephan munter seinen Ziel entgegen, wobei er die Melodie von »Joh, mir san mi’m Radl doh!« pfiff. Er liebte Volksmusik und bedauerte zutiefst, dass er wohl so schnell keine entsprechende Veranstaltung mehr würde besuchen können.

Was wohl aus dem Flori und seinen Kollegen geworden ist?, schoss es ihm unwillkürlich durch den Kopf. Na, ihre CD-Verkäufe dürften auf jeden Fall ganz schön eingebrochen sein.

Stephan hatte sich als Junge am Erlernen eines Musikinstruments versucht, um im örtlichen Musikverein mitspielen zu können, dabei aber feststellen müssen, dass er völlig taktlos war. Daran hatte auch ein später von der Schule organisierter Tanzkurs, der ihn hätte auf den Abschlussball vorbereiten sollen, nichts ändern können.

Wie es seine Art war, hatte ihn das jedoch nicht wirklich lange beschäftigt. Die Mädchen seines Jahrgangs, die er mit der Tanzerei vielleicht hätte beeindrucken können, interessierten ihn nicht wirklich, und Musik konnte man auch beim Hören genießen, wozu man schließlich mehr Zeit hatte, wenn man diese nicht mit Üben verbringen musste.

Stephan war schon immer ein wenig anders als die anderen Jungs seines Alters gewesen. Weder in der Schule noch später als Erwachsener hatte er viele Freunde gehabt. Seine Kollegen hatten ihn durchaus geschätzt, immerhin war er jederzeit bereit gewesen, ihre Bezirke zu übernehmen, wenn sie einen Tag frei haben wollten, aber echte Freundschaften hatte er nie geschlossen, an keinem Betriebsfest oder Ausflug teilgenommen. Er machte sich nicht viel aus menschlicher Gesellschaft, ging lieber alleine im Wald spazieren oder hörte Musik.

Als die Welt da draußen allmählich in sich zusammenfiel, die Menschen wie die Fliegen starben, um als Zombies wieder aufzuerstehen, hatte ihn das nicht sonderlich berührt. Die Welt verfiel mit lautem Getöse in die letzte Stille, und das war okay so. Stephan liebte die Stille.

Er hatte sich auch nie einsam gefühlt. Er war allein, weil er das so mochte. Angst war für ihn auch etwas, dass nur gedämpft zu ihm durchdrang. Während er mit dem Rad durch die leere Welt fuhr, beschlich ihn noch nicht einmal ein leichtes Gefühl der Beklemmung, denn die Ruhe war angenehm. Ob Julia jetzt wohl auch ruhig war?

Mit einem misstönenden Pfiff endete seine Interpretation des alten Gassenhauers. Hier und jetzt wollte er nicht an sie denken, denn auch wenn er keine Angst verspürte, dufte er nicht unvorsichtig werden! Und der Gedanke an Julia brachte ihn immer dazu, ein wenig … abgelenkt zu sein.

Schließlich bog Stephan in der Nähe des Ortseingangs auf die Aachener Straße ein und hielt an. Er spähte die Fahrbahn entlang und hielt dabei nach verdächtigen Bewegungen Ausschau. Gleichzeitig strengte er seine Ohren an, ob vielleicht irgendetwas zu hören war, das nach Gefahr klang.

»Besser, ich gehe ab hier zu Fuß weiter«, murmelte er und lehnte seinen Drahtesel an einen Laternenpfahl. Kurz dachte er darüber nach, ob er sein Fahrrad abschließen sollte, dann winkte er ab. Die Freaks fuhren nicht Rad, wer also sollte es stehlen wollen?

*

Der Supermarkt, den Stephan als erstes angesteuert hatte, erwies sich als Reinfall. Die Regale waren größtenteils geplündert, was sich noch darin befand, nicht mehr zu gebrauchen. Er war gerade im Begriff, sich in dem Bereich, der eigentlich den Angestellten des Marktes vorbehalten war, umzusehen, als er hinter der betreffenden Tür ein Rumpeln vernahm. Mit einem »Schade, schon besetzt« wandte er sich zum Gehen und sah zu, dass er aus dem Markt kam, ohne dass ihn das Ding dort drinnen bemerkte, denn im Moment war ihm nicht nach weiterer sportlicher Betätigung.

Als nächstes nahm er sich ein Restaurant vor, das früher für seine hervorragende Küche bekannt gewesen war, wobei dieses »früher« eigentlich gar nicht lange zurücklag, obwohl es sich so anhörte, als würde man von einer längst vergangenen Epoche sprechen. Aber Zeit war etwas Flüchtiges, egal wie sehr man auch versuchte, darin einen Ruhepunkt zu finden und sich kleine Anker in Form von Erinnerungen zu schaffen. Wenn es dem Universum beliebte, fegte es einfach alles mit einer lässigen Handbewegung beiseite, gerade so, wie ein Mensch ein lästiges Insekt verscheuchen würde.

Doch jetzt war nicht der Augenblick für tiefe philosophische Gedanken, denn überall konnte Gefahr lauern. Mit Wehmut dachte Stephan an früher zurück – da war es schon wieder, dieses komische Wort – als er sich gerne in einen Park zurückgezogen hatte, um dort vor sich hin zu träumen. Oft suchte er dazu die Nähe eines Spielplatzes, denn das Lachen und Lärmen der Kinder hatte ihm dabei geholfen, seine Gedanken wie auf einer Wolke davonschweben zu lassen.

»Scheiß auf früher!«, knurrte Stephan ärgerlich über sich selbst. »Die alten Zeiten sind nicht mehr, die Karten wurden neu gemischt. Eine Spezies, die sich nicht anpassen kann, ist dem Untergang geweiht, und das trifft auch für einzelne Individuen zu.«

Entschlossen ging er vollends um das Haus herum und suchte dabei nach dem Kellereingang. Vielleicht würden sich hier ja wenigstens ein paar Flaschen eines guten Weines finden lassen, mit deren Hilfe er sich genussvoll wegbeamen konnte. Wenn man einmal von dem Intermezzo mit dem ungebetenen Besucher absah, hatte Stephan den gestrigen Abend eigentlich als recht angenehm empfunden, und auch die Erinnerung an Julia war dabei in ein Licht gerückt worden, das ihm seit längerem wieder einmal Freude bereitet hatte. Ach, Julia …

Die Kellertüre war zwar abgeschlossen, aber nicht sehr stabil. Stephan warf sich zweimal dagegen, dann sprang sie mit einem Krachen auf, als das Schloss aus dem hölzernen Rahmen splitterte. Kurz wunderte er sich darüber, dass der Vorratskeller des ehemaligen Nobelrestaurants so schlecht gesichert war, dann entdeckte er die Drähte der Alarmanlage, die inzwischen aus dem selben Grund nicht mehr funktionierte wie der Springbrunnen in seinem Gartenteich.

Für einen kurzen Moment fand er es sehr interessant, wie sehr sich die Zivilisation von der Elektrizität abhängig und auch genau durch diesen Umstand äußerst verwundbar gemacht hatte, wenn jene nicht mehr zur Verfügung stand.

Vielleicht haben wir ja kurz vor einer Art Zeitenwende gestanden, dachte Stephan, als er seine Dynamotaschenlampe hervorholte und noch ein paarmal an deren Kurbel drehte, um den Akku vollends aufzuladen. Wenn man uns mehr Zeit gelassen hätte, dann wäre aus der Menschheit vielleicht noch etwas Anständiges geworden. Oder mag das Universum vielleicht keine Anständigen und hat uns deshalb so in den Arsch getreten?

Er stellte fest, dass er schon wieder dabei war, sich im Philosophieren zu verlieren, deshalb knipste er kurzerhand seine Lampe an und begann, sich in dem alten Gewölbekeller umzusehen.

Tatsächlich waren die Regale überwiegend mit den verschiedensten Weinen bestückt, und es grenzte schon an ein Wunder, dass noch niemand anders versucht hatte, sich dieser Schätze zu bemächtigen. Täuschte er sich, oder lagerten weiter hinten sogar Lebensmittel? Das Klima dieser alten Keller war für einige Dinge ideal, mit ein wenig Glück war Stephan soeben auf einen kleinen Schatz gestoßen.

Kurz war er versucht, sich den Inhalt einer Weinflasche in den Hals zu kippen, um die gestern rüde unterbrochene Andacht für Julia angemessen nachholen zu können, dann entschied er sich jedoch anders. Zuhause würde es bestimmt mehr Spaß machen als in diesem Gewölbe, außerdem war die Gegend nicht wirklich sicher, wie er im Supermarkt mitbekommen hatte.

Stephan wollte sich gerade daranmachen, die hier gelagerten Lebensmittel näher in Augenschein zu nehmen, um sich für seine erste Tour ein paar besonders leckere Dinge auszusuchen, als von der Treppe her Geräusche zu hören waren, die verdammt an den Freak vom Vorabend erinnerten …

Kapitel II - Schießübungen

Schweigend folgte die Gruppe ihrer Anführerin. Sandra ging an der Ortsgrenze von Königsdorf entlang Richtung Süden. Dabei bedeutete sie ihnen ab und zu stehenzubleiben. Sandra huschte dann flink in eines der Häuser, nur um kurz darauf wieder mit grimmiger Miene und einem Kopfschütteln aufzutauchen.

Diese Vorgehensweise ließ sie nur relativ langsam vorankommen. Die Sonne kletterte nach und nach höher am Himmel. Das Versprechen, es würde ein schöner Tag werden, schien sich zu erfüllen – zumindest was das Wetter anging.

Sie hat wieder nichts gefunden, erklangen Toms Gedanken in Martins Kopf. Ich kann ganz deutlich spüren, dass sie hofft, in einem der Häuser noch etwas Essbares aufzutreiben.

Schicksalsergeben verdrehte Martin die Augen. Er konnte sich immer noch nicht an diese stille Art der Verständigung gewöhnen. Für die Kinder schien es jedoch so selbstverständlich zu sein, dass sie schon gar nicht mehr darüber nachdachten. Er hatte sie zwar gebeten, es zu lassen, aber eigentlich war es egal, solange nur Patrick und vor allem Sandra nichts davon mitbekamen.

Martin war sich immer noch nicht sicher, wie sie darauf reagieren würde. Auf der einen Seite sorgte sie sich zwar um das Wohl der Kinder, auf der anderen schien sie aber auch nicht sehr zögerlich zu sein sein, wenn es darum ging, sich Dingen zu entledigen, die ihr hinderlich erschienen.

Ich frage mich sowieso, warum sie hier sucht. Martin hatte sich einen Ruck gegeben und antwortete auf dem gleichen Weg. Ich fände es sinnvoller, in einem der Restaurants oder Geschäfte in Königsdorf nachzusehen, ob es dort noch etwas brauchbares gibt. Stattdessen gehen wir langsam aber sicher in Richtung Autobahn.

Ich frage sie.

Noch bevor Martin reagieren konnte, hatte sich Tom aus der Gruppe gelöst und mit ein paar schnellen Schritten zu Sandra aufgeschlossen.

»Was willst du?« Sandras Stimme klang nicht sehr erfreut darüber, dass der Junge den bescheidenen Schutz, den ihm die Gruppe bot, verlassen hatte. »Du siehst doch, dass ich noch nichts gefunden habe.«

»Ja, sehe ich.« Tom nickte bedächtig, was so gar nicht zu dem passen wollte, wie sich ein Dreizehnjähriger normalerweise in einer solchen Situation verhielt. »Ich denke, dass du einen Grund dafür hast, nicht in Königsdorf selbst nach Vorräten zu suchen, sondern in Richtung der A4 zu gehen. Und sag mir nicht, es sei wegen der Zombies.«

»Du bist ein kluges Kerlchen. Also streng deinen Kopf noch ein bisschen mehr an und sag mir, was wir mindestens so dringend brauchen wie Essen, um die ganze Scheiße hier einigermaßen heil zu überstehen.«

Tom musste nicht nachdenken, denn er wusste die Antwort ebenso gut wie jeder andere in der Gruppe. »Waffen und Munition natürlich. Patricks Morgenstern mag zwar beeindruckend aussehen, aber wirklich effektiv ist er nicht. Ein paar zusätzliche Schusswaffen wären daher sicher kein Fehler.«

»Siehst du, du bist in der Tat ein kluges Kerlchen«. Sandra grinste, wurde aber sofort wieder ernst. »Weißt du denn auch, was südlich von Königsdorf in der Nähe der Autobahn ist?«

»Nein, ich war hier noch nie.«

Mir einem Mal wallten die Erinnerungen wieder in Sandra hoch. Im Gegensatz zu Tom war sie schon einige Male hier gewesen, zusammen mit ihrem Vater. Damals hatte er sie noch nicht so oft verprügelt, dafür später umso mehr. Manchmal vermeinte sie auch heute noch, die Schläge förmlich zu spüren. Und sie war jedes Mal froh gewesen, noch am Leben zu sein, wenn es vorüber gewesen war.

»Dann lernst du heute also etwas dazu«, sagte sie schärfer als beabsichtigt. »Und jetzt geh zu den anderen zurück und stör mich nicht länger!«

Sandra drehte sich abrupt um und stapfte weiter die Straße entlang. Tom sah ihr ein wenig verdattert hinterher.

»Ich wollte dich warnen«, raunte Martins Stimme neben seinem Ohr. »Aber du warst zu schnell. Lass Sandra besser in Ruhe.«

Der junge Mann war geräuschlos herangekommen und legte nun seine Hand auf Toms Schulter.

Der schaute ihn an und grinste. »Ach, es ist schon gut. Immerhin weiß ich jetzt, warum wir diesen Weg hier nehmen.«

Martin schüttelte unmerklich den Kopf, doch Patrick war ebenfalls nähergekommen und hatte den letzten Satz noch gehört. »Warum denn?«, wollte er prompt wissen. »Was hat dir Sandra erzählt?«

»Sie hofft, in der Nähe der Autobahn weitere Waffen zu finden.«

»Es wäre sicher kein Fehler, wenn wir mehr davon hätten, denn der Herr hält seine Hand auch über die Wehrhaften. Also sollten wir uns beeilen, den Anschluss nicht zu verlieren.«

Er nickte den anderen zu, und die Gruppe nahm wieder ihre »Marschordnung« ein. Die beiden Männer sicherten die Flanken, die Kinder gingen in der Mitte.

Es gibt dort ein Schützenhaus, meldete sich Tom unhörbar bei Martin. Ich habe es in ihren Gedanken gesehen. In Erinnerungen an eine bessere Zeit.

Du kannst ihre Gedanken lesen?!? Martin war so verblüfft, dass er die Frage beinahe laut ausgesprochen hätte.

Nur wenn sie schreien, so wie vorhin. Sie sind dann so laut, dass man sie gar nicht überhören kann.

*

Das Knallen mehrerer Schüsse zerriss die Stille des Vormittags. Aus dem Inneren des Hauses tauchte eine Gestalt auf. Sandra!

Es knallte zwei weitere Male, dann war nur noch ein metallisches Klicken zu vernehmen.

»Scheiße!«, brüllte Sandra und zog sich rasch noch ein paar Schritte von dem Gebäude zurück.

In der Haustür erschien eine weitere Gestalt. Die zögerte einen Moment an der Grenze zwischen Licht und Schatten, dann setzte sie sich wieder in Richtung auf die junge Frau in Bewegung.

Ein neuerlicher Knall ertönte, und der Kopf des Zombies zerplatze wie eine überreife Melone. Sandra hatte in Windeseile das Magazin gewechselt und wischte sich nun angewidert die stinkenden Schleimspritzer aus dem Gesicht.

»Hat er dich überrascht, mein Kind?«, wollte Patrick wissen.

»Nein, hat er nicht. Da drin war ein ganzes Rudel von denen. Fast als ob sie nur darauf gewartet hätten, dass jemand in das Haus geht. Außerdem bin ich nicht Ihr Kind.« Bei den letzten Worten schienen die Augen der jungen Frau eisige Blitze zu verschießen.

»Das … das ist mir nur so herausgerutscht.«

»Denkst du wirklich, dass in einem der Häuser hier noch etwas zu holen ist?«, beteiligte sich nun Martin an dem Gespräch, und Patrick schien ihm für den Themenwechsel dankbar zu sein.

»Es war zumindest einen Versuch wert. Irgendwo in dem Dreckskaff muss es ja schließlich noch was zu futtern geben. Konserven, Eingemachtes, irgendwas. Ich habe einen scheiß Hunger, und ich könnte wetten, dass das keinem von euch anders geht.«

»Vielleicht sollten wir …«

»Ja, ich weiß, was du sagen willst. Im Ortskern suchen, nicht wahr? Stell dir vor, darauf bin ich selbst schon gekommen. Aber zuerst müssen wir zur A4, sonst reißt uns die neue ›Königsdorfer Bürgerwehr‹ den Arsch auf, und zwar mit ihren Zähnen.«

Martin verkniff sich die Frage, was Sandra an der A4 zu finden hoffte. Wenn Tom recht hatte, und es dort ein Schützenhaus gab, dann konnten sie mit ein wenig Glück die eine oder andere großkalibrige Waffe erbeuten. Gasdruckwaffen und Kleinkaliber waren nutzlos, die bauten bei einem Treffer nicht genug Druck im Gewebe auf. Das wusste selbst Martin, obwohl er mit Waffen ansonsten nicht viel am Hut hatte. Aber die Zeiten änderten sich, und es blieb einem nichts anderes übrig, als sich an diese Veränderungen anzupassen, wenn man überleben wollte.

*

Eine gute halbe Stunde später näherte sich die Gruppe einem Hain, in dem wohl das Schützenhaus untergebracht war. Martin nutzte einen Moment, in dem Sandra sich zu den anderen umdrehte, und machte sie durch ein Zeichen auf sich aufmerksam.

»Was willst du?«, flüsterte sie, nachdem sie zu ihm hingegangen war.

»Ich habe nachgedacht.«

»Ach, das kannst du auch?« Sandra hob eine Augenbraue. »Und ganz ohne weißes Pulver?«

»Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt für Sarkasmus.«

»Dann rede endlich!«

»Es ist wegen dem Haus. Das, in dem die Zombies waren. Du hast gesagt, sie hätten dort regelrecht auf jemanden gewartet.«

»Und weiter?«

»Wenn es nun ein Hinterhalt ist?«

»In dem Haus krabbelt nichts mehr. Ich habe dort gründlich aufgeräumt.« Sandra tätschelte ihre Pistole.

»Ich meine das Schützenhaus. Manchmal habe ich den Eindruck, dass nicht alle Zombies doof sind, sondern dass einige von ihnen gezielt handeln oder von jemandem gelenkt werden. Und dieser jemand kann sich denken, dass wir uns hier Waffen beschaffen wollen, was also liegt näher, als hier einen Hinterhalt zu legen?«

»Nun, da ist was dran. Anscheinend bist du ja doch zu etwas zu gebrauchen.«

»Fein.« Martin verdrehte die Augen. »Und was machen wir jetzt?«

»Was wollen wir schon groß machen? Wir sind leise und legen alles um, was sich uns in den Weg stellt. Punkt. Noch Fragen?«

Martin, ich habe Angst. Das war Rosis »Stimme«, wenn er sich nicht täuschte.

Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Martin versuchte, zusammen mit den Worten auch ein Gefühl der Zuversicht zu übermitteln.

»Hallo? Noch jemand zu Hause?« Sandras Stimme machte ihm klar, dass er soeben abwesend gewirkt haben musste.

»Äh, ja, natürlich.«

»Ich will es nicht nochmal sagen müssen«, knurrte sie. »Wenn du zum Problem wirst, dann muss ich es lösen. Also, was ist jetzt? Noch Fragen?«

Martin schüttelte stumm den Kopf.

»Gut. Du bleibst bei den Kindern. Patrick und ich gehen rein und sehen uns um. Wenn in fünf Minuten nicht einer von uns wieder draußen ist, macht ihr, dass ihr von hier verschwindet, und zwar so schnell es geht. Also los!«

*

»Leise« hat sie gesagt, dachte Martin, als die Tür des Schützenhauses mit einem Krachen aus den Angeln flog, und er wusste nicht, ob er belustigt oder eher besorgt sein sollte.

Patrick hatte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen geworfen, und das Holz konnte diesem Ansturm roher Gewalt nichts entgegensetzen. Fast nichts. Vermutlich würde sich an der Schulter des Mannes ein beachtlicher blauer Fleck bilden.

Martin und die Kinder lauschten angespannt auf die Geräusche, die gedämpft zu ihnen drangen. Bislang schien das Haus verlassen zu sein, zumindest waren keine Schüsse oder sonstiger Kampflärm zu hören.

Glaubst du, sie schaffen es? Gabi hatte sich eng an ihren Helden geschmiegt. Wir brauchen dringend noch eine Waffe. Das buchstabiert man W-A-F-F-E.

»Sie schaffen es bestimmt.« Kurz war Martin versucht, dem Mädchen beruhigend über den Kopf zu streicheln, unterließ es dann aber doch lieber. Die Verehrung der Kleinen war ihm unangenehm, und er wollte ihr keine weitere Nahrung geben.

»Ich denke, in dem Haus sind keine Knirscher«, ließ sich Michael vernehmen. »Die, die ich spüren kann, sind weiter weg. Vielleicht auf der Autobahn oder so.«

»Ihr sollt doch nicht über eure Fähigkeiten reden.« Martin klang besorgt.

»Die beiden sind doch im Haus und können uns nicht hören.«

»Aber das kann sich jeden Moment ändern.«

Wie um Martins Worte zu bestätigen, tauchte in diesem Augenblick Sandra im Eingang auf und winkte ihnen zu. »Alles sauber. Los, kommt rein!«

*

»Wer den Herrn fürchtet, der hat eine sichere Festung, und seine Kinder werden auch beschirmt!« Mit diesen Worten empfing Patrick Martin und die Kinder in der kleinen Schankstube des Schützenhauses.

Hier drin schien alles in Ordnung zu sein. Zwar herrschte eine gewisse Unordnung, dennoch war alles intakt, und es schien auch nichts zu fehlen.

Sandra verschwand durch die Tür hinter dem Tresen, nur um kurz darauf mit ein paar blau-roten Päckchen in der Hand wieder aufzutauchen.

»Ich habe Kekse gefunden. Nur trockenes Zeug, aber besser als nichts. Wohl bekomm’s!«

Sandra warf den anderen die Päckchen zu, und riss dann selbst eines davon auf.

»Wenn feder waff im Bauff hat, fau iff naff der Waffenbammer«, erklärte sie mit vollen Backen kauend.

»Nach der was?« Martin war als einziger noch nicht am essen und schaute sie nun erstaunt an.

»Waffenkammer.« Sandra hatte den Keksbrei mit einem kräftigen Schluck Bier hinuntergespült.

Patrick hatte die Kiste hinter dem Tresen entdeckt und sich sogleich eine der Flaschen gekrallt. Sandra hatte nicht lange gezögert und es ihm gleichgetan. Das »flüssige Gold« schien ihr zu munden. Zumindest ließ dass der laute Rülpser erahnen, der soeben aus ihrem Mund kam.

»Wohlsein!« Martin feixte. Insgeheim frage er sich, ob der Pfarrer in diesen Chor einstimmen oder bessere Manieren an den Tag legen würde.

»O tempora, o mores!«, ließ sich dieser auch prompt vernehmen, zwinkerte Martin zu, nahm noch einen kräftigen Schluck und versuchte dann, Sandras Vorlage zu überbieten.

»Das habe ich sogar verstanden«, stelle Martin fest. »Ich habe ebenfalls Asterix gelesen.«

»Und es ist zwischen all dem Staub in Deinem Kopf hängengeblieben?« Sandra sah ihn provozierend an.

»Lass ihn in Ruhe!« Gabi schob sich vor ihren Helden. »Er hat dir nichts getan. Das buchstabiert man G-E-T-A-N.«

»Ach wie süß.« Sandra grinste schief. »Denkst du, ich habe Angst vor dir?«

»Sandra, es reicht!« Die Heiterkeit war mit einem Mal aus Patricks Gesicht verschwunden, und er sah die junge Frau tadelnd an. »Das Mädchen hat recht, Martin hat dir nichts getan.«

»Und wenn schon!«, giftete sie zurück. »Wo wärt ihr denn alle ohne mich, hm? Würdet immer noch in einem Dreckloch kauern und darauf warten, dass ihr gefressen werdet. So sieht es nämlich aus!«

»Das ist der Alkohol. Du weißt nicht, was du redest.«

»Als ob ich noch nie ein Bier getrunken hätte!« Sandra begann merklich zu lallen.

»Das vielleicht schon, aber wohl nicht, nachdem du ein paar Tage lang nichts mehr gegessen hast, oder?«

»Aaaach, scheisssss draufffff! Ihr gönndmich allemaaal!«

Sandra stürzte den Rest der Flasche hinunter und wollte sich eine zweite greifen. Für einen Moment stand sie wankend vor der Bierkiste und stierte sie mit leerem Blick an. Mit einem Mal wurde ihr Körper von einem gewaltigen Schluckauf erschüttert.

»Isch glaub, mirwirdschle …«

Laut »Ullrich!« rufend kotzte Sandra den Inhalt ihres Magens über die Bierkiste, dann sackte sie in die Knie. Mit einem leisen »Scheiße!« kippte sie langsam zur Seite und blieb einfach liegen.

»Was hat sie?«, wollte Rosi, die jüngste in der Gruppe, wissen. »Ist sie krank?«

»Zum Glück sind die Flaschen dicht und lassen sich wieder abwaschen«, murmelte Patrick. Laut sagte er: »Nein, keine Angst, die wird wieder. Sie hat den Alkohol zu schnell auf nüchternen Magen getrunken, und ihr Körper hat ihr gezeigt, was er davon hält. In ein oder zwei Stunden ist sie wieder auf den Beinen.«

*

Während Sandra ihren Rausch ausschlief, suchte Patrick zusammen mit Martin die Waffenkammer. Deren Eingang befand sich unweit des Schießstands und war durch eine stabil wirkende Tür gesichert.

»Einrennen ist wohl nicht«, stellte Martin fest.

»Mit meiner Schulter laufe ich heute gegen keine Türe mehr, soviel ist sicher«, machte Patrick klar. »Aber vielleicht geht es ja auch mit Treten.«

Er hatte das letzte Wort noch nicht zu Ende gesprochen, da krachte sein Stiefel auch schon gegen das Holz der Tür. Diese erzitterte unter der Wucht des Tritts, hielt aber stand.

Es bedurfte zweier weiterer Versuche, bis das Holz ein Stück weit nachgab, doch die Tür war damit noch lange nicht offen.

»Scheint zusätzlich durch ein großes Querriegelschloss gesichert zu sein«, sagte Patrick mehr zu sich selbst. »Da kommen wir so nicht weiter.«

»Dann versuchen wir es halt damit!« Martin deutete auf einen Stuhl, der unweit der Tür an der Wand lehnte.

»Ich glaube nicht, dass sich der Riegel von einem Sitzstreik beeindrucken lässt.«

Statt einer Antwort schnappte sich Martin den Stuhl und hieb ihn mit aller Wucht auf den Boden. Bereits beim ersten Mal brachen dabei zwei der Stuhlbeine ab.

»Jetzt weiß ich, was du meinst!« Patricks Gesicht hellte sich auf. »Ja, so könnte es gehen.«

Jeder von ihnen schnappte sich ein Stuhlbein und rammte es in den Türspalt. Sie drückten mit aller Kraft gegen die improvisierten Hebel, und schließlich gab die Tür mit einem lauten Knall nach, als der Querriegel auf einer Seite aus seiner Verankerung gerissen wurde.

»Das wäre geschafft!« Patrick klang zufrieden.

Doch der Erfolg hielt nicht lang an. In dem relativ kleinen Raum befand sich nichts außer einer Reihe Stahlschränke, die allesamt einen sehr massiven Eindruck machten.

»So ein Mist!« Patrick hämmerte seine Faust gegen die Wand. »Hier helfen uns auch die Stuhlbeine nicht weiter.«

»Dann muss es eben anders gehen.« Martin flitzte aus dem Raum, ohne eine Antwort abzuwarten.

Sofort fiel Patrick Sandras Pistole ein, aber er verwarf den Gedanken daran wieder. Wenn Martin mit der Waffe ankam, würde er ihm erklären müssen, dass das ein sinnloses Unterfangen war, denn im Gegensatz zu dem, was in manchem Hollywood-Film zu sehen war, konnte man ein solches Schloss keinesfalls aufschießen. Im Gegenteil musste man sich sogar höllisch vor Querschlägern in Acht nehmen, was es ratsam erscheinen ließ, erst gar nicht den Versuch zu unternehmen.

Kurz darauf war Martin wieder da. Freudestrahlend schwenkte er einen Schlüsselbund vor dem Gesicht des anderen.

»Wo hast du die her?«

»Waren hinter dem Mehl in einem der Küchenschränke versteckt.« Martin grinste.

»Und wie kommt man auf so etwas?«

»Ich will es einmal so ausdrücken: Ich musste schon öfter in meinem Leben Dinge verstecken, also weiß ich auch, wie man Verstecke findet.«

»Klingt logisch. Und wenn es jetzt noch tatsächlich die Schlüssel für die Waffenschränke sind, dann hast du dir einen Orden verdient, mein Junge. Oh, entschuldige bitte, alte Gewohnheit.«

*

Die meisten Schränke enthielten nur Sportwaffen, doch in einem wurden die beiden Männer fündig. Neben einem antiquiert wirkenden Vorderlader befand sich ein halbwegs passabel aussehendes Gewehr darin, das für ihre Zweck geeignet schien.

»Oh ein original K98k« stellte Patrick mit Kennerblick fest. »Das war das Standardgewehr der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.«

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22 aralık 2023
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9783957771285
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