Kitabı oku: «Chronik von Eden», sayfa 16
»Sie kennen sich mit Waffen aus?«
»Nicht wirklich, dafür aber mit Geschichte. Und diese Waffe ist mir in Erinnerung geblieben, weil mir einst ein Jugendfreund in höchsten Tönen davon vorschwärmte. Mit einer entsprechenden Zieleinrichtung versehen, soll es sich selbst heute noch bestens als Scharfschützengewehr eignen. Das hat wohl mit dem starr verriegelnden Verschluss zu tun, wie er es ausdrückte, was irgendwie Einfluss auf die Präzision beim Schießen hat. Genau verstanden habe ich es aber nicht.«
»Ich denke, die Theorie dahinter ist nicht wirklich wichtig. Hauptsache man kann sich damit effektiv gegen die Zombies zur Wehr setzen.«
»Und der Herr belohnt all jene, die beharrlich sind. Das hier dürfte die passende Munition sein.«
*
Mit ihrer Ausbeute zufrieden hatten sich die beiden wieder im Schankraum bei den anderen eingefunden und warteten darauf, dass Sandra zu sich kam. Diese tat ihnen nach gut einer Stunde den Gefallen, öffnete die Augen und setzte sich stöhnend auf. Ihr Rausch war wie weggeblasen, dafür hatte sie einen ordentlichen Kater, was ihre Laune nicht unbedingt hob.
»Wir waren zwischenzeitlich in der Waffenkammer und haben das hier gefunden.« Stolz hob Martin ihr den Karabiner unter die Nase.
»Scheint ein Original aus dem Zweiten Weltkrieg zu sein.« Sandra musterte die Waffe abschätzig. »Was besseres gab es da nicht?«
»Wenn dir ein Vorderlader lieber ist …«
»Ha, ha, wie witzig!«
»Doch ehrlich, es gibt einen im gleichen Schrank, wo wir das Ding hier her haben.«
»Das glaube ich dir sogar, du Spaßvogel, aber mit so einem ollen Teil kannst du deine Gegner leichter totwerfen als erschießen. Gib mal her!«
Damit nahm Sandra ihm den Karabiner aus der Hand und musterte ihn eindringlich. Sie betrachtete das Schloss, das kleine Magazin und den Lauf. Dann prüfte sie den Abzug und nickte zufrieden, als der Schlagbolzen wie erwartet nach vorne schoss.
»Munition?«
»Hier.« Martin gab ihr die Päckchen.
»Weißt du, wie man damit umgeht?«
»Sehe ich etwa so aus?«
»Nein, natürlich nicht.« Sandra feixte. »Aber ich dachte, ich frage trotzdem einfach mal. Patrick?«
»Gott bewahre! Zwar habe ich keine Hemmungen, die erbarmungswürdigen Kreaturen dort draußen zu erlösen und in das Reich des Herrn zu schicken, aber Schusswaffen fasse ich nicht an! Ich bin ein Mann des Geistes.«
»Mit einem selbstgebauten Morgenstern.«
»Der nur der Selbstverteidigung oder dem Schutze Hilfloser dient.«
»Du hast den Pfarrer gehört«, erklärte Sandra an Martin gewandt. »Du gibst ihm also den Schild zurück, und dafür zeige ich dir, wie man dieses Schätzchen hier zum Bellen bringt.«
*
»Nur fünf Schuss? Ist das nicht ein bisschen wenig?« Martin sah Sandra skeptisch an.
»Den Soldaten hat es damals auch genügen müssen, also stell dich nicht so an! Mehr geht in das Magazin halt nicht rein, aber es ist immer noch besser, als mit Steinen zu schmeißen, oder?«
Sandra hatte auf dem Schießstand eine Klappscheibe gefunden und diese in Position gebracht. Anschließend hatte sie Martin erklärt, wie er die Waffe lud, entsicherte, spannte und damit schoss.
»Ja klar ist es besser als Steineschmeißen.« Martins Gesicht war anzusehen, dass er am liebsten eine Maschinenpistole oder einen Flammenwerfer gehabt hätte.
»Und vergiss nicht, das Schulterstück ordentlich einzuziehen, bevor du abdrückst.«
»Häh? Was soll ich?«
Sandra verdrehte die Augen. »Du sollst den Schaft fest gegen die Schulter drücken, sonst bekommst du mächtig Aua. Jetzt verstanden?«
»Klar, schließlich bin ich nicht doof.«
»Das klang eben noch anders.«
»Ist ja schon gut«, nörgelte Martin. »Kann ja nicht jeder so ein Waffenexperte wie du sein.«
»Da du offenbar erkannt hast, wer von uns beiden der Experte ist, wärst du dann jetzt vielleicht auch geneigt, endlich das zu tun, was ich dir sage?«, flötete Sandra und klimperte dabei mit den Augen, dann brüllte sie ohne Vorwarnung los: »Entsichern! Zielen! Schießen! Los jetzt!«
Mit einem lauten Krachen brach der Schuss. Martin ließ vor
Schreck beinahe die Waffe fallen. Er setzte sie vorsichtig ab und rieb sich die rechte Schulter.
»Ich habe doch gesagt, du sollst das Ding ordentlich dagegen pressen. Der Verschluss verriegelt starr, und es gibt auch keine Nachlademechanik, die einen Teil des Rückschlags auffangen könnte. Aber du bist ein ganzer Kerl, du schaffst das schon.«
Martin wusste in diesem Moment nicht, ob er Sandra dafür hassen oder lieben sollte. Auf der einen Seite bewunderte er diese toughe Frau, auf der anderen mochte er die Art nicht, wie sie von oben herab mit ihm sprach. Schließlich fügte er sich seufzend in sein Schicksal und versuchte, mit dem nächsten Schuss wenigstens in die Nähe der Zielscheibe zu kommen …
*
»Wir brechen auf«, wies Sandra die anderen an, nachdem sie mit Martin wieder in die Schankstube zurückgekehrt war. »Unser Held hier trifft inzwischen immerhin ein Scheunentor, wenn es direkt vor ihm steht und sich nicht zu schnell bewegt. Das muss fürs Erste genügen. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Lärm der kleinen Schießübung bald unsere Freunde auf den Plan rufen wird.«
»Dann gehen wir jetzt nach Königsdorf hinein?«, wollte Patrick wissen.
»So ist es.« Sandra nickte. »Es ist inzwischen fast Mittag, also wollen wir doch mal schauen, was die hiesigen Restaurants so auf der Tageskarte haben.«
Da alles gesagt war, machte die Gruppe sich auf den Weg. Ohne dass es einer Anweisung Sandras bedurft hätte, nahmen sie dabei wieder die alte Marschordnung ein. Die Kinder hatten sich während des Aufenthalts einigermaßen stärken und ausruhen können und stimmten kurz nach dem Aufbruch wieder ihr stilles Lied an.
Wir sind die Pilger nach Eden
dort wollen wir in Frieden leben
und unter Seinem hellen Licht
das Dunkel uns niemals anficht
wir sind die Vergessenen
beschimpft als die Besessenen
doch wir sind nur die Pilger nach Eden
wo in Frieden wir werden ewig leben
Kapitel III - Proviant
Sandra führte die Gruppe durch die Felder nach Königsdorf zurück. Als sie die ersten Häuser erreichten, bedeutete sie den anderen, stehenzubleiben und sich ganz ruhig zu verhalten.
Eine Zeitlang stand Sandra einfach nur da und schien zu lauschen. Plötzlich riss sie ihre Pistole hoch und visierte ein knapp 50 Meter entferntes Gebüsch an. Dort raschelte es kurz, dann war wieder Ruhe.
»Was auch immer es war, es ist abgehauen«, knurrte sie und ließ die Waffe wieder sinken. »Vermutlich irgendein Straßenköter.«
»Ein Hund, der abhaut, wenn man auf ihn anlegt?« In Martins Stimme klang Unglauben mit. »Muss ja ein kluges Tier sein.«
»Was weiß denn ich?« Sandra zuckte mit den Schultern. »Auf jeden Fall können wir weitergehen. Und haltet euch in der Mitte der Straße, falls sich noch weitere Zombies in den Häusern herumtreiben.«
*
Kurze Zeit später erreichten die Gruppe wieder die Achener Straße. Alles machte einen verlassenen Eindruck.
»Wir gehen nach Westen weiter, denn in diese Richtung wollen wir ohnehin«, erklärte Sandra. »Wenn wir irgendetwas entdecken, was nach einem Restaurant oder Lebensmittelladen aussieht, schauen wir es uns näher an.«
»Aber die Supermärkte waren doch in Köln schon geplündert.« Patrick kratze sich nachdenklich im Nacken. »Denkst du wirklich, dass das hier anders sein wird?«
»Wenn wir nicht nachschauen, werden wir es nicht herausfinden. Außerdem wäre es ziemlich dämlich von uns, einfach an einem Laden vorbeizumarschieren, der aus irgendeinem Grund noch randvoll mit Lebensmitteln ist, nur weil wir davon ausgehen, dass es nicht sein kann.«
»Da … da vorne ist etwas!« Jonas zeigte auf eine Stelle, an der eine Seitenstraße in die Achener einmündete.
Sofort fuhr Sandra herum und hatte wieder ihre Pistole im Anschlag. Martin hob ebenfalls sein Gewehr, wobei ihm deutlich anzumerken war, dass er sich mit der Waffe in der Hand nicht wirklich wohlfühlte.
»Wenn er rauskommt, blase ich ihm den Schädel weg«, knurrte Sandra. Langsam spannte sie den Abzug, bis er mit einem leisen Klicken einrastete.
Dort vorne ist kein Knirscher, vernahm Martin Toms »Stimme« in seinem Kopf.
Vor Schreck und Anspannung hätte er deshalb beinahe den Abzug seines Karabiners durchgerissen, fasste sich aber schnell wieder.
Was ist es dann?
Ich weiß es nicht. Es … es fühlt sich irgendwie merkwürdig an. Ich kann es spüren, aber es ist kein Knirscher und auch kein Mensch.
Ein Tier vielleicht?
»Ich habe dich gesehen, also komm raus!« rief Sandra in diesem Moment. »Ich werde auch nicht auf dich schießen.«
Dann setzte sie leise hinzu: »Zumindest fürs Erste nicht …«
Tatsächlich war jetzt an der Hausecke eine Bewegung zu erkennen. Langsam schob sich der Kopf eines Hundes hervor. Das Tier ließ die Pilger dabei für keine Sekunde aus den Augen. Schließlich blieb er stehen und wedelte langsam mit dem Schwanz. Sein gesamtes Fell war schneeweiß, wirkte gesund und gepflegt.
»Ist der schön!« Rosi seufzte. »So einen habe ich mir immer gewünscht.«
»Mit dem Köter stimmt etwas nicht.« In Sandras Stimme klang deutliches Misstrauen mit.
»Es ist ein Hund, nichts weiter.« Martin zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich hat er Hunger.«
»Und warum kommt er dann nicht her?«
»Vielleicht denkt er ja, dass mit uns etwas nicht in Ordnung ist.« Martin feixte.
»Blödsinn! Hunde können nicht denken. Zumindest nicht richtig.«
»Aber dumm sind sie auch nicht. Und dieses prächtige Exemplar scheint die Wirren der letzten Zeit recht gut überstanden zu haben, weiß also, auf was es ankommt.«
»Und wenn schon.« Sandra zog hörbar die Nase hoch. »Mitkommen kann er auf jeden Fall nicht, denn wir haben auch so schon nicht genug zu essen. Da können wir nicht auch noch einen Köter durchfüttern, und wenn er noch so schön ist.«
»Aber … aber«, machte Rosi einen zaghaften Versuch, die junge Frau umzustimmen.
»Nichts da!« Der Ton in Sandras Stimme machte klar, dass sie keinen Widerspruch duldete, und dass die Diskussion hiermit beendet war. »Nachdem wir das Schlaraffenland gefunden haben, können wir gerne nochmal darüber reden, aber jetzt schauen wir uns zuerst den Supermarkt dort drüben an.«
Damit setzte sie sich in Bewegung, und den anderen blieb – wieder einmal – nichts anderes übrig, als ihr nachzugehen.
*
Der weiße Hund folgte ihnen in gebührendem Abstand, und Sandra äugte immer wieder misstrauisch in seine Richtung. Als sie den Eingang des Supermarkts erreicht hatte, bellte das Tier plötzlich. Sandra fuhr herum und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
Einen Moment lang standen sie sich so gegenüber, keiner machte Anstalten, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Schließlich schnalzte Sandra missbilligend mit der Zunge und wandte sich wieder der Eingangstür des Ladens zu.
Wieder bellte der Hund, und wieder drehte sich Sandra zu ihm um. »Was willst du? Habe ich etwa deiner Schönheit nicht genug gehuldigt?«
Wie um zu verneinen, schüttelte das Tier den Kopf. Dann bellte es erneut, und machte langsam ein paar Schritte zurück.
»So ein Affentheater!« Sandra schüttelte den Kopf und drehte sich erneut um. Entschlossen ging sie auf den Eingang des Supermarkts zu, dabei das wieder einsetzende Bellen ignorierend.
»Wenn er herkommt, knall ihn ab!« Diese Anweisung war an Martin gerichtet gewesen. »Blödes Vieh.«
Noch einmal schüttelte Sandra unwillig den Kopf, dann machte sie sich an der Ladentür zu schaffen, um sie aufzudrücken. Sie fluchte leise, als sie einmal abrutschte, dann ließ sich die Tür mit ein wenig Mühe zur Seite schieben, und Sandra zwängte sich durch den so entstanden Spalt.
»Patrick kommt mit mir, Martin wartet zusammen mit den Kindern, bis wir wieder da sind. Und lasst euch bezüglich der Töle keine Dummheiten einfallen, klar?«
*
»Was ist das für ein Hund?« Gabi sah Martin fragend an. »Ich finde, er ist sehr schön. Das buchstabiert man S-C-H-Ö-N.«
»Ja, ein prächtiger Kerl.« Martin nickte. »Aber ich finde ehrlich gesagt auch, dass er sich irgendwie merkwürdig verhält.«
Nachdem Sandra das neuerliche Gebell ignoriert hatte, hatte sich das Tier in einiger Entfernung auf den Boden gelegt und verfolgte nun angespannt, was am Eingang des Supermarkts vor sich ging. Seine Zunge hing seitlich ein wenig aus dem Maul, und sein Gesicht schien ein gewisses Maß an Sorge auszudrücken.
Bevor Martin sich darüber weitere Gedanken machen konnte, erklangen Schüsse aus dem Inneren des Supermarkts. Kurz darauf tauchte Patrick auf, dicht gefolgt von Sandra, die zwei weitere Schüsse abgab.
»Weg hier!« Patrick atmete schwer. »Los, macht schon. Da drin wimmelt es nur so von Zombies! Ein Glück, dass wir sie zuerst gesehen haben!«
Eilends rannten alle über den Parkplatz davon und sahen zu, dass sie möglichst schnell Abstand zum Eingang bekamen. Schon tauchten die ersten Zombies darin auf, wurden jedoch merklich langsamer, als sie das Licht der Sonne erfasste.
Der Rückzug der Pilger wurde von einem »Wuff! Wuff!« des weißen Hundes begleitet, so als ob er sagen wollte »Ich habe euch doch gewarnt.«
*
»Wir haben sie abgehängt.« Sandra blieb keuchend stehen.
Martin ließ sich einfach neben ihr auf den Boden plumpsen. Er zitterte am ganzen Leib, und zu allem Überfluss konnte er spüren, dass er bald wieder von einem Affen in seinem Genick durchgerüttelt werden würde.
»Der Hund ist weg.« Rosis Stimme klang traurig, und Gabi ging zu ihr, um sie zu trösten.
»Wenn uns der Köter nicht mit seinem Gekläffe abgelenkt hätte, hätten wir die Zombies viel früher bemerkt«, giftete Sandra. »Von daher bin ich froh, dass er endlich weg ist.«
»Unsinn!« Patrick sah sie streng an. »Ich bin sicher, der Herr hat uns dieses Tier gesandt, und wenn wir auf seine Warnung gehört hätten, wäre uns der Ärger erspart geblieben.«
»Man kann Gott sicherlich für vieles verantwortlich machen, aber wohl kaum für das Bellen einer streunenden Töle.« Sandra lachte verächtlich.
»Versündige dich nicht! Auch dieses Tier ist ein Geschöpf Gottes, so wie jeder von uns.«
»Die Zombies also auch?« In Sandras Stimme lag ein Lauern.
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Wie auch immer.« Sandra winkte ab. »Auf jeden Fall ist das Vieh endlich weg, und wir haben unsere Ruhe vor ihm.«
Der Hund ist nicht weg, meldete sich Tom bei Martin und den anderen. Ich kann ihn immer noch deutlich spüren. Er versteckt sich nur. Vermutlich weil er Sandras Ablehnung fühlt.
Wer spürt die nicht? Martin seufzte innerlich. Aber zumindest mit einem hatte sie im Schützenhaus recht, bevor sie umgekippt ist: Ohne sie wären wir alle schon längst nicht mehr am Leben.
Laut fragte er: »Und was machen wir jetzt?«
»Wir schauen mal, ob wir in der Apotheke dort vorne etwas finden, dass dich in der Spur hält.«
Offenbar hatte Sandra ebenfalls bemerkt, dass sich bei Martin die ersten Symptome eines Entzugs ankündigten. Dieser fragte erst gar nicht, was sie mit ihm vorhatte, wenn sie nicht fündig würden, denn er glaubte die Antwort bereits zu kennen.
*
»Nasenspray?« Martins Augen weiteten sich. »Was soll ich damit?«
»Das ist zwar kein Ersatz für Deinen Puder, aber es hilft dir dabei, den Arsch oben zu halten.«
»Wenn du meinst …«
»Ja, meine ich. Was besseres gibt es hier nicht.« Sandra taxierte ihn mit ihren Blicken. »Wie viel hast du noch in deiner Zuckerdose?«
»Bisschen noch. Wenn ich es einteile, reicht es für ein paar Tage.« Und in Gedanken setzte er hinzu: Oder weniger …
Für einen Moment machte es den Anschein, als wolle Sandra noch etwas sagen, doch dann drehte sie sich um und ging wieder hinaus zu den anderen. Martin fiel ein wenig in sich zusammen. Unentschlossen schaute er auf das Nasenspray in seiner Hand, dann atmete er hörbar aus. Schließlich zuckte er mit den Schultern und sah zu, dass er sich den anderen anschloss, bevor diese womöglich ohne ihn weitergingen.
*
»Dort vorne ist ein Restaurant.« Sandra deutete mit dem Daumen auf das Gebäude. »Vielleicht finden wir da etwas.«
»Ich kenne das Lokal«, ließ sich Patrick vernehmen. »Ich bin dort früher ab und zu zum Essen hingegangen. Die Küche ist vorzüglich. Oder war es zumindest einmal …«
Vorsichtig näherten sie sich der Vordertür. Kurz davor blieben sie stehen und lauschten, doch in dem Gebäude war es still.
»Sie scheinen heute Ruhetag zu haben.« Martin grinste, aber es wirkte verunglückt.
»Klappe!«, zischte Sandra. »Ich habe keine Lust auf eine neuerliche Überraschung da drin.«
Martin versuchte, Tom eine mentale Botschaft zu schicken, merkte aber im gleichen Moment, dass er sich nicht mehr ausreichend konzentrieren konnte. Der Affe war schon zu nahe.
Langsam drückte Sandra die Türklinke nach unten. Diese bewegte sich geräuschlos, und tatsächlich war die Tür nicht abgeschlossen. Vorsichtig streckte die junge Frau den Kopf nach drinnen und lauschte erneut.
Nach einem kurzen Moment huschte sie in den kleinen Vorraum, der als Windfang diente. Dort presste sie ihr Ohr gegen die innere Tür. Ein erhobener Zeigefinger bedeutete den anderen, still zu sein und noch zu warten.
Doch auch dieses Mal konnte sie offenbar nichts Verdächtiges feststellen, öffnete behutsam die zweite Tür und betrat den Schankraum. Nachdem Sandra hatte ihr Blicke über den Raum gleiten lassen, winkte sie den Rest der Gruppe zu sich herein.
»Es würde mich ja brennend interessieren, nach welchen Kriterien sich die Zombies über dieses Kaff verteilt haben«, knurrte sie, als Patrick, der als letzter hereingekommen war, beide Türen hinter sich geschlossen hatte. »In manchen Häusern stehen sie sich gegenseitig auf den Füßen, in anderen lässt sich keiner von ihnen blicken. Das soll einer verstehen.«
»Diese armen Kreaturen sind verwirrt. Möge der Herr ihnen gnädig sein.« Patrick bekreuzigte sich. »Ihr Tun scheint mir nur noch von niederen Instinkten getrieben zu sein, daher denke ich nicht, dass wir in ihrem Handeln so etwas wie Logik entdecken werden.«
»Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll«. Martin kratze sich im Nacken, wobei er merkte, dass ihm das Nachdenken immer schwerer fiel. Seine Finger wurden unruhig, und sein ganze Körper fühlte sich immer zappeliger an.
Falls Sandra bemerkte, dass die Entzugserscheinungen bei ihm stärker wurden, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen ging sie zielstrebig auf die Tür hinter dem Tresen zu, die offensichtlich in die Küche führte.
»Wir bleiben diesmal zusammen«, entschied sie. »Seid aber trotzdem leise, nicht dass sich hier doch noch einer unserer Freunde herumtreibt.«
Martin hielt es nicht mehr aus. Er brauchte ein wenig Nasenzucker. Jetzt!
Während die anderen Sandra folgten, tat er so, als ob er plötzlich etwas im Auge hätte, drehte sich zur Seite und rieb mit einem Finger darin herum.
»Ich komme gleich nach«, nuschelte er. »Ich hab’s gleich.«
Er legte den Karabiner auf einem der Tische ab und fummelte mit der jetzt freien Hand hektisch in seiner Jacke herum. Fast wäre ihm das kleine Fläschchen entglitten, aber er konnte es im letzten Moment festhalten. Zu allem Überfluss hatte ihn sein Affe wiedergefunden. Der saß nun wie gewohnt in seinem Genick und rüttelte ihn kräftig durch.
»Scheiße!«, fluchte Martin leise, als er sah, dass das Fläschchen fast leer war. »Von wegen noch ein paar Tage …«
Aber das war jetzt egal. Gierig zog er den weißen Puder die Nase hoch. Mit geschlossenen Augen wartet er darauf, dass die Wirkung einsetzte und den Affen aus seinem Genick vertrieb.
»Bist du dann auch soweit?«
Sandras Stimme erklang direkt neben seinem Ohr. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass sie zu ihm zurückgekommen war. Dann entdeckte sie die leere Phiole.
»Ich hoffe für dich …«, setzte sie an, aber Martin fuhr ihr barsch ins Wort: »Ja, ja, ich weiß, was Du sagen willst. Herrgottnochmal! Glaubst du, mir gefällt das? Ich schaff’s schon irgendwie.«
»Dann istes ja gut. Und jetzt komm! Die anderen schauen sich schon den Inhalt der Küchenschränke an.«
*
»Auch nichts.« Martin klang enttäuscht. »In den Schränken hier befinden sich nur Küchenutensilien und Gewürze. Bis jetzt sind zehn Packungen Spaghetti alles, was wir an Brauchbarem gefunden haben.«
»Sofern wir eine Möglichkeit finden, einen Topf heißes Wasser zu machen, ist das doch schon einmal ein Anfang«, versuchte sich Sandra zur Abwechslung in Zweckoptimismus.
»Igitt!«, ließ sich in diesem Moment Patrick vernehmen. »Der Inhalt dieses Kühlschranks fängt demnächst an, sich zu bewegen.«
»Solange er nicht unsere Sprache spricht, ist es harmlos.« Martin feixte, dann stieg ihm der Geruch von Starks Entdeckung in die Nase, und er wedelte angewidert mit der Hand vor seinem Gesicht herum.
»Sieht ganz danach aus, als ob es das hier schon war.« In Sandras Stimme schwang Enttäuschung mit, obwohl sie sich Mühe gab, sich diese nicht anmerken zu lassen.
»Das kann nicht sein.« Patrick massierte sein stoppeliges Kinn. »Ein Restaurant dieser Größe muss über einen Vorratsraum verfügen. Die ganzen Sachen, die man für einen Abend mit vielen Gästen braucht, können unmöglich alle hier gelagert worden sein.«
»Und wo soll dieser Raum sein?« Sandra sah sich demonstrativ um. »Ich wette, wenn wir die Küche durch die andere Tür verlassen, kommen wir auf einen Gang, der uns zu den Toiletten führt. Und viel mehr Räume dürfte es hier nicht geben, dazu ist das Haus einfach zu klein.«
»Du denkst zu zweidimensional.« Patrick grinste. »Wenn es auf dieser Etage keinen Vorratsraum hat, denn vielleicht auf einer anderen.«
»Natürlich!« In Martins Gesicht hielt die Erkenntnis Einzug. »Das Gebäude ist so alt, dass es sicherlich noch einen Gewölbekeller besitzt. Die sind zum Lagern von Lebensmitteln ideal.«
In diesem Moment wurde es draußen vor dem Küchenfenster laut. Auch wenn keine Schüsse fielen, war das eindeutig Kampflärm!
*
Ein Mann hastete die Kellertreppe, die sich hinter dem Haus befand, nach oben. Er blutete an mehreren Stellen, die nach Kratz- und Bisswunden aussahen. Der Mann mochte Ende 30 sein, war knapp 1,80 Meter groß und hatte braune Haare. Sein Gesicht war rot vor Anstrengung, seine Miene eine Mischung aus Panik und Hass.
Hinter dem Mann tauchten jetzt mehrere Zombies auf der Kellertreppe auf. Für einen kurzen Moment behinderten sie sich in ihrer Gier nach frischem Fleisch gegenseitig, dann stieß der kräftigste von ihnen die anderen zur Seite und stieg die Treppe hoch, so schnell er es am helllichten Tage vermochte.
Der Mann blieb am Ende der Treppe stehen und drehte sich um. In seiner Hand hielt er einen Baseballschläger, den er jetzt mit einer geübt wirkenden Bewegung nach hinten schwang.
»Los, komm schon, Du Freak!«, schrie er. »Ich mach dich fertig!«
Der Zombie, der seinen Kumpanen voranstakste, ließ sich von den Worten jedoch nicht beeindrucken. Unbeirrt hielt er weiter auf den Mann zu. Kurz bevor er ihn erreichte, krachte dessen Baseballschläger mit Macht in sein Gesicht.
Von der Wucht des Schlages wurde der Zombie nach hinten gerissen. Kurz rang er um seine Balance, dann stürzte er die Kellertreppe wieder nach unten. Dabei riss er die anderen mit sich.
»Ich habe es dir doch gesagt!« Der Mann lachte gehässig. »Du und die anderen Arschlöcher habt keine Chance gegen mich. Wenn ihr nicht so stinken würdet, fräße ich jeden Tag einen von euch zum Frühstück.«
In diesem Moment tauchten weitere Zombies im Hinterhof auf. Dadurch wurden die Karten neu gemischt, diesmal deutlich zu Ungunsten des Fremden. Selbst wenn er Profi mit dem Baseballer war, würde er der schieren Masse der Angreifer auf Dauer nichts entgegensetzen können. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn die »Freaks« in Stücke reißen würden.
Plötzlich krachte ein Schuss. Der Kopf des Zombies, der dem Mann am nächsten war, wurde nach hinten gerissen. Der Getroffen kippte wie in Zeitlupe zur Seite und blieb liegen.
Der Mann riss den Kopf herum und schaute zu dem Fenster, aus dem geschossen worden war. In seinem Gesicht zeichnete sich Überraschung ab.
In der Fensteröffnung stand eine rothaarige Frau Anfang 20, deren auffallendstes Merkmal ihre üppige Oberweite war. In der Hand hielt sie eine Pistole, mit der sie jetzt ein regelrechtes Tontaubenschießen auf die Zombies im Hof veranstalte. Dabei zeigte ihre Miene grimmige Entschlossenheit.
Neben der Frau stand ein junger Mann, der linkisch an einem Gewehr herumhantierte. Schließlich schien er erreicht zu haben, was er wollte, und legte nun ebenfalls an.
Mit ohrenbetäubendem Donnern löste sich eine Kugel aus dem Gewehrlauf. Ein weiterer Zombie brach getroffen zusammen.
»Na also«, lobte die Frau, ohne mit der Pistole innezuhalten. »Dann haben die Schießübungen ja doch etwas genutzt.«
Wieder nestelte der junge Mann an dem Gewehr herum. Der Fremde im Hof erkannte, dass dieses offenbar nach jedem Schuss von Hand nachgeladen werden musste. Dann blieb keine Zeit mehr für solcherlei Betrachtungen, denn die Zombies auf der Kellertreppe hatten es nun wieder nach oben geschafft, und der erste angefaulte Arm wurde gierig nach der vermeintlichen Beute ausgestreckt.
Wieder krachte der Baseballschläger gegen den Schädel des Zombies und ließ ihn einige Schritte zurücktaumeln. Diesmal wurde der neuerliche Sturz jedoch vom Treppengeländer verhindert.
»Das hast du dir so gedacht, du Mistsau!«, höhnte der Mann im Hof »Wolltest dich wohl heimlich anschleichen, während ich mit deinen Freunden spiele. So nicht!«
Wieder donnerte das Gewehr. Das Knallen der Pistole nahm sich dagegen aus wie die Geräusche eines Kinderspielzeugs. Drei weitere Zombies brachen getroffen zusammen.
Dann geschah etwas, mit dem keiner gerechnet hätte. Mit einem lauten »Platsch!« platzten die Köpfe der restlichen Zombies, und es kehrte wieder Ruhe in dem Hof ein.
*
»Es ist schon wieder passiert.« Sandra sah fassungslos auf die Sauerei im Hof. »Sie sind geplatzt. Einfach so. Also stimmt es wohl doch, dass sie irgendwann einfach zerplatzen. Vielleicht, wenn sich genügend Fäulnisgase in ihren hässlichen Schädeln angesammelt haben.«
»Gottes Wege sind unergründlich«, murmelte Patrick. Laut sagte er: »Danket dem Herrn, dass er seine Hand schützend über uns hält.«
»Danke, dass ihr mir geholfen habt«, erklang es in diesem Moment unten aus dem Hof. »Alleine hätte ich das vermutlich nicht geschafft.«
»Wer bist du, und was hast du hier zu suchen?« Sandra sah den Mann misstrauisch an.
»Ich heiße Stephan, Stephan Mertens. Und ich wohne in Königsdorf. Euch habe ich hier allerdings noch nie gesehen.«
»Wir sind auch nur auf der Durchreise.«
»Wartet einen Moment, ich komme zu euch hoch.«
»Das halte ich für keine gute Idee.« Sandra wog ihre Pistole in der Hand, so als sei sie unschlüssig.
»Und warum, wenn man fragen darf?«
»Schau dich doch an. Du wurdest gebissen. In ein paar Stunden bist du einer von denen.«
»Quatsch! Das sind doch nur Kratzer.«
»Und wenn schon? Dann dauert es halt ein paar Tage, aber am Ergebnis ändert es nichts. Wenn du Anstalten machst näher zu kommen, jage ich dir eine Kugel in deinen Kopf.«
Während Sandra sprach, hatte sie sich den Fremden näher angesehen. Er war ein wenig mollig, und wirkte irgendwie spießig, was so gar nicht zu dem passen wollte, wie er sich noch vor ein paar Minuten benommen hatte.
»Ich mache dir einen Vorschlag.« Stephan sah Sandra direkt in die Augen, und in seinem Blick lag keinerlei Angst. »Ihr helft mir, die Schätze aus diesem Keller zu mir nach Hause zu schaffen, und dort besprechen wir alles in Ruhe.«
»Und was sollte mich daran hindern, dich jetzt gleich zu erschießen, damit wir nicht mit dir teilen müssen? Du bist sowieso schon so gut wie tot.«
»Bin ich nicht!« In Stephans Augen flackerte kurz etwas Undefinierbares auf. »Außerdem ist es nur logisch, dass sich die letzten Nicht-Infizierten in Zeiten wie diesen zusammentun. Falls ich auch zu einem dieser Freaks werde, was ich aber nicht glaube, kannst du mir ja immer noch den Gnadenschuss setzen. Also, was sagst du?«
Sandra sah ihn eine Weile mit zusammengekniffenen Augen an. Hinter ihrer Stirn schien es angestrengt zu arbeiten.
Ich mag diesen Stephan nicht. Unvermittelt erklang Gabis Stimme in Martins Kopf. Er macht mir Angst. Das buchstabiert man A-N-G-S-T.
Ich mag ihn auch nicht, sandte Martin zurück. Und Sandra geht es anscheinend ebenso. Ich denke nicht, dass sie auf sein Angebot eingeht.
»Also gut«, sagte Sandra in diesem Moment. »Ich bin einverstanden. Aber sobald du irgendwie auch nur ein Bisschen merkwürdig wirst, blase ich dir das Licht aus, verstanden?«