Kitabı oku: «Chronik von Eden», sayfa 17

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Kapitel IV - Mit Sack und Pack

Stephan hatte nicht zu viel versprochen. Der Vorratskeller des Restaurants glich einer Schatzkammer, nur dass diese nicht mit Gold und Edelsteinen gefüllt war, sondern mit allerlei Köstlichkeiten. Neben den verschiedensten Weinen fanden sich hier Käse, Mehl, haltbare Wurst und andere Dinge, die gut in einem Gewölbekeller gelagert werden konnten.

Die Gruppe hatte aus den Tischtüchern der Gaststube provisorische Tragen gefertigt, und transportierte die Beute nun zu Stephans Haus. Damit dieser ebenfalls bei der Schlepperei helfen konnte, hatte Gabi die Aufgabe übernommen, sein Fahrrad zu schieben.

»Kommt ihr aus Köln?«, wollte Stephan wissen, nachdem sie die Aachener Straße verlassen hatten.

»Und wenn es so wäre?« Sandra kniff die Augen zusammen.

»Dann habt ihr ganz schön Schwein gehabt, aus dem Schlamassel zu entkommen. Der Rauch der brennenden Stadt war gar nicht zu übersehen.«

»Mhm.«

»Ist es irgendwie ein Geheimnis, wo ihr her seid?«

»Dass vielleicht nicht, aber es spielt auch keine Rolle mehr. Oder siehst du das irgendwie anders?«

Stephan zuckte mit den Schultern. »Vermutlich hast du recht.«

»Bist du der einzige Immune in Königsdorf?«, beteiligte sich nun auch Martin an der Unterhaltung.

Sandra sah ihn mit einem schwer zu deutenden Blick an. »Wenn es andere gäbe, hätten sie sich vermutlich zusammengeschlossen. Das Kaff hier ist klein genug, damit man im Laufe der Wochen mitbekommt, was selbst am anderen Ende vor sich geht. Oder etwa nicht?«

Die letzte Frage war an Stephan gerichtet gewesen, woraufhin dieser erneut die Schultern zuckte.

»Kann schon sein. Aber ich wohne ein wenig außerhalb und wusste meine Ruhe bislang zu schätzen.«

»Ach ja?« Sandra hob eine Augenbraue. »Und warum hat sich das auf einmal geändert?«

»Weil mir vorhin mehr als deutlich klar geworden ist, dass ich es auf Dauer nicht alleine schaffen kann. Die Freaks sind einfach zu viele.«

»Und etwas anderes steckt nicht dahinter?«

»Was meinst du?«

»Nichts.« Sandra winkte ab. »Es ist schon gut.«

Martin war sich sicher, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hatte. Irgendetwas stimmte mit diesem Stephan nicht, und Sandra spürte das offenbar ebenso wie er. Umso verwunderlicher war es, dass sie ihm trotzdem gestattet hatte, sich der Gruppe anzuschließen. Stephan wusste sich seiner Haut zu wehren, soviel war klar. Von daher konnte er eine wertvolle Bereicherung sein, sofern er aufgrund seiner Wunden nicht ebenfalls zu einem der Knirscher wurde und das Merkwürdige an ihm sich nicht sonst auf irgendeine Weise als Gefahr offenbarte. Sie würden es herausfinden, auf die eine oder andere Weise.

*

Frank hatte sich in den Schatten eines größeren Gebäudes zurückgezogen. Aus sicherer Entfernung beobachtete er die Gruppe um Sandra. Gabriel ließ sich im Moment nicht sehen, und Frank war das nur recht.

Zweimal hatte er versucht mit Hilfe seiner Armee zumindest einen Teilsieg zu erringen, und beide Mal war er gescheitert. Vor dem Supermarkt waren sie seinen Zombies einfach davongerannt, die sich im Licht der Sonne nicht schnell genug bewegen konnten. Da hatte auch die ganze Macht seines kalten Zorns nichts geholfen.

Beim Restaurant hatte er es für eine gute Idee gehalten, sich zuerst den fremden Einzelgänger vorzunehmen. Obwohl Sandra und dieser andere Kerl ein Tontaubenschießen auf seine Armee veranstaltet hatten, wäre ihm das auch beinahe gelungen. Und dann waren wieder die Köpfe seiner Soldaten geplatzt. Einfach so! Das waren bestimmt wieder diese verfluchten Kinder gewesen.

Ein unangenehmer Schauer rieselte durch seinen ansonsten gefühllosen Körper. Das würde Gabriel gar nicht gefallen. Der dunklen Mann mochte keine Fehler. Wäre Frank doch nur bei seiner ersten Einschätzung geblieben, dass er seine Soldaten würde nicht schnell genug zusammenziehen können.

Aber es war so verlockend gewesen! Nachdem Sandra einen Abstecher zur Autobahn gemacht hatte, hatte er tatsächlich geglaubt, die Zeit würde reichen. Und dann das!

Nun, Fehler waren dazu da, um aus ihnen zu lernen. Und sollte Gabriel ihn dafür bestrafen, so war das nicht zu ändern. Schon einmal hatte sich der »Große Meister« in der Wahl des Anführers für die Truppen der Finsternis geirrt, also war er auch nicht so perfekt, wie er gerne tat. Sollte er Frank ebenfalls schnell wieder aus seinen Diensten entlassen müssen, wäre das ein neuerliches Fehlereingeständnis.

Gut, das würde Frank nichts nützen, denn auf diese Weise würde er um seine Rache gebracht. Aber auch der dunkle Mann wusste, dass das Feuer der Vergeltung tief in ihm brannte und dass sich noch genug Gelegenheiten ergeben würden, diese zu vollenden. Also wäre es dumm von Gabriel, ihm nicht die Chance dafür zu geben.

Und dann war da noch dieser weiße Hund. Irgendetwas stimmte mit dem Vieh nicht. Für ein Tier – selbst für ein gut abgerichtetes – verhielt sich der Köter viel zu intelligent. Den würde er im Auge behalten müssen. So wie jetzt, wo der Hund der Gruppe in einigem Abstand folgte. Sandra und die anderen schienen nichts davon zu bemerken, aber Frank entging es nicht, und nur das zählte.

So schwer es ihm auch fallen mochte, er musste sich in Geduld üben. Vielleicht machte die Gruppe ja nun selbst einen Fehler und übernachtete in der trügerischen Sicherheit, die das Haus des Einzelgängers bot. Nachts waren seine Soldaten viel schneller als am Tag. Und bis Mitternacht sollte es ihm möglich sein, genug von ihnen zu rufen. Dieses Mal würde es kein Entkommen geben.

*

»Willkommen in meinem bescheidenen Heim.« Stephan öffnete das grün lackierte Gartentürchen und umfasste mit einer Geste den Garten mitsamt des schmucken Einfamilienhauses, das darin stand.

Alles machte einen sehr ordentlichen Eindruck. Der Garten war liebevoll gepflegt, das Haus besaß weiße Wände, sein Dach war mit roten Ziegeln gedeckt. Der Anblick wirkte unwirklich, fast wie ein Echo aus einer längst vergangenen Zeit, in der alles besser gewesen war.

»Netter Garten.« Martin feixte und bückte sich, um sich einen der zahlreichen Gartenzwerge näher anzusehen.

»Nicht anfassen!« Stephans Stimme klang wie der Knall einer Peitsche. Bedeutend leiser setzte er hinzu: »Sie mögen das nicht.«

Martin verkniff sich eine Antwort. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sandra die Augen verdrehte. Dieser Stephan hatte offensichtlich gehörig einen an der Waffel. Aber wenn das Wohlbefinden der Gartenzwerge seine größte Sorge war, dann war er wohl wirklich als harmlos anzusehen. Ein Spinner zwar, aber keiner, der einem gefährlich wurde – zumindest solange man sich von den Bewohnern seines Gartens fernhielt.

»Schau mal, ein Gartenteich.« Begeistert zeigte Rosi auf die betreffende Stelle des Vorgartens. »Im Sommer baden bestimmt Vögel darin.«

Über Stephans Gesicht huschte ein versonnenes Lächeln. »Du bist ein kluges Kind. Wie heißt du denn?«

»Mein Name ist Rosi. Magst Du Vögel auch so sehr wie ich?«

»Ja, sehr sogar.« Stephan nickte. »Wenn du willst, zeige ich dir nachher noch mehr von meinem Garten. Möchtest du?«

»Dafür ist keine Zeit.« Sandra trat mit entschlossener Miene zwischen Stephan und das Mädchen. »Wir sollten zusehen, dass wir nach drinnen kommen und uns um das Zusammenstellen der Ausrüstung kümmern.«

Stephan nickte stumm und ging auf die Haustür zu, um sie aufzuschließen.

Hast du es gesehen? Toms Stimme klang unvermittelt in Martins Kopf auf.

Was meinst du?

Dieser Stephan. Er hat Rosi so merkwürdig angesehen.

Ja, das ist mir auch aufgefallen. Und Sandra scheint es ebenfalls bemerkt zu haben.

Nein, hat sie nicht. Toms Gedanken transportierten ganz eindeutig, dass er sich mit seiner Einschätzung ziemlich sicher war.

Und warum ist sie dann dazwischengegangen?

Weil sie vorankommen will. Ich glaube, Sandra sieht derzeit nur, dass uns Stephan nutzen kann. Zur Gefahr wird er in ihren Augen erst, wenn er zu einem der Knirscher wird.

Vielleicht hat Sandra aber auch einfach recht. Wir halten trotzdem die Augen offen.

»Kommt ihr dann auch?« Sandras Stimme war voller Ungeduld. Sie stand in der Haustür und schaute Martin und Tom missbilligend an, die zurückgeblieben waren, ohne es zu merken.

»Sorry.« Martin machte eine entschuldigende Geste. »Wir haben uns nur noch kurz den Garten angesehen.«

Nun setzten sie sich wieder in Bewegung und folgten den anderen nach drinnen. In Sandras Blick flackerte kurz Misstrauen auf, dann schüttelte sie den Kopf.

»Den Garten angesehen, aha. Na, wem es gefällt. Mein Geschmack ist er jedenfalls nicht.«

*

Ein verführerischer Duft durchzog das Haus. Patrick stand in der Küche und hantierte eifrig mit den dortigen Gerätschaften. Es hatte in ein wenig Mühe gekostet, Sandra davon zu überzeugen, dass sie alle endlich einmal wieder eine warme Mahlzeit brauchten. Schließlich hatte sie nachgeben und ihn mit einem »Zwei Stunden, und keine Minute länger!« gewähren lassen.

Obwohl sie im Moment über etliche Vorräte verfügten, gestaltete sich das Kochen als gar nicht so einfach, wie man meinen sollte, denn egal, für welches Gericht man sich entschied, es fehlte immer die eine oder andere Zutat. Schließlich hatte Patrick einfach damit begonnen zu improvisieren und aus dem, was er hatte, das Beste zu machen.

»Die Spaghetti sind gleich soweit«, sagte er an Miriam gewandt, die ihm assistierte. »Hast du das Corned Beef in feine Streifen geschnitten?«

»Ja, habe ich.« Das Mädchen nickte. »Und der Käse ist ebenfalls geraspelt. Das wird bestimmt lecker.«

Patrick ließ die Nudeln abtropfen, dann gab er sie in eine große Auflaufform, mischte die Corned-Beef-Streifen darunter und streute den Käse darüber.

»Und jetzt für ein paar Minuten in den Ofen, bis der Käse zerlaufen ist.« Patrick nickte zufrieden. »Dazu gibt es Löwenzahnsalat und frische Teigfladen. Autsch, ist das heiß!«

Patrick wedelte hektisch mit seiner Hand, dann fischte er den nächsten Fladen aus dem Backofen, um darin Platz für die Auflaufform zu schaffen.

Gut zehn Minuten später hatte jeder etwas auf seinem Teller. Trotzdem aß noch niemand, denn Patrick hatte sie gebeten zu warten.

»Magst du das Tischgebet sprechen, Rosi?«, wandte er sich schließlich an die jüngste in der Gruppe.

»Ich?« Das Mädchen sah erstaunt von seinem Teller auf.

»Warum denn nicht?« Patrick lächelte freundlich. »Irgendjemand muss ja damit beginnen, denn Herrn wieder in unseren Kreis zu holen. Und wer könnte besser dafür geeignet sein als ein Kind, dessen Seele noch rein ist?«

Sandra war anzusehen, was sie davon hielt, trotzdem sagte sich nichts und ließ den Pfarrer gewähren.

Rosi blickte unsicher zwischen Patrick und Sandra hin und her, dann presste sie hervor: »Herr, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.«

»Das hast du prima gemacht.« In Patricks Stimme lag Anerkennung. »Ich wünsche euch allen einen guten Appetit.«

»Amen«, murmelte Sandra, dann tat sie es den anderen gleich und begann ebenfalls zu essen.

*

»Ich habe mir überlegt, dass jemand die Kinder unterrichten muss«, eröffnete Patrick nach dem Essen. »Wir sollten versuchen, in diesen wirren Zeiten wenigstens ein kleines Stückchen Zivilisation aufrecht zu erhalten.«

»Und welche Fächer schweben Ihnen dabei konkret vor?« Sandra runzelte die Stirn. »Streitkolben schwingen, Schießen und Zombies filetieren?«

»Diese Dinge gehören ins Fach ›Sport‹«, erwiderte Patrick trocken. »Das ist sicherlich eine Überlegung wert. Aber mir ging es in erster Linie um die Grundlagen einer jeglichen schulischen Ausbildung: Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion.«

»Religion?«, echote Martin, der bislang interessiert zugehört hatte. »Also die anderen Sachen kann ich ja noch einsehen, aber hat die Kirche in den vergangenen Jahrhunderten nicht schon genug Unheil angerichtet?«

Aus dem Augenwinkel bemerkte er Sandras beifälliges Nicken.

»In der Vergangenheit sind von meinen Glaubensbrüdern im Übereifer sicherlich einige Fehler begangen worden. Aber wir sollten nicht vergessen, dass die Kirche auch viel Gutes getan hat.«

»Ach ja?« Sandras Körper spannte sich. »Zum Beispiel kleinen Jungs Aufklärungsunterricht der besonderen Art zu erteilen?«

»Ich bitte dich, Sandra. Aus dir spricht die Verbitterung. Bei diesen Vorkommnissen handelt es sich um bedauerliche Einzelfälle. Was sie keineswegs verzeihlicher macht, damit wir uns nicht missverstehen. Und ich bin mir sicher, dass diese Frevler ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass Gottes Wort schon immer eine Stütze in dunklen Zeiten war.«

»Und diejenigen, die sich nicht stützen lassen wollten, hat man kurzerhand auf den Scheiterhaufen gestellt.«

Patrick wollte protestieren, doch Sandra hob abwehrend die Hände: »Schon gut, schon gut. Wenn es Ihnen so wichtig ist, dann versuchen Sie Ihr Glück. Unterrichten Sie die Kinder, denn das ist sicherlich kein Fehler. Aber wenn Sie versuchen, Ihnen dabei irgendwelchen fundamentalistischen Unfug in die Köpfe zu pflanzen, dann sind wir die längste Zeit Freunde gewesen. Klar?«

»Sehe ich aus wie ein religiöser Eiferer?« Patricks klang verletzt.

»Diese Antwort verkneife ich mir jetzt besser.« Sandra grinste schief, und bevor Patrick etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: »Außerdem ist zu diesem Thema alles besprochen. Jetzt sehen wir zu, dass wir unsere Sachen packen und uns vom Acker machen.«

»Du willst aufbrechen?« Martin sah die junge Frau erstaunt an. »Ich dachte, wir übernachten heute hier.«

»Ja, ganz bestimmt. Das ist der beste Plan überhaupt: Eine Nacht vor Königsdorf, die nächste dahinter. So kommen wir ganz schnell voran.«

Mit zwei Schritten stand sie vor ihm und patschte ihm gegen die Stirn. »Mensch, überleg doch mal! Es ist Herbst, und der Winter steht vor der Tür. Bislang hatten wir mit dem Wetter Glück, das wird aber nicht ewig so bleiben. Also sollten wir zusehen, dass wir uns heute wenigstens noch bis zum nächsten Kaff durchschlagen.«

»Vermutlich hast du recht«, nuschelte Martin und sah sich dabei hilfesuchend nach Patrick um, doch dieser machte keinerlei Anstalten, etwas dazu zu sagen.

»Natürlich habe ich recht. Also los jetzt! Wir haben heute noch einiges vor.«

*

Knapp zwei Stunden später zeigte Sandras Gesicht eine gewisse Zufriedenheit. Zusammen mit Stephan hatte sie dessen Vorräte durchforstet und dabei entschieden, was sie davon mitnehmen würden. Zu ihrer Überraschung war sie in einem der Zimmer auf eine Nähmaschine gestoßen. Patrick hatte zu verstehen gegeben, dass er damit leidlich umgehen konnte, und versucht, aus den Tischtüchern des Restaurants und Dingen, die er in Stephans Haus vorfand, improvisierte Rucksäcke zu fertigen. Zum Erstaunen aller war ihm das sogar relativ gut gelungen.

»Unsere Marschordnung können wir nun auch optimieren«, stellte Sandra fest, als alle zum Aufbruch bereit waren. »Da wir vier Erwachsene sind, können wir die Kinder jetzt von allen Seiten beschützen. Stephan, du gehst voraus. Auf diese Weise kann ich dich besser im Auge behalten.«

Der Angesprochene nickte stumm.

»Ich übernehme die linke Flanke, Martin geht rechts.«

»Damit du mich besser im Auge behalten kannst, schon klar …«

»Das auch.« Sandra grinste. »Außerdem befinden sich auf diese Weise die beiden Schusswaffenträger der Gruppe in der Mitte, können also schnell in alle Richtungen eingreifen.«

»Dann bilde ich das Schlusslicht«, stellte Patrick überflüssigerweise fest.

»Na, besser der letzte als das Letzte«, murmelte Stephan so leise, dass es niemand außer ihm selbst hören konnte. Dabei wanderte sein Blick kurz zwischen Martin und dem Pfarrer hin und her, dann richteten sich seine Augen auf Sandra. »Können wir?«

Auf das Nicken der jungen Frau hin setzen sich die Pilger in Bewegung. Keiner von ihnen bemerkte, dass ihnen in einigem Abstand ein großer weißer Hund folgte.

*

Frank fluchte innerlich. Hatte Sandra womöglich geahnt, dass das Haus dieses Stephans zur tödlichen Falle werden würde, wenn sie ihm nur genügend Zeit dafür ließ? Oder steckte etwas anderes hinter dem fast schon hastig wirkenden Aufbruch?

Aber egal. Wie es aussah, würde sich die Gruppe wohl wieder zur Aachener Straße begeben und auf dieser weiter Richtung Westen gehen. Ihm blieb im Moment nichts anderes übrig, als ihnen mit dem Teil seiner Armee, den er bislang um sich sammeln konnte, zu folgen.

Unterwegs würden Sandra und ihre Begleiter in Sicherheit sein, denn Frank spürte deutlich, dass die nächsten seiner willenlosen Diener in dieser Richtung noch einige Kilometer entfernt waren. Vermutlich in der nächsten Ortschaft.

Er hatte sich nie für diese Gegend interessiert, konnte also auch nicht genau sagen, welche Ortschaften als nächstes kamen. Kerpen war ihm ein Begriff, aber es war fraglich, ob die Gruppe es heute noch bis dorthin schaffen würde.

Frank konzentrierte sich. In Kerpen gab es sicher weitere Mitglieder seiner dunklen Armee. Er streckte seine geistigen Fühler aus, tastete vorsichtig nach ihren tumben Gedanken. Vielleicht würde es ihm gelingen, die Flüchtenden in die Zange zu nehmen, ihnen seine Truppen aus Richtung Westen entgegenzuschicken.

Wäre er noch ein normaler Mensch gewesen, wäre ihm vor Anstrengung der Schweiß auf die Stirn getreten. Aber Frank hörte noch nicht einmal das Schlagen seines Herzens. War es überhaupt noch an seinem Platz?

Unwillig schüttelte er diese Gedanken ab. Sie hinderten ihn daran, seine Soldaten zu erreichen. Wenn es ihm gelang, Sandra, die Kinder und die drei Männer zu erledigen, würde Gabriel ihn belohnen, und nur das zählte im Moment!

Frank schloss die Augen. Seine Anstrengungen vervielfachten sich. Da! Endlich! Er kam zu einem seiner Soldaten durch!

Geht nach Osten! Frank legte alle Macht in diesen einen Gedanken.

Osten?, kam es zurück, und Frank spürte, dass keinerlei Verstehen darin lag.

Kommt zu mir! Das hatten die anderen bislang immer verstanden.

Zu mir … zu mir … zu mir …, echote der andere, und die Verbindung riss ab.

Frank wankte einen kuren Moment, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Die Energie, die ihn dieser Versuch gekostet hatte, zehrte sogar an den übermenschlichen Kräften, die ihm der Dunkle Mann verliehen hatte. Aber was viel wichtiger war: Hatte seine Kompanie in Kerpen den Befehl empfangen? Und vor allem auch richtig verstanden?

Er wusste es nicht, konnte es nur hoffen.

Frank richtete sich auf und setzte sich in Bewegung, um der Gruppe um Sandra zu folgen. Dabei bemerkte er wieder den weißen Hund, den er vor einigen Stunden aus den Augen verloren hatte.

Was wollte das Vieh denn schon wieder hier? In Frank wallte dunkle Wut hoch. Am liebsten hätte er seinen Soldaten befohlen, den Köter in Stücke zu reißen, aber am Tag war dieser viel zu schnell für sie. Es würde sie zu lange aufhalten, und das durfte keinesfalls passieren, denn wenn er Sandra verlor, würde die Strafe Gabriels schrecklich sein.

*

Am späten Nachmittag erreichten Sandra und ihre Begleiter die Ortschaft Horrem.

»Suchen wir dort auch nach Vorräten?«, wollte Martin von der jungen Frau wissen.

Sandra schüttelte stumm den Kopf und machte Stephan mit einem »Pssst!« auf sich aufmerksam. Als dieser den Kopf drehte, deutete sie nach links und erklärte: »Wir biegen hier nach Süden ab und lassen die Häuser rechts liegen.«

Stephan nickte und schlug wortlos die neue Richtung ein.

»Für eine Frau kennst du dich verdammt gut mit Himmelsrichtungen aus.« In Martins Stimme lag Bewunderung.

Sandra schenkte ihm jedoch nur einen kalten Blick, zuckte kurz mit Schultern und wandte sich von ihm ab, um mit ihren Augen wieder das Gelände zu sondieren.

Martin schluckte trocken. Was war nur mit dieser Frau los? Im einen Moment sorgte sie sich um die Kinder in der Gruppe wie eine Glucke um ihre Küken, im nächsten war sie ein eiskalter Klotz, der nichts menschliches an sich zu haben schien und an dem alles abglitt, als wäre seine Oberfläche mit Teflon beschichtet. Welche Erfahrungen hatten sie zu dem werden lassen, was sie heute war?

Zusammen mit den anderen setzte sich Martin in Bewegung. In der Ferne konnte er bereits wieder seinen Affen spüren. Martin hatte die kurze Pause genutzt, um sich etwas von dem Nasenspray zu verabreichen, aber das konnte den Affen nicht wirklich aufhalten – zumindest nicht auf Dauer. Hoffentlich hatte Sandra nicht gerade wieder eine »eiskalte Phase«, wenn er in die wirklich harte Zeit des Entzugs eintrat …

*

»Nun mein Freund, wie geht es dir?«

Frank hatte das Auftauchen des Dunklen Mannes zuerst nicht bemerkt, aber nun packte ihn die eisige Kälte wie eine physische Gewalt. Er registrierte jetzt auch wieder das leise Rascheln feinen Stoffs, das für die Präsenz Gabriels so charakteristisch zu sein schien.

»Wie soll es mir schon gehen?« Frank zuckte mit den Schultern. »Ich warte auf meine Gelegenheit, und die wird sicher bald kommen.«

»Möchtest du mir deinen kleinen Plan vielleicht verraten?«

Täuschte Frank sich, oder klang in der Stimme des anderen so etwas wie leichter Spott mit? Und wenn dem so war, was hatte Gabriel davon? Frank fragte sich sowieso, warum dieser ihn die Drecksarbeit machen ließ. Bei der Macht, über die der Dunkle Mann verfügte, musste es ihm doch ein Leichtes sein, den Flüchtenden den Garaus zu machen. Einfach so. Mit dem Zucken eines Augenlids.

Was also hatte Gabriel davon, Frank mit dieser Aufgabe zu betrauen? Seelen sollte er ihm bringen, das hatte er zumindest gesagt. Aber warum holte er sich diese nicht selbst? Ja, das waren Fragen. Viele Fragen sogar. Und der Dunkle Mann liebte keine Fragen, das hatte er ihm klargemacht.

»Der Plan ist eigentlich ganz einfach …«, setzte Frank an, doch der andere unterbrach ihn mit einem Handzeichen.

»Du bist ein braver Junge, dass du artig auf meine Fragen antwortest.« Gabriel lächelte vieldeutig. »Trotzdem möchte ich mir die Spannung nicht verderben, behalte ihn also bitte für dich.«

War es das? Hatte der Dunkle Mann ihn testen wollen, sehen, ob er auch loyal war?

Erneute fühlte Frank sich herumgeschoben wie eine Schachfigur, und das gefiel ihm nicht. Er war niemandes Spielzeug, er war ein Mensch! Wirklich? War er das noch? Und spielte das überhaupt noch eine Rolle?

Wieder wallte Zorn in ihm hoch, doch dieser war nicht heiß, sondern merkwürdig kalt, fast wie ein wütender Klumpen.

Dann riss Gabriels Stimme Frank aus seinen Gedanken: »Ich habe gesehen, wie deine Soldaten zwei weitere Male versagt haben. Trotzdem war es – nun, wie soll ich sagen? - auf eine ganz eigene Art erheiternd. Du testest deine Möglichkeiten aus, und das ist gut so. Deine kleine Freundin führt dich an der Nase herum.« Der Dunkle Mann kicherte.

Sandra! Diese miese kleine selbstsüchtige Schlampe! Gabriel hatte recht, sie war ihm immer eine Nasenlänge voraus. Vermutlich hatte sie von Anfang an alles genau so geplant, selbst dass er sich in Köln für sie und die Kinder opfern würde.

Aber sie würde schon noch sehen, was sie davon hatte! Er war schließlich kein Idiot, und er verfügte über etwas, das sie nicht besaß: Macht über die Untoten!

Er hatte zu Gabriel gesagt, dass seine Chance noch kommen würde, und er hatte es genau so gemeint. Und dann würde sie für alles bezahlen, was sie ihm angetan hatte. Qualvoll sterben lassen würde er sie, damit sie sich noch lange an ihn erinnerte, wenn sie schon längst in der Hölle schmorte.

»Ich sehe, du weißt, was du zu tun hast.« Gabriel nickte zufrieden. »Dann will ich dir mal nicht länger deine kostbare Zeit stehlen.«

Wieder dieser Spott in der Stimme, gefolgt von einem Kichern. Wurde der Dunkle Mann langsam verrückt?

Dann war er von einem Moment auf den anderen verschwunden, so als sei er nie da gewesen. Oder hatte Frank das eben nur geträumt?

Die eisige Kälte, die nur langsam wieder wich, belehrte ihn jedoch eines Besseren.

*

»Dort vorne richten wir uns für die Nacht ein.« Sandra deutete auf ein Gebäude am südlichen Ortsrand von Götzenkirchen.

Sie hatten Horrem im Osten umgangen, mittlerweile die A4 überquert und ein gutes Stück weit hinter sich gelassen. Eigentlich hatte Sandra damit gerechnet, sich den Weg über die Autobahn erkämpfen zu müssen, aber zu ihrer Überraschung hatten sie wohl mehr durch Zufall eine Stelle erwischt, die frei von Autos und somit auch frei von Zombies war.

Das Gebäude vor ihnen war ein schnuckeliges Einfamilienhaus, wie es sich jeder gestandene Familienvater für sich und seine Lieben wünschte. Hier war man nicht weit von Äckern und Wäldern entfernt. Ein traumhaftes Idyll vor den Toren Kölns, wären da nicht die ein wenig unangenehmen Umstände gewesen, die dafür gesorgt hatten, dass Sandra und die anderen hierhergekommen waren.

Martin sah Sandra verstohlen von der Seite an, dann wanderte sein Blick zurück zu dem schmucken Häuschen. Hätte er sich in einer besseren Zeit vielleicht hier zusammen mit ihr niedergelassen und eine Familie gegründet? Der Gedanke hatte etwas Verlockendes. Dann packte ihn sein Affe wieder – noch sanft – im Genick und begann damit, ihn ein wenig durchzurütteln.

Sandra schien nichts davon zu bemerken, oder tat zumindest so. »Nachdem wir sichergestellt haben, dass das Haus sauber ist, teilen wir die Wachen für die Nacht ein«, erklärte sie gerade. Dann bedeutete sie Patrick und Martin, bei den Kindern zu warten, und betrat zusammen mit Stephan das Haus.

Keine fünf Minuten später tauchte Stephan wieder im Türrahmen auf und winkte die anderen zu sich. Wie es aussah, hatten sie eine Bleibe für die Nacht gefunden.

»Patrick übernimmt die erste Wache.« Sandras Stimme duldete – wie so oft – keinen Widerspruch. »Stephan macht die zweite und ich die dritte. Martin ist als letzter dran.«

»Wir können auch Wachen übernehmen«, erklärte Tom, wobei er sich bemühte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben, was ihm aber nicht so recht gelingen wollte.

»Das ist nicht nötig.« Sandra schüttelte den Kopf. »Wir schaffen das schon.«

»Ist es, weil du es uns nicht zutraust?«

»Das hat damit nichts zu tun. Ihr seid Kinder, wir sind die Erwachsenen. Also sind wir für euch verantwortlich und schützen euch. Seht lieber zu, dass ihr euch heute Nacht gut erholt, damit wir morgen zügig vorankommen.«

Einen Augenblick sah es so aus, als wollte Tom noch etwas sagen, dann nickte er stumm und ging wieder zu den anderen Kindern. Diese waren bereits dabei, sich notdürftig für die Nacht einzurichten, so gut es eben ging.

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22 aralık 2023
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9783957771285
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