Kitabı oku: «Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi», sayfa 6
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Katalonien ist eine Region, die keine Grenzen kennt. Weder in der Lebensfreude seiner Einwohner noch in den staatlichen Vorstellungen. Die Europäische Union war aus Sicht der Katalanen der erste Schritt in die richtige Richtung. Man hat neben der Sprache eine gemeinsame Währung und die Möglichkeit zwischen dem spanischen und dem französischen Teil zu pendeln, ohne die Furcht vor Grenz- oder Zollkontrollen. Auch wenn weder die Franzosen noch die Spanier Katalonien als eigenen Staat anerkennen wollen, so ist man nicht nur im Geiste vereint. Man kann sich dank der Reisefreiheit und der gemeinsamen Währung durch ganz Katalonien bewegen, als wäre es ein eigenständiger Staat.
Die Frühjahrssonne über der spanisch-französischen Grenze ist bereits kräftig. Umso mehr kann man sich darüber freuen, dass man keine langen Wartezeiten für Grenzkontrollen zu erwarten hat.
Auch für die Lasterfahrer ist die Zollunion von Europa ein wahrer Segen. Sie mussten früher an jeder Grenze viel Geduld und Zeit mitbringen. Doch heute erkennt man die Grenzen zumeist nur noch an den Begrüßungsschildern der verschiedenen europäischen Staaten, gelegentlich an ungenutzten Grenzposten.
Pawel Kaminski sitzt in dem blauen Führerhaus seines Sattelschleppers und wird gerade durch ein solches Schild auf der französischen Seite Kataloniens begrüßt.
Auch er freut sich jedes Mal, wenn er ein solches Schild sieht, denn er kennt auch noch die anderen Zeiten, als die Grenzen zu vielen Ländern noch nicht offen waren. Er musste in jedem Land immer erst einmal Geld tauschen, um sich etwas zu essen kaufen zu können.
In der Fahrerkabine läuft im steten Wechsel polnische Folklore und deutscher Schlager. Beide Musikrichtungen erfüllen ihn mit Energie und guter Laune. Gerne singt er die Lieder lauthals mit und klopft dazu auf dem Lenkrad im Takt. Dabei behält er stets den Blick konzentriert auf der Straße. Er hat schon vieles gesehen und erlebt auf Europas Straßen. Auch an Stellen, wo man keine Erklärung dafür hatte, wie es dort überhaupt zu einem Unfall kommen konnte.
Der Mensch macht Fehler vor allem am Steuer, das weiß Pawel und darum achtet er auf seinen Vordermann und hält den nötigen Abstand ein.
Gelegentlich überholt ihn ein skandinavischer Sattelzug, der zwei, drei Kilometer pro Stunde schneller unterwegs ist. Kamil selber findet diese Manöver unnötig, auch wenn er weiß, dass manche der Kollegen überholen, um ein wenig Abwechslung in den Fernfahreralltag zu bekommen.
Pawels Laster rollt einfach so dahin, immer gleich schnell und immer auf der rechten Spur.
Wenige Kilometer entfernt in Perpignan nimmt gerade Jaques Lebrédonchel den Platz am Schreibtisch ein und kontrolliert sein E-Mail-Postfach. Wie erwartet leuchtet dort bereits eine E-Mail von Claire fettgedruckt als Neueingang auf.
Er klickt die E-Mail an und liest sie sich geruhsam durch.
Währenddessen öffnet er auf dem Bildschirm das polizeiliche Kennzeichenerfassungssystem und gibt das erhaltene deutsche Kennzeichen dort ein. Bevor er auf die Eingabetaste drückt, steht er aber erst einmal auf und holt sich eine Tasse aus der Büroküche, um sie mit einem Café au lait an der Kaffeemaschine zu befüllen. Diese keucht und rauscht als würde sie gleich abheben, doch am Ende wird ein genießbarer Café au lait dabei herauskommen, auf dessen Genuss sich Jaques bereits freut.
Mit der Tasse geht er zurück an seinen Platz, drückt die Eingabetaste und lehnt sich im Stuhl zurück, um den ersten Schluck zu sich zu nehmen.
Doch während er die Tasse zum Mund führt, er kann den Geruch des Kaffees bereits wahrnehmen, erscheint auf dem Monitor eine rot hinterlegte Meldung. Das gesuchte Kennzeichen ist soeben über die spanisch-französische Grenze gekommen und befindet sich seit weniger als fünf Minuten auf französischem Hoheitsgebiet.
«Merde!», entfährt es Jaques Lebrédonchel. Er stellt die Tasse auf dem Schreibtisch ab, schreibt sich das Kennzeichen und den Lastertyp auf einen Zettel, springt aus dem Stuhl und läuft die Treppen hinab zur Funkzentale der Polizeistation.
«Cedric, auf der A9 fährt ein deutscher Laster. Hier hast du das Kennzeichen und den Typ vom Laster. Gib eine Fahndung an alle Kräfte auf den Straßen heraus. Verdacht auf Kokaintransport. Den nehmen wir komplett auseinander. Sie sollen sich melden, sobald sie ihn haben. Ich bin auf dem Weg.»
Jaques wirft seinem Kollegen den Zettel auf den Tisch, greift nach seiner dunklen Einsatzjacke, die er für solche Momente am Haken neben dem Ausgang hängen hat und läuft zur Tür hinaus. Kurz bevor er losfährt, zieht er sein Handy aus der Tasche und schreibt eine Nachricht an Claire. Zufrieden steckt er das Telefon wieder ein, stellt das Blaulicht auf das Dach und fährt mit aufheulender Sirene vom Hof in Richtung A9.
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«Wenn Sie sich ruhig verhalten, dann setzen wir Sie jetzt auf das Sofa. Haben Sie mich verstanden?», fragt Scotty langsam und deutlich den glatzköpfigen Mann, der vor ihr auf dem Boden liegt.
«Ich bin hier nur zu Besuch. Ich weiß gar nicht, was Sie überhaupt von mir wollen», antwortet der Mann. «Ich habe nichts getan. Was wollen Sie mir hier vorwerfen? Auf einer Couch hocken und mit einer Konsole spielen?»
«Ihnen wird vorerst gar nichts vorgeworfen. Sie sind zunächst einmal Zeuge in einem Strafverfahren, müssen sich oder Angehörige hier auch nicht belasten. Haben Sie einen Ausweis dabei?», fragt Scotty, während sie dem Mann beim Aufstehen hilft.
«Nee, hab’ ich nicht», antwortet er trotzig.
«Wie heißen Sie denn?»
«Robert Köhler.»
«Sind sie der Bruder von Florian Köhler?», will Scotty wissen.
«Ja, das bin ich. Hat er wieder einmal Scheiße gebaut? Dem ist echt nicht mehr zu helfen», erwidert Robert Köhler genervt und verdreht dabei seine Augen.
«Wir werden die Wohnung jetzt durchsuchen. Wir haben eine Anordnung auf Gefahr im Verzuge von der Staatsanwaltschaft Hamburg vorliegen», erläutert Scotty das weitere Vorgehen.
«Und was machen Sie dann in dieser Wohnung?», fragt Robert Köhler verdutzt und schaut Scotty fragend an.
«Wieso? Was meinen Sie?», stellt Scotty als Gegenfrage und betrachtet den Mann von oben bis unten.
«Na, das ist doch die Wohnung meiner Mutter. Unserer Mutter. Die Wohnung von Flo ist schräg gegenüber. Hier wohnt der seit ein paar Monaten schon nicht mehr. Der Glückskerl hat die Wohnung von einem verstorbenen Vormieter übernommen und genießt weiterhin das Hotel Mutti. Nur hat er zusätzlich seine eigenen vier Wände im selben Haus. Die Miete wird auch noch von Vater Staat bezahlt, weil mein lieber Bruder einfach nichts Gescheites mit seinem Leben anzufangen weiß. Deswegen bin ich auch hier. Meine Mutter hatte mich gebeten, mit ihm noch einmal zu sprechen. Sie kommt einfach nicht an ihn heran. Vor allem nicht seitdem er diese neuen Freunde hat» berichtet Robert Köhler verzweifelt ohne Punkt und Komma.
«Was denn für Freunde?», fragt Scotty interessiert und überlässt dem redefreudigen Bruder gleich wieder das Wort.
«Keine Ahnung. Ich weiß das nur von meiner Mutter, aber Flo soll gar nicht mehr zu Hause sein, hängt nur noch in Harburg rum. Kommt auf einmal mit teuren Designerklamotten nach Hause, obwohl er normalerweise kaum einen Euro fürs Essen überhat.»
«Okay. Danke für die Auskunft, dann entschuldigen Sie die Störung. Wir werden dann mal nach schräg gegenüber gehen», antwortet Scotty und zwinkert dem Bruder freundlich zu, der die Geste mit einem Lächeln erwidert.
In der Wohnung von Florian Köhler beobachtet Cemal die Geschehnisse soweit möglich durch den Türspion. Alle Beamten befinden sich in der Wohnung und er könnte die Gunst der Stunde jetzt nutzen.
Bei den Rammschlägen zuckte er noch zusammen. Aber nachdem die Polizeirufe erklangen und dabei niemand in die Wohnung kam, beruhigte er sich schnell wieder und begann den Rest der Wohnung so schnell es geht zu durchsuchen.
Seitdem er fertig ist, beobachtet er das Geschehen in der schräg gegenüberliegenden Wohnung. Flo hatte ihm mal erzählt, dass er mit seiner Mutter auf einem Flur wohnen würde. Dann sind die Bullen wohl in die falsche Wohnung gegangen, was für Cemal ein Glück im Unglück ist.
Ruhe ist auf dem Flur des Hauses eingekehrt. Cemal schaut noch einmal durch den Türspion und drückt langsam die Türklinke nach unten. Er will möglichst lautlos auf den Flur gelangen, um unbemerkt das Haus verlassen zu können.
Cemal öffnet langsam die Tür und zuckt bei dem leisen Quietschen der Scharniere merklich zusammen. Er hält kurz inne. Geht einen Schritt aus der Tür und zieht die Tür langsam hinter sich zu. Kurz bevor sie komplett schließt, steckt er den Schlüssel ins Schloss und will die Türzunge öffnen, um jedes verräterische Geräusch zu vermeiden.
Doch genau in diesem Moment hört er ein metallisches Scharren auf dem Boden hinter der Tür von Flos Mutter. Schnellstmöglich reißt Cemal die Tür auf und geht zurück in die Wohnung. Er schließt so leise wie möglich die Tür und blickt mit einem Auge durch den Spion. Er will beobachten was auf dem Flur passiert und gegebenenfalls schnellstmöglich wieder zur Couch zurückzulaufen.
Bert hält bereits wieder die Ramme in der Hand und öffnet die Tür. Er konzentriert sich auf die nächste Wohnung, die er gewaltsam öffnen muss. Er will gerade die Wohnung gefolgt von Ernie, Kuno, Blondie und Scotty verlassen, als Robert Köhler in den Flur gelaufen kommt. «Mir ist gerade eingefallen, obwohl ich weiß gar nicht, ob es für Sie überhaupt wichtig ist?» Mit nachdenklichem Blick bleibt er im Flur der Wohnung stehen und schaut Scotty erwartungsvoll entgegen.
«Das können wir erst beantworten, wenn Sie es uns erzählen», antwortet Scotty freundlich.
«Meine Mutter hatte mir nämlich erzählt, dass er seine wertvollen Klamotten immer bei ihr in der Wohnung lagert. So ganz scheint er den neuen Freunden dann wohl doch nicht zu trauen. Die Tasche liegt auf dem Schrank in unserem alten Kinderzimmer. Aber wie gesagt, es sind nur Klamotten. Ich weiß ja auch gar nicht, was ihm jetzt genau vorgeworfen wird. Ich hoffe, ich kann dabei helfen, dass er wieder aus der Klemme kommt», erzählt Robert Köhler freudig und kann die Blicke dabei kaum von Scotty nehmen.
«Da werden wir wohl mal nachschauen. Danke für den Hinweis», antwortet sie und geht in das Zimmer auf das Robert Köhler mit dem linken Arm zeigt. Bert schließt währenddessen wieder die Tür und stellt die Ramme als Notriegel davor ab.
Cemal blickt einmal zur Decke und dankt all den Göttern, die ihn gerade beschützen. Er reißt die Tür auf und wartet nun keine weitere Sekunde. So schnell er kann läuft er zum Treppenhaus und nimmt teilweise mehrere Stufen gleichzeitig. Die letzten drei Stufen springt er hinab und läuft aus dem Haus hinaus zu der am Ende der Kehre stehenden Geländelimousine. Er springt auf den Beifahrersitz und knallt die Tür zu. «Fahr, Hüseyin, fahr los.»
Hüseyin startet den Motor und fährt langsam an. «Wo ich fahren sollen?»
«Egal. Ganz egal. Erst einmal weg hier», antwortet der kreidebleiche Cemal und sinkt in den Sitz, während er mehrfach tief einatmet.
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Ein wildes Treiben hat inzwischen am Gate A42 am Hamburger Flughafen eingesetzt. Zum Verdruss der zukünftigen Passagiere wurde zunächst eine Verspätung von einer halben Stunde ausgerufen. Jetzt sind die Schalter geöffnet und sofort bilden sich lange Menschenschlangen.
Ungeduldig warten die Ersten darauf, das Flugzeug zu besteigen, um die bereits festgelegten Plätze einzunehmen. Am Ende werden sie dann doch mit den zuletzt Einsteigenden zeitgleich abheben.
Gerd lässt sich von der aufkommenden Unruhe nicht anstecken, zumal Emilia inzwischen eine Etage höher geklettert ist und Onkel Gerd voll im Griff hat.
Dort spielt sie mit ihm im Wechsel „Ich-sehe-was,-was-du-nicht-siehst“ und „Hoppe-hoppe-Reiter“. Dabei lacht sie so laut, dass ein Echo durch das gesamte Abfluggate schallt. Mit strahlenden Augen betrachtet sie Gerd, zupft an seinem Mundbart und schaut ihm in die Augen. «Onkel Gerd, weißt du was?»
«Mmmh, vielleicht. Was denn?», antwortet Gerd und macht ein fragendes Gesicht, bei dem er die Wangen aufpustet und große Augen macht.
Emilia fängt umgehend an zu lachen. «Wenn du mal richtig alt bist und einen langen weißen Bart und lange weiße Haare hast, dann könntest du glatt Weihnachtsmann werden. Du bist mindestens genauso toll!»
«Weißt du was Emilia?», fragt Gerd und kitzelt das kleine Mädchen ein wenig an den Seiten.
«Nee. Was denn?», fragt sie neugierig und versucht große Augen zu machen und die Wangen dabei aufzupusten.
«Das ist das schönste Kompliment, das ich seit langer Zeit gehört habe», antwortet Gerd. Dabei beginnt er seinen Kopf ausschweifend auf und ab zu nicken.
«Schön, dass wir zusammen in den Urlaub fahren, Onkel Gerd», sagt Emilia und knufft Gerd dabei in den vorstehenden Bauch.
«Du kannst wirklich toll mit Kindern umgehen, Gerd. Bist du mal Lehrer gewesen?», fragt Steven interessiert, der durchgehend Emilia dabei beobachtet, wie herzlich sie mit Gerd spielt. Seine Freundin überbrückt die Wartezeit währenddessen mit ihrem Notebook, das sie aus dem Handgepäck gezogen hat und derweil E-Mails beantwortet.
«Gerhard war bis vor einem halben Jahr…»
«Mal dies und dann das. Jetzt bin ich aber Rentner und habe eine arbeitsfreie Zeit vor mir. Diese Freiheit darf ich nun mit meiner wundervollen Frau verbringen», unterbricht Gerd seine Frau, die ihn gleich wieder böse anschaut. Sie hasst es, wenn er ihr so über den Mund fährt und überhört dabei vollends das ungewohnte Kompliment.
«Ich war mal Koch und bin Laster gefahren, aber ich war auch mal in unterschiedlichen Bürojobs unterwegs. So eine Art Projektmanager. Immer wenn ich ein Projekt abgeschlossen hab', durfte ich mir das nächste vornehmen. Und was machst du so?», stellt Gerd die Gegenfrage.
«Ich hatte mal als Fitnesstrainer gearbeitet, aber jetzt habe ich einen Job in einer Im- und Exportfirma angenommen. Außerdem kümmere ich mich um Emilia. Meine Freundin ist bei uns der Workaholic», erwidert Steven und nickt zu der attraktiven, aufwendig gestylten Frau neben sich, die vertieft in ihr Notebook schaut.
«Das kenne ich, also mein Mann, der war auch nie zu Hause», bringt sich Dörte in das Gespräch ein und freut sich, dass sie wenigstens diesen Satz zu Ende bringen konnte.
«Aber jetzt bin ich ja endlich immer da. Ich glaube wir können uns mal zum Schalter begeben, wir sind so ziemlich die Letzten», wirft Gerd ein, greift Emilia unter die Arme und stellt sie vor sich hin.
«Juchuuu, wir fliegen!», schreit Emilia aus sich heraus und läuft halb hüpfend, halb springend zum Bodenpersonal, das sie mit einem freudigen Lächeln empfängt.
Alle holen ihre Bordkarten hervor und legen sie der Stewardess vor.
Kurze Zeit später sitzen sie im Flugzeug auf ihren vorgesehenen Plätzen. Steven ist damit beschäftigt den Sitzplatz von Emilia vorzubereiten und sie anzuschnallen. Seine Freundin schreibt noch hektisch auf ihrem Handy eine E-Mail zu Ende, während Gerd und Dörte sich in der Reihe hinter ihnen einrichten.
«Du musst mir nicht immer so über den Mund fahren», zischt Dörte leise in Gerds Ohr. Dabei verdreht sie ihre Augen und setzt einen halb verärgerten und halb enttäuschten Gesichtsausdruck auf.
«Und du musst nicht mit jedem darüber sprechen, was ich früher gemacht habe», antwortet Gerd grimmig.
«Und warum erzählst du ihnen dann so einen Quatsch, dass du als Koch gearbeitet hast und als Lasterfahrer?», fragt Dörte sichtlich genervt.
«Wieso Quatsch? Früher beim Bundesgrenzschutz war ich Einsatzkoch. Meine Bratkartoffeln sind dort noch heute legendär», antwortet Gerd besserwisserisch.
«Den Grenzschutz gibt es nicht einmal mehr, so lange ist das her, Gerhard. Der heißt jetzt Bundespolizei. Und deine damaligen Esser können froh sein, wenn sie noch Zähne haben, mit denen sie die knusprigen Dinger kauen könnten.»
«Jetzt wirst du aber ungerecht, Dörte. Für die Jungs der freiwilligen Feuerwehr mache ich die auch jedes Jahr zum Grünkohlball und jeder reißt sich um meine Bratkartoffeln. Und Lasterfahrer war ich auch damals in der FD9, dem was sich heute Bereitschaftspolizei schimpft. So, und nun ist gut mit der Vergangenheit, wir schauen nach vorne. Zumindest für diesen Urlaub», antwortet Gerd mit immer strenger werdendem Tonfall, ohne dabei jedoch lauter zu werden.
«Ist ja gut, Gerhard. Mir soll es nur recht sein», antwortet Dörte und wendet sich leicht schmollend zur Seite.
In diesem Moment setzt sich das Flugzeug in Bewegung und die Stewardessen nehmen die gewohnten Positionen ein, um die Sicherheitsanweisungen vorzuführen.
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«Da sind aber auch nur Klamotten drin, glaube ich. Ich hatte die mal geöffnet und reingeschaut, als meine Mutter mir von der Tasche erzählte. Ich wollte ja nicht, dass Flo auch noch meine Mutter in irgendwas mit reinzieht», redet Robert Köhler auf die Ermittler ein. Bis auf Bert sind allesamt zu der Tasche im alten Kinderzimmer von Flo gegangen.
Nachdem Scotty einige Fotos geschossen hat, hievt Kuno die Tasche vom Schrank und stellt sie auf dem Bett ab. Er macht Scotty anschließend Platz und überlässt ihr die Öffnung der Tasche.
«Da sind wir ja alle mal gespannt, was das so für Klamotten sind, die ihr Bruder hier bunkert, nicht wahr?», sagt Scotty mehr zu sich selber, als zu Robert Köhler. Der fühlt sich dadurch jedoch gleich dazu eingeladen, ebenfalls in das Schlafzimmer zu kommen, um einen Blick auf die Tasche und deren Inhalt zu erlangen.
Scotty öffnet den Reißverschluss langsam mit ihren in blauen Einweghandschuhen befindlichen Händen, so dass das Schnurren vom Reißverschluss langgezogen den Raum erfüllt. Ein leicht chemischer Geruch steigt aus der offenen Tasche in Scottys Nase. Sie kann ihn umgehend zuordnen und lässt sich von der abdeckenden Designerjacke nicht ablenken.
Sie macht ein weiteres Foto, nimmt die Jacke aus der Tasche und wirft sie auf das Bett. Unter der Jacke kommen mehrere feste Klötze zum Vorschein, die in etwa so groß sind wie Milchpakete. Mehrfach mit Klarsichtfolie umwickelt, liegen sie auf einer großen Waage, einem Karton mit Einweghandschuhen und mehreren Einkaufstüten von unterschiedlichen Supermärkten.
«Ich denke, die Tasche nehmen wir so mit, wie wir sie gefunden haben, oder was meint ihr?», fragt Scotty in die Runde. Ihre Augen strahlen vor Freude, als würde Geburtstag und Weihnachten auf einen Tag fallen.
«Ist es das, wofür ich es halte?», fragt Blondie unsicher und starrt auf die nun wieder verschlossene Tasche mit gebanntem Blick.
«Jo. Ich habe auf Anhieb sieben Stück gezählt. Jetzt muss die Tasche erst einmal als Spurenträger ins Präsidium. Vorher gehen wir noch rüber zur Wohnung von Florian Köhler. Sie haben nicht zufällig einen Schlüssel für die Wohnung ihres Bruders?», fragt Scotty.
«Nee. Mein Bruder und ich sind nicht so dicke miteinander. Meine Mutter hätte vielleicht einen, aber ich wüsste nicht wo und ich kann sie auch nicht anrufen, denn sie hat kein Handy», antwortet Robert Köhler, völlig irritiert von der Situation. Auch wenn er nicht weiß, was dort gerade genau gefunden wurde. Dennoch war er sich auf Grund der Reaktion der Beamten sicher, dass es nichts Gutes für seinen Bruder bedeuten würde.
«Ihre Mutter hat kein Handy?», fragt Ernie völlig irritiert und blickt Robert Köhler staunend an.
«Ja, sie ist dieser eine Mensch, der sich gegen die Technik wehrt und ihren Festnetzanschluss für ausreichend empfindet. Sie hat auch kein Internet, falls es sie interessiert», antwortet Köhler mit den Schultern zuckend.
Bert entfernt die Ramme als Türstopper, wodurch ihm das Türblatt gleich entgegen geschwungen kommt.
Er tritt aus der Wohnung heraus, erneut mit der Ramme in der Hand, um die schräg gegenüberliegende Tür praktisch und schnell zu entriegeln. Dabei stockt er in seiner Bewegung.
«Leute, die Tür steht offen. Sie ist nur angelehnt und der Schlüssel steckt.» Bert stellt die Ramme ab und zieht umgehend seine Dienstwaffe. Auf die Tür zielend geht er langsam auf sie zu und wartet bis Ernie, Kuno und Blondie ihm das Zeichen geben, dass sie bereit sind. Bert stößt die Tür auf und blickt kurzzeitig in den Flur.
«HIER IST DIE POLIZEI. KOMMEN SIE MIT ERHOBENEN HÄNDEN IN DEN FLUR!», schreit Bert in den leeren Flur hinein. Er wartet auf eine Reaktion, doch niemand erscheint.
«HIER IST DIE POLIZEI. MEINE LETZTE AUFFORDERUNG: KOMMEN SIE MIT ERHOBENEN HÄNDEN IN DEN FLUR!»
Keiner der vier nimmt ein Geräusch oder eine Bewegung aus der Wohnung war. Bert vergewissert sich kurz bei denen hinter ihm stehenden Kollegen. Alle nicken ihm eindeutig zu. Langsam betreten sie die Wohnung und sichern die Räume. Scotty bleibt solange mit geschulterter Tasche im Hausflur stehen und beobachtet des Treppenhaus.
«Sauber.»
«Sauber.»
«Sauber. Hier ist niemand», ruft Kuno aus der Wohnung, worauf Scotty ebenfalls hineinkommt, den Schlüssel von der Tür abzieht und in einen Asservatenbeutel steckt.
«Frau Kommissarin, warten Sie. Was ist mit der Tür meiner Mutter?», fragt Robert Köhler freundlich.
«Tut mir leid, da müssen Sie den Hausmeister anrufen. Die Rechnung zahlt Ihr Bruder!», antwortet Scotty schulterzuckend.
«Aber der hat doch gar kein Geld», erwidert Robert Köhler sichtlich frustriert.
«Da können wir leider nicht helfen. Die Schuld liegt bei Ihrem Bruder», ruft Scotty dem niedergeschlagenen Köhler zu und schließt die Tür.
«Leute, hier war jemand vor uns da. Der ist offenbar abgehauen, während wir drüben waren. So ein Mist!», brüllt Kuno durch das Wohnzimmer, in dem alle Schranktüren offenstehen und die Sofakissen auf dem Boden verstreut liegen.
«Alles halb so schlimm, Kuno. Ich denke wir haben das gefunden, was die hier vermisst haben», jubelt Scotty in den Raum hinein. Sie geht auf Kuno zu, hebt die Tasche an ihren Trägern an und klopft Kuno abschließend aufmunternd auf die Schulter. «Wir schauen trotzdem, ob wir etwas Spannendes finden.»
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