Kitabı oku: «Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi», sayfa 4

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Im leichten Wind aus Nordosten schwankt eine rote Schaukel an ihren blauen Seilen, die an einem Holzgerüst befestigt sind. Der leichte Plastiksitz schwingt von alleine und lässt die Haken leise quietschen. So leise, dass man es im Wind kaum vernehmen mag.

Hinter der Schaukel liegt, am Ende des gepflegten Rasens, eine Doppelhaushälfte verklinkert mit roten Backsteinen. Die weißen Fenster sind geputzt. Die Küchenfenster werden von einer frisch beblätterten Harlekinweide verdeckt.

Von der Schaukel aus kann man im hell erleuchteten Wohnzimmer zwei Männer sehen. Einer von ihnen sitzt mit einer Lederjacke bekleidet zurückgelehnt auf dem beigen Sofa. Er schaut hinauf zu dem vor ihm stehenden Mann. Dieser redet offenbar auf ihn ein und gestikuliert dabei wild mit seinen Armen.

Er trägt keine Jacke, lediglich ein T-Shirt und eine Jogginghose. Dabei läuft er barfuß auf dem Kirschholzparkett auf und ab.

«Flo, du musst das wieder mitnehmen. Das ist keine A-Ware. Alle beschweren sich. Nur Kopfschmerzen wegen dem Stein. Der Block sieht fest aus, aber wenn man aufmacht, dann bröselt der. Die Leute geben wieder zurück, Digger. Ich habe sogar ohne Gewinn versucht zu geben, aber niemand will», beklagt sich der stehende Mann aufgeregt, reibt das gut gebräunte Gesicht mit seiner tätowierten Hand und kratzt sich im Anschluss am kahlrasierten Hinterkopf.

«Ich kann das nicht auf Menge abgeben. Vielleicht kann jemand das für euch klein, klein verkaufen, aber Digger. Das ist nicht mein Geschäft, Digger. Ihr habt A-Ware versprochen. Direktware, Digger. Das ist auf sicher gestreckt. Ich habe es gekocht. Das hat weniger als 80 Prozent. Ich habe es dir wieder verpackt. Du kannst es direkt mitnehmen.»

Der Mann dreht sich um, geht zu einem der Küchenschränke und entnimmt diesem eine rote Plastiktüte. Er legt sie vor dem ruhig abwartenden Gast auf den Wohnzimmertisch und wartet auf dessen Reaktion. Die stoische Ruhe macht ihn noch nervöser, so dass er weiterhin auf und abläuft in seinem Wohnzimmer.

Nachdem der sitzende Mann mehrfach den Bewegungen mit den Augen folgte, zieht er aus seiner Ledertasche ein Telefon und beginnt darauf zu tippen.

Er schaut zu dem glatzköpfigen Mann auf und blickt wieder auf das Handy. Er tippt etwas ein und wartet.

Nach kurzem Zögern schaut er mit seinen hellblauen Augen empor, drückt sich mit der linken Hand aus der Couch und ergreift mit der rechten Hand die Tüte.

«Wir nehmen es zurück», sagt der junge blonde Mann. Er richtet sich zu vollen zwei Metern Körpergröße auf und geht in Richtung Hauseingang. An der Eingangstür ergreift er einen schwarzen Rucksack, steckt die Plastiktüte in das große Fach, verschließt den Reisverschluss und verlässt das Haus ohne weitere Verabschiedung.

Mit aufgesetzt lockerem Gang geht Flo die Straße entlang und schlurft dabei mit den Sohlen der hellen Sneakers über die grauen Gehwegplatten. Die Hände steckt er tief in die Taschen der abgenutzten Baggyjeans. Kurz darauf zieht er aus der Jacke einen fertig gedrehten Joint und steckt sich diesen an. Mit einem tiefen Zug zieht er den süßlichen Duft in die Lungen und spürt schnell die Wirkung des Amnesia Haze in sich emporsteigen.

An der Bushaltestelle stellt Flo sich ein wenig abseits der ebenfalls wartenden Leute auf. Er zieht ein ums andere Mal an dem Joint, der ihn zunehmend entspannen lässt.

Ein wartendes Pärchen an der Haltestelle wendet sich ihm zu und betrachtet ihn von den Füßen bis zu den blonden Haarspitzen, die ihm über die abrasierten Seiten fallen. Alle anderen Fahrgäste entfernen sich ein paar Schritte. Sie stellen sich bewusst ein wenig weiter von dem jungen Mann auf, dessen blauer Dunst sie alle erreicht hat.

Das Pärchen jedoch lässt noch immer nicht den Blick von ihm abwenden. Während die Frau immer mal wieder in der Umgebung umherschaut, starrt der ältere Kerl ihn durchdringlich an.

«Was guckst denn so blöd? Zieh Leine, Alter!», harscht Flo den älteren Mann an, der sich von der aggressiven Ansprache jedoch nicht einschüchtern lässt.

«Mach du mal lieber deinen Joint aus, mein Lieber», erwidert der Mann. Er geht auf den wesentlich jüngeren Widersacher zu, der ihn verwundert anschaut.

«Sonst was, Oppa?», fragt Flo aufreizend und baut sich provozierend vor dem Mann auf.

«Sonst haben wir beide ein kleines Problem. Hier und jetzt», antwortet der Mann und weicht keinen Schritt zurück.

Flo antwortet mit einem tiefen Zug blauen Dunst, den er dem älteren Mann direkt ins Gesicht pustet.

Beide stehen lauernd gegenüber und starren sich gegenseitig in die Augen. Langsam zieht der ältere Mann eine Karte aus der Jackentasche und hält sie Flo direkt vor dessen Gesicht.

«Die Polizei, dein Freund und Helfer. Und nun machen Sie bitte den Joint aus und geben mir ihre Ausweispapiere», sagt Kuno im ruhigen Tonfall aus seinem vollbärtigen Gesicht. Er beginnt leicht dabei zu lächeln. Dabei fixiert er die entsetzten Augen von Flo. Er sieht, wie sich die eigentlich stark geweiteten Pupillen zusammenziehen und die Schultern in Fluchtrichtung zucken. Doch schon ergreift Kuno routiniert mit der linken Hand den rechten Arm von Flo. Er verdreht den Arm auf dessen Rücken, nachdem er ihn an den langen blonden Haaren packt und zu Boden reißt.

Schneller, als Flo realisieren kann, was gerade mit ihm geschieht, liegt er bereits bäuchlings auf dem Boden. Er bekommt durch die weibliche Partnerin von Kuno die Handfesseln auf dem Rücken angelegt.

«Sie sind vorläufig festgenommen wegen dem Besitz von Betäubungsmitteln. Sie müssen sich nicht zum Sachverhalt äußern und können erstmal einen Anwalt befragen», erklärt Kuno ihm, begleitet von dem metallischen Klicken der Handschellen.

«Hey, Alter. Wegen einem Joint so ein Aufriss? Das kann nicht euer Ernst sein. Das ist Eigenbedarf», erwidert Flo entsetzt. «Das kannst du nicht bringen, Alter.»

Ein langgezogenes Ratschen an seinem Rücken lässt Flo abrupt verstummen. Er legt die Stirn auf die kühle Betonplatte und hofft vergeblich darauf, dass das Unausweichliche nicht geschieht. Leises Knistern verspricht, dass die Wünsche nicht in Erfüllung gehen werden.

«Na, was haben wir denn da, mein Freund», frohlockt Kuno. «Ich denke, da werden wir wohl einen Streifenwagen für dich rufen müssen. Das kannst du gerne den Kollegen vom Rauschgiftdezernat erklären, Alter.»

12

Über dem Polizeistern in Alsterdorf steht die Sonne in ihrem Zenit. Sie strahlt wärmend durch das mit Alurahmen eingefasste Bürofenster genau auf Ottos Monitor. Das reflektierende Licht blendet ihn, so dass er die kleinen Schweinsaugen noch mehr zusammenkneift und sich die tiefen Tränensäcke leicht anlupfen. Otto reibt sich über den Mund und greift einmal tief in die Spekulatiustüte, um eine Handvoll Kekse aus ihr zu bergen. Schon jetzt sehnt er sich dem September entgegen, um endlich wieder die Vorräte von seinen Lieblingskeksen aufstocken zu können.

Knuspernd schmatzend wendet er sich zum Fenster und reißt den behördengrauen Vorhang vor die Sonne, ohne sich hierbei aus dem Bürostuhl zu erheben.

Mit harten Schlägen hackt er mit zwei suchenden Zeigefingern die ersten Erkenntnisse in die Tastatur. Er will dem bereits vorab ausschweifend informierten Staatsanwalt Schmidt, nach dem soeben beendeten Telefonat, eine erste Schriftlage überstellen.

Das Klappern der Tasten übertönt das Surren der Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich des Flures vom Rauschgiftdezernat. Dort tritt gerade Tim Dombrowski mit forschem Tempo auf den Gang. Eilig sucht er die Bürotür von Otto auf und stellt sich noch mit Jacke bekleidet in den Türrahmen.

«Typisch! Keine Zeit am Telefon. Mir nichts erzählen können, aber den Mund voller Kekse haben. Das sieht dir ähnlich», ruft er gehässig in den Raum. Otto verschluckt sich vor Schreck an den trockenen Keksen und verteilt dabei einige Krümel auf dem aschfahlen Schreibtisch. Er nimmt einen großen Schluck von dem inzwischen abgekühlten Kaffee und wendet sich erst dann dem lauernden Dombrowski zu, der ihn mitfühlend anschaut.

«Du hörst dich an wie meine Frau», erwidert Otto und zieht die Mundwinkel leicht nach unten. Dabei schiebt sich die Unterlippe ein wenig über die schmale obere Lippe.

«Was liegt an, mein Lieber?», fragt Dombrowski ohne weiter auf den noch immer leicht schmollend anhustenden Otto einzugehen.

«Pass auf! Der Chef hat einen Anruf von einem unbekannten Teilnehmer bekommen, einem Hinweisgeber, der ihn auf dem Ohlsdorfer Friedhof treffen wollte. Da ist er hingefahren und hat dort einen ihm nicht weiter bekannten Südländer getroffen. Der hat ihm ein Pinneberger Kennzeichen genannt hat. Das Kennzeichen soll zu einem Laster gehören, der aktuell größere Mengen Kokain aus Spanien abholen soll. Und als Krönung des Ganzen ist unser guter alter Freund Cemal involviert.» Zufrieden grinsend lehnt sich Otto im Bürostuhl zurück und beginnt freudig zu strahlen.

«Und wann kommt der Laster? Oder wo ist der gerade? Wer ist der Fahrer und wohin wird er fahren? Zu welcher Firma gehört er und wie und wann waren seine letzten Routen?», fragt Dombrowski fordernd, doch Otto reagiert achselzuckend. Das breite zufriedene Grinsen entschwindet ihm dabei aus dem Gesicht.

«Dann rufe ich mal die Franzosen an. Schreibst du mir das Kennzeichen auf?», ergänzt Dombrowski auf die stumme Reaktion von Otto.

«Den Auszug vom Kennzeichen habe ich dir schon per E-Mail weitergeleitet. Aber was willst du von den Franzosen?», fragt Otto und runzelt die Stirn.

«Du weißt nicht, wo der Laster in Spanien ist?»

«Nö.»

«Du weißt nicht, wer der Fahrer ist und wie seine Rufnummer lautet, um ihn orten zu können?»

«Nö.»

«Welches Land liegt zwischen Deutschland und Spanien?»

«Holland.»

Dombrowski verdreht lächelnd die Augen. «Welches Land noch? Fängt mit Frank an und hört mit Reich auf.»

«Ja, Frankreich. Weiß ich doch.»

«Dann weißt du jetzt ja, warum ich die Franzosen anrufe.»

«Nö.»

Dombrowski wendet sich kopfschüttelnd von Otto ab und geht in sein gegenüberliegendes Büro. Dort setzt er sich zunächst hin und wirft ein paar verstreute Akten unsortiert auf einen Stapel. In seinem Telefonbuch sucht er nach der Rufnummer von Claire von der Police National. Mit ihr hatte er bereits einige Male zusammengearbeitet, ohne die umständlichen Hürden und Bürokratien der europäischen Rechtshilfe berücksichtigen zu müssen. Sie sitzt in der französischen Botschaft in Berlin und hilft immer gerne, wenn sich Fragen auftun.

«Jetzt weiß ich, was du vor hast», ruft Otto lauthals rüber und schiebt sich im Anschluss einen weiteren Keks in den Mund.

Ein Freizeichen erklingt in der Muschel des Telefons und nach wenigen Sekunden erklingt die liebliche Stimme der vertrauten Französin. Immer wieder gerne schaut sich Dombrowski ihr Profilbild an, wenn er von ihr eine Anfrage per Messenger erhält.

«Bonjour Tim. Wie geht es dir?»

«Moin moin Claire. Ca va bien. Merci. Et toi.»

«Sehr gut. Wollen wir heute auf Französisch miteinander sprechen?», antwortet die zarte Stimme mit leichtem Akzent.

«Heute noch nicht», erwidert Dombrowski und lacht verschmitzt. «Ich habe einen Hinweis für euch. Ich schicke dir gleich ein Kennzeichen von einem Laster. Falls der aus Spanien bei euch einreist, dann könnt ihr den komplett auseinandernehmen. Wir wissen nicht wie und wo drin, aber er transportiert höchstwahrscheinlich größere Mengen Kokain von Spanien nach Deutschland.»

«Sehr gut. Dann schicke mir eine Nachricht mit dem Kennzeichen und ich werde schauen, was wir machen können. Willst du eine Benachrichtigung erhalten, wenn wir ihn angehalten haben?», fragt Claire.

«Auf jeden Fall. Ruf mich bitte sofort an, wenn ihr ihn habt. Ich bin gespannt und freu mich auf deinen Rückruf», antwortet Dombrowski. Er leitet dabei die von Otto erhaltene Email an Claire weiter.

«Dann melde ich mich. Bis bald.»

«Tschüss», verabschiedet sich Dombrowski und legt nach einem verträumten Moment den Hörer auf.

«Ich bin gespannt und freu mich auf deinen Rückruf», äfft Otto seinen soeben säuselnden Kollegen nach und lehnt sich mit dem Kaffeebecher in der Hand gegen den Türrahmen. Langsam beginnt er dabei lauter werdend und gehässig glucksend zu lachen.

13

Im Café International an der Wilstorfer Straße in Hamburg-Harburg herrscht weiterhin reges Treiben vor dem Laden.

Cemal hat sich in das zugehörige Büro auf der Rückseite des Gebäudes zurückgezogen. Zähneknirschend starrt er auf sein dunkles Smartphone und wartet auf Antworten, die er aber seit Längerem schon nicht mehr bekommen hat.

Kleine Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn und der breiten Oberlippe. Immer wieder gibt er den Sperrcode ein, um in das verschlüsselte Messengerprogramm zu gelangen. Er wartet kurz auf neue Nachrichten, aktiviert dann wieder den Sperrbildschirm und legt das Telefon zurück in eine Schublade vom Schreibtisch.

Cemal zieht aus einer auf dem Tisch liegenden, rotweißen Schachtel eine Zigarette heraus und steckt sie sich in den Mund. Es ist bereits die Dritte seitdem er den Raum betreten hat. Nervosität steigt in ihm auf, bei dem Gedanken an die anstehenden Kosten, die er zu begleichen hat. Zwei Wochen hatte er Zeit bekommen, um die Lieferung umzusetzen und den Kaufpreis zu bezahlen. Die Furche zwischen den dunklen, breiten Augenbrauen ist noch tiefer als sonst. Sein Gesichtsausdruck ist leer und der Verlust von Faruk als rechte Hand wiegt noch immer schwer. Niemand war so vorsichtig und verlässlich im Vertrieb, wie sein Freund aus Kindestagen.

Wieder holt Cemal das schwarze Smartphone aus der Schublade und gibt eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen ein. Vom Kontakt Roadrunner hat er noch immer keine Antwort erhalten. Jedes Mal muss er bei ihm warten. Faruk hatte stets sofort geantwortet.

Zumindest arbeitet Roadrunner umsonst für Cemal, um eigene Schulden bei ihm abzuarbeiten. Nachdem ihm Ware geraubt wurde, hat Cemal ihn unter Druck gesetzt, dass er dafür geradestehen muss. Der Raub geschah kurz nachdem Roadrunner das Kilogramm Marihuana von einem Freund von Cemal erhalten hatte. Cemal muss bei dem Gedanken daran leicht Schmunzeln, wie einfach er den Jungen für sich festmachen konnte, durch diesen initiierten Raub. Diese naiven Jungs lassen sich immer wieder von Begriffen wie Stolz, Ehre und Freundschaft einfangen und dann leicht ausnutzen.

Gelegentlich erhält der Junge ein wenig Taschengeld von Cemal zum Leben. Viel braucht er ja nicht. Er wohnt in einer vom Amt bezahlten Bude, hat kein Auto und keinen Führerschein. Er hat keine Arbeit, kaum Freunde und steht somit tagtäglich für kleine Jobs zur Verfügung. Außerdem hat er ein Auge auf die Bedienung von Cemal geworfen. Die machte ihm kurzzeitig schöne Augen, beachtet ihn jedoch schon länger nicht mehr.

Cemal wirft das Telefon in die Schublade und haut mit der linken Faust auf den Schreibtisch, nachdem er sieht, dass er noch immer keine Nachricht erhalten hat. In diesem Moment öffnet sich die Tür hinter ihm und zwei Männer betreten nacheinander wortlos den Raum.

Beide haben einen südost-europäischen Einschlag, aber auch hellblaue Augen. Sie machen einen unscheinbaren und gepflegten Eindruck. Die Haare sind zu Kurzhaarfrisuren geschnitten und feinsäuberlich frisiert. Sie tragen edle Lederjacken und darüber teure Designer-Herrenhandtaschen mit grün-rotem Gurt.

Sie sind von unterschiedlichem Alter, könnten beinahe Vater und Sohn sein, sehen sich dafür aber zu wenig ähnlich. Der Ältere von beiden ist Mitte vierzig und hat einen Dreitagebart. Um den Hals trägt er eine goldene Kette, die stimmig ist zur Armbanduhr. Aus der Jacke wölbt sich ein etwas dickerer Bauch, der durch einen dunklen Wollpulli jedoch kaschiert wird. Die edle Designerjeans liegt sanft auf dunklen italienischen Lederschuhen auf.

Der Jüngere hat eine schlanke, fast schon athletische Figur und das Gesicht ist glattrasiert. Sein stechender Blick fällt auf Cemal herab wie ein überreifer Apfel auf den Rasen. Im Mundwinkel steckt ihm ein Zahnstocher, auf dem er gelegentlich herumkaut. Unter der Jacke trägt er ein blau-weiß gestreiftes Hemd, das er feinsäuberlich in die Stoffhose gesteckt hat. Auch er trägt teure italienische Designerschuhe, allerdings in hellbraun.

Der Jüngere nimmt den Zahnstocher aus dem Mundwinkel. Er kaut noch zwei Mal mit leerem Mund und neigt den Kopf leicht zur Seite, so dass es einmal in dessen Hals knackt.

«Cemal. Du weißt warum wir hier sind?»

«Ja, klar. Aber…», versucht sich Cemal zu erklären.

«Wo bleibt das Geld?», wird Cemal sogleich vom Jüngeren unterbrochen. Der einen weiteren Schritt an Cemal herantritt und ihn mit den Augen fixiert.

Cemal holt tief Luft und beginnt sich zu verteidigen. «Eure Qualität wird…»

«Tschschsch…», zischt der Jüngere wieder dazwischen. «Wenn wir A-Ware liefern, dann ist es A-Ware. Du hast einen guten Preis bekommen und eine weitere Woche Zeit. Mein Lieber, hast du nicht gesagt, du schaffst es? Jetzt wollen wir unser Geld haben.»

«Eine erste Zahlung ist auf dem Weg nach Spanien. Ich habe den Geldkurier gestellt, den ihr dringend gebraucht habt. Der fehlt mir aktuell hier vor Ort zum Abverkauf. Ich brauche noch ein wenig Zeit. Ich erreiche meinen Jungen derzeit nicht. Das Meiste ist verkauft. Wir warten nur noch auf die Gelder», erwidert Cemal mit einer Mischung aus Wagemut und Skepsis in der Stimme.

«50 Kilogramm wolltest du pro Woche umsetzen. Ohne Probleme hast du mir versprochen. In ein, zwei Tagen kommt die nächste Lieferung. Dann erwarten wir den Rest von dir oder du wirst lernen, dass bei Geld die Freundschaft aufhört», sagt der Jüngere trotz der Drohung mit aufgesetzt freundlichem Tonfall.

«Ich kann euch den Rest der letzten Lieferung auch zurückgeben, wenn ihr …», versucht Cemal anzubieten.

«Tschschsch…wir wollen unsere jung aufkeimende Partnerschaft doch nicht bereits in ihren Anfängen gefährden, mein Lieber. Oder? Spätestens morgen Abend zahlst du das Geld und kriegst dann neue Ware. Wir sind da sehr verlässlich.» Freundlich und bestimmt nickt der Jüngere Cemal noch einmal zu und verlässt im Anschluss den Raum. Der Ältere folgt ihm, nachdem er Cemal mit finsteren Augen betrachtet und schließt hinter sich die Tür.

«Fuck! Digger, fuck!», faucht Cemal und fegt mit dem Handrücken die vor ihm stehende Espressotasse gegen die Wand. Sie zersplittert an dem hellen Putz und hinterlässt mit ihrem restlichen Inhalt einen unansehnlichen Fleck.

Cemal holt das Smartphone aus der Schublade und steckt es in die Hosentasche. Er reißt die Tür auf und geht in den Gastraum vom Café. Dort nickt er einem auf dem Barhocker an der Theke sitzenden Südländer auffordernd zu und verlässt anschließend den Raum.

«Was die wollten?», fragt der noch, aber Cemal hat bereits den Laden verlassen und geht auf seine weiße Geländelimousine zu, vor der er auf den älteren Mann wartet.

«Beeil dich. Wir haben zu tun», fordert Cemal den älteren Südländer auf sich schneller zu bewegen. Dieser öffnet zwischenzeitlich per Fernbedienung die Türen und besteigt kurz darauf ebenfalls das Fahrzeug.

Der Motor wird unter lautem Aufbrummen angelassen und das Auto setzt sich kurz darauf mit hoher Beschleunigung in Bewegung.

14

Die angenehmen Lufttemperaturen lassen die Passanten in Canet-en-Roussillon an der französischen Mittelmeerküste in sommerlicher Garderobe über die Promenade laufen. Das Geschäft mit den Touristen läuft bereits wieder an und auch Capitaine Lebrédonchel sitzt noch immer gemütlich in dem geflochtenen Gartenstuhl. Er schaut sich in Ruhe die Menschen an, wie sie glücklich und zufrieden die ersten Urlaubstage am Strand genießen oder hungrig nach einem geeigneten Strandrestaurant Ausschau halten, sich aufmachen zum Surfen oder Baden. In der Vorsaison ist die Gendarmerie traditionell noch wenig gefordert. Es ist nicht so viel Trubel, wenige Touristen sind vor Ort und die Leute achten mehr auf ihre Sachen. So lässt Capitaine Lebrédonchel die ausgedehnte Mittagspause bei einem Café au lait ausklingen und trinkt dazu noch ein stilles Wasser aus den französischen Alpen.

Die eine oder andere Passantin lässt ihren Blick länger als notwendig am charismatischen Franzosen hängen. Mit seinen dunklen, welligen Haaren und den markanten, aber auch charmanten Gesichtszügen kommt er dem Sinnbild einer französischen Urlaubsfantasie sehr nahe. Lebrédonchel fühlt sich geschmeichelt von den Blicken, doch reagiert er nicht weiter auf die Avancen. Er schaut auf das blaue Meer und dessen Schaumkronen, trinkt dabei genüsslich den duftenden Café au lait, während ihm der Wind durch die Haare streicht.

Bei dem letzten Schluck beginnt plötzlich sein Telefon zu piepen. Es spielt eine schwungvolle Melodie und reißt Lebrédonchel aus den Gedanken über das Leben.

Er greift nach dem Telefon, das er auf dem Tisch vor sich abgelegt hatte und schaut auf das Display. In der Anzeige erscheint eine ihm wohlbekannte Rufnummer aus alten Zeiten. Ein Lächeln schlägt die Falten an den Augen ineinander. Er streicht den grünen Hörer nach außen und begrüßt Claire mit einem freudig langgezogenen «Bonjour.»

«Hallo Jaques, wie geht es dir? Ich hoffe du bist glücklich geworden in Perpignan?», fragt Claire mit einem fürsorglichen Klang in ihrer Stimme.

«Es ist anders, Claire, es ist anders. C’est la vie. Aber es ist auch schön hier. Alles ist ruhiger und gelassener. Die Leute sind nicht so hektisch. Sie genießen das Leben. Und ich habe Zeit, sehr viel Zeit», beginnt Capitaine Lebrédonchel zu erzählen, wird dann aber von Claire unterbrochen.

«Ich bräuchte einen Teil deiner Zeit, Jaques. Wir haben einen Laster mit deutschem Kennzeichen. Das schicke ich dir gleich per Email, sobald ich die Daten habe. Der Laster muss angehalten und kontrolliert werden. Er soll große Mengen Kokain transportieren.»

«Und wann soll dieser Transport kommen?», fragt Jaques Lebrédonchel sogleich, während er sich im Stuhl vorlehnt und einen Stift mit Schreibblock aus seiner Tasche entnimmt.

«Das wissen wir noch nicht. Du musst deiner Grenzpatrouille das Kennzeichen übermitteln. Es kann einen guten Fang geben», antwortet Claire mit Nachdruck in der Stimme.

«Alors. Ich werde alles veranlassen. Wir haben freie Hand? Oder müssen wir auf etwas Rücksicht geben?», hakt Lebrédonchel noch einmal nach.

«Ihr könnt frei agieren. Ich weiß, dass der Hinweis bei dir in den besten Händen sein wird. Gib mir Rückmeldung, sobald ihr ihn habt. Einverstanden?», bittet Claire.

«Du hörst von mir», verspricht Lebrédonchel voller Charme in der Stimme.

«Das hast du schon einmal gesagt», erwidert Claire «Au revoir, mon capitaine.»

Bevor Lebrédonchel etwas erwidern kann, ist das Gespräch bereits beendet. Mit einem Lächeln blickt er auf das Telefon und steckt es im Anschluss in die Tasche. Er legt einen Zwanzigeuroschein unter die Tasse, steckt seine Sachen ein und verlässt umgehend das Bistro, um zurück nach Perpignan zu fahren. «Endlich passiert mal was!», freut er sich und öffnet strahlend per Fernbedienung seinen Dienstwagen.

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