Kitabı oku: «Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine», sayfa 2

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Der Weg hatte sie die Küste bis nach New London hinaufgeführt, wo sie ein Schnellboot nach Block Island bestiegen hatten. Sie hatten den Hafen von New Shoreham, dem kleinen Hautport der Insel, schnell hinter sich gelassen und waren mit dem Taxi zu den bekannten „Mohegan Bluffs“ an der Südküste aufgebrochen. Es handelte sich bei ihnen um bis zu 160 Yards hohe, teils schroffe und teils mit einer üppigen Busch- und Grasvegetation bewachsene Lehmfelsen, die eine wunderschöne Landschaft oberhalb des Strandes bildeten und alle Besucher der Insel anzogen. Die Eindrücke, die sie an diesem sonnigen Maitag unterwegs gesammelt hatten, hatten sie in eine unbeschwerte Urlaubsstimmung versetzt, die an dem sowohl steinigen als auch sandigen, an vielen Stellen wie unberührt wirkenden Naturstrand der Südküste seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen, die bekannte, lange Holztreppe zu einem der viel besuchten Teile des Strandes hinunter zu steigen und ein Stück am Meer entlang zu wandern, um sich schließlich in einer Felsnische ungestört von anderen Spaziergängern niederzulassen und das versprochene Picknick zu machen.

Mos Spannung, seinen neuen Auftraggeber kennen zu lernen, wuchs mit jeder Minute weiter an, da alles, was er in der kurzen Zeit über den 75jährigen Ronan Odhram Donovan herausgefunden hatte, schon vor ihrer ersten Begegnung zu einer ungewöhnlichen Vorstellung von dessen Charakter geführt hatte. Seine Vita las sich wie ein Märchen, das jedoch erst ab dem Alter von 65 Jahren durch eine schwere Krankheit begonnen hatte eine positive Richtung zu nehmen. Die Diagnose einer schleichend fortschreitenden Lungenfibrose, durch die er mittlerweile von einem Sauerstoffgerät abhängig war, hatte eine so mächtige Zäsur in dem Leben des stets erfolgsverwöhnten, scheinbar über jede Schwäche erhabenen Geschäftsmannes dargestellt, dass sie die Grenze bedeutete, an der es sich in zwei große, gegensätzliche Hälften schied. Der Nachfahre armer irischer Einwanderer, der zunächst Karriere bei einer großen Bank gemacht und sich später durch gewagte Finanztransaktionen ein gigantisches Vermögen aufgebaut hatte, musste erst zu einem der wohlhabendsten Männer der Ostküste aufsteigen, um danach eine plötzliche Metamorphose zu durchlaufen und sich von einem skrupellosen, egoistischen Kapitalisten zu einem Wohltäter der Menschheit zu entwickeln.

Die Sonne brannte so warm vom wolkenlosen Himmel hinunter, dass in Mo und Mary ein großartiges Gefühl von Frühlingserwachen aufkam. Der salzige, nach Ferne riechende Duft der See, das Geräusch der sich tosend an ein paar Felsen brechenden Atlantikwellen und der Anblick der sich im kräftigen Seewind neigenden und in schmalen Streifen die Felsabhänge der Mohegan Bluffs herunterziehenden Grasfelder wirkten nach dem langen und dunklen, in der Stadt verbrachten Winter wie eine große, das Herz und die Sinne öffnende Befreiung auf sie. Es schien Bedeutung zu haben, dass sie diese Befreiung gerade jetzt zum Zeitpunkt ihres ersten längeren gemeinsamen Ausflugs erlebten; es gab Mo den Mut, für einen kurzen Moment nach Marys Hand zu greifen, als sie wieder die Bohlen der langen Holztreppe bestiegen, um zurück auf den erhaben über den Felsabhängen thronenden Rücken der Insel zu steigen.

Am Ende der Treppe wurden sie von einem grandios weiten Ausblick über die sonnenüberstrahlte See empfangen, der sie für einen Moment glauben ließ, im Südwesten die äußersten Zipfel des 15 Meilen entfernten Long Islands zu erkennen, obwohl es sich nur um eine sich blass gegen den Horizont abzeichnende Wolkenbank handelte. Dann bewunderten sie ein weiteres Mal das bekannte Southeast Lighthouse, das stillgelegte, aus rotem Backstein errichtete Leuchtturmgebäude, das direkt am Rand der Klippen lag und als Wahrzeichen der Mohegan Bluffs galt.

Je mehr sie auf ihrem weiteren Weg etwas von der sich ringsherum ausbreitenden, an vielen Stellen von bunten Frühlingsblüten besprenkelten, fast baumlosen Gras- und Strauchlandschaft in sich aufnahmen, desto mehr teilten sie stillschweigend das Gefühl, dass es sich bei der gesamten Insel um ein eigenständiges Lebewesen handelte, bei dem jeder kleinere Bestandteil eine spürbare Beziehung zum größeren Ganzen einging. Als Mary nach einer Weile plötzlich stehen blieb, brach sie eine unausgesprochene Regel, die sie bis zu diesem Moment so eisern eingehalten hatten, als wäre sie fest vereinbart: Sie hatten bisher kein Wort über Donovan und den Auftrag verloren, um nicht der kurzen, unbeschwerten Zeit am Strand ihren besonderen Reiz zu nehmen. Nun aber lief die Zeit unaufhaltsam ab und keiner von ihnen konnte den eigentlichen Grund ihres Ausflugs noch länger auf den zweiten Platz verweisen.

„Du sagtest, Donovan wäre ein großer Naturliebhaber. Ich verstehe sehr gut, warum er sich seinen Sommersitz ausgerechnet hier eingerichtet hat. Es dürfte nicht allzu viele Orte geben, die sich so nah an New York und dem dicht besiedelten Teil der Ostküste befinden und dabei einen so friedlichen, von der rauen Welt abgeschirmten Charakter haben“, meinte sie mit einem Anflug von Neid auf die glücklichen Inselbewohner, die sich eine der sündhaft teuren Immobilien auf Block Island leisten konnten.

Sie hatten mittlerweile eine Gegend hinter sich gelassen, in der luxuriöse, im Cottagestil erbaute Landhäuser inmitten äußerst großzügig bemessener, natürlich bewachsener Grundstücke lagen. Das relativ dünn besiedelte Inselland wirkte an manchen Stellen wie ein einziger, von der Natur selbst entworfener Park, in den wie zufällig ein paar stolze Häuser verstreut worden waren.

„Donovan besitzt eines der größten Grundstücke hier. Es liegt etwas abseits in einem unbesiedelten Inselgebiet. Wenn wir da vorne abbiegen, dürfte es nicht mehr weit sein“, erklärte Mo mit einer Geste zu einem vor ihnen abzweigenden Kiesweg, der von der geteerten Straße wegführte und sich in einer unberührten Landschaft verlor. „Er soll übrigens mehr als nur ein einfacher Naturliebhaber sein. Nachdem er sich aus seinen früheren Geschäften zurückgezogen hatte, entwickelte er einen sehr speziellen, naturverbundenen Lebensstil. Er verfolgt eine Art ganzheitlichen Ansatz, der alle persönlichen Lebensbereiche wie Ernährung, Kleidung, Architektur und so weiter umfasst. Angeblich ist er dabei auch durch alle möglichen esoterischen Philosophien inspiriert. Wenn man diversen Quellen glauben darf, übt die ländliche Lebeweise seiner irischen Vorfahren den größten Einfluss auf ihn aus. Sein privates Leben soll im krassen Gegensatz zu seiner Tätigkeit als Entwickler und Finanzier von hochmodernen Geoengineering-Anlagen stehen. Er selbst liebt das einfache, natürliche Leben, während er einen großen Teil seines Vermögens in hochkomplexe Zukunftstechnologie investiert. Er scheint seine Interessen auf besondere Weise zwischen der reinen Natur und der modernen Technik auszubalancieren.“

Er hatte damit etwas sehr Wesentliches über Donovan gesagt und konnte zu diesem Zeitpunkt selber noch nicht ahnen, was unter „einfaches, natürliches Leben“ genau zu fassen war und wie weit und radikal Donovan einen ganz bestimmten Weg gegangen war. Obwohl es ein Weg war, auf dem es für Andere eine Vielzahl von äußerlich wahrnehmbaren Hinweisen auf eine ganz bestimmte Geisteshaltung gab, war es selbst für Donovans engste Vertraute kaum möglich, diese Haltung im Kern klar zu benennen. Sie musste sich für viele als das Mysterium eines Mannes erweisen, in dem die scheinbar unvereinbaren Züge eines progressiven amerikanischen Erfolgsmenschen, eines irischen, katholischen Traditionalisten und eines von allerlei esoterischen Ideen geprägten, modern-westlichen „Spirituellen“ die Türen zu einem seltenen und nur sehr schwer zu ergründenden Charakterspektrum aufgeschlossen hatten. Hätte man etwa versucht, dieses Spektrum durch Farben zu visualisieren, so hätte es vielleicht die Form eines bunt schillernden Gebildes aus sehr vielen verschiedenen, untrennbar ineinander übergehenden Farbtönen angenommen, die mit einer besonderen Energie auf irgendeine andere, höhere geistige Dimension verwiesen. Donovan war jemand, der ein ausgeprägtes geistiges Leben besaß, so viel war schon jetzt sicher, noch ohne auch nur ein persönliches Wort mit ihm gesprochen zu haben.

Sie waren erstaunt keinen Weg zu finden, der breit genug für einen Wagen gewesen wäre, und so blieb für sie der sich durch das prächtige Küstenbuschland schlängelnde Kiespfad der einzige Zugang zu dem Anwesen. Die offene, unbebaute Landschaft wurde erst in einigen hundert Yards Entfernung durch die stolzen Silhouetten außergewöhnlich großer, zum Teil historischer, im neu-englischen Kolonialstil errichteter Villengebäude begrenzt. Sie erreichten einen verwitterten Holzsprossenzaun, der sich ein Stück am Rand des Weges entlang zog und schützend ein kleines, blühendes Lavendelfeld umschloss. In dem Feld zirpten die Grillen und summten die Bienen und als sie kurz darauf in einen Hain aus geduckten Rotdornbäumen eintraten, sahen sie in dessen Wipfeln ein paar Silbermöwen sitzen, die bei ihrem Erscheinen ein lautes Geschrei anstimmten. Es klang wie ein Willkommensgruß aus einer anderen, mystischen Welt und war so laut, dass ihre Ankunft kaum noch unbemerkt geblieben sein konnte. Der Hain schloss in seinem Inneren eine Lichtung mit zwei kleinen Süßwassertümpeln und hohen Schilfgräsern ein, auf der einige Möwen- und Seevögelarten ein Brutgebiet hatten. Der Weg hielt den größtmöglichen Abstand zu den Vögeln und den Gewässern ein und mündete hinter einigen weiteren, knorrig gewachsenen Rotdornbäumen auf ein ansteigendes Grasland, auf dem eine Vielzahl von seltenen, in dem milden ozeanischen Klima prächtig gedeihenden Blumen und Pflanzen in Blüte stand.

Als sie eine kleine Anhöhe erreichten, trafen sie auf sieben wuchtige, im Kreis stehende Monolithen, die von Distel-, Farn- und Heidegewächsen wild umwuchert wurden und der gesamten Umgebung eine archaische und magische Stimmung verliehen. Dann wurden sie plötzlich durch ein lautes Geblöke aufgeschreckt, das von einer Gruppe dickfelliger, in einem Gatter grasender Schafe stammte.

Der Kiesweg verzweigte sich und nachdem sie das Monolithenfeld und das etwas abseits liegende, sich hinter ein paar Schwarzkirschbäumen versteckende Schafgatter hinter sich gelassen hatten, sahen sie am Ende einer großen, sich wellenförmig durch das Grasland schlängelnden Lorbeerhecke zum ersten Mal etwas, was wie ein Gebäude aussah. Es erwies sich als ein alter, halb verfallener Schuppen, der durch seine dicken, aus massiven Felsquadern bestehenden Mauern und sein Holzschindeldach einen historisch wirkenden Charakter besaß. Eine aus großen, unbehauenen Natursteinen lose zusammengefügte Mauer trennte hinter dem Schuppen den bewohnten Teil des Areals von dem freien Naturland ab. Sie gelangten durch ein schief in den Angeln hängendes Holztor auf einen Sandweg, der um eine hohe Buchenhecke herumführte und dahinter plötzlich einen unbeschränkten Blick auf das Hauptgebäude des Anwesens freigab.

Bei dem Anblick des länglichen, einstöckigen Steinquadergebäudes, das sich in unregelmäßigen und schiefen Formen einen von hohen Gräsern und Wildblumen überwucherten Hang hoch zog, blieben sie vor Erstaunen stehen und fühlten sich endgültig in eine andere Welt versetzt. Das Sommerdomizil des milliardenschweren Ronan Donovan sah wie das einfache Wohnhaus eines irischen Schafbauern aus und wirkte nur deshalb um einiges anspruchsvoller und moderner, weil hinter ihm eine große Solaranlage sowie eine mächtige Satellitenschüssel inmitten verwilderter Brombeersträucher aufragten. Es konnte keinen zweiten Ort wie diesen auf Block Island geben und fast meinten sie, sich nicht mehr auf dem Boden der USA, sondern auf dem eines autarken Natur- und Märchenlandes zu befinden, auf dem ganz eigene, ihnen unbekannte Gesetze galten.

Sie konnten förmlich spüren, wie von den sich hebenden und senkenden Konturen des mit schweren Schieferplatten gedeckten Daches und dem urigen Gemäuer mit seinen ungeformten, natürlichen Felssteinen und seinen zahlreichen länglichen Holzsprossenfenstern eine besondere, sich mit der umliegenden Natur verbindende Energie ausging. Sie hörten aus der Ferne das aufgeregte Bellen eines Hundes und nahmen es zum Signal, das letzte Stück des Weges zurückzulegen und durch den schmalen Spalt, den eine niedrige Rosenhecke offen ließ, den inneren Teil des Grundstückes zu betreten. Sie gingen durch einen großen Kräutergarten auf die offen stehende, zweiflügelige Eingangstür zu und wurden genau bei ihrem Erreichen von einer jungen, sportlich wirkenden Frau in Empfang genommen, die mit einem freundlichen Lächeln die Stufen einer breiten, ausgetretenen Steintreppe zu ihnen hinunter sprang.

Mo wusste sofort, dass es sich um die 30jährige Una Donovan handeln musste, Donovans einzige Tochter, deren Mutter seine zweite Ehefrau Susan war. Sie war diejenige, die im Auftrag ihres Vaters den Kontakt zu ihm hergestellt und ihn auf das Inselanwesen eingeladen hatte. Sie hatte ihre langen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und steckte in einer einfachen, etwas schmutzig wirkenden, zerfransten Jeans, ein paar ausgetretenen Zehensandalen und einem naturfarbenen Wollpullover, der wie selbst gestrickt aussah. Eine lange Narbe, die sich durch ihre rechte Gesichtshälfte zog, schien ihr hübsches, jung und mädchenhaft wirkendes Gesicht nicht zu verunstalten, ja ihm sogar einen besonderen Reiz zu verleihen. Mo wusste durch seine Internetrecherchen, dass sie zu gefährlichen Sportarten und Abenteuern neigte und sich die Narbe bei einem Skiunfall in den Rocky Mountains zugezogen hatte.

Una musterte amüsiert die korrekte Kleidung der beiden Besucher, die bei Mary aus einem Blazer und bei Mo aus einem Sakko bestand, und lud sie unter ein paar kurzen Begrüßungsfloskeln ein, ihr auf eine Terrasse zu folgen. Diese befand sich linkerhand vor dem Haus, war mit schroffen, teilweise zersprungenen Schieferplatten ausgelegt und wurde von einem Holzspalier umschlossen, um das sich verschiedene wilde Rosengewächse rankten.

„Dr. Kelly und Dr. Morris also… Mein Vater erwartet Sie bereits und wird gleich kommen. Dass inzwischen bereits die Detektive Doktorentitel tragen, ist ja fast schon ein wenig lächerlich und zeigt, in was für einer überkandidelten Welt wir leben. Ich habe das College mit 25 Jahren geschmissen und meinen eigenen Internetblog aufgemacht. Ich halte nicht viel von Wissenschaft. Es sieht so aus, als könnte man durch sie alles erklären und erlangen und trotzdem hat der ach so kluge und gebildete Mensch die Erde an den Rand des Abgrunds gebracht. Mit nur ein bisschen mehr gesundem Menschenverstand würde vieles sehr viel besser laufen!“, ließ sie auf den wenigen Schritten zu der Terrasse bereits sehr viel von ihrer Einstellung und ihrem etwas rebellischen Charakter durchblicken. Sie hatte sich offenbar bewusst entschieden, jung zu bleiben und sich auch jenseits der 30 gegen die Erwachsenenwelt aufzulehnen, wie es auch ihre legere Kleidung bewies.

„Obwohl ich erst den Umweg über die akademische Kriminologie machen musste, um zum freien Detektiv zu werden, habe ich dies nie bereut. Die Erfahrungen, die wir auf unserem Lebensweg sammeln, haben alle ihren Sinn und Zweck und machen uns zu genau denen, die wir sind“, verteidigte Mo etwas beleidigt seinen Doktortitel, da der provokante Ton der jungen Rebellin zunächst etwas gewöhnungsbedürftig wirkte.

Nachdem sie auf einfachen, lehnenlosen Hockern an einem großen, runden Holztisch Platz genommen hatten, zerstreute Mary die latente Spannung, die zwischen Una und Mo aufgekommen war, indem sie meinte:

„Wenn Sie wissen, wer wir sind, wissen Sie ja auch, warum wir hier sind. Dann kann ich Ihnen auch gleich eine erste Frage stellen. Sie schreiben in Ihrem Blog über ökologische Themen, Miss Donovan, nicht wahr? Sie müssen entschuldigen, aber wir hatten in den zwei Tagen seit dem ersten Kontakt nicht viel Zeit, gründlich über Sie und Ihre Familie zu recherchieren.“

„Genauso ist es, Mrs. Kelly. Es stört sie doch nicht, wenn ich ihren Titel einfach mal unter den Tisch fallen lasse?“, hielt Una noch für einen Moment an ihrem frech-provokanten Tonfall fest, um dann plötzlich mit reinster Freundlichkeit zu fragen: „Möchten Sie eine Tasse Tee? Ich habe ihn extra für Sie vorbereitet. Seine Kräuter kommen direkt hier aus unserem Garten. Er wird sie nach der Reise hierher stärken. Die Fahrt von New York zieht sich ja mit der Fährüberfahrt schnell auf über 5 Stunden hin. Mein Vater wird gleich hier sein, er ist irgendwo draußen auf dem Gelände, um ein paar neu gepflanzte Bäume zu wässern.“

Sie schenkte den Tee aus einer bereit stehenden, bunten Keramikkanne in drei urige, scheinbar selbst getöpferte Tonbecher ein. Dann fuhr sie fort und zeigte sich schon gleich zu Beginn ungewöhnlich mitteilungsbereit.

„Da die Beiträge von mir und meinen Mitarbeitern mittlerweile millionenfach angeklickt werden, werde ich ständig auf meinen Internetblog angesprochen. Es fing alles vor fünf Jahren an und es ist sehr erstaunlich, was sich inzwischen daraus entwickelt hat.

Sie haben ja sicher von den größten und bekanntesten Geoengineering-Projekten meines Vaters gehört. Wie bei allen Projekten von Donovan EAW sind immer auch einige unserer Leute dafür zuständig, direkt vor Ort Beiträge für unseren internationalen, mehrsprachigen Internetblog zu verfassen. Auf diese Weise ist über die Jahre ein beachtlicher Pool von Text- und Bildmaterial entstanden, der dazu beitragen soll, das ökologische Bewusstsein der Menschen weltweit zu schärfen. Ich verfasse selber Artikel, aber meine Hauptaufgabe besteht darin, einen Teil der Texte zu lektorieren sowie ihre Themen und ihre Veröffentlichung zu koordinieren.“

„Damit haben Sie sich ein äußerst beachtliches Aufgabenfeld geschaffen, Miss Donovan!“, lobte Mo sie überschwänglich, um sie nach der kurzen Dissonanz etwas mehr für sich einzunehmen. „Wenn ich Ihren Namen in die Suchmaschine eingebe, werde ich erschlagen!“

„Sie sind ja auch nicht ganz ohne, Mr. Morris. Auch wir informieren uns. Ihre letzten beiden Fälle haben Sie recht bekannt gemacht, weshalb ich mich ausnahmsweise bemühen will, nett zu Ihnen zu sein. Stören Sie sich bitte nicht an meinem etwas frechen Mundwerk. Da ich gehört habe, dass Sie ein eher unangepasster Zeitgenosse sein sollen, werden Sie damit sicher umgehen können, oder nicht?“

Das gelöste Lachen, das daraufhin durch die kleine Dreier-Runde ging, schien den Grundstein für eine verlässliche, gegenseitige Sympathie gelegt zu haben. Mo verweilte nicht lange auf der kleinen Insel der Harmonie und nahm – wie so oft – die Rolle des von detektivischer Neugier getriebenen Fragestellers ein.

„Stimmt es, dass Sie Ihren Vater vor 15 Jahren als Jugendliche zu dem Firmennamen Donovan EAW inspiriert haben - Donovan Earth, Air, Water?“

„Das ist korrekt. Der Name soll die Bewahrung der Erde, der Luft und des Wassers symbolisieren, und damit quasi die des gesamten Planeten.

Wie ich hörte, sind Sie von Haus aus Psychologe, Mr. Morris. Dann können Sie vielleicht nachvollziehen, dass ich als jüngstes Kind und einzige Tochter ein besonderes Verhältnis zu meinem Vater habe. Meine beiden älteren Brüder, deren Mutter Ronans erste, verstorbene Ehefrau Lara ist, sind ganz anders als ich. Ich meine, sie sind natürlich ganz prächtige Kerle, aber man trifft sie meist nur in Schlips und Krawatte an. Sie leben als Manager in New York, wo sie die Finanzen meines Vaters kontrollieren. Die Investmentgesellschaft Donovan Global existiert auf dem Papier noch immer, auch wenn sie ihre früheren Aktivitäten eingestellt hat. Fast alle Gelder sind mittlerweile in Investmentfonds geflossen, die in Geschäftsfelder mit nachhaltigem und ökologischem Charakter investieren. Einige dieser Fonds hat mein Vater selber aufgelegt.“

„Klingt ja so, als ließe sich auch mit Ökologie viel Geld verdienen. Wie ich allerdings hörte, soll es mit den Finanzen von Donovan EAW und Donovan Global nicht zum Allerbesten stehen. Ist da etwas Wahres dran? Entschuldigen Sie, dass ich so etwas nach kaum fünf Minuten fragen muss, Miss Donovan, aber wir befinden uns mitten in einem ersten, wichtigen Gespräch, das mich zu einem neuen Fall hinführen soll.“

„Von mir aus dürfen Sie mir Fragen stellen, bis Ihnen Ihre Zunge fusselig wird, solange Sie mich nur Una nennen. Das kleine, brave, unverheiratete Mäuschen Miss Donovan, das es gar nicht erwarten kann, sich endlich in die schützenden Arme eines Ehemanns zu werfen, existiert für mich nämlich nicht. Meine Abneigung gegen Titel erklärt sich übrigens auch daraus, dass ich grundsätzlich nichts von Förmlichkeiten halte. Wenn ich nicht gerade hier auf Block Island oder auf dem Hauptwohnsitz meines Vaters in Conneticut bin, arbeite ich mit einem jungen Team in einem einfachen Loft in Brooklyn. Wir sind wie eine große Familie und kennen unseren eigenen Nachnamen schon gar nicht mehr!“

Als sie bemerkte, wie sehr sie vom Thema abgekommen war, schenkte sie sich einen Tee ein und kam auf die eigentliche Frage zurück. Für Mo und Mary war schon jetzt sehr klar, dass in ihrem Wesen nicht nur etwas Mitteilungsfreudiges, sondern auch etwas Sprunghaftes und leicht Unkonzentriertes lag.

„Was unsere finanzielle Situation betrifft, kann man immerhin Licht am Ende des Tunnels sehen. Im Moment verschlingen unsere Experimente und Innovationen zwar noch enorm viel Kapital, ohne dass es uns viel einbringt. Aber wir leben in einer Zeit, in der das allgemeine Umweltbewusstsein zunimmt. Je mehr die Problematik der Umweltzerstörung und des Klimawandels die Öffentlichkeit bewegt, desto mehr können wir mit den Fördergeldern von Sponsoren und Regierungen der ganzen Welt rechnen. Ich glaube sogar, wir werden eines Tages gigantische Gewinne einfahren, weil wir uns rückblickend als die Avantgarde eines der wichtigsten und zukunftsträchtigsten Wirtschaftszweige der Welt erwiesen haben! Aber das Geld ist mir nur wichtig, insofern es unseren Zielen dient. Ein hohles Luxusleben ist meine Sache nicht.“

„Es entspricht wohl dem Grundprinzip unserer westlichen, kapitalistischen Wirtschaftsordnung, dass das, was der Staat und Öffentlichkeit nur fordert, aber nicht selbst vollbringt, von ambitionierten und risikofreudigen Pionieren vorangetrieben werden muss“, bestärkte Mo ihren Optimismus voller Freundlichkeit.

Una nahm das Kompliment mit einem geschmeichelten Lächeln auf und hatte auf einmal eine kleine Warnung auszusprechen:

„Eines möchte ich Ihnen noch sagen, bevor gleich mein Vater erscheint. Er ist alles andere als ein einfacher Mensch. Für die Einen ist er nur ein Exzentriker und Spinner, der sein Geld für verrückte Projekte zum Fenster hinauswirft, doch für die Anderen ist er nicht weniger als ein Guru, der einige Bedeutung für das Anbrechen eines neuen Zeitalters hat. Ich erwarte von Ihnen nicht, dass Sie sich in das Lager seiner Verehrer schlagen, sondern nur, dass Sie etwas Nachsicht für einige Eigenheiten in seinem Charakter und Verhalten aufbringen.

Er lädt übrigens selten Fremde hierher ein, weil dieser Ort sehr privat für uns ist. Wenn er bei Ihnen eine Ausnahme macht, beweist das vor allem, wie wichtig ihm sein Auftrag an Sie ist.“

-

Sie hatten einige Zeit auf Donovan warten müssen und währenddessen von Una einige weitere interessante Dinge erfahren. Irgendwann sprang plötzlich ein Hund durch die Rosenhecke in den Kräutergarten, stob auf sie zu und tänzelte aufgeregt um dem Tisch herum. Er erwies sich als ein hübscher, blutjunger Irish Terrier, dessen Lebhaftigkeit, Neugierde und Verspieltheit Mo sofort gefiel und ihn an seinen eigenen Hund Dr. Watson erinnerte.

Bald darauf erschien eine stattliche Gestalt, die in ein paar groben Lederstiefeln, einer grauen, schmutzigen Jeans sowie einem halb offenen, naturfarbenen Leinenhemd steckte und auf den ersten Blick wie ein Bauer oder Holzfäller wirkte. Bei ihrem Näherkommen zeigte sich, dass ihr kerniges, von Falten durchzogenes und von einer breiten Boxernase dominiertes Gesicht zu einem ausgeprägten Charakterkopf mit dichten, schlohweißen Haaren gehörte, der sich auf den ersten Blick keiner eindeutigen Wesensrichtung zuordnen ließ. Ronan Donovan schien – so wie es wohl seiner Absicht und seinem Lebensstil entsprach - mehrere Persönlichkeiten in sich zu vereinigen, von denen er an diesem Tag offenbar die eines gemütlichen, unscheinbar wirkenden alten Mannes gewählt hatte, der in Begleitung seines Hundes zufrieden seine Runden über seinen Grund und Boden drehte. Lediglich eine teure Sonnenbrille, die er sich auf den Kopf hochgeschoben hatte, und eine spezielle, um seine rechte Schulter geschnallte Tasche, aus der der Schlauch einer kleinen Sauerstoffflasche hing, deuteten darauf hin, dass an ihm nicht alles so bodenständig und einfach war, wie es zunächst den Anschein hatte.

Seine Lungenfibrose zwang ihn, ein paar Mal zur Stärkung Sauerstoff aus dem Schlauch der Flasche zu inhalieren, bevor er auf sie zutrat, ein breites Lächeln auflegte und mit ein paar launigen Begrüßungsworten willkommen hieß. Dabei war nicht klar, ob die leichte Überschwänglichkeit, die sofort an ihm zu bemerken war, ein fester Bestandteil seines Charakters war oder der aufputschenden Wirkung des reinen Sauerstoffes zuzuschreiben war.

„Aha, da sind sie ja, die beiden Detektive aus Rutherford. Pünktlich und korrekt gekleidet, wie es sich gehört! Ich hoffe, Sie finden es nicht närrisch, dass ein alter, reicher Sack wie ich sein Herz so sehr an ein einfaches Stück Land mit ein paar Pflanzen und Tieren hängt. Manchmal denke ich, Block Island wäre die ideale Arche Noah. Man könnte auf der Insel eine Auswahl von Tieren und Pflanzen versammeln, damit sie den nächsten Weltuntergang überlebt. Ich fürchte nur, die rund 9700 Quadratmeilen der Insel wären fast zu klein dafür.

Na, kommen Sie, kommen Sie, ich werde Ihnen mal ein bisschen was zeigen, wenn Sie schon extra hier heraus gekommen sind! Sie haben sich hoffentlich etwas Zeit in Ihr Reisegepäck gesteckt!“

Die auffordernden Bewegungen seiner rechten Hand wirkten so energetisch wie ein starker Magnet und ließen Mo und Mary sofort aufspringen. Damit war schon jetzt klar, was für eine dominante und einnehmende Persönlichkeit Donovan besaß.

Mary, Mo und Una folgten ihm aus dem Garten auf einen schmalen, ausgetretenen Pfad, der durch ein hoch gewachsenes Gras- und Staudenfeld führte. Sie durchquerten einen Hain aus kleinen, frisch gepflanzten Gelbkiefern und hatten danach ein etwa 6 Yards hohes Türmchen aus lose aufgeschichteten Felssteinen vor sich. Sie betraten es durch eine türlose, gerundete Maueröffnung und stiegen eine eng gewundene Steintreppe zu einer kleinen Aussichtsplattform hinauf. Donovan schnaufte vor Anstrengung, steckte sich gierig saugend den Schlauch des Sauerstoffgerätes in den Mund und beruhigte danach seinen jungen, ihm stets auf den Fuß folgenden Terrier. Dann wies er mit einer theatralischen Handbewegung über die plötzlich weithin sichtbar gewordene Insellandschaft bis auf die in der Sonne glitzernde, in der Ferne mit dem Horizont in einem dunstigen Blau verschmelzende See hinaus.

„Ich möchte Ihnen ein bisschen etwas von der Energie vermitteln, die mich dazu bewegt, internationale Naturschutz- und Geoengineering-Projekte durchzuführen. Ich bin sicher, wenn Sie auch nur annähernd etwas von meiner Liebe zur Natur verstehen, werden Sie voller Begeisterung eine hervorragende Arbeit für mich leisten!

Sehen Sie nur, wie sich in diesem Bild aus Erde, Himmel, See und Licht alles so wunderbar ineinander fügt, als wollte es uns jede Minute und Sekunde etwas von der ewigen Schöpferenergie des Universums vermitteln! Diese Energie war von Anfang an da und wird für immer da sein. Sie ist ewig und göttlich und unzerstörbar. An diesem Ort muss man nur aufstehen und hinsehen und schon liegt etwas von dieser Energie wie ein anschauliches Bild vor einem!“

Donovans schwelgerischer Enthusiasmus war seiner Tochter etwas peinlich, weshalb sie glaubte, den beiden erstaunten Besuchern aus der Stadt leise erklären zu müssen:

„Die begeisterte Art meines Vaters kann manchmal etwas ungewöhnlich wirken. Sie müssen wissen, dass das auch ein wenig mit dem reinen Sauerstoff aus der Flasche zusammenhängt…“

Ihr Vater hatte alles gehört und schien derartige Bemerkungen gewohnt zu sein, da er in keiner Weise ärgerlich reagierte und unbeirrt an seiner pathetischen Art festhielt.

„Sehen Sie, ich war jahrzehntelang ein Mann, der nur das Geld und seine Vermehrung kannte. Viele wissen nicht, dass es nicht allein die Diagnose meiner Krankheit war, die einen tief greifenden Transformationsprozess in mir auslöste. Ich hatte nämlich ein fulminantes Gotteserlebnis, das alles in mir auf den Kopf stellte. Ich werde Ihnen die Einzelheiten jetzt ersparen, wichtig ist nur Folgendes: Seitdem wirkt das Licht in mir und alles, was mir das Licht gibt und sagt, bewegt mich dazu, alles herzlich umfangen, lieben und schützen zu wollen. Der Gott, dem ich folge, hat weniger mit der Religion als mit der alles umfassenden Liebe zu tun. Er hat mir die Aufgabe gegeben, den Reichtum, den ich früher zusammengerafft habe, zum Wohl der Erde und der Menschen einzusetzen. Ich werde diesem Auftrag bis an mein Lebensende folgen und hoffe, dass ihn danach meine Tochter weiterführt.

So, und nun lade ich Sie ein, mich zurück zum Haus zu begleiten, damit wir das Geschäftliche besprechen können!“

Er sog wie zur Besiegelung seiner Aufforderung ein paar Mal an dem Sauerstoffschlauch und schickte sich dann an, die kleine Aussichtsplattform wieder zu verlassen. Mo und Mary ließen seine hoch gestochenen Worte noch einen Moment auf sich wirken und bestaunten dabei eine kleine Gruppe junger Ponys, die friedlich auf einer wilden Wiese graste. Dann folgten sie Una die Treppe des Aussichtstürmchens hinunter.

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