Kitabı oku: «Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz», sayfa 8
2. Umsatzsteuer
285
Bei der Umsatzsteuer ist insbesondere die Berichtigung gemäß § 17 UStG zu berücksichtigen (vgl. Rn. 258ff.).
286
Sofern sich Rechtsprechungsänderungen ergeben, ist der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter verpflichtet, diese umzusetzen, da er die gleichen Pflichten hat, die auch ein Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren hat. Unterlässt der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter die erforderlichen Korrekturen, kommt – bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale im Übrigen – eine Strafbarkeit gemäß § 370 AO in Betracht.
3. Ertragsteuern
287
Bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer steht die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Vordergrund.
288
Mit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen in Gestalt der Bestellung eines „starken“ oder „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters wird zwar kein neues Geschäftsjahr begonnen oder ein gesonderter Veranlagungszeitraum. Gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO beginnt erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Geschäftsjahr. Der Veranlagungszeitraum, im Regelfall das Kalenderjahr, wird durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohnehin nicht verändert.
289
Nach der bisherigen Rechtslage war sowohl durch den sog. „starken“ als auch durch den sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu berücksichtigen, dass mit Anordnung von Sicherungsmaßnahmen und Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die nach diesem Zeitraum entstehenden Ertragsteuern nicht mehr Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO sind, sondern zu Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 InsO werden. Bei Bestellung eines sog. „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters folgt dies aus § 55 Abs. 2 InsO; im Falle der Bestellung eines sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters aus § 55 Abs. 4 InsO.
290
Durch das SanInsFoG wurde § 55 Abs. 4 InsO zwar auf die vorläufige Eigenverwaltung erstreckt, aber zugleich auf die Umsatzsteuer, sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben, bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern, die Luftverkehr- und Kraftfahrzeugsteuer sowie die Lohnsteuer begrenzt.73
291
In Insolvenzverfahren, die vor dem 1.1.2021 beantragt worden sind, sind gem. Art. 103m EGInsO die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden, sodass der vorläufige Insolvenzverwalter in „Altfällen“ sicherzustellen hat, dass in der Minute seiner Bestellung, die sich aus dem Sicherungsbeschluss des Insolvenzgerichts ergibt, alle Daten erfasst werden.
292
In der Praxis hat der vorläufige Insolvenzverwalter daher sicherzustellen, dass in der Minute seiner Bestellung, die sich aus dem Sicherungsbeschluss des Insolvenzgerichts ergibt, alle Daten erfasst werden, um eine Bilanz aufzustellen bzw. eine Einnahme-Überschuss-Rechnung für den Zeitraum ab Anordnung der Sicherungsmaßnahmen anzufertigen.
293
In Insolvenzverfahren, die nach dem 31.12.2020 beantragt worden sind, gilt dies wegen der Änderung des § 55 Abs. 4 InsO aus steuerrechtlicher Sicht nicht mehr. Es müssen aber jedenfalls die Aufzeichnungen gefertigt werden, die für die insolvenzrechtliche Rechnungslegung erforderlich sind.
294
Im Hinblick darauf, dass Masseverbindlichkeiten vom Insolvenzverwalter von Amts wegen zu berücksichtigen sind, besteht ein erhebliches Risiko einer Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 AO, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. der Insolvenzverwalter das der Steuererklärung zugrunde zu legende Zahlenmaterial nicht sorgfältig ermittelt und dadurch das zu versteuernde Einkommen zu gering angegeben wird. Hat der (vorläufige) Insolvenzverwalter allerdings die Zahlen nicht sorgfältig ermittelt und ergibt sich dadurch eine höhere Steuerzahllast als bei zutreffender Berechnung, scheidet zwar eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO aus, allerdings macht der Insolvenzverwalter sich gemäß § 60 Abs. 1 InsO gegenüber den Insolvenzgläubigern schadensersatzpflichtig, wenn zugunsten des Finanzamtes objektiv zu hohe Masseverbindlichkeiten ermittelt werden, die zu einer Minderung der Quotenaussicht der Gläubiger gemäß § 38 InsO führen.74
4. Sonstige Steuerarten
295
Bei den sonstigen Steuerarten gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß.
73 Vgl. Schmittmann, StuB 2019, 360ff.; Schmittmann, ZInsO 2021, 211ff. 74 Vgl. zu den Pflichten des Insolvenzverwalters gegenüber Insolvenz- und Massegläubigern: Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 60 Rn. 20ff.
IV. Problemfelder aus dem Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens
296
Der Zeitraum zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Aufhebung des Insolvenzverfahrens steht zum einen im Licht von § 155 InsO, der die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung regelt, zum anderen aber auch von § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AO, der die steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters regelt.
297
Nachstehend werden zunächst die (1.) verfahrensrechtlichen Grundlagen dargelegt, bevor Problemfelder aus dem Bereich der (2.) Umsatzsteuer, (3.) Ertragsteuern sowie (4.) sonstigen Steuerarten behandelt werden.
1. Verfahrensrecht
298
In verfahrensrechtlicher Hinsicht führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO zum Beginn eines neuen Geschäftsjahres. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung unberührt. In Bezug auf die Insolvenzmasse hat der Insolvenzverwalter diese Pflichten gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO zu erfüllen.
299
Der Insolvenzverwalter ist – wie oben bereits bei Rn. 106ff. dargestellt – Vertreter i.S.v. § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AO.
300
Der Insolvenzverwalter ist daher zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet. Dies gilt für sämtliche Steuererklärungen für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die vom Schuldner bzw. seinen Organen noch nicht abgegeben worden sind, sowie für alle Steuererklärungen, die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzugeben sind.
301
Die Nichtabgabe von Steuererklärungen kann als Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO anzusehen sein (vgl. dazu im Einzelnen Rn. 801).
302
Gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 InsO treffen den Steuerpflichtigen bestimmte Berichtigungspflichten. Da der Insolvenzverwalter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Steuerpflichtigen gemäß § 33 Abs. 1 InsO i.V.m. § 34 Abs. 1 und Abs. 3 InsO wird, treffen ihn auch Berichtigungspflichten (vgl. zur Berichtigung gemäß § 153 AO Rn. 580ff.).
303
Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen, um Unrichtigkeiten in den vom Schuldner bzw. seinen Organen bereits abgegebenen Steuererklärungen aufzudecken. Arbeitet der Insolvenzverwalter allerdings die Geschäftsunterlagen des Schuldners durch, z.B. um den Forderungseinzug durchzuführen oder Sachverhalte zu ermitteln, die der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129ff. InsO unterliegen, wird er dabei möglicherweise feststellen, dass in der Vergangenheit Sachverhalte nicht, nicht vollständig oder nicht zutreffend verbucht worden sind. In diesem Moment hat der Insolvenzverwalter Kenntnis von der unrichtigen Sachbehandlung durch den Schuldner, sodass ihn – bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen – gemäß § 153 AO eine Berichtigungspflicht trifft, auch wenn er die Geschäftsunterlagen aus völlig anderen Motiven durchgesehen hat.
304
Hat der Schuldner Schätzungen hingenommen, so hat der Insolvenzverwalter zu prüfen, ob die von der Finanzverwaltung durchgeführte Schätzung zu einem zu hohen steuerlichen Ergebnis geführt hat. In diesem Falle besteht das Risiko, dass der Insolvenzverwalter sich gegenüber den anderen Gläubigern gemäß § 60 Abs. 1 InsO schadensersatzpflichtig macht, wenn er zu hohe Steuerforderungen feststellt.
305
Der Insolvenzverwalter ist auch steuerverfahrensrechtlich nicht verpflichtet, die zurückliegende Buchhaltung des Schuldners dahin durchzuarbeiten, ob dieser unzutreffende Angaben gemacht hat. So ist der Insolvenzverwalter z.B. nicht verpflichtet, anhand der amtlichen Richtsatzsammlung, die sich als besondere Form der Schätzung darstellt (vgl. dazu Rn. 705ff.), die Angaben zu überprüfen.
306
Bei Kapitalgesellschaften können sich durchaus parallele Interessen des Insolvenzverwalters und der Finanzverwaltung ergeben. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG mindern verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, das Einkommen nicht.
307
Hintergrund der sog. „verdeckten Gewinnausschüttung“ ist, dass die Körperschaft aufgrund einer „verdeckten Einkünfteverteilung“ einen zu niedrigen Jahresüberschuss ausweist, weil sie eine Zuwendung an den Anteilseigner (z.B. das überhöhte Gehalt) zu Unrecht als Betriebsausgabe behandelt hat. Ebenfalls kann es zu einer verdeckten Gewinnausschüttung kommen, weil die Körperschaft zugunsten des Gesellschafters auf Betriebseinnahmen verzichtet hat. Dies kann durch Gewährung eines zinslosen Darlehens, Verkauf von Wirtschaftsgütern zu marktunüblich niedrigen Preisen etc. erfolgen.75
308
Ebenso wie die Finanzverwaltung aus Sachverhalten, die sich als verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, die zu treffenden steuerrechtlichen Konsequenzen zu ziehen hat, hat der Insolvenzverwalter zu prüfen, ob es sich bei diesen Sachverhalten um Verstöße gegen Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts handelt. So darf gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG dürfen den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG erstattet werden. Bei der Aktiengesellschaft haben die Aktionäre gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren.
309
Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften darf im Ergebnis an die Gesellschafter nur ein festgestellter Bilanzgewinn ausgeschüttet werden. Wurde dagegen – sei es offen, sei es verdeckt – verstoßen, so hat das Organ bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter Rückforderungsansprüche gegen die Gesellschafter geltend zu machen. Unterlässt er dies, macht er sich gemäß § 60 Abs. 1 InsO gegenüber der Gläubigergemeinschaft schadensersatzpflichtig. Erkennt er vor der Finanzverwaltung, dass bei dem später insolventen Unternehmen verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen worden sind, so hat er dies zu korrigieren.
2. Umsatzsteuer
310
Bei der Umsatzsteuer hat der Insolvenzverwalter insbesondere (a) Korrekturen aufgrund von Rechtsprechungsänderungen sowie (b) Korrekturen aufgrund von Insolvenzanfechtungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird auf die (c) Schädigung des Umsatzsteueraufkommens eingegangen.
a) Korrekturen aufgrund Rechtsprechungsänderung
311
Der Insolvenzverwalter hat eine geänderte Rechtsprechung zu berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass er sich durch den Besuch geeigneter Fortbildungsveranstaltungen, Lektüre von Fachzeitschriften sowie Auswertung der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte auf dem aktuellen Stand der Rechtsentwicklung hält. Nachfolgend soll aus drei Beispielen aus dem Bereich des Umsatzsteuerrechts dargestellt werden, welche Konsequenzen sich für den Insolvenzverwalter ergeben können:
aa) BFH, Urteil vom 29.1.2009 – V R 64/07
312
Es zählt zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters, einen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Forderungsbestand des Schuldners einzuziehen.
313
Früher bestand die einhellige Auffassung, dass die in der eingezogenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer Insolvenzforderung (§ 38 InsO) sei, da der maßgebliche Lebenssachverhalt (Erbringung der Lieferung oder sonstigen Leistung) vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lag.
314
Diese Praxis wurde durch den BFH beendet. Bei der für die Leistung entstehenden Umsatzsteuer handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Ist-Besteuerung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG Entgelte für Leistungen, die bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht wurden, vereinnahmt.76
315
Im Hinblick darauf, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, die Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) von Amts wegen zu ermitteln, hat er die Entscheidung umzusetzen. Erklärt der Insolvenzverwalter hinsichtlich des nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Forderungseinzugs im Falle der Ist-Besteuerung die darin enthaltene Umsatzsteuer nicht, so ist der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO gegeben.
316
Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des BFH (Urt. v. 29.1.2009 – V R 64/07) lediglich für Steuerpflichtige gelten sollte, die der Ist-Besteuerung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG i.V.m. § 20 UStG unterliegen, sind diese Fälle allerdings in der Praxis, weil grundsätzlich die Soll-Besteuerung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG i.V.m. § 13 UStG gilt, lediglich von geringer wirtschaftlicher Bedeutung. Die Entscheidung des BFH (Urt. v. 29.1.2009 – V R 64/07) hat aber eine bahnbrechende Änderung der Rechtsprechung des BFH im Umsatzsteuerrecht in der Insolvenz vorbereitet.
317
Seitens der Insolvenzverwalter wurde zum Teil versucht, die Privilegierung der Finanzverwaltung durch diese Rechtsprechung durch einen Wechsel von der Ist- zur Soll-Besteuerung zu unterlaufen, was allerdings sogleich von der Finanzverwaltung durch Erlasse sanktioniert worden ist.77
bb) BFH, Urteil vom 9.12.2010 – V R 22/10
318
Die Entscheidung des BFH (Urt. v. 29.1.2009 – V R 64/07) betraf lediglich die Unternehmer, die der Ist-Besteuerung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG i.V.m. § 20 UStG unterliegen.
319
Der BFH hat dann wenig später entschieden, dass es durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile kommt. Daher ist zwischen der Insolvenzmasse und der Vermögensmasse „Altunternehmen“ sowie ggf. dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen zu unterscheiden. Dies beeinträchtige aber den Grundsatz der Unternehmenseinheit nicht, da ausreiche, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht. Aus dieser Aufteilung in mehrere Unternehmensteile folgt nach der Rechtsprechung des BFH, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Berichtigung der Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung erfolgt und eine weitere Berichtigung gemäß § 17 UStG im Zeitpunkt der Vereinnahmung durch den Insolvenzverwalter erforderlich ist. Der BFH hält die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung aus Rechtsgründen für uneinbringlich, da der Schuldner die Befugnis verliert, die Forderung einzuziehen.78
320
Diese mehrfach bestätigte Rechtsprechung79 ist nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums für Insolvenzverfahren anwendbar, die ab dem 1.1.2012 eröffnet worden sind.80
321
Diese Rechtsauffassung ist nach der Rechtsprechung des BFH auch auf die Eigenverwaltung gem. §§ 270ff. InsO a.F. anwendbar.81 Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, die Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO von Amts wegen zu ermitteln. Erklärt der Insolvenzverwalter in den zu fertigenden Voranmeldungen bzw. Jahreserklärungen nicht die aus der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10) sich ergebenden Beträge, so ist der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO gegeben.
cc) BFH, Urteil vom 15.4.2015 – V R 44/14
322
Bevor der Insolvenzverwalter die Schlussverteilung vornimmt, versucht er bei der Finanzverwaltung den Vorsteuerbetrag aus seiner Vergütung zu realisieren. Unterlässt er dies, macht er sich gegenüber der Gläubigergesamtheit wegen eines hohen Minderungsschadens schadensersatzpflichtig. Der Insolvenzverwalter handelt bei der Geltendmachung des Vorsteueranspruchs kraft Amtes gemäß § 34 Abs. 3 AO für das schuldnerische Unternehmen und trägt daher die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen (Ziff. 5.2 Abs. 2 Satz 4 UStAE).
323
Ein Vorsteuerabzug kommt lediglich bei Leistungen an das Unternehmen in Betracht. Die Leistung muss gemäß Ziff. 15.2 Abs. 17 Satz 1 UStAE in die unternehmerische Sphäre des Unternehmers eingehen.82
324
Für die Frage, ob eine Leistung für das Unternehmen vorliegt, sind gemäß Ziff. 15.2 Abs. 17 Satz 4 UStAE grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Umsatzes an den Unternehmer maßgebend.83
325
Als Nachweis dafür, dass die Leistung für das Unternehmen bezogen wurde, sind gemäß Ziff. 15.2 Abs. 18 Satz 1 UStAE zutreffende Angaben des leistenden Unternehmers über Art und Umfang der von ihm ausgeführten Leistungen in der Rechnung erforderlich.
326
Wird ein Umsatz sowohl für das Unternehmen als auch für Zwecke ausgeführt, die außerhalb des Unternehmens liegen, trifft Ziff. 15.2 Abs. 21 UStAE eine gesonderte Regelung. Bei sonstigen Leistungen ist die darauf entfallende Steuer entsprechend dem Verwendungszweck in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Anteil aufzuteilen.84
327
Grundsätzlich ist zwischen zwei Ausgangskonstellationen zu unterscheiden: Der Insolvenzverwalter wird im Rahmen seiner Tätigkeit für das unternehmerische und nicht unternehmerische Vermögen des Schuldners tätig, insbesondere bei natürlichen Personen. Darüber hinaus kann der Insolvenzverwalter auch für einen Schuldner tätig werden, der zum Teil umsatzsteuerpflichtige und zum Teil umsatzsteuerbefreite Leistungen erbringt.
328
Wird der Insolvenzverwalter nicht nur mit der Verwaltung und Verwertung von unternehmerischem Vermögen, sondern auch von privatem Vermögen des Insolvenzschuldners betraut, ist für den Steuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlich, dass die Leistung des Verwalters für das Unternehmen des Schuldners erfolgt. Unterliegt auch das Privatvermögen dem Insolvenzverfahren, so ist die Vorsteuer in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Anteil aufzuteilen.85
329
Ein Aufteilungsmaßstab wurde von der Finanzverwaltung bislang nicht vorgegeben, sodass dieser vom Steuerpflichtigen bzw. dem Insolvenzverwalter selbst zu ermitteln war. Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung des Insolvenzverwalters lediglich einheitlich fest und nimmt keine Unterscheidung nach den verschiedenen Tätigkeiten des Insolvenzverwalters vor. Die Praxis nahm daher zum Teil eine prozentuale Aufteilung in der Weise vor, dass die Erlöse aus der Verwertung des Betriebsvermögens und die Erlöse aus der Verwertung des Privatvermögens ins Verhältnis gesetzt und in diesem Verhältnis die Insolvenzverwaltervergütung und die mit ihr im Zusammenhang stehende Vorsteuer aufgeteilt wurden.
330
Die Orientierung erfolgte daher zunächst nach den Aktiva des Insolvenzverfahrens. Diesen Ansatz hat der BFH allerdings verworfen. Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung der Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmens als auch der Befriedigung von dessen Privatverbindlichkeiten, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderung geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.86
331
Der BFH folgt damit der Rechtsprechung des BGH, der im Rahmen der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Insolvenzverwaltervergütung festgestellt hatte, dass eine zu erwartende Umsatzsteuererstattung an die Insolvenzmasse wegen des Vorsteuerabzugs hinsichtlich der festzusetzenden Vergütung des Verwalters nur in der Höhe zu berücksichtigen ist, die sich aus der ohne Vorsteuererstattung berechneten Vergütung ergibt. Die im Hinblick auf die Insolvenzverwaltervergütung erforderliche Aufteilung der Vorsteuern für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners dienen, soll sich nach der Rechtsprechung des BGH nach der Quote der betrieblichen Insolvenzforderungen an den Gesamtverbindlichkeiten richten.87
332
Der Insolvenzverwalter wird im Rahmen der Berechnung der Verwaltervergütung sowie der abschließenden Erstellung der Umsatzsteuererklärung eine besondere Sorgfalt anwenden. Macht der Insolvenzverwalter Vorsteuer in zu geringer Höhe geltend, wird dadurch nicht nur seine aus der Insolvenzmasse zu entnehmende Vergütung geringer, sondern er schädigt damit zugleich auch die Insolvenzgläubiger, da sich deren Quotenaussicht vermindert. Der Insolvenzverwalter muss daher damit rechnen, dass er gläubigerseits gemäß § 60 InsO in Haftung genommen wird. Setzt der Insolvenzverwalter allerdings den Vorsteuerbetrag unzutreffend hoch an, so ist damit der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO gegeben.
333
In der Praxis hat sich daher die Empfehlung herausgebildet, dass der Insolvenzverwalter den Aufteilungsmaßstab ermittelt und zugleich mit der Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. der Umsatzsteuer-Jahreserklärung gegenüber der Finanzverwaltung den Aufteilungsmaßstab dokumentiert. Hat der Insolvenzverwalter den Sachverhalt gegenüber der Finanzverwaltung offengelegt, fehlt es bereits am objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO, selbst wenn die steuerrechtliche Würdigung durch den Insolvenzverwalter und die Finanzverwaltung auseinanderliegen.
334
Ist der Insolvenzverwalter ausschließlich für einen unternehmerisch tätigen Schuldner tätig geworden, der keine nicht unternehmerische Sphäre hat, z.B. eine Kapitalgesellschaft, so bedeutet dies gleichwohl noch nicht, dass der Vorsteuerabzug in voller Höhe für die Insolvenzmasse geltend gemacht werden kann. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug die Steuer für die Lieferungen und sonstigen Leistungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet. Erzielt z.B. ein Arzt einen Teil seiner Umsätze durch die Erstellung von Gutachten und zum Teil durch die Erbringung von Heilbehandlungen, so sind lediglich die Umsätze aus den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gemäß § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit, während die Umsätze aus der Fertigung der Gutachten keiner Umsatzsteuerbefreiung zugänglich sind. In diesem Falle hat auch eine Aufteilung der Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 2 UStG zu erfolgen.
335
Auch diese Aufteilung ist durch den Insolvenzverwalter im Rahmen der Schlussrechnungslegung sowie der damit einhergehenden Erstellung des Vergütungsantrags sowie der abschließenden Umsatzsteuererklärung vorzunehmen.